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Nachdenkliches

bedingungsloses Vertrauen (Wim Wenders 2008)

Bedingungsloses Vertrauen :

Einfach alles zu teilen, das Gute und das Schlechte, jeden Frust, jede Angst, jede Freude, aber auch das Beten, das ist tausendmal besser als jeder Sex. Wo doch viele Leute Ehe und Liebe daran messen, ob ein Paar guten Sex hat. Wichtiger ist, dass man ein bedingungsloses Vertrauen zueinander findet, dass man immer noch offener sein kann. Auch dem Sex tut es übrigens gut, wenn nicht alles davon abhängt!

Wim Wenders, Filmemacher, in ‘chrismon’ 12/2008


Wenders im Jahr 2008 (Thiago Piccoli – originally posted to Flickr as wim wenders )

Auch wenn ich das mit dem Beten nicht teil, alles andere – wohl gesagt, geschätzter Herr Wenders … ‘ bedingungsloses Vertrauen ’, fragte mich jemand, was macht denn deine Beziehung aus, das wäre wohl eine der schönsten Antworten, die ich geben könnte …

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Nachdenkliches

Paradies der Kindheit und von heute

Heute erzähl ich ein wenig über mich. Mein Paradies der Kindheit. Ein klein wenig. Mir ist gerade danach.

Ich hatte eine glückliche Kindheit. Die ersten sechs Jahre meines Lebens – kein anderer Begriff als ‘Paradies der Kindheit’ kommt mir in den Sinn. Meine Eltern wohnte in einer kleinen Dachgeschoss-Wohnung, draußen am Kleinstadtrand.

Onkel Brenner, mein großer Held. Der nachmittags, wenn er von der Arbeit in der Korkfabrik kam, sofort stürmisch begrüßt wurde. Schon lange hatte ich wohl am Gitter in der ersten Etage gewartet, beim ersten Geräusch seines Schlüssels in der Haustür ‘Onkel Bemmer bim bim’ gerufen. Kindlicher Sprachfehler, noch jahrelang wurde ich damit geneckt.

Sein nachmittäglicher Kaffee mit einem Stück frisch gebackenen Königskuchen, in der ‘kleinen Stube’. Danach eine Zigarre aus einer dieser tollen spannenden Holzkistchen mit den bunten Aufklebern. Mein Königreich, wenn ich auf seinem Schoss sitzen, die Welt um ihn, um mich herum lachend bestaunen durfte.

Tante Brenner, gutmütige liebe Frau im Hintergrund. Die tagsüber in der Küche stand, ich sobald ich durfte immer um sie herum, zwischen Herd Spüle und Küchentisch herumflitzend. Zum Entdecken oder Naschen gab’s immer was …

Der Kindergarten um die Ecke, mit dem damals ganz bestimmt größten Spielplatz der Welt. Und mit Tante Irene, die immer die allertollsten Dampfnudeln machte, mit heißen Sauerkirschen.

Onkel Brenner, der wenn es dann zu kalt, zu nass oder zu dunkel für den Garten war, in seine Werkstatt ging. Ein eigentümliches Reich, vollgestopft mir Regalen, Kästen und Kästchen, mit den seltsamsten Geräten und komischen Dingern. Die er mir geduldig und gutmütig alles erklärte, während er Uhren reparierte, Dinge machte die ich nicht verstand – oder mir Spielzeug baute, wie den Tunnel für die Eisenbahn.

Aber wenn und sobald es trocken war, ging es hinaus in den Garten. Durch die Waschküche, vorbei an der Werkstatt, am Außenklo. Direkt neben dem Haus stand ein Haselnussstrauch, so riesig, dass ich mich gerne darin versteckte. Daneben der Hühner-Hock mit riesigem Auslauf – und dem großen Gegacker, wenn Tante Brenner morgens die Eier holte. Der Schuppen an der anderen Seite des Gartentors, dunkelgrün gestrichen wie die Minze, die an der schattigeren Seite wuchs, nach der im Herbst der ganze Hof so süßlich-frisch roch.

Ulli in seinem Paradies der Kindheit - Brenners Garten
Ulli 1963 in Brenners Garten

Der so unendlich groß und lang scheinende Garten. Die Karnickelställe, mit Mümmelchen und Hansi. Die immer irgendwann im Winter verschwanden, um im Frühjahr, mit etwas anderem Fell, leicht anderen Farben, wieder aufzutauchen. Die Obstbäume im Garten, Äpfel, Walnuss und Birnen, mit lustigen grün-weißen klebrigen Binden um den Bauch. Die kleinen Gräben links und rechts zu den Nachbarn. Weiter hinten, hinter Johannis- und Stachelbeer-Büschen, der Gemüsegarten. Mit lustigen bizarren Gestellen aus langen Ästen, an denen die Stangenbohnen wuchsen, daneben die Erbsen, Lauch, Kohl, Salat.

Dahinter die Bäke, letztes Spiel-Terrain vor dem verbotenen Land, großes Abenteuer Wasser-Stauen. Aber ja nicht über den Steg krabbeln! Streng verboten! Gegenüber, das gefährliche Moor. Niemals darfst du dahin, hatten die Eltern mir eingeprägt. ich war brav, hielt mich daran. Zu groß war die Angst vor den Moorleichen.

Ja, ich hatte wahrlich eine glückliche Kindheit. Meine Welt war riesengroß, vielfarbig, lebendig, und voller Zukunft.
Nur – ich hatte mein paradiesisches Riesen-Königreich für mich allein. Mein Paradies der Kindheit. Was ich nicht hatte, war ein Freund.

Heute, viele viele Jahre später.
Meine Welt ist immer noch recht vielfarbig, wenn auch einige Grenzen sichtbar wurden. Lebendig, und immer noch voller Zukunft. Ich habe Erinnerungen an eine glückliche Kindheit, und ein Urvertrauen an das Gute im Menschen – wohl das Geschenk, das Brenners mir für mein Leben machten.

Und ich habe ein glückliches Leben, mit einem Mann, der die Liebe meines Lebens ist – und zugleich mein bester Freund.

Für F.
Und für M., R., St. und T. die mir Freund sind.

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Nachdenkliches

so viel Leben

Warum bloggst du eigentlich?
Warum machst du dir so viel Arbeit damit?

Gute Frage.
Warum?

Warum schreibe ich dies alles? Und warum gerade diese Themen?

In meinen Jugendjahren fühlte ich mich lange einem anderen Jungen sehr nahe. Und doch, es gab eine zunehmend bewusst werdende Grenze zwischen uns. Dass diese Grenze auch auf den Namen ’schwul’ hört, begriff ich erst spät, mit 17, 18. Bis zum ersten Sex mit einem (anderen) Mann dauerte es dann nicht mehr lange. Bis ich mit meinem Schwulsein offen und selbstbewusst umging, brauchte es schon etwas länger, einige schmerzvolle und viele schöne liebevolle Erfahrungen.

Bald war ich glücklich in der Welt schwulen Großstadtlebens angekommen. Fand meinen Platz, auch in schwulen Bewegungen. Fand meinen, den Mann für’s Leben. Einen Freundeskreis, ein Mann, ein Zuhause – glückliche Jahre. Doch vier Buchstaben standen bald düster am Horizont, drohten alle glücklichen Welten schwulen Großstadt-Lebens in kürzester Zeit zu zerschmettern. Das vierbuchstabige Schreckgespenst wurde bald auch zur dreibuchstabigen eigenen Realität. Freunde, Bekannte starben, Welten brachen zusammen. Mein eigener Körper sagte langsam ‘adieu’. Neue Hoffnung kam. Machte das Leben wieder und anders lebens-, liebenswert.

Das Bemühen um gesellschaftliches und persönliches Leben mit HIV und Aids wurde notgedrungen zum Bestandteil meines Lebens. Das Bemühen um glückliches schwules Leben blieb immer …

All dies hat sich zeit meines Lebens in Buchstaben und Worten, geschriebenen Worten niedergeschlagen, in Briefen, Tagebüchern, Flugblättern, Texten und Informationsschriften. Und seit einiger Zeit im Blog.

Das ist alles. Mehr nicht.

Oder noch viel mehr? Oder doch, eines noch: Seit langem mag ich’s sehr gerne:

… but the fool on the hill sees the sun going down and the eyes in his head see the world spinning round
(the fool on the hill)

There’s so much world to see
(moonriver)

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ondamaris Texte zu HIV & Aids Persönliches

Du bist nicht allein …

du bist nicht allein
du bist nicht allein

yalniz degilsin

demnächst mehr …(in “zusammen gegen Homophobie und Rassismus)”

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Nachdenkliches

gemalte Gefühle

Zu Musik und Kunst habe ich ein eigenwilliges Verhältnis. Leider bin ich an beide in meiner Jugend nicht heran geführt worden. Nun gut, es gab an der Schule Musik-Unterricht, wie auch Kunst-Unterricht.
An den Musik-Unterricht kann ich mich kaum erinnern, bis auf eine Vorführung eines Glasharfen-Spielers, die mich begeisterte. Und der Kunst-Unterricht gipfelte irgendwie immer in der Erkenntnis 1: ich kann nicht malen, und der Erkenntnis 2: die Kunst-Note ist für’s Abi nicht wichtig.

So ist mein Zugang zu Kunst wie zu (klassischer) Musik meist ein rein subjektiver, einer des ‘Gefallens’. Wobei ich dieses Kriterium als ein für mich persönlich sehr scharfes, verlässliches schätzen gelernt habe.

Dieses ‘Gefallen’ äußert sich bei Musik und Kunst leicht unterschiedlich.
Bei Kunst meistens darin, ob ein Werk mich berührt, ob mein Herz aufgeht, ich Gefühle spüre, gern auch Irritation. Kunst muss nicht ’schön’ sein – aber wenn sie mich irritiert, mich aus meinen Gewohnheiten reißt, mir einen neuen, unbekannten Blickwinkel öffnet, das begeistert mich. Oder wenn sie, wie beim geschätzten Freund Thomas, Gefühle Erfahrungen Situationen in einem Objekt ausdrückt, für die ich kein einziges, erst recht nicht hundert zutreffende Worte finden könnte (’was bleibt‘).

Bei Musik hingegen bemerke ich dieses ‘Gefallen’ an mir oftmals , wenn ich plötzlich unbewusst meine Augen schließe, die Alltagsrealität entschwindet, die Musik mich auf eine Reise nimmt. Bilder vor mir auftauchen, von Tönen gemalt – bei ‘Kaufhaus-Musik’ genauso wie ‘Stausauger-Musik’ geschieht dies nie, deswegen ist sie vielleicht hübsch, letztlich aber eher zweckmäßig. Keine großen Gefühle, Bilder.
Besonders intensiv kann dieses Moment der Entschwindens sein bei Stücken oder Komponisten, die ich nicht kenne (was bei klassischer Musik nicht so schwer ist …). Die Überraschung. Die plötzliche Reise in unbekanntes Land. Zuletzt ist mir dies intensiv geschehen bei einem Konzert von Prodromos Symeonidis am geschätzten Eisler, “Vingt regards sur l’enfant Jesus’ von Olivier Messiaen (”Ich schlafe aber mein Herz wacht“). Und heute Vormittag, statt des sonntäglich zelebrierten Frühstücks im Bett bei Sternstundern und Zeitungslektüre vergesse ich Lesen und Essen, sitze gebannt vor dem, was da aus der Hörmaschine kommt, Charles-Marie Widor “Symphonie Nr. 5″. Danke.

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Nachdenkliches

Sartre in Stammheim

Am 4. Dezember 1974 besucht Jean-Paul Sartre in Stammheim Andreas Baader im Gefängnis. Eine lesenswerte Analyse von Wolfgang Kraushaar zeichnet Besuch, Wirkung und Hintergründe nach 34 Jahren nach.

Jean-Paul Sartre (21.6.1905 Paris – 15.4.1980 Paris), der französische Philosoph des Existenzialismus – was bringt ihn dazu, sich mit Andreas Baader zu treffen, dem seit Juni 1972 inhaftierten führenden Mann der RAF (’Rote Armee Fraktion’)? Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung spürt dem Hintergründen des Treffens nach, zeichnet ein Bild einer damals völlig polarisierten, erblindenden Gesellschaft.

1972. Die Gründer der ‘Roten Armee Fraktion’ (RAF), unter ihnen die bekanntesten Protagonisten Andreas Baader (in Jugendjahren von Herbert Tobias photographiert) und Ulrike Meinhof, sind verhaftet. Im Herbst 1974 führen die Gefangenen ihren inzwischen dritten Hungerstreik durch. Sie wollen auf ihre Lage aufmerksam machen, eine Verbesserung der Haftbedingungen erreichen, sehen die Hungerstreiks auch als Teil des politischen Kampfes.

Eines politischen Kampfes, der die westdeutsche Gesellschaft zunehmend in den Herbst führt. Die gesamte Gesellschaft, so schien es mir, kam nicht heraus aus einer einzigen gigantischen schwarz-weiß-Malerei. Entweder man war für die BRD, oder dagegen, entweder für strikteste Terrorbekämpfung bis zur Aufgabe demokratischer Grundprinzipien oder eben Terrorist.
Selbst im kleinstädtische Gymnasium, das ich damals besuchte, war die zunehmende Polarisierung, Hysterie spürbar, konkret erlebbar. Nicht nur in Nachrichten und Provinzblatt-’Journalismus’, sondern auch z.B. in Hetze und Ausgrenzung gegen vermeintlich ‘linke’ Lehrer oder Schüler. Wer sich gegen Bestehendes auflehnte, versuchte kritisch zu denken, war beinahe automatisch zumindest ‘Sympathisant’.

Deutschland im Herbst“, so ist nicht nur der Titel eines Films von 1978 über diese Jahre, sondern diese Formulierung beschreibt auch das Lebensgefühl in zunehmend antifreiheitlicher werdenden Rahmenbedingungen.
Hysterie, bewusst geschürte Ängste, Hetze gegen alles Andersdenken. Eine Zeit, in der differenziertes Denken, Abwägen, Hören nach Zwischentönen, Ausbrechen aus schwarz-weiß-Dogmen nicht gefragt waren, ja bekämpft wurden. Beide Seiten beharrten auf Konfrontation, Polarisierung. Menschlichkeit, Freiheit, Vielfalt – sie schienen damals oft wie kalte Fremdworte einer anderen Welt.

In einer solch polarisierten Zeit besucht Jean-Paul Sartre Andreas Baader im Gefängnis. Sartre in Stammheim – ein Besuch, der ein Fiasko wird, für Baader und die RAF erfolglos, für Sartre persönliche Blamage.

Wolfgang Kraushaar zeichnet die Geschichte und Ergebnisse dieses Besuches Sartres nach. Er verweist detailliert auf Hintergründe und Bezüge, Rahmenbedingungen und gesellschaftliches Klima.

Er fragt, was Sartre zu diesem Besuch bewogen haben mag. Kraushaar weist deutlich darauf hin, wie sehr Vorbehalte gegen die BRD auch ihre Berechtigung haben konnten, insbesondere angesichts anfänglich umfassender personeller Kontinuitäten zwischen NS-Regime und westdeutschen Regierungsorganen. Sartre andererseits wird wohl mehr als nur von RAF-Gefangenen und ihren Anwälten in “einen Hinterhalt” gelockt worden sein (wie Hans Mayer es formulierte), sah auch die Chance, eine kritische Position zu unterstützen. Differenzierte Kritik jedoch war damals, im deutschen Herbst, kaum möglich, Zwischentöne wurden nicht gehört – eine taube Gesellschaft, die in eine schwarz-weiße Polarisierung stolpern, manchmal stürmen wollte.

Deutschland im Herbst – Jahre, die bei mir noch jetzt, in der Erinnerung, beklemmende Gefühle wach werden lassen.
Hans Joachim Klein, damals Chauffeur Sartres und Croissants bei jenem Besuch in Stammheim, später am Überfall auf das OPEC-Treffen in Wien beteiligt, dann RAF-Aussteiger, nannte seine 1979 publizierten Erinnerungen bezeichnenderweise “Rückkehr in die Menschlichkeit”…

Wolfgang Kraushaar: Sartre in Stammheim
in: Lettre International (deutschsprachige Ausgabe) Nr. 80, Frühjahr 2008

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Nachdenkliches

Heimat

Was ist eigentlich deine Heimat?
Diese Frage wird ja gelegentlich gestellt, oder ‘heimatliche Gefühle’ für einen Ort, eine Region bekundet.

Nun, was ist meine Heimat?
Häufig ist ja zunächst ganz banal gemeint “wo kommst du her”.
Eigentlich aber geht es ja um die Frage wo fühle ich mich heimatlich, zuhause.

Nun, den Ort meiner Geburt und Jugendjahre, jene trostlose Kleinstadt-Tristesse, die für sich einst mit ‘Industriestadt im Grünen‘ warb, diesen Ort empfinde ich schon lange nicht mehr als meine ‘Heimat’ (habe ich es je?), eher als fremdes Universum. Heimat, das ist für mich sicherlich nicht mein Geburtsort.

Manchmal frage ich mich, ob ‘Heimat’ überhaupt für mich ein Ort ist? Oder ist Heimat für mich eher ein Gefühl? Ein Gefühl des Wohlbefindens, des sich-zuhause-Fühlens?

Eine erste Näherung an dieses Gefühl würde dann spontan lauten, Heimat ist wo mein Mann und ich zusammen sind. Er ist ein solch tief reichender Faktor des Wohlbefindens für mich, dass dieser Gedanke für mich offensichtlich scheint, dieser Zusammenhang zwischen Heimat und Partner. Vielleicht, nein sicherlich im Idealfall noch ergänzt um die Anwesenheit einiger uns jeweils oder gemeinsam wichtiger Freunde. Ja, das könnte eine Idee von Heimat sein (als Metapher habe ich das ja ansatzweise im ‘Wohnturm‘ angedeutet).

ohne Titel – heimat, Naneci Yurdagül, 2020 (Ausstellung ‚Horizonte‘, Germanisches Nationalmusem Nürnberg, August 2023)

Und doch – ist das alleiniger Faktor für Heimat?
Ganz offensichtlich für mich nicht, lehrt mich meine Erfahrung.

Ich kann mich lebhaft an einige kürzere und längere Auslands-Aufenthalte erinnern, die mir auf verschiedene Weise klar gemacht haben, dass zu Heimat mehr als ‘nur’ Menschen gehören – dass es überhaupt etwas wie Heimat gibt. Selbst mit dem Mann und guten Freunden zusammen würde ich wohl auf längere Sicht in z.B. in China oder Malaysia kein Gefühl von Heimat bekommen.

Eher vielleicht, so meine Erfahrung, ein Vermissen der selbigen. So mancher Auslandsaufenthalt erwies sich als den eigenen Horizont erweiterndes Erlebnis, machte mir in einigen Fällen jedoch auch bald klar, dass schon zu meinem Wohlbefinden auch andere Rahmenbedingungen gehören. Kultureller Kontext, Wertesystem – Stichworte, die mir in den Sinn kommen.

Partner und Freunde sowie kultureller Kontext, zwei mögliche Faktoren des Gefühls ‘Heimat’.
Kultureller Kontext, das ist letztlich assoziiert mit Raum, mit Region. Womit sich indirekt letztlich doch wieder die Frage des Ortes stellt. Vielleicht muss es nur nicht ein einziger Ort sein.

Berlin, Hamburg, Köln, mit allen drei Orten verbinde ich unterschiedlich heimatliche Gefühle.
Ich freue mich bei jeder Abwesenheit wieder sehr auf Berlin, auf die Stadt, darauf einige mir sehr wichtige Menschen im Alltag um mich haben zu können, gemeinsam essen oder in’s Kino zu gehen, spazieren, plaudern, sich spontan treffen und Zeit gemeinsam verbringen. Und doch – der Mann fehlt, denn der lebt in Köln.
So bleibt Berlin derzeit eine Art ‘Heimat ohne Mittelpunkt’. Köln, eine Stadt, zu der per se ich heimatliche Gefühle im Sinne eines Wohlfühlens in der Stadt so gar nicht habe, wohl aber: sie ist der Mittelpunkt der Welt, wenn er und ich dort zusammen sind.
Für diese ‘gespaltene Heimat’ sind in der Beziehung längst lebbare und pragmatische Wege gefunden. Als schwieriger erweist sich der Kontakt zu Freunden abseits von Berlin. Freundschaft will gepflegt, gelebt werden, erst recht wenn sie vielleicht gerade am Entstehen ist – nicht leicht über 300 oder 600 km Distanz. Ob Tobias oder Uwe, oft bleibt eine Sehnsucht, sich mit nicht-Berliner Freunden einfach, unkompliziert sehen zu können, dann wenn einem der Sinn danach ist, mit Zeit – nicht wann und wie es Kalender und Termine zulassen.
Berlin, Köln und Hamburg in einer Stadt – das wäre für mich nicht nur in dieser Hinsicht persönlich eine feine Lösung … und könnte vielleicht ‘Heimat’ sein.

Heimat – was ist das? In einigen Näherungen gehören sicher Mann und Freunde, kultureller Kontext und, ja, Orte dazu. Allerdings, Heimat ist für mich bisher nichts Statisches. Heimat ist für mich ein Gefühl, das sich noch immer in den vergangenen Jahren geändert, weiter entwickelt hat.

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Erinnerungen

Gestatten, mein Name ist Teddy

Nun gut, es ist also Teddybärenwoche …

Nun, mein Teddy heißt einfach “Teddy” und hatte nie einen besonderen Namen, meine Phantasie oder Sprachbegabung reichte damals wohl noch nicht sehr weit 😉 .

Allerdings – auch heute hat Teddy immer noch seinen Ehrenplatz in der Wohnung – auch wenn er normalerweise selten am Notebook sitzt ;-) .

Ob Teddy damals schon schwul war? Keine Ahnung, hab ihn nie gefragt, auch ohne es zu wissen war er heiß geliebt. Allerdings, im Gegensatz zum gut gekleideten ‘Martin‘ war Teddy immer schon nackt … und weist einige benutzungsbedingte Flick-Spuren auf …

Und – die Familiengeschichte berichtet, Teddy sei ein geborener ‘Bärenmarke’ – einer der Werbe-Teddys, die es wohl zu der Zeit damals gab …

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Nachdenkliches

Der eine Mann für alles

“‘Eifersucht’, ‘Fremdgehen’, ich versteh das alles gar nicht. Ich will alles mit meinem Mann teilen, alles zusammen haben. Dann stellt sich diese Frage doch gar nicht”, mailt mir letztens ein Bekannter auf den Text zu Eifersucht. Und ich frage mich – “der eine Mann für alles“, gibt’s das im realen Leben?

Gibt es den ‘Mr. Right‘ für alles, den ‘one and only’? Kann ich ‘alles mit einem’ haben? Gibt es den einen Partner, der alle Facetten an mir abdeckt, mit dem ich alle Aspekte meiner Persönlichkeit leben, neue entdecken kann?

Dieses ‘einer für alles’, es ist eine oft propagierte Idee, eine die uns aus populären Liedern wie auch heterosexuellen Rollen-Klischees entgegen schimmert. Und es ist eine Idee, die ja auch der Eifersucht und ihrem impliziten Besitzanspruch des ‘ich will dich ganz’ und dem Verlangen nach sexueller Monogamie zugrunde liegen kann.

Ein Partner für alles, das ist auch die Vorstellung, die zumindest einem konservativen Verständnis von Ehe oftmals zugrunde zu liegen scheint. Der eine Partner, an den man sich für sein ganzes Leben bindet, und mit dem man alle wichtigen Dinge im Leben teilt.
Ein Verständnis, das -vielleicht zu leichtfertig- auch von Schwulen gerne übernommen wird. Und nicht erst seit Zeiten der Lebenspartnerschaft. So war z.B. gerade auch in manchen schwulen Szenen vor vielen Jahren (nein, eher schon Jahrzehnten) die Idee des ‘alter ego‘ beliebt, selbst eine Homosexuellen-Zeitschrift benannte sich nach ihr.

Alter ego, ein uralter Gedanke, schon auf Cicero zurückzuführen. Er sollte ein bestimmtes Verhältnis zum Freund zum Ausdruck bringen, ‘das andere ich’, Gedanken wie ‘zwei Seiten der selben Medaille sein’. Umgangssprachlich findet sich diese Idee übrigens auch bei Hetens auch heute immer noch wieder – mein Vater nannte meine Mutter oft ‘meine bessere Hälfte’ …

Mein Mann als ‘meine bessere Hälfte’, als mein ‘alter ego’, mein ‘einer Partner für alles’ – eine romantische Idee, die ich als wenig realistisch empfinde. Der die Gefahr des ‘Erdrückens’ innewohnt.
So sehr man sich wünschen mag, mit dem geliebten Partner (oder der Partnerin) völlig eins zu sein, sich ihm hinzugeben, nur mit ihm alles Bedeutende im Leben zu leben – es erweist sich zu oft als eine Utopie. Und eine Utopie, die sich zu einem gefährlichen Trugschluss erweisen kann, wenn ich an ihr als Ziel mein (Beziehungs-)leben ausrichte, erst recht wenn ich sie als Messlatte nehme und an ihr meinen Partner und sein Verhalten ‘messe’.

Der Mensch ist potenziell ein zu komplexes Wesen, zu facettenreich, um alle Nuancen seines Seins zusammen mit einem einzigen Menschen erfüllt entdecken und leben zu können. Es mag vielleicht den einen Mann im Leben geben, mit dem ich viele Qualitäten gemeinsam lebe, der der wichtigste Mensch in meinem Leben ist. Aber ist er ‘der eine für alles‘?

Mit meinem Mann teile ich vieles. Gemeinsame Wertvorstellungen z.B., eine weitgehend ähnliche Sicht auf viele Dinge, politische Grundhaltung, Menschenbild, auch manche Vorlieben von Essen über Sexualität bis Urlaubsgestaltung. Wir teilen bedeutende und weniger bedeutende Dinge, Fundamentales und Banales.
Doch – wir teilen nicht alles. Jeder hat auch sein eigenes Leben, seine eigenen Freundeskreise, seine eigenen Interessen.

Sicher, wir nähern uns im Laufe unserer Beziehung an einander an. Ich beobachte schon, dass Unterschiede zwischen uns im Laufe der Jahre weniger werden, Interessen sich annähern. Und doch – jeder bliebt ein unabhängiges, freies Wesen, eine eigene zu entwickelnde Existenz. Zwei Leben, die auf eine Einheit zielen, aber doch individuelle freie Existenzen bleiben.

Und hierin liegt meines Erachtens einer der Schlüssel einer erfüllten Beziehung: zu erkennen, dass Ziel einer Beziehung nicht ist, völlig mit dem Partner eins zu werden, zu verschmelzen. Sondern dass jeder eine eigenständige individuelle Persönlichkeit ist. Und vielleicht das schönste in einer Beziehung sein kann, den Partner liebend bei der Entdeckung seiner Existenz in Freiheit zu unterstützen.

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Nachdenkliches

Eifersucht

Eifersucht ? „Bist du eigentlich überhaupt nicht eifersüchtig, wenn dein Mann etwas mit ‘nem anderen hat?“, werde ich gelegentlich gefragt. Und muss meist mit einem überlegten ‘manchmal ja, aber’ antworten.

Ja, das Gefühl der Eifersucht ist auch meinem Mann, auch mir selbst nicht unbekannt. Aber wir haben in den vielen Jahren unserer Beziehung einige Dinge gelernt, über uns, unsere Liebe erfahren. Erfahrungen, die die Eifersucht eine immer kleinere Rolle spielen lassen.

Meist steht vor der Frage nach der Eifersucht ja zunächst die Frage nach der Treue in der Beziehung. ‘Seid ihr euch treu?
Und jedes mal antworte ich beherzt ‘ja!’. Denn ja, selbstverständlich bin ich meinem Mann treu.
Nur, Treue, was ist das? Meinen der Fragende und ich die gleiche Treue?

Meine Treue lässt sich vielleicht unter anderem in die Worte fassen ‘ich weiß, dass ich mit diesem Mann zusammen alt werden möchte’.
Der Fragende meint oftmals etwas völlig anderes. ‘Seid ihr euch sexuell treu’.
Dieser hinter der ‘Treue-Frage’ verborgene implizite Anspruch sexueller Monogamie ist kein Konzept, das für mich (oder auch für meinen Mann) realistisch lebbar wäre. Und auch kein erstrebenswertes Ziel. Wohlgemerkt, für uns beide. Jeder möge da seinen eigenen Weg finden.
Meine Treue heißt nicht, dass ich nicht auch andere Männer sexuell attraktiv finde und das auch lebe, dass ich nicht auch zu anderen Menschen emotionale Beziehungen aufbaue, seltener auch liebevolle Gefühle empfinde, vielleicht gar Hingabe.
Treue ist (zumindest für uns) nicht im Schwanz oder Arsch angesiedelt. Treue ist für uns ein Gefühl des Herzens und eine Einstellung zum Leben, zu uns.

Ja, aber trotzdem … ist denn da dann keine Eifersucht?
Eifersucht, was bedeutet denn dieses Wort?
Eifersucht, sagt ein etymologisches Wörterbuch, habe etwas zu tun mit dem ‘Argwohn gegen einen Nebenbuhler’. Womit wir schon bei einer der entscheidenden Fragen wären. Der ‘Nebenbuhler’. Steht hinter Eifersucht nicht gelegentlich auch ein mehr oder minder versteckter Besitzanspruch am anderen? Steht dahinter nicht gelegentlich das unausgesprochene Gefühl ‘ich will dich aber ganz für mich haben, ich ganz allein, mit dir ganz allein’?
Nur – kann dieser implizite Besitzanspruch funktionieren? Kann ich einen Menschen besitzen? Zumindest in meiner Vorstellung von Beziehung (wie auch anderen Formen des Miteinanders wie Freundschaft) nicht – wir sind freiwllig, jeder aus eigenem freien Entschluss mit einander zusammen.

Nebenbei, fast könnte man dabei auf den Gedanken kommen, das Konzept der Eifersucht berge eine kräftige Prise Heterosexismus in sich. Immerhin könnte sich hinter der Idee des Besitzanspruchs ja gerade auch derjenige Besitzanspruch verbergen, der (in heterosexuellen Beziehungen) die Ehefrau als ‘Eigentum’ des Mannes betrachtet hat. Dass schwule Männer die Chance haben, jederzeit aus freiem Entschluss zusammen zu sein, ohne Zwänge welcher Art auch immer (ob sie nun aus Besitzanspruch, Kindern oder irgendwelchen Papieren resultieren), diese Freiheit zum Miteinander habe ich immer als eine der großen Chancen schwuler Beziehungen empfunden.

Dennoch, Eifersucht findet statt.
Wenn ich Gefühle der Eifersucht habe, oder mein Partner, wie geht es mir oder ihm dann? Fühlt er sich herabgesetzt? Oder gar gedemütigt? Fürchtet er Konkurrenz? Eine Konkurrenz gar, der er sich vielleicht nicht gewachsen wähnt? Hat er Gefühle eigener Unzulänglichkeit (’was hat er, was ich nicht habe’)?
Gefühle von Eifersucht, das habe ich in unseren gemeinsamen Jahren mühsam gelernt, haben auch damit zu tun, welches Gefühl ich zu mir selbst habe. Wie stabil oder instabil gerade mein Selbstvertrauen, mein Selbstwertgefühl ausgeprägt sind. Fühle ich mich stark, selbstbewusst, habe ich auch keine Angst, mein Partner könne mich verlassen, nur weil ein anderer vielleicht auch etwas Anziehendes für ihn hat.

Nun hat wohl niemand nur Phasen, in denen er vor Selbstvertrauen strotzt. Aber es gibt viele Wege, wie ich mir und meinem Mann helfen kann, mit emotionalen Situationen wie Eifersucht umzugehen.
Ich kann ihm z.B. klar machen, ihn fühlen lassen, dass der andere vielleicht zwar einen schönen Arsch (oder etwas anderes für mich Anziehendes) hat, ich ihn aber deswegen noch längst nicht ‘heiraten’ will. Oder ihm die Angst vor dem ‘großen Unbekannten’ nehmen, indem ich dem ‘anderen’ ein Gesicht gebe, meinem Mann z.B. sein Dating-Profil zeige, oder beide sich kennen lernen lasse. Den ‘anderen’ zu kennen kann viele Ängste nehmen.
Wir beide sind Partner, können uns gegenseitig viel helfen Selbstsicherheit zu gewinnen, Ängste und Unsicherheiten abzubauen. Vertrauen und Selbstsicherheit gehen meiner Erfahrung nach oftmals Hand in Hand.

Und Vertrauen und Selbstvertrauen sind Gefühle, die in einer Beziehung mit der Zeit wachsen, zunehmen. Wenn man sich auch auf ’schwierige’ Situationen einlässt, sie miteinander lebt. Probleme zu umgehen mag eine Strategie sein. Doch vermeidet sie nicht letztlich nur Risiken, und damit Erfahrungen, um eigener Ängste willen? Und macht so die Chance auf die Erfahrung größeren Vertrauens unmöglich?
Dieses erfahrungsbasierte, tief gehende Vertrauen in einander setzt eben auch die gemeinsam gemachten Erfahrungen voraus. Ein tiefer werdendes Vertrauen, das Gefühlen von Eifersucht zunehmend weniger Raum lässt.

Also, um auf die Frage „Ja, aber ist denn da keine Eifersucht bei euch?“ zurück zu kommen:
Oftmals nein, oftmals bin ich wirklich nicht eifersüchtig, wenn mein Mann etwas mit einem anderen Mann hat. Und ja, gelegentlich habe ich da ein Gefühl, das mich zwickt. Aber ich fühle die Gewissheit, dass dieses Interesse an einem anderen Mann nicht unsere Beziehung gefährdet, ich bin mir meines Mannes sicher. Ich vertraue, und ich fühle, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Wir sind uns in unserer Liebe treu.