Am 28. Juni 1935 beschlossen die Nationalsozialisten in Deutschland die Verschärfung des Paragraph 175 . Insgesamt existierte der Paragraph 175 von seiner Einführung am 1. Januar 1872 bis zu seiner Abschaffung am 11. Juni 1994 über 122 Jahre.
Die Verschärfung des Paragraph 175, damals begründet u.a. mit einem Interesse an der “sittlichen Gesunderhaltung des Volkes”, trat mit Wirkung zum 1. September 1935 in Kraft. Schon gut ein Jahr später, am 10. Oktober 1936, wurde mit der ‚Reichszentrale für Homosexualität und Abtreibung‚ eine der zentralen bürokratischen Verfolgungsinstanzen geschaffen.
In der Bundesrepublik hatte die von den Nazis 1935 verschärfte Version des §175 unverändert bis 1969 Gültigkeit. Noch 1957 hielt das Bundesverfassungsgericht (u.a. unter Verweis auf die ’sittlichen Anschauungen des Volkes‘) den Paragraphen 175 in der NS-Fassung für verfassungsgemäß.
In der DDR galt ab 1950 Paragraph 175 in der Version vor der NS-Verschärfung.
Wikipedia erläutert die Verschärfung des Paragraph 175 :
“Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175, indem sie die Höchststrafe im Zuge einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen von vier Jahren auf fünf Jahre Gefängnis heraufsetzten. Durch Streichung des Adjektivs „widernatürlich“ wurde die traditionsreiche Beschränkung auf beischlafähnliche Handlungen aufgehoben. Der Straftatbestand war nun erfüllt, wenn „objektiv das allgemeine Schamgefühl verletzt und subjektiv die wollüstige Absicht vorhanden war, die Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten [zu] erregen“[6]. Eine gegenseitige Berührung war nicht mehr erforderlich. Darüber hinaus wurde – ähnlich wie bereits 1925 geplant – ein neuer § 175a geschaffen, der sogenannte qualifizierte Fälle als „schwere Unzucht“ mit Zuchthaus zwischen einem und zehn Jahren bestrafte. Hierzu zählten:
die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses
homosexuelle Handlungen mit Männern unter 21 Jahren
„widernatürliche Unzucht mit Tieren“
Paragraph 175 – Wortlaut ab 1935 bis 1969 (BRD) bzw. 1950 (DDR)
Der Paragraph 175 lautete ab der Verschärfung von 1935 (gem. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935. RGBl. I S. 839):
§ 175 (1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen. § 175a Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:
ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben, oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet. § 175b Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
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Kurt Hiller: ‚§175: Die Schmach des Jahrhunderts !‘ (1922)
„Es gibt kein ‚aber‘!“ – Mit diesen Worten steht Robert Badinter immer wieder ein für die Unbedingtheit des Verbots der Todesstrafe. 1981 hat Frankreich weitgehend ihm, damals Justizminister unter Mitterrand, die Abschaffung diskriminierender Gesetze gegen Homosexuelle zu verdanken.
Erst jüngst jährte sich in Deutschland ein beinahe schon vergessenes Jubiläum: am 11. Juni 1994 trat die Abschaffung des §175 in Kraft. Auch Frankreich hatte seine gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze. Und einen Mann, der bei der Abschaffung dieser (und anderer) Gesetze eine besondere Rolle hatte: der weit über Frankreich hinaus für seinen Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe bekannt gewordene Robert Badinter.
Es gibt Momente, Eindrücke, die sich ein für allemal ins Gedächtnis eingraben: die außerordentliche Ansprache des französischen Justizministers Robert Badinter am 17. September 1981 vor der Nationalversammlung in Paris, in der er für die Abschaffung der Todesstrafe plädierte, gehört zu ihnen. Dass diese Rede „außerordentlich“ war, basierte nicht nur auf der ein für allemal einmaligen Persönlichkeit des Redners, sondern auch an dem Thema und der Heftigkeit der Debatten, von der wir uns heute nur schwer ein Bild machen können. *)
Dass ich dieser Persönlichkeit vor wenigen Wochen bei einem Spaziergang im Luxemburggarten in einer Wegbiegung geradezu in die Arme lief, war Anstoß, sich anderer seiner Engagements zur Verteidigung der Würde des Menschen, gleich in welcher Form, zu erinnern:
Robert Badinter im Jardin du Luxembourg, Paris, Juni 2010 (Foto: Manfred)
Zwei Fakten nur, die den lebenslangen, er wurde 1928 geboren, nie nachlassenden Kampf eines Mannes -in anderem Zusammenhang würde man von einem „Gerechten – d’un juste“ sprechen- zur Erhaltung und zugunsten der Unantastbarkeit der Menschenwürde verdeutlichen.
In den darauf folgenden Jahren, in denen er u.a. auch von 1986 bis 1995 Präsident des Verfassungsrates war, und bis heute hat er nicht nachgelassen sich um Gesellschaftsfragen zu sorgen, aufmerksam zu verfolgen, welchen Lauf unsere Gesellschaft nimmt – oder welchen Entgleisungen sie ausgesetzt ist.
Er hat die von Frankreich offizielle Unterbreitung einer Erklärung vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die „Allgemeine Straffreiheit bei Homosexualität“ – „Pour une dépénalisation universelle de l’homosexualité » mitgetragen. Überhaupt: Fragen welche die „Sitten“ betreffen („les moeurs“ würde man in hier Frankreich sagen) finden bei ihm immer ein offenes Ohr. So ist es nicht selten, ihn von Zeit zu Zeit in einem Fernsehinterview zu sehen, oder ihm in einer Gesprächsrunde im Radio zu begegnen, in der er vor Tagen von einem Journalisten als „le sage des sages“ –der Weise unter den Weisen- vorgestellt wurde. Bei Grundsatzfragen wie z.B. die Erhaltung der Menschenrechte, die Unantastbarkeit der Menschenwürde scheint für ihn keine Diskussion möglich zu sein. Und das ist gut so. In einem kürzlichen Fernsehgespräch über die Abschaffung der Todesstrafe wagte eine seiner Gesprächspartnerinnen ein: „Natürlich, sie haben Recht. Aber …“ Wie ein Peitschenhieb kam seine Unterbrechung: „Non, Madame, il n’y a pas de mais!“ – Nein, Madame, es gibt kein Aber !“ Ende der Diskussion.
Hier ein kurzer Auszug aus der Rede von Robert Badinter – und welch ein Redner! – am 20. Dezember 1981 anlässlich der Abstimmung über die Straffreiheit bei Homosexualität:
« Diese Versammlung kennt die Art von Gesellschaft, die immer von Willkür, von Eigenmächtigkeit, Intoleranz gekennzeichnet war. Der Fanatismus oder der Rassismus haben ständig Jagd auf die Homosexualität gemacht. Eine solche Diskriminierung, diese Unterdrückung sind unvereinbar mit den Prinzipien eines großen Landes der Freiheit wie das unsere. Es ist endlich an der Zeit sich bewusst zu werden, was Frankreich den Homosexuellen schuldet, wie allen anderen Bürgern in vielen Bereichen.
Monsieur – oserais-je un cher Monsieur? car vous êtes cher à mon coeur – Merci.
Manfred
*) Seine Bemühungen, sein regelrechter Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe hat eigentlich schon 1972 (siehe: Wikipedia) begonnen.
** Unter seinen vielen Veröffentlichen befindet sich auch ein Buch über „Oscar Wilde – oder die Ungerechtigkeit“
Merci – vielen Dank an Manfred für diese Würdigung Robert Badinters‘ !
“we’re part of a vast rebellion of all the repressed” – mit diesen Worten beschreibt der US-amerikanische Schriftsteller Edmund White in einem Brief, was sich Ende Juni 1969 am New Yorker Stonewall Inn abspielte – den Beginn dessen, was heute als CSD gefeiert wird.
Die CSD-Saison hat bereits begonnen, viele größere und kleine Städte feiern wieder den “Christopher Street Day”. Feiern – und über das Feiern ist der Ursprung dessen, was heute Selbstverständlichkeit scheint, weitgehend in Vergessenheit geraten: das Aufbegehren von Schwulen gegen Polizei-Willkür am Stonewall Inn. Erst seit kurzem ist ein Brief breit verfügbar, in dem US-Schriftsteller Edmund White 1969 über die Vorgänge berichtet.
New York Ende der 1960er Jahre. Immer wieder führt die Polizei Razzien durch in Bars, die als Homosexuellen-Treffpunkte gelten. Drangsalierungen, Erniedrigungen, Diskriminierungen. So auch in der Nacht des 27. auf den 28. Juni 1969. Wieder einmal Polizei-Razzia im ‘Stonewall Inn’ in der Christopher Street im New Yorker Greenwich Village.
Harvey Milk wurde am 22. Mai 1930 in Woodmere nahe New York geboren. Er war 1977 der erste offen schwule Stadtrat in San Francisco. Vermutlich war er der erste offen schwul lebende Politiker überhaupt in den USA. Am 27. November 1978 wurde Milk nach nur elfmonatiger Dienstzeit vom ehemaligen Stadtrat Dan White erschossen.
2009 wurde Milk posthum von Präsident Obama mit der Freiheitsmedaille ausgezeichnet. 2018 ist die Benennung eines Terminals des Flughafens von San Francisco nach Harvey Milk geplant.
Harvey Milk as Mayor for a Day, March 7, 1978, Photo by Daniel Nicoletta, Lizenz cc by-sa 3.0
Harvey Milk filling in for Mayor Moscone for a day in 1978 – Daniel Nicoletta – CC BY-SA 3.0
Nach seinem gewaltsamen Tod wurde Milk zu einer schwulen Ikone, zu einem Symbol eines neu erwachten schwulenpolitischen Bewusstseins im San Francisco der 1970er Jahre.
In Kalifornien wird am 22. Mai 2010 erstmals offiziell der “Harvey Milk Day” begangen. Gouverneur Schwarzenegger hatte in der Nacht zum 12. Oktober 2009 nach langem Sträuben den ‘Harvey Milk Day bill’ (AB 2567) unterzeichnet.
Das Harvey Milk Day – Gesetz (AB 2567) wurde im ersten Anlauf trotz positiver Verabschiedung im kalifornischen Senat am 30. September 2008 durch Gouverneur Schwarzenegger mit einem Veto verhindert. Doch der Senator Mark Leno brachte das Gesetz (unter der neuen Bezeichnung SB 572) im Februar 2009 erneut im Senat ein. Am 14. Mai 2009 stimmte der kalifornische Senat diesem Gesetz zu. Aktivisten hatten bis zuletzt ein erneutes Veto Schwarzeneggers befürchtet, doch Gouverneur Schwarzenegger unterzeichnete es kurz vor Ablauf der Frist um Mitternacht. Nahezu 40.000 Bürger Kaliforniens hatten eine entsprechende Petition unterstützt.
Geoff Kors, Geschäftsführer von ‘Equality California’, kommentierte, erstmals sei eine offen schwul-lesbisch-transgender Person offiziell durch eine Regierung anerkannt worden. Im Ergebnis würden nun die Errungenschaften Harvey Milks für Jahrzehnte an Schulen unterrichtet:
“The Milk Day Bill marks the very first time an openly LGBT person has been officially recognized by any state government. As a result, Harvey’s legacy and our history will be taught for decades to come and youth will learn that they have a role model who sacrified everything to make the world safer and more equal for them.”
Gleichzeitig unterzeichnete Schwarzenegger den ‘Bill 54′, mit dem in anderen Staaten geschlossene Homo-Ehen in Kalifornien zukünftig anerkannt werden.
„Hope will never be silent“
Der Harvey-Milk-Tag soll in ganz Kalifornien mit besonderen Aktionen begangen werden, insbesondere an öffentlichen Schulen und Bildungseinrichtungen soll dem Tag Rechnung getragen werden. Der ‘Harvey Milk Day’ wird (aus Kostengründen) kein arbeitsfreier Feiertag sein, sondern ein sog. ‘day of significance’, der fünfte dieser Art in Kalifornien.
Im Gesetzestext des Senats heißt es
“This bill would require the Governor to proclaim May 22 of each year as Harvey Milk Day, and would designate that date as having special significance in public schools and educational institutions and encourage those entities to conduct suitable commemorative exercises on that date.”
Der ‘Harvey Milk Day 2010′ stand unter dem Motto ‘Hope will never be silent’ – Hoffnung wird nie schweigen …
“There is hope for a better world, there is hope for a better tomorrow! Without hope, not only gays, but those blacks, the disabled, the seniors, the us, without hope, the us give up! I know that you cannot live on hope alone but without it life is not worth living! but you, and you, and you got to give them hope!” (Harvey Milk)
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2008: Harvey Milk Büste im Rathaus San Francisco
Am 22. Mai 2008 – es wäre Milks 78. Geburtstag gewesen – wurde im Rathaus von San Francisco nach siebenjährigen Vorbereitungsarbeiten eine Büste Milks in einer öffentlichen Zeremonie enthüllt. Die Büste steht in der ‘Ceremonial Rotunda’.
Die Bronze-Büste ist ein gemeinsames Projekt des Komitees ‘Harvey Milk City Hall Memorial‘ und der San Francisco Arts Commission.
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SFO – bald mit Harvey Milk Terminal
Terminal 1 des San Francisco International Airport SFO wird nach Harvey Milk benannt.
Die Umbenennung wurde ursprünglich bereits 2013 vorgeschlagen. Der damalige (ebenfalls offen schwule) Supervisor David Campos strebte an, den gesamten Flughafen nach dem ehemaligen Stadtrat zu benennen.
Ein daraufhin eingesetztes Gremium schlug 2017 vor, zwar nicht den gesamten Flughafen, aber Terminal 1 als Harvey B. Milk Terminal zu benennen. Das zuständige Finanzgremium der Stadt stimmte dem am 22. März 2018 zu.Das SFO Museum forderte im Oktober 2018 die Bürger der Stadt auf, Erinnerungsstücke an Harvey Milk wie z.B. Photographien für zwei Ausstellungen Terminal zur Verfügung zu stellen. Die Ausstellungen sollen im Sommer 2019 (Eröffnungsausstellung) und ab Beginn des Jahres 2020 (Dauerausstellung) im dann umbenannten Harvey B. Milk Terminal stattfinden.
Terminal 1 wird täglich von über 32.000 Passagieren benutzt.
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2009: Freiheitsmedaille für Harvey Milk
Am 12. August 2009 wurde der 1978 ermordete erste offen schwule US-Politiker Harvey Milk von US-Präsident Obama posthum mit der Freiheits-Medaille ausgezeichnet. Die Freiheits-Medaille ist die höchste Ehrung der USA für Zivilpersonen.
US-Präsident Obama kündigte am 29. Juli 2009 an, dass Milk für seine Verdienste posthum die Freiheits-Medaille verliehen werde. Stellvertretend für Harvey Milk wird die Medaille in einer Zeremonie am 12. August 2009 von seinem Neffen Stuart Milk in Empfang genommen werden.
Das Weiße Haus teilte zur Verleihung an die insgesamt 16 Empfänger mit
“This year’s awardees were chosen for their work as agents of change. Among their many accomplishments in fields ranging from sports and art to science and medicine to politics and public policy, these men and women have changed the world for the better. They have blazed trails and broken down barriers. They have discovered new theories, launched new initiatives, and opened minds to new possibilities.”
Die Presidential Medal of Freedom wurde 1945 von Harry S. Truman eingeführt als Ehrung für herausragende Dienste während des 2. Weltkriegs. John F. Kennedy wandelte sie 1963 in eine Ehrung für zivile Dienste in Friedenszeiten um.
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Gedenken an Harvey Milk 2016
Während des Nominierungs-Parteitags der Demokraten benannte der kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Tim Kaine, historische Persönlichkeiten, die dazu beitrugen, dass die USA „the next chapter in our great and proud story“ öffnen. Neben einigen anderen Persönlichkeiten (als Abnerkennung ihres Status‘ nur bei Vornamen genannt) führte er auch an „Martin had a dream and Cesar y Dolores said si se puede. And Harvey gave his life„.
Die US Navy plant 2016, ein Schiff nach Harvey Milk zu benennen, ein Ölversorgungsschiff der ‚John-Lewis-Klasse‘ der Seeflotte (T-AO-206) solle USNS Harvey Milk heißen.
2018 kündigte Portland an, eine der Hauptstraßen der Stadt nach Harvey Milk benennen zu wollen.
2019 – Harvey Milk Platz in Paris
Seit dem 19. Juni 2019 erinnert ein Platz im 4. Arrondissement in Paris an Harvey Milk, die place Harvey Milk.
Robert Koch, Begründer der modernen Infektiologie, wurde am 11. Dezember 1843 in Clausthal geboren. Er starb am 27. Mai 1910 in Baden-Baden.
Robert Koch Fotogravur nach einer Fotografie von Wilhelm Fechner, um 1900
1876 konnte Koch bei Versuchen mit der gefürchteten Tierseuche Milzbrand erstmals nachweisen, dass Seuchen durch Erreger verursacht werden – und nicht wie zuvor vermutet durch in der Luft herumfliegende Giftstoffe.
Am 24. März 1882 publizierte er erstmals die Entdeckung des Lungentuberkulose-Erregers in seinem Vortrag “Aetiologie der Tuberkulose”. 1890 stellte er auf einem Kongress in Berlin erstmals einen aus Tuberkulose-Erregern gewonnenen Impfstoff (‘Tuberkulin’) gegen Tuberkulose vor (der jedoch später die Erwartungen nicht erfüllte, sich aber in der Diagnostik bewährte).
R. Koch: Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten, Leipzig 1878
Zuvor hatte Koch bereits 1876 seine Entdeckung des Milzbrand-Erregers veröffentlicht.
Koch erhielt 1905 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin (verkürzt oft als Medzin-Nobelpreis bezeichnet) „für seine Untersuchungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Tuberkulose“.
Robert Koch starb am 27. Mai 1910 in Baden-Baden, wo er sich zur Behandlung einer Angina pectoris in einem Sanatorium aufhielt. Seine Urne wurde im Westflügel des Robert-Koch-Instituts für Infektionskrankheiten beigesetzt.
Nach Koch benannt ist das Robert-Koch-Institut RKI, die “zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention”.
Das RKI ehrte 2010 den Namensgeber ab dem 27. Mai mit einer Festwoche, deren Höhepunkt die Eröffnung der Ausstellung „MenschMikrobe“ am 2. Juni in Berlin war.
2010 jährt sich zum 65. Mal die Befreiung vom Faschismus. Ein weniger bekanntes Kapitel im System der NS-Herrschaft und des Terrors ist die Beteiligung von Medizinern an Verfolgung und Vernichtung. Ihre zumindest ansatzweise juristische Aufarbeitung führte zu einem der wesentlichen Grundlagen des Schutzes von Patienteninteressen, dem Nürnberger Codex.
Ärzte spielten eine bedeutende Rolle im Verfolgungs- und Vernichtungs-Apparat der NS-Diktatur, so auch bei der Vernichtung von Juden, Roma und Sinti, psychisch Kranken oder der Verfolgung und Unterdrückung von Homosexuellen. Die Bedeutung von Ärzten in der NS-Rasse- und Vernichtungspolitik wird durch Zitate wie dieses deutlich:
“Ratten, Wanzen und Flöhe sind auch Naturerscheinungen, ebenso wie die Zigeuner und Juden. Sie sind daher gleichfalls gottgewollte Wesen, aber man kann sie ebensowenig durch rücksichtsvolle Behandlung bessern oder beim zusammenleben von uns fernhalten wie entartete Asoziale und unnormal ichsüchtige, kriminell-hemmungslose Menschen. Alles Leben ist Kampf. Wir müssen deshalb alle diese Schädlinge biologisch allmählich ausmerzen.”
Dr. Kurt Hannemann, in “Ziel und Weg” Nr. 9 / 1939, Organ des Nationalsozialistischen Ärztebundes; zitiert nach Bastian / Homosexuelle im Dritten Reich
Eines der wichtigsten Zentren der NS-Ideologie im Medizin-Betrieb: die am 1. Juni 1935 eingeweihte “NS-Ärzteschule” (“Führerschule der deutschen Ärzteschaft”) in Alt Rehse, heute zur Stadt Penzlin in Mecklenburg-Vorpommern gehörend. Etwa 40.000 Ärzte und medizinisches Personal wurden hier in einem ehemaligen Rittergut von 1935 bis 1943 (ab 1941 überwiegend Reserve-Lazarett) entsprechend der NS-Ideologie medizinisch ‘weitergebildet’. Darunter auch Ärzte, die später in Konzentrationslager Menschenversuche vornahmen, Ärzte die in Behörden über “lebensunwertes Leben” urteilten, Ärzte die Menschen in die Vernichtung schickten.
Auf dem Gelände und in Gebäuden der ehemaligen “NS-Ärzteschule” befindet sich nach langem Leerstand seit 2006 der “Tollense Lebenspark”. Im Gutshaus Alt-Rehse erinnert die Ausstellung “Alt Rehse und der gebrochene Eid des Hippokrates” des ‘Vereins für die Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e. V.’ an die Geschichte des Orts.
Dorfplatz in Penzlin-Alt Rehse September 2008 (Foto: Bear62 / Lizenz cc by 2.0)
Nach 1945 hatten viele Mediziner eine einfache Begründung für ihr kritikloses, teils bedingungs- und gnadenloses Engagement im und für das NS-System. Klar zum Ausdruck brachte dies zum Beispiel Karl Gebhardt, Oberster SS-Arzt, 1946 im Nürnberger Ärzte-Prozess [vgl. Memorium Nürnberger Prozesse] :
“So hat mir… das Dritte Reich … auf ärztlichem Gebiet eine große Chance gegeben. Ich habe sie genutzt.”
Gebhardt wurde in dem Prozess zum Tod verurteilt und hingerichtet. Viele Ärzte hingegen, die in KZs, Kliniken und Heilanstalten arbeiteten und gegen das Gebot der Menschlichkeit verstießen, an Verfolgung, Unterdrückung, Vernichtung beteiligt waren, wurden juristisch nicht belangt. Die meisten arbeiteten nach 1945 unbehelligt weiter, so auch Carl-Heinz Rodenberg und Carl Vaernet.
Der Nürnberger Ärzteprozess, in dem zwischen dem 9. Dezember 1946 und dem 20. August 1947 zumindest 20 KZ-Ärzte vor Gericht standen, brachte einen bedeutenden Fortschritt, nicht nur juristisch, sondern auch für Patient/innenrechte: Dem Urteil des Nürnberger Ärzte-Prozesses voran gestellt war der “Nürnberger Codex” (“Stellungnahme des I. Amerikanischen Militärgerichtshofes über “zulässige medizinische Versuche”), der u.a. zu medizinischen Versuchen an Menschen festlegt:
„Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich. Das heißt, dass die betreffende Person im juristischen Sinne fähig sein muss, ihre Einwilligung zu geben; dass sie in der Lage sein muss, unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges, von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen; dass sie das betreffende Gebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen muss, um eine verständige und informierte Entscheidung treffen zu können.“.
Der Nürnberger Kodex gehört seitdem zu den ethischen Grundlagen der Ausbildung von Medizinern – und ist eine der wesentlichen Grundlagen des Schutzes von Patienten.
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Der Tollense Lebenspark musste 2015 das Gelände nach einem Gerichturteil verlassen. Erneut müssen Investoren gesucht werden.
2017 hieß es, auf dem 2016 erworbenen Gelände sei ein Hotel mit Meditationszentrum in Planung. 2021 war von der Schaffung eines Luxushotels die Rede.
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weitere Informationen: wikipedia: Liste von NS-Ärzten und Beteiligten an NS-Medizin IPPNW Nürnberg – Erlangen Fürth: Nünberger Kodex 1997 Evelyn Hauenstein: Ärzte im Dritten Reich – Weiße Kittel mit braunen Kragen Tollense Lebenspark: Die Geschichte des Tollense Lebensparks ns-eugenik.de (dort -> Die Führerschule in Alt Rehse) Politische Memoriale Mecklenburg-Vorpommern e.V.: Alt Rehse/ Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse
Im Gegensatz zu Deutschland ist das Parteiensystem Frankreich recht zersplittert – und mit zahlreichen neugründungen, Umfirmierungen und Abspaltungen viel mehr in Bewegung.
CDU/CSU, FDP, SPD – und seit einiger Zeit Grüne sowie die Linke, dazu einige kleinere Parteien am Rand, die i.d.R. keine oder nur kurzfristig regionale Bedeutung erlangen – das deutsche Parteiensystem ist seit Gründung der Bundesrepublik in seinen Grundzügen vergleichsweise stabil und überschaubar.
Ganz anders in Frankreich: das Parteiensystem Frankreich ist komplizierter, schwerer verständlich. Hier gibt es eine Vielfalt an Parteien und Zusammenschlüssen, die wenig übersichtlich ist – und zudem ständig in Änderung begriffen. Parteien spalten sich, bilden Ableger oder schließen sich zu neuen Formationen zusammen. Zudem haben die meisten Parteien in Frankreich (niedrige) Mitgliederzahlen, die mit denen deutscher Parteien nicht vergleichbar sind.
Präsidentschafts-Wahlkampf in Frankreich 1848, Holzschnitt, ‚Illustrierte Zeitung‘, 1848
Einen Status in der Verfassung haben Parteien in Frankreich erst seit 1958: damals wurde in Artikel 4 festgelegt, dass Parteien „bei den Wahlen mitwirken“. Anders als in Deutschland werden ihnen weitere Funktionen wie Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung hier nciht zugesprochen.
Eine öffentliche Finanzierung der politischen Parteien gibt es in Frankreich erst seit 1988 – allerdings ist das Finanzierungs-Niveau mit ca. 80 Mio. Euro (2003) jährlich deutlich geringer als in Deutschland (über 400 Mio. €).
Helmut Schmidt hat sich in seiner Zeit als Bundeskanzler nicht gegen die Streichung des Paragraphen 175 gestellt. Und die ihm in den Mund gelegte Aussage, er sei “nicht Kanzler der Schwulen” ist frei erfunden.
Sagt Helmut Schmidt. In einem ‘Leserbrief’ an die Welt.
weitere Informationen: Welt 28.03.2010: Etwas andere Männer Welt 11.04.2010: Leserbriefe – Helmut Schmidt stellt klar Steven Milverton 09.04.2010: “Da müssen Sie sich einen anderen Koalitionspartner suchen.” Der Spiegel 10.11.1980: RECHT – Kiefer runter
Strandkörbe, ein Partyzelt, Longe-Möbel – der Frankfurter Engel einen Gedenkort für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erfuhr in Frankfurt am Main eine beschämende “Um-Nutzung”.
Frankfurt hat sein Jahren ein beeindruckendes Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Seit 1994 erinnert auf dem unbenannten Platz Schäfergasse / Alte Gasse in der Frankfurter Innenstadt ein bronzener Engel an die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus. Der von der Künstlerin Rosemarie Trockel gestaltete Engel war in Deutschland das erste vollplastische Mahnmal des Gedenkens an das Schicksal von Schwulen und Lesben in der Nazizeit.
CSD Frankfurt, am vergangenen Wochenende. Tausende Schwule und Lesben sind auf den Straßen, feiern. Zahlreiche Gastronomen beteiligen sich, auch mit Ständen. Eine besondere Idee hatte die Schwulen-Bar ‘Lucky’s’.
Das ‘Lucky’s’ liegt direkt an dem Platz, auf dem das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen steht, der ‘Frankfurter Engel’. Der Wirt des ‘Lucky’s’ hat selbst mit Spenden zum Denkmal beigetragen, pflegt bisher den Platz. Jetzt ist CSD, man möchte feiern und Geld verdienen, Umsatz machen. Was tun?
Nichts einfacher als das – ein großes blau-gelb-rotes Party-Zelt wird auf den Platz gebaut, gesponsert von einem großen Brause-Hersteller. Strandkörbe dazu, Lounge-Möbel, gesponsert von einer Zigaretten-Marke.
In dem Zelt, mitten in der Party-Atmosphäre, verschämt mit einem Strauß Rosen “geschmückt”, der ‘Frankfurter Engel’, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
Vielen Gästen schien die Party zu gefallen – anderen weniger. “Geschmacklos”, so lautete eines der leiseren Urteile, andere “dafür haben wir nicht gekämpft”.
Deutlicher wird einer der Initiatoren des Denkmals, der Buchhändler und Soziologe Dieter Schiefelbein, in der FR: “Es ist dreist und schamlos, diesen Platz für ein Reklame-Event zu nutzen.”
Der Wirt des ‘Lucky’s’ betont, er habe für das Party-Zelt eine erweiterte Genehmigung des CSD-Organisators gehabt, mit Einwilligung der Stadt.
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Kann mann achtloser, respektloser mit dem Gedenken an diejenigen Homosexuellen umgehen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden?
Und mit unserer eigenen Geschichte?
Dieser Wirt hat ein beschämendes Kapitel in der Geschichte der CSDs geschrieben – und auf bestürzende Weise deutlich gemacht, wie weit CSDs inzwischen vom Inhalt zum reinen Kommerz-Anlass verkommen sind.
Das Motto des Frankfurter CSDs lautete bezeichnenderweise “Schon angekommen?“ …
Anmerkung: Zwar trägt der Platzt, auf dem der ‘Frankfurter Engel’ steht, heute den Namen “Klaus Mann Platz”. Diese Benennung erfolgte allerdings nach Aufstellung des Denkmals, und eine Hausnummer Klaus Mann Platz gibt es nicht.
Oh – in Berlin-Schöneberg trommelt immer noch unbehelligt die Hitler-Jugend ? Und die feschen Hitler-Madels vom Bund deutscher Mädel bereiten sich auf ihre Mutterrolle vor? Oder was stellt dies hier dar?
Feurige Hitler-Jungen in Schöneberg?
Die „gebundenen Ganztags-Schule“ Teltow-Grundschule in Berlin-Schöneberg Feurigstrasse (früher „10. Grundschule“), heute mit Montessori-orientierten Klassen, bietet Schülerinnen und Schülern wie auch Besuchern diesen Anblick über ihrem Eingangs-Portal.
„Wir begegnen uns mit Achtung und Wertschätzung. Wir sind höflich, hilfsbereit und kameradschaftlich. Wir benehmen uns täglich so, dass alle sich wohlfühlen und gern in die Schule kommen.“
Ob der Relief-„Schmuck“ Teil dieses Ideals ist?
Diese Reliefs befinden sich an einer Schule. Einem Ort, der zur Bildung (der Jugend) beitragen soll. Erstaunliche Koinzidenz.
Selbst falls diese Reliefs nicht aus dunkelsten Zeiten stammen sollten, sondern aus Zeiten von spätem Wandervogel, sie erstaunen. Und wecken mit all ihrer Symbolik (vom Wimpel über Hemd bis zu Lederriemen für den Halstuch-Knoten) Assoziationen, die der Erklärung und Einordnung bedürfen.
Wohlgemerkt, es geht nicht um ‚Bildersturm‘. Es geht nicht darum etwa zu fordern, diese Reliefs zu entfernen. Aber es geht sehr wohl um die Frage, warum diese Reliefs heutzutage immer noch unkommentiert dort hängen, ohne Erläuterung, ohne historische Einordnung. Nur darum. Aber darum ganz sicher.
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