“Hier in dieser öden Heide ist das Lager aufgebaut, wo wir ferne jeder Freude hinter Stacheldraht verstaut.” (Moorsoldatenlied)
Das KZ Esterwegen, schon im Sommer 1933 eingerichtet, war neben dem KZ Börgermoor und dem KZ Neusustrum eines der ersten KZ überhaupt, die die Nazis errichten ließen.
Das Lager Esterwegen ist das bekannteste der sogenannten Emslandlager. Esterwegen selbst war von 1933 bis August September 1936 Konzentrationslager (danach Verlegung nach Sachsenhausen), danach ebenfalls (wie zahlreiche andere Emslandlager) Strafgefangenenlager.
Zu den bekannteren Insassen von Esterwegen gehörten der Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, der SPD-Politiker Julius Leber, Wilhelm Leuschner, Ernst Heilmann, der Kabarettist Werner Fink.
Bekannt wurden die Emslandlager insbesondere auch durch das ‘Lied der Moorsoldaten’ (Johann Esser & Wolfgang Langhoff). Es entstand 1933 jedoch (entgegen weit verbreiteter Annahme) nicht in Esterwegen, sondern im nahe gelegenen KZ Börgermoor.
Esterwegen war ein so genanntes ‘Muster-Lager’ – es diente als Vorbild für den Bau weiterer KZs in Nazi-Deutschland. Und – die Existenz des KZ Esterwegen war keineswegs ein Geheimnis im Umland. Im Gegenteil, es finden sich Berichte in der Presse, der Papenburger Karnevalsverein kam ebenso zu Besuch wie eine internationale Juristen-Kommission, und Frauen aus der Umgebung berichteten später dem Dokumentationszentrum, sie seien in ihrer Jugend zu Tanz und Kino ins Lager gekommen (in den Bereich der Wachmannschaften).
Nach dem Krieg wurde Esterwegen zunächst Lager für Internierte und frühere ‘Gauleiter’, Strafanstalt, Flüchtlings-Durchgangslager (1953-59) und als Wohnanlage für Justizbedienstete, von 1963 bis 2001 dann als Bundeswehr-Bekleidungsdepot benutzt. Die originalen Baracken wurden mit der Auflösung des Lagers 1959 versteigert (z.B. an Städte im Umland für Schulen, sowie an Bauern), der Rest in den 60er Jahren abgerissen. An Erhaltung, gar Gedenken dachte man nicht – nicht nur damals.
Die Bäume entlang der ehemaligen Lagerstraße sind heute das einzig ‘Authentische’.
Gedenken an das KZ Esterwegen beginnt -’offiziell’ erst 1980. Ein Schüler fragte zunächst sich, warum denn am Standort des ehemaligen KZ nichts daran erinnerte, und dann das Bundesverteidigungsministerium als Nutzer der Liegenschaft. Das Verteidigungsministerium ließ dann 1980 vor dem Eingang zum ehemaligen KZ einen Gedenkstein aufstellen:
1994 folgten dann zwei weitere Gedenksteine – auf Initiative des ehemaligen ‘Moorsoldaten’ Georg Gumpert. Sie wurden rechts hinter dem Eingangstor aufgerichtet und erinnern an Carl von Ossietzky sowie an die ‘Hölle im Moor’:
Die Gedenkstätte Esterwegen ist noch im Aufbau (vorläufiger Betrieb seit 2006; Ausbau zur Gedenkstätte 2008 begonnen) und derzeit nur gelegentlich sonntags im Rahmen von Führungen zugänglich. Seit Herbst2007 befindet sich auf dem ehemaligen Bundeswehr-Depot-Gelände (außerhalb des ehemaligen KZ-Geländes, nahe dem ehemaligen Sportplatz der Wachmannschaften) ein kleines Kloster.
Dokumente:
Erwin Schulz berichtet über seine Zeit in den KZ Esterwegen und Börgermoor (Video)
‘Was geschah in dern Emslandlagern?‘ Schülerinnen und Schüler der Klasse 3b der Grundschule Friedrichsfehn stellen Fragen zur Gedenkstätte Esterwegen und zu den Emslandlagern (2005) NS-Gedenkstätten und Dokumentationszentren in der Bundesrepublik Deutschland
Die ‘Gedenkstätte Esterwegen’ ist von der Bundesstraße aus ausgeschildert. Da die Gedenkstätte noch im Aufbau ist, sind Besichtigungen derzeit nur im Rahmen von Führungen möglich. Diese finden i.d.R. am ersten und dritten Sonntag im Monat statt, 2008 noch am 17. August sowie 7. und 14. September.
Schon in meiner Schulzeit haben mich die ‘Moorsoldaten’ beschäftigt, ihre Geschichte, die des KZ Esterwegen, die Ossietzkys. Erst viel später habe ich erfahren, dass die Emslandlager auch einer der wesentlichen Orte des NS-Terrors gegen Schwule waren.
Damals (in meiner Schulzeit in den 70ern) war Esterwegen wenig mehr als ein nicht zugängliches Bundeswehr-Gelände ‘mit Geschichte’, umgeben von Moor, das weiterhin ringsum abgebaut wurde (und wird).
Es ist befremdlich, heute, 2008, 63 Jahre nach Befreiung von Faschismus und NS-Terrorherrschaft zu erleben, dass eine KZ-Gedenkstätte immer noch ‘im Aufbau’ befindlich ist.
Besonders sehenswert und anrührend dagegen ist das Projekt der Grundschulklasse (“‘Was geschah in den Enslansdlagern?‘) – anklicken! Und – ein gutes Beispiel, was durch entsprechend engagierten und fächerübergreifenden Unterricht alles möglich ist …
Juni 1933 – der Bau des Konzentrationslagers Börgermoor beginnt, des ersten der später so genannten ‘Emslandlager’. Das Ziel zunächst: “1.000 in Schutzhaft befindliche Marxisten aus dem Ruhrgebiet” zu internieren. Die Gefangenen des Lagers werden als billige Arbeitskräfte bei der Kultivierung des Moores benutzt.
Börgermoor und das Lied der Moorsoldaten
27. August 1933 – das ‘Lied der Moorsoldaten’ wird erstmals aufgeführt (am Ende einer Kulturveranstaltung , die von Häftlingen organisiert war). Es stammt von Johann Esser und Wolfgang Langhoff (Text) sowie als Komponist Rudi Goguel, alle drei als Kommunisten Zeil der politischen Gefangenen im Lager. Alle drei überlebten die NS-Zeit.
Ein Chor aus 40 Gefangenen des KZ Börgermoor singen es an diesem Tag zur ‘Aufmunterung’ beim Lager-eigenen Theaterabend ‘Zirkus Konzentrazani’. Bereits zwei Tage später wird das Lied vom Lagerkommandanten verboten.
Das ‚Lied der Moorsoldaten‚ erreicht enorme Popularität – und gilt bald als die ‚Hymne des NS Widerstands‚.
Selbst die gegen Diktator Franco kämpfenden Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg singen es.
Lager Börgermoor – genutzt bis in die 1960er Jahre
April 1934 – das KZ Börgermoor wird aufgelöst und an die preußische Justizverwaltung übergeben. Es wird bis Kriegsende als Strafgefangenenlager weitergeführt. Ab 1942 waren hier überwiegend von Wehrmachtgerichten verurteilte Soldaten inhaftiert, 1944 mehrere Hundert ‘Nacht-und-Nebel-Gefangene’.
Am 10. April 1945 wurden die Gefangenen zu einem Todesmarsch nach Aschendorfermoor gezwungen.
Nach 1945 wird das Lager Börgermoor als Flüchtlingslager genutzt, später als Justizvollzugsanstalt (Strafanstalten Emsland, Abteilung Börgermoor).
In den 1960er Jahren werden die Lagerbaracken abgerissen.
Leiter des Lagers Börgermoor war von April 1938 bis Februar 1941 der von den Gefangenen wegens eines Sadismus gefürchtete Wilhelm Rohde (1890 – ?). Er wurde am 21. Februar 1950 vom Landgericht Berlin zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 31.Oktober 1959 wurde das Urteil aufgehoben und Rohde ‚wegen Mangels an Beweisen‘ freigesprochen. Er erhielt weiterhin seine Beamtenpension.
Börgermoor – kaum Gedenken an die ‘Moorsoldaten’
Bei einem Besuch 2008 erinnert an dieses KZ, an eines der ersten KZ in Deutschland überhaupt (u.a. neben Neusustrum und Esterwegen), an den Entstehungsort der ‘Moorsoldaten’ fast nichts.
An der Bundesstraße 401 findet sich ein kleines Hinweisschild ‘Ehemaliges Lager Börgermoor’ – welches sich kurz nach Überqueren des Küstenkanals linkerhand befand.
Das ehemalige Lagergelände wurde lange von einer Gärtnerei genutzt. An das Lager erinnern – leicht übersehbar – eine kleine Texttafel und ein Findling mit einigen Textzeilen aus den ‘Moorsoldaten’. Sonst nichts.
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Der Zustand des Ortes, an dem sich eines der ersten KZ in Deutschland befand, ist mehr als peinlich. Und er ist (ähnlich wie der Zustand am ehemaligen KZ Neusustrum) deutlicher Ausdruck davon, wie es um die Gedenk-Kultur an dieses Kapitel deutscher Geschichte in der Region bestellt ist.
Besonders befremdlich ist es, wenn auf der Erinnerungstafel noch heute zu lesen ist „Im Strafgefangenenlager waren bis Kriegsbeginn vorwiegend – auch nach heutigen Maßstäben – als ‘Verbrecher’ Einzustufende inhaftiert” … ob die ‘Marxisten aus dem Ruhrgebiet’, oder die dort inhaftierten Homosexuellen dies auch so gesehen haben? Auch der Folgesatz „Daneben gab es weiterhin politische Gefangene und durch neue Verordnungen Kriminalisierte” ist da wenig tröstlich …
Olympia 2008 China – Zu Beginn der Olympischen Spiele sei daran erinnert, dass China nicht für alle Menschen ein Paradies oder auch nur ein Ort zum Feiern ist.
Was wird da gefeiert? Ein gestörtes und getrübtes Olympia, und Menschenrechte stören nur.
Im Gegensatz zu allen vorherigen Beteuerungen, mit Olympia werde sich alles bessern (mit denen sich das IOC immer noch die Taschen volllügt) hat sich die Menschenrechtslage in China vor den Olympischen Spielen eher noch weiter zum Negativen verändert, beklagt Amnesty International. Schlimmer noch, nicht trotz, sondern wegen Olympia habe sich die Lage verschlechtert.
Schwul oder lesbisch zu sein bleibt in China ein Tabu-Thema, schreibt der Uni-Spiegel.
Düster sieht es auch in Sachen Aids-Aktivismus aus. Immer wieder klagt China Aids-Aktivisten wie Hu Jia an. Verurteilt sie zu mehrjährigen Haftstrafen. Immer wieder verschwinden Aids-Aktivisten. Der Ehefrau von Hu Jia, der im April zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, ist jüngst untersagt worden, ihm dringend benötigte Medikamente ins Gefängnis zu bringen. Hu Jia hat infolge einer Hepatitis B schwere Leberschäden.
Übrigens, fast scheint es kaum noch notwendig, das zu erwähnen, HIV-positive Menschen sind bei den Olympischen Spielen in China unerwünscht …
Und auch bei anderen Erkrankungen sieht es eher unschön aus, selbst Hepatitis B scheint staatsgefährdend zu sein. So wurden Lu Jun, ein Aktivist, der für die Interessen von Millionen Hepatitis-B-Infizierten in China eintritt, Schwierigkeiten gemacht. Er wurde bei der Einreise nach einer Hepatitis-Konferenz in Los Angeles verhaftet, seine Website geschlossen.
Die sind alles nur einzelne kleine Beispiele. In China werden Menschenrechts-Aktivisten weiterhin mundtot gemacht, jegliche Versprechen des Landes wie des IOC, Olympia werde für mehr Freiheit sorgen, habe sich als bunte Seifenblasen erweisen.
Sustrumermoor ist eine dieser beschaulichen kleinen Siedlungen nahe der niederländischen Grenze. Kirche und Feuerwehr, Schule mit Sportplatz, Siedlungshäuser der 50er und 60er Jahre. Eine Siedlung im emsländischen Hochmoor, einige Straßen nur. Wenige Erwachsene spazieren auf den Straßen, Kinder fahren im Kettcar vorbei. Sonntägliche Ruhe und Beschaulichkeit. Sustrumermoor ist eine unauffällige Siedlung.
Mit den Nachbargemeinden ist Sustrumermoor -wie viele dieser kleinen Siedlungen im äußerst westlichen Emsland– verbunden durch die Nord-Süd-Straße. Sie durchzieht, ebenso ruhig und unauffällig, das Hochmoor, weitgehend dem Verlauf der nahen Grenze zu den Niederlanden folgend.
Die Nord-Südstraße wurde von Häftlingen gebaut. Häftlingen der nahe gelegenen Konzentrations- und Strafgefangenen-Lager. Eines dieser Lager war das ‘Lager V Neusustrum‘. Es war das dritte der berüchtigten Emslandlager.
Das Lager Neusustrum war derjenige Ort in Deutschland, an dem in der NS-Zeit die meisten Homosexuellen inhaftiert waren.
Das Lager Neusustrum lag am Rand es heutigen Ortes Sustrumermoor. Gedenken, Gedenken an die furchtbare Geschichte dieses Ortes, an das Lager, an die Inhaftierten, die Verfolgten, die Homosexuellen, findet nur am Rande statt. In bizarrem Umfeld.
KZ und Strafgefangenenlager Neusustrum
1933. Das Lager Neusustrum wird am 1. September als drittes KZ im Emsland nach Börgermoor und Esterwegen fertiggestellt (Anordnung durch das Preußische Innenministerium am 20. Juni 1933), mit Platz für 1.000 Gefangene (laut [B] 2.000). Mit dem Bahnhof Dörpen war das Lager Neusustrum durch eine Schmalspur-Lorenbahn verbunden, die von den Gefangenen auch ‚Moorexpress‘ genannt wurde. Erste Gefangene treffen im Oktober in Neusustrum ein [B].
Die Leitung übernimmt am 3. August 1933 (andere Quellen: 27 September) SS-Obersturmführer Emil Faust, der zuvor schon im KZ Esterwegen durch besondere Grausamkeit aufgefallen war. Faust (geb. 3.11.1899 Oberlahnstein) bleibt Lager-Leiter bis November 1933, ging später zur ‚Organisation Todt‘. Faust wurde 1949 in Emden – Uphusen verhaftet und am 2. November 1950 vom Schwurgericht Osnabrück zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. 1952 erfolgte eine weitere Verurteilung zu sechs Jahren Zuchthaus, seine lebenslange Strafe wurde „auf dem Gnadenweg“ umgewandelt in 20 Jahre, die Faust in Lingen / Ems verbüßte. [B]
Das KZ-System wird bald schon neu geordnet. Einige Emslandlager werden als KZ aufgelöst und anders verwendet. Das KZ Neusustrum wird am 3. April 1934 der preußischen Justizverwaltung übergeben, und fungiert ab diesem Zeitpunkt als Strafgefangenenlager.
Die Strafgefangenenlager unterstehen nun SA-Obersturmbannführer Werner Schäfer, Kommandantur Papenburg (zuvor Kommandant KZ Oranienburg). Die Lager werden im Zuge dieser Umorganisation neu nummeriert, Neusustrum wird ab Frühjahr 1935 ‚Lager V‘. 1937/38 wird es auf 1.500 Gefangenenplätze vergrößert.
Etwa 66.500 Strafgefangene wurden allein in die nördlichen Strafgefangenenlager im Emsland zwischen 1934 und 1945 eingeliefert. Zuständig für Organisation und Leitung der Strafgefangenenlager im Emsland war Werner Schäfer.
Am 4. April 1945 wurden die letzten Gefangenen aus dem Lager Neusustrum in das Lager Aschendorfermoor verlegt. Nach Kriegsende wurde das Lager Neusustrum bis 1950 von der Justizstrafanstalt Lingen zur Unterbringung von Gefangenen genutzt. Die Baracken wurden anschließend abgerissen. Auf dem Gelände der früheren Häftlingsbaracken befindet sich heute der Sportplatz der Schule.
Homosexuelle in Neusustrum
Das Lager Neusustrum war derjenige Ort in Deutschland, an dem in der NS-Zeit die meisten Homosexuellen inhaftiert waren.
Stümke / Winkler zitieren 1981 in ‚Rosa Winkel, Rosa Listen‘ einen ‚Bericht von C.M., der als Politischer von Februar bis Juni 1940 in Neusustrum ‚Lager V‘ war‘:
„Das Lager V hatte zu dieser Zeit dreitausend bis viertausend Häftlinge, etwa die Hälfte davon Homosexuelle. … Die Gefangenen trugen keine Markierung durch wuinkel, so dass man nicht unmittelbar erkennen konnte, wer homosexuell war. … In meiner Baracke waren ca. dreihundert Menschen untergebracht, davon etwa die Hälfte homosexuell. Die Gefangenen kamen hauptsächlich aus Hamburg.“
Stümke/Winmkller zitieren weitere Zeitzeugen mit abweichenden Beobachtungen:
„Ein anderer Zeuge, er war dort 1936/38 inhaftiert, gab an, das im sleben Lager ca. 20% schwul waren und auch in anderen, umliegenden Lagern viele Homosexuelle gefangen waren.“
„Ein weiterer Zeuge gibt an, dass ‚im Moorlager 5 Neusustrum ein drittel der Häftlinge zur Gruppe der Homosexuellen gehört‘ [hat] (Harthauser 1967, S. 26f)“
Zwar sprechen selbst neuere Dissertationen erstaunlicherweise von ‘Einzelfällen’ von Homosexuellen in den Emslandlagern [Lüerßen]. Andererseits befanden sich Hoffschild zufolge “an keinem Ort im Deutschen Reich mehr Homosexuelle in Haft … als in den Emslandlagern” [Hoffschild 1999, S. 35, zitiert nach Bührmann-Peters]. Andere Berichte [Dissertation Bührmann-Peters ‚Deliktstatistik‘ S. 159, Daten jeweils für unterschiedlich kurze Zeiträume] sprechen von einem Anteil von 1,1% bis 9,9% Homosexuellen an allen Insassen der Emslandlager.
“Insgesamt wurden die Gefangenen, die aufgrund ihrer Homosexualität in Gefängnissen und Zuchthäusern saßen, häufiger in die Emslandlager “überwiesen” als andere Gefangene. Das heißt die als homosexuell Inhaftierten wurden einem als besonders brutal und abschreckend geltenden Strafvollzug ausgesetzt.” (Quelle)
Auch wenn die homosexuellen Opfer in den Emslandlagern vermutlich überwiegend namenslos sind – einige Schicksale sind doch bekannt, so z.B.
Walter Timm, 1938, der später in Sachsenhausen war,
Luis Schild (1898 – 1935) [B],
Wilhelm C. (geb. 1915) [C],
Hans Bielefeld,
Paul Gerhard Vogel [5],
Rudolf Kruse (pdf),
Max Lenz (Stolpersteine),
Arnold Bastian (pdf) Stolperstein (dort Verweis Aschendorfermoor),
Heinrich Erich Starke [3] [4] [5],
Georg W. (pdf),
Heinrich Peter Roth (pdf) [4] Stolperstein Hamburg, Steindamm 91,
Max Stephan (pdf),
Gustav Schreiber (Seite aus Google Cache, Vortrag pdf hier, Stolperstein (der auf Börgermorr verweist)),
Besonders viele Homosexuelle waren im Lager V in Neusustrum inhaftiert.
„Im Lager Neusustrum behandelt man Menschen ‘schlimmer als Vieh’, wie es in einem 1950 gesprochenen Urteil gegen den ehemaligen Lagerleiter Emil Faust heißt“ (Kurt Buck).
Bei der Ankunft in Neusustrum wurden die Gefangenen (nach [4]) von der SS begrüßt
„Ihr Arschficker! Euch werden wir jetzt schon den Arsch aufreißen! Ihr werdet was erleben!„
Harry Pauly erinnert sich (in [4]; ausführliche Erinnerung auch in Stümke/Winkler/ Rosa Winkel, Rosa Listen S. 298 – 301):
„Ich glaube, daß ich eingegangen, richtig kaputtgegangen wäre, wenn mir nicht andere geholfen hätten.„
Die im Lager Neusustrum Verstorbenen sind auf dem Friedhof Bockhorst / Esterwegen beigesetzt.
Das ehemalige KZ und Strafgefangenenlager Neusustrum heute
Heute erinnert nur wenig an das Lager Neusustrum.
Der von den Häftlingen angelegte Lager-Park (u.a. Gelände der Baracken der Wachmannschaften) ist heute noch gut zu erkennen, ebenso der am nördlichen Ende gelegene Teich.
Am südlichen Ende des Parks, die Informationstafel passierend, findet man noch heute ein 1934 von der SA errichtetes ‘Denkmal’, eine von Findlingen umgebene Säule. Das auf der Säule in einem Rundbogen befindliche Hakenkreuz wurde nach dem Krieg durch ein ‘Niedersachsenross’ ersetzt.
Die ehemalige Texttafel wurde entfernt, an gleicher Stelle befindet sich ein (nach Buck wahrscheinlich in den 70ern angebrachter) Text: ‘Niedersachsens stolzes Pferd, sage mir was sind wir wert? Dein Geist und meine Kraft haben hier Wüsten fruchtbar gemacht.’ [Wessen Geist diesen Ort schuf, und wessen Kraft das Moor hier urbar machte, wird nicht erwähnt.]
Nahe dem Kreuz befinden sich drei Gedenktafeln. Auf einer der beiden Gedenktafeln links ist zu lesen „In den Jahren 1947 bis 1960 haben in Sustrum-Moor Siedler aus verschiedenen teilen Deutschlands eine neue Heimat aufgebaut. Wir gedenken der Opfer von Krieg und Vertreibung“. Die Gedenktafel rechts des Kreuzes wurde 1995 von ehemaligen polnischen Gefangenen angebracht.
An die homosexuellen Gefangenen und Verfolgten erinnert (außer der Erwähnung des Begriffs Homosexuelle auf der Informationstafel) nichts an diesem Ort.
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Es ist erschreckend, diesem Ort zu begegnen. Ein Ort der Geschichtsklitterung und Schönfärberei, des Nichtwahrhabenwollens und Verdrängens – und der Verleugnung von Kriminalisierung und Verfolgung auch von Homosexuellen.
Dass an diesem Ort (wie an so vielen im Emsland) die eigene Vergangenheit beschönigt und wo möglich verdrängt wird, scheint in der Region eine nicht gerade untypische Umgangsweise zu sein. Dass hier noch heute ein NS-Denkmal, bizarr und geschichtsverfälschend pseudo-’entnazifiziert’ unkommentiert stehen kann, erschreckt. Dass an diesem für die Verfolgung und Diskriminierung Homosexueller in NS-Deutschland so bedeutenden Ort noch heute kein Gedenken an diese homosexuellen NS-Opfer zu finden ist, bestürzt.
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Anresie / Ortsbeschreibung: Das Gelände des ehemaligen Lagers Neusustrum ist auch angesichts des Fehlens jeglicher Hinweisschilder etwas schwer zu finden. Die Nord-Süd-Straße von Rhede Richtung Süden fahrend, rechts bei km 49,1 in den Ort ‘Sustrumermoor’ fahren. Nach einigen Metern sieht man rechts die Kirche, links die Feuerwehr. Vor der Feuerwehr nach links abbiegen auf die Teichstraße (ehemaligen Lagerstraße). Nach wenigen Metern sieht man rechterhand ein Kreuz und einige Gedenktafeln, gelegen in einer Parkanlage (dem ehemaligen Gelände der Baracken der Wachmannschaften). Auf der gegenüber liegenden Seite befindet sich ein Sportplatz – dort befanden sich die Häftlingsbaracken.
Dokumente: [A] Kurt Buck: ‘Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Emslandlager 1933 – 1945 und die historischen Orte heute’, 6. erweiterte Auflage, Papenburg 2008 [B] ‘”Wir sind die Moorsoldaten” – Die Insassen der frühen Konzentrationslager im Emsland 1933 – 1936′, Dissertation Dirk Lüerßen, Osnabrück 25. Mai 2001 [C] ‘Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht – Militärgerichtlich Verurteilte in den Emslandlagern 1939 – 1945′, Dissertation Frank Bührmann-Peters, Osnabrück Sommersemester 2002 [D] Carola von Bülow: ‘Die Verfolgung von homosexuellen Männern im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland am Beispiel der Emslager’, in: ‘Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus – Beitrage zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland’, Edition Temmen, o.J. (Inhaltsverzeichnis als pdf hier) [E] ‘Der Umgang der nationalsozialistischen Justiz mit Homosexuellen’, Dissertation Carola v. Bülow, Oldenburg 10.07.2000
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Aktualisierung 03.04.2013: Auch der Schauspieler Harry Pauly, auch bekannt als Pauline Courage, war 15 Monate im KZ Neusustrum inhaftiert. Er berichtete, dass „ca. 20% schwul waren“. 14.04.2013: Der Berliner Ingenieur Rolf Krappe wurde am 13. Januar / 6. Oktober 1938 (Revision) zu 2 Jahren Gefängnis und Aberkennung des bürgerlichen Ehrenrechts für 5 Jahre verurteilt. Bei Erreichen des Strafendes wurde er am 3.3.1940 aus Neusustrum entlassen. [1] 04.04.2014: Dokumente / Internet-Angaben und Links aktualisiert, Gliederung überarbeitet
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[1] Andreas Sternweiler: ‚Freundschaft und Solidarität‚, in: Müller / Sternweiler: Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000 [2] Hamburg auf anderen Wegen: Stolpersteine für homosexuelle NS-Opfer [3] Stefan Micheler 1999: „… eben homosexuell, wie andere Leute heterosexuell.“ Der Fall Heinrich Erich Starke [4] Rosenkranz / Lorenz: Hamburg auf anderen Wegen: Die Geschichte des schwulen Lebens in der Hansestadt. Hamburg 2012 [5] Hergemöller: Mann für Mann: biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Münster o.J. [6] Andreas Sternweiler (Hg.): Pfadfinderführer und KZ-Häftling: Heinz Dörmer. Berlin
“Genomforschung und das Selbstverständnis des Menschen” lautet der Titel eines Vortrags, in dem Wolfram Henn (Universität des Saarlands) sich am 15. Juli im Medizinhistorischen Museum der Charité Berlin (in dem noch bis 14.9.2008 die Ausstellung “Sex brennt” über Magnus Hirschfeld stattfindet) mit Diversität auseinander setzte.
Der Vortrag war Teil des Öffentlichkeits-Programms des Welt-Genetik-Kongresses, der vom 12. bis 17. Juli 2008 in Berlin stattfand.
Das Genom – biochemischer Bauplan, der unveränderlich unsere Leben bestimmt. Klar – oder? Bisher galt es als selbstverständlich, dass das Genom unveränderlich ist, einen Menschen sein ganzes Leben lang typisch kennzeichnet. Doch – inzwischen streiten sich die Forscher ob der Frage “was ist ein Gen”. Das was als grundlegender Baustein des Lebens betrachtet wird, entzieht sich derzeit scheinbar einer einhelligen Definition. Ein Streit mit potenziell gravierenden Auswirkungen.
Das Genom stellt sich derzeit eher dar als ein komplexes Wechselspiel zwischen Körper und Seele, Krankheit, Umwelt, Entwicklung, Alter – das starre Bild vom immer gleich bleibenden Genom ist passé, das Genom ist kein ewig gleicher Code. Zwar ist der Mensch ein Produkt seiner Gene – aber auch das Genom unterliegt viel mehr als bisher gedacht einer ‘Schwankungsbreite’. Das Genom ist nicht der ‘Quellcode’ des Lebens; eine lebenslange genetische Identität, wie noch vor kurzem gedacht, scheint ein Irrglaube – vielmehr stellt sich das Genom als ein ständig verändernder Pool im Wechselspiel befindlicher Gene (Polymorphismus; genetische Variation).
Vor diesem Hintergrund aktueller Diskussionen in der Humangenetik fand der Vortrag von Prof. Dr. med. Wolfram Henn statt. Henn ist Professor für Humangenetik und Ethik an der Universität des Saarlands. Zudem ist er Leiter der Genetischen Beratungsstelle sowie u.a. Mitglied der Zentralen Ethikkommission der Bundes-Ärztekammer. Seit 2016 ist er Mitglied des Deutschen Ethikrats. Im März 2007 wurde Prof. Henn als erster Humangenetiker mit dem ‘Moritz’ ausgezeichnet für sein besonderes Engagement für Patienten mit Down-Syndrom. Henn ist u.a. Autor des Buches “Warum Frauen nicht schwach, Schwarze nicht dumm und Behinderte nicht arm sind – Der Mythos von den guten Genen“ (2004).
Henn illustrierte im Verlauf seines Vortrags recht plastisch einige gängige (Vor-)Urteile:
Wie steht es zum Beispiel mit der überlegenen Position des Menschen, der “Krone der Schöpfung“? Vergleicht man die Chromosomenzahl, so steht der Mensch gut da: hat eine Taufliege 8 Chromosomen, der Hund 38 und der Rhesusaffe 42, so kommt der Mensch auf 46. Leider – der Schimpanse hat schon 48 Chromosomen, ein Rind 60 und ein Karpfen gar 104. Aber auch bei der Zahl der Basenpaare der Gesamt-DNA ein widersprüchliches Ergebnis: einfache Viren weisen ca. 5.000 Basenpaare auf, Bakterien 1.000.000. Eine Reispflanze ca. 400.000.000, und der Mensch 3.300.000.000. Nur – schon ein simpler Grashüpfer kommt auf 18.000.000.000 Basenpaare, und ein Nacktfarn gar auf 250.000.000.000. Schwierig also, aus nackten Daten der Genetik eine Überlegenheit des Menschen abzuleiten …
Abr immerhin – die ‘Krone der Schöpfung’ hat doch ein recht großes Gehirn? Ja, stimmt. Aber was sagt das? Bismarcks Gehirn wog 1.807 Gramm, das von Ludwig II. 1.330, das von Marilyn Monroe 1.440, und das von Albert Einstein 1.230 Gramm. Aussage? Nebenbei, ‘Flipper’ kommt auf 1.700 Gramm …
Und, wenn wir schon bei Überlegenheit sind, manche halten ja Menschen kaukasischer Abstammung (Caucasians, vulgo “Weiße”) für eine überlegene Ethnie (vulgo ‘Rasse’). Die Erbinformation des Menschen zeigt, woher wir abstammen. Seit viele ‘Vorläufer’ des heutigen Menschen gefunden und untersucht sind, lässt sich recht leicht ein ‘evolutionärer Stammbaum’ des Menschen erstellen. Müsste sich hier dann nicht auch die genetische vermutete ‘Überlegenheit der weißen Rasse’ zeigen? Vor ca. 38.500 Jahren trennte sich entwicklungsgeschichtlich der Weg der afrikanischen Menschen von denen sämtlicher nicht-afrikanischer Menschen (denn aus Afrika stammen alle ältesten Funde von Menschen, Afrika ist die Wiege der Gattung ‘homo sapiens’). Nun, leider zeigt dieser ‘molekulare Stammbaum’ des heutigen Menschen nicht etwa, dass die ‘kaukasische’ Ethnie eine überlegene genetische Vielfalt aufweist. Vielmehr – 90 Prozent der genetischen Vielfalt der Menschheit finden sich in Afrika, ein Kikuyu unterscheidet sich genetisch viel stärker von seinen Nachbarn Ibo oder San, als jeder weißhäutige Deutsche von Chinesen, Russen oder auch nur Franzosen. Nur ganze 10% der genetischen Vielfalt der Menschheit finden sich außerhalb Afrikas.
Wie steht es mit ‘genetischen Defekten‘? Schließlich, Gen-Tests beginnen immer mehr in die Praxis zu dringen, sei es zur Früherkennung, oder zum Risikoausschluss (medizinisch, aber leider auch z.B. bei Versicherungen).
Henn erwähnte als Beispiel den Umgang mit Trisomie 21 (‘Down-Syndrom’). Im Rahmen der Schwangerschafts-Diagnostik können Frauen untersuchen lassen, ob der Fötus eine genetische Veränderung aufweist, die auf Trisonomie21 hinweist. Wird diese festgestellt, lassen die Frauen in 90% der Fälle einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Aber unter 20% der Frauen nutzen vor oder wenigstens nach der Diagnose die Möglichkeit einer genetischen Beratung.
Von denjenigen Frauen, die trotz des Untersuchungsergebnisses ‘Trisonomie 21′ ihr Kind zur Welt gebracht haben, berichten 40%, ihnen sei bereits vorgeworfen (!) worden, dass die Geburt des Kindes hätte verhindert werden können (im Vergleich zu 25% der Mütter, bei denen die Diagnose vor Geburt nicht bekannt war). Eine rein gesellschaftliche Bewertung … Zudem, Studien zeigen, dass die psychische Belastung der Mütter von Kindern mit ‘normalen’ Kindern oder von Kindern mit Down-Syndrom nahezu identisch ist (bis auf das Gefühl, mehr Alltagsprobleme zu haben).
Henn stellte ein weiteres Beispiel eines vermeintlichen ‘Gen-Defekts’ vor. Ein bei einigen Menschen vorhandener Defekt auf dem CFTR-Gen führte dazu, dass Typhus diese nicht infizieren konnte. Während der großen Typhus-Epidemien erwies sich dieser ‘Defekt’ als bedeutender Überlebens-Vorteil. Heute allerdings wird festgestellt, dass Menschen mit genau diesem CFTR-Gendefekt ein erhöhtes Risiko für Mukoviszidose haben – ein Defekt, der einst ein Vorteil war, kann sich nun als nachteilhaft erweisen. Am Rande erwähnte Henn einen ähnlich gelagerten Fall, ein Defekt am Gen für CCR5, der heute einen Überlebensvorteil hinsichtlich HIV darstellt (eine Infektion mit HIV ist mit einem CCR5-Defekt nur schwer möglich).
Gen-Defekte treten häufig auf, betonte Henn. Wichtig sei, sich des Unterschieds zwischen ihrem Auftreten und ihrer gesellschaftlichen Bewertung bewusst zu sein. Am Wissen um Gen-Defekte könnten neben den Betroffenen (z.B. aus gesundheitlichen Gründen) auch ganz andere Kreise potenziell Interesse haben. Krankenversicherer könnten an Daten zu Gen-Defekten (sei es z.B. CCR5-Defekt oder Trisonomie 21) hohes Interesse hinsichtlich veränderter Krankenversicherungs-Beiträge haben. Rentenversicherer dürften sicher überlegen, ob auch Menschen mit einem sog. ‘Langlebigkeits-Gen’ die gleichen Rentenversicherungs-Beiträge wie ‘Normal-Sterbliche’ zahlen sollten. Diese wenigen Beispiele zeigten schon deutlich, dass es dringend ein Gen-Diagnostik-Gesetz brauche, um Missbrauch zu vermeiden (ein entsprechender Referenten-Entwurf ‘Gendiagnostikgesetz’ befindet sich derzeit in Diskussion).
Henn zog zum Schluss seines Vortrags (der umfangreicher als hier dargestellt war) folgendes Fazit:
“1. Der Mensch ist wie alle Lebewesen den Gesetzen der Natur unterworfen. 2. Der Mensch schadet sich durch Missachtung anderer Lebewesen selbst. 3. Die Menschenwürde ist unabhängig von genetischen Eigenschaften. 4. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind biologisch sinnvoll. 5. Jeder Mensch trägt genetische Defektanlagen. 6. Jeder Mensch muss damit rechnen, genetisch kranke Nachkommen zu haben. 7. ‘Gute’ oder ‘schlechte’ Gene gibt es nicht. 8. Eugenik kann keine ‘Erbgesundheit’ erzeugen. 9. Nur mit einer möglichst großen genetischen Vielfalt kann die Menschheit bestehen. 10. Unsterblichkeit ist weder erreichbar noch wünschenswert.”
Henns Schlusswort: ein Zitat von Richard von Weizsäcker (1993):
Rita Süssmuth (geb. 17.2.1937 in Wuppertal) war u.a. in den entscheidenden Jahren von 1985 bis 1988 Bundesministerin für Gesundheit. In ihre Zeit als Ministerin fielen die großen Streits zwischen repressiver und aufklärerischer Aids-Politik, fiel die Entscheidung, Information und Beratung zu Grund- Bausteinen des Umgangs mit HIV und Aids in Deutschland zu machen.
Süssmuth war als Bundesgesundheitsministerin maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass sich Mitte der 1980er Jahre in der Aids-Bekämpfung in Deutschland die Linie der Information und Aufklärung durchsetzte.
Opern-Gala der Deutschen Aids-Stiftung 2008 äußerte sich Prof. Rita Süssmuth in einem Interview zur Aids-Bekämpfung in Deutschland:
“Die größte Schwierigkeit aber war, dass HIV und Aids eng mit der Sexualität verbunden war. Hier drangen wir in ein gesellschaftliches Feld vor, das überwiegend negativ besetzt war, wo wir noch nicht einmal die angemessene Sprache gefunden hatten. Rückblickend denke ich, dass die Sexualität erst durch HIV und Aids auch ein Thema in der Öffentlichkeit wurde. Es wurde nicht weiterhin als Schmuddelthema behandelt.”
In der damaligen Debatte zur Aids-Bekämpfung wurden auch ganz andere Wege des Umgangs mit diesem ‘Schmuddelthema’ und vor allem mit von HIV Betroffenen diskutiert.
“Die Vorstellungen, die da entwickelt wurden, die Betroffenen müssten kaserniert werden, das war für mich wirklich ein Schock. Das waren Aussagen, wo ich dachte: Da muss was entgegengesetzt werden.”
Von 1987 bis 2002 war Rita Süssmuth Mitglied des Deutschen Bundestags, 1988 bis 1998 Präsidentin.
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Prof. Dr. Rita Süssmuth sprach am 20.6.2008 im Rahmen der Ethik- Konferenz der Deutschen Aids-Hilfe über das Thema “Gender und Aids”. Einige ihrer bemerkenswerten Gedanken die ich von dieser Rede auf der Ethik-Konferenz erinnere:
“… auch ein irrendes Gewissen hat eine Berechtigung …”
” … das Menschenbild, der Mensch sei von Natur aus böse, ist tief in die politische Ethik eingegangen. Zum Beispiel in der Vorstellung, dem Einzelnen nicht zu viel Freiraum zuzugestehen, selbst die Grundrechte immer wieder zu relativieren.”
… wertschätzen, “was denn sexuell anders lebende Menschen an Bereicherung sein können …” … “auch was alles mit dem Männlichkeitsideal nicht verbunden sein muss … das ist mir wichtig, das immer wieder zu sagen“
Prof. Julian Nida-Rümelin hielt am 19. Juni 2008 den Eröffnungsvortrag der „Ethik-Konferenz – HIV/Aids: Ethische Perspektiven“ unter dem Titel „Die Freiheit des Einzelnen und das Interesse der Gesellschaft“.
Nida-Rümelin, Ordinarius für Politische Theorie und Philosophie am Geschwister-Scholl-Institut der Universität München, beschäftigte sich auf allgemeiner Ebene mit der Frage, welche moralischen Pflichten und Rechte durch HIV und Aids tangiert sind, und wie Freiheit des Einzelnen und Interessen der Gesellschaft aus dem erwachsenden Spannungsverhältnis heraus in Einklang zu bringen seien.
Ich bin mittelmäßig enttäuscht. Da kauft man seit Jahren seinen Strom bei einem Unternehmen, das verspricht, zu bezahlbaren Konditionen “sauberen Strom” zu liefern – und erfährt dann via FTD und SpON, dass einem doch Atom- und Kohlestrom untergejubelt wird.
Lichtblick selbst wirbt auf seiner Site für sein Produkt mit den Worten ” LichtBlick bietet umweltfreundlichen Strom zum günstigen Preis. Dieses Ziel erreichen wir mit einem Strommix, der zugleich höchste ökologische und ökonomische Anforderungen erfüllt.” Und weiter: “Seit 2003 wird unser Strom vollständig aus regenerativen Energiequellen wie Wasser, Biomasse, Sonnenenergie oder Windkraft erzeugt.”
Es geht (wenn ich den Sachverhalt richtig verstanden habe) darum, dass geplanter Strombedarf und reale Situation nicht immer überein passen, und entstehende Fehlmengen kurzfristig abgedeckt werden müssen. Diese werden an Strombörsen zugekauft – und darunter kann sich dann auch Kohle- und Atomstrom befinden. Der den Kunden dennoch als Ökostrom geliefert wird.
Oder, wie SpON treffend formuliert, “hätte Lichtblick von vornherein in seinen Broschüren darauf hingewiesen, dass minimale Mengen an Strom an der Leipziger Strombörse European Energy Exchane (EEX) dazugekauft werden, also Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken – niemand hätte das als Betrug am Kunden aufgefasst.”
Die Details kann der interessierte Leser bei FTD und SpON nachlesen.
Lichtblick selbst reagierte immerhin schnell, hat bereits morgens eine Presseerklärung auf seiner Site.
Die jedoch zeigt auch, dass Lichtblick nicht verstanden hat. Es mag ja sein, dass ein Zukauf geringer Mengen via Strombörse erforderlich ist, dass hier nicht gesteuert werden kann, ob dieser Zukauf aus regenerativen Quellen stammt. Nur – warum sagen sie dies nicht (bzw. erst “wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist”)? Warum dieses sorgsam gepflegte Saubermann-Image, das nun das schale Gefühl hinterlässt, ich sei in Energiefragen einer “Öko-Mogelpackung” aufgesessen, einer Werbelüge?
Ich bin enttäuscht – enttäuscht weniger von der Notwendigkeit des Zukaufs (schließlich, es geht bei Lichtblick um im Saldo 0,5% des verkauften Stroms). Enttäuscht vielmehr von eine, Unternehmen, das nicht den Mut findet, dies auch (vorher) öffentlich seinen Kunden zu sagen, vielmehr an einem Sauberstrom-Image strickt, das wissentlich ziemliche Laufmaschen hat …
An Lichtblick habe ich spontan folgende Mail geschickt:
“Sehr geehrte Damen und Herren,
in FTD und SpON lese ich, Lichtblick habe auch Atom- und Kohlestrom geliefert. In ihrer Pressemitteilung bestätigen Sie dies und stellen es als “zwangsläufig”, “unvermeidbare Abweichungen”, “gängige Praxis” usw.
Ich bin kein Experte in Sachen Stromhandel und -lieferung. Aber sowohl mein Lebenspartner und ich als auch zahlreiche unserer Freunde sind zu Lichtblick gewechselt gerade auch weil sie den Eindruck erwecken, hier gebe es 100% sauberen Strom – und nicht auch untergemischt Atomstrom.
Der von ihnen zur Begründung dargestellte Sachverhalt mag zutreffend sein, das vermag ich nicht zu beurteilen. aber in ihrer Kommunikation ist dies nie so dargestellt worden, ich habe den Eindruck gewonnen, Lichtblick sei garantiert ohne Atomstrom.
Wollte ich einfach günstigen Strom, inkl. Atomstrom, wäre ich längst bei Yello & co — ich bin gerade Lichtblick-Kunde, weil sowohl das Produkt als auch der Preis im Verhältnis stimmen.
Selbst wenn ihr gewähltes Verfahren “branchenweiter Konsens” ist, wie sie schreiben, wäre ich als Kunde dankbar gewesen, davon auch zu wissen – und nicht in jeder Abrechnung, jedem Kundenbrief ein sauberes Ökostrom-Gewissen vorgegaukelt zu bekommen.
Schade – wieder ein Traum eines gangbaren Wegs gelebten Umweltschutzes na nicht geplatzt aber entzaubert …
Ich wäre ihnen dankbar, wenn ihre Unternehmenskommunikation zukünftig wieder ‘sauberer’ wäre …
Mit freundlichen Grüßen, ihr enttäuschter Kunde …
Nebenbei – wenn sie selbst regenerative Mengen am Spotmarkt verkaufen, warum gibt es dann nicht an der eex auch einen “Unter-Markt” für regenerative Energie, an dem sie im Bedarfsfall zukaufen? Das könnte doch zur Lösung des Problems beitragen …
Mal sehen, wie Lichtblick reagiert … ich werde berichten …
11:34, Lichtblick hat reagiert. Dass sie ein Informationsproblem haben, scheinen sie bisher nicht verstanden haben. Dass sie genervt sind, kann man dem Ton der Mail hingegen gut entnehmen …
Hier LichtBlicks Antwort. “Sehr geehrter Herr Würdemann,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Die von der FTD aufgegriffene Thematik betrifft nicht den planbaren Stromeinkauf, der den prognostizierten Bedarf der Stromkunden vollständig deckt. Vielmehr geht es hier nur um die Mengen, die zur Kompensation von kurzfristig auftretenden Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Verbrauch der Kunden erforderlich sind. Es handelt sich dabei um zwangsläufig auftretende Mengen, die weniger als ein Prozent der Gesamtmenge ausmachen. Diese sogenannte Regelenergie kann nicht “grün“ beschafft werden.
Der planbare Stromeinkauf erfolgt bei LichtBlick wie durch die unabhängigen Zertifizierer bestätigt – vollständig in generativer Qualität. LichtBlick führt eine zeitgleiche Versorgung seiner Kunden durch, deckt den Bedarf der Kunden also zeitgleich in dem Moment des Verbrauchs.
Alle Ökostromanbieter, die das Modell der zeitgleichen Versorgung bei Haushalts- und Gewerbekunden anwenden, und alle Zertifizierer von Ökostromprodukten kennen diese grundsätzlichen Abläufe des Strommarktes und akzeptieren aus diesem Grund die oben beschriebenen, unvermeidbaren Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Kundenverbrauch.
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
i. A. Natalie Kassab, Kundenservice, Privat-und Gewerbekunden, LichtBlick – Die Zukunft der Energie GmbH & Co. KG, Zirkusweg 6, 20539 Hamburg”
Auf weitere Nachfrage teilt Lichtblick am 12. Juni 2008 mit: “Wir verstehen Ihren Unmut und möchten uns auf diesem Wege bedanken, dass wir zu diesem Thema noch einmal Stellung nehmen dürfen.
Wir denken darüber nach, die Kunden in Zukunft auf den kleinen, unvermeidlichen Anteil von Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken hinzuweisen. Damit wären wir der erste Anbieter der diese Problematik in der Werbung ausdrücklich anspricht. Selbstverständlich versuchen wir zukünftig die branchenüblichen Praxen für unsere Kunden noch transparenter zu gestalten um das Vertrauen zu halten, bzw. zu stärken.
…”
Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg während einer Demonstration gegen den Schah von einem Polizisten erschossen. Nahe dem Ort erinnert daran seit 1990 das Relief “Der Tod des Demonstranten” von Alfred Hrdlicka.
Juni 1967. Der Schah von Persien besucht im Rahmen seines Deutschlandsbesuchs auch Berlin. Im Vorfeld findet am 1. Juni 2016 eine Veranstaltung mit dem Exil-Iraner Bahman Nirumand im Audimax der FU Berlin statt. Nirumand betont, dass der Schah – anders als von manchen Organen der Yellow Press dargestellt – kein ‚Märchenkaiser‘ ist, sondern ein Diktator. Er berichtet über den Geheimdienst des Schah, und fordert die Anwesenden zu Demonstrationen auf.
2. Juni 1967 – Proteste gegen den Schah und Ermordung von Benno Ohnesorg
Am 2. Juni findet bei gutem Wetter vor dem Rathaus Schöneberg eine Demonstration gegen den Schah von Persien statt – von Zeitzeugen zu Beginn eher als in heiterer Stimmung, besonders als friedlich beschrieben. Doch plötzlich sehen sich die Demonstranten sog. ‚Jubel-Persern‘ gegenüber, die mit Latten auf sie einprügeln. Ohne von der Polizei daran gehindert zu werden.
Am Abend es Tages findet erneuter Protest statt. Der Schah will eine Gala-Aufführung der ‚Zauberflöte‘ an der Deutschen Oper besuchen. Die Demonstranten treffen auf einen massiven Polizei-Einsatz. Die Polizei fordert die Protestierer zur Räumung auf.
Die Situation eskaliert, wird zunehmend unkontrolliert. Polizeikräfte drängen die Demonstranten, die sich auch bedroht sehen von prügelnden Schah-Anhängern, von der Strasse vor der Deutschen Oper. Panik breitet sich aus unter den teils eingeschlossenen Demonstranten.
Unter den fliehenden Demonstranten befindet sich auch Benno Ohnesorg. Er flieht in Richtung Krumme Strasse. In eienm innenhof beobachtet er, wie Polizisten eine Gruppe von Demonstranten einkreisen, auf sie einprügeln. Ohnesorg selbst wird von drei Polizisten festgehalten, geprügelt. Um etwa 20:30 Uhr fällt ein Schuss. Benno Ohnesorg, am Kopf getroffen, geht zu Boden.
Ein Schuss, der die Republik verändert.
Der Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras ist an diesem Abend in Zivil im Einsatz, beauftragt vermeintliche Rädelsführer festzunehmen. Direkt nach dem Schuss wird er zurückgezogen, ins Polizeipräsidium gebracht.
Einem anwesenden Arzt verweigert die Polizei zunächst, Ohnesorg erste Hilfe zu leisten. Erst nach zwanzig Minuten trifft ein Krankenwagen ein. Benno Ohnesorg stirbt kurze Zeit später.
Benno Ohnesorg (1940 – 1967)
Benno Ohnesorg wurde am 15. Oktober 1940 in Hannover geboren. Nach Mittlerer Reife und Lehre als Schaufenster-Dekorateur holte er 1963 sein Abitur nach. 1964 begann er an der FU Berlin ein Studium der Germanistik und Romanistik. Ohnesorg war Mitglied der Evangelischen Studentengemeinde.
Am 27. April 1967 heiratete Benno Ohnesorg seine schwangere Freundin Christa. Beide lebten in der Prinzregentenstrasse in Berlin Wilmersdorf.
Am 2. Juni 1967 wurde Benno Ohnesorg von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien erschossen.
Am 8. Juni 1967 fand eine Trauerfeier für Benno Ohnesorg an der FU Brlin statt. Anschließend wurde der Leichnam nach Hannover überführt, begleitet von Hunderten PKW. Am 9. Juni 1967 wurde Benno Ohnesorg auf dem Stadtteilfriedhof Bothfeld in Hannover beigesetzt.
Christa Ohnesorg brachte imNovember 1967 den geiemsamen Sohn Lukas zur Welt. Sie starb 2000 und wurde neben ihrem Mann beigesetzt.
50 Jahre später – eine Entschuldigung, auch für die Erschiessung von Benno Ohnesorg?
50 Jahre später, am 2. Juni 2017, bat Justizsenator Dirk Behrendt um Entschuldigung: „Die Opfer dieser Gewalt & Willkür, deren Täter nicht oder nicht ausreichend belangt wurden, möchte ich um Entschuldigung bitten.“
#2Juni67: Die Opfer dieser Gewalt & Willkür, deren Täter nicht oder nicht ausreichend belangt wurden, möchte ich um Entschuldigung bitten. pic.twitter.com/wGM8k4AkpG
Unklar blieb in Behrendts Bitte um Entschuldigung, ob diese auch die Erschiessung Benno Ohnesorgs beinhaltet.
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Karl-Heinz Kurras (1927 – 2014)
Gegen Karl-Heinz Kurras wurde 1967 ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Er wurde am 22. Dezember 1967 freigesprochen. In der Revisionsverhandlung ab 1968 wurde Kurras am 22. Dezember 1970 erneut freigesprochen.
2007 äußerte sich Kurras noch einmal zu seinen Schüssen auf Benno Ohnesorg (zitiert nach taz 19.2.2015):
„Fünf, sechs Mal hätte ich hinhalten sollen. Wer mich angreift, wird vernichtet.„
Am 21. Mai 2009 wurde bekannt, dass Kurras SED-Mitglied war und als ‚Inoffizieller Mitarbeiter‘ für die ‚Staatssicherheit‘ der DDR gearbeitet hatte.
2011 führten neue Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass auf Benno Ohnesorg ohne Auftrag geschossen wurde, der Schütze nicht bedrängt worden war und wahrscheinlich gezielt geschossen hat. Eine erneute Anklageerhebung erfolgte nicht.
Der Bildhauer Alfred Hridlicka schuf 1971 das Bronze-Relief ‚Der Tod des Demonstranten‘. Es durfte erst 1990 vor der Deutschen Oper aufgestellt werden.
‘Nationale Identität’, ein Thema beherrscht die politische Debatte in Frankreich. Was soll das sein? Und warum braucht Frankreich ein Ministerium dafür, das Ministerium für nationale Identität ?
Frankreich bekommt, was es gewählt hat. Er hat es vorher versprochen, und nun ist es da. Ein ‘Identitäts- Ministerium’. Genauer gesagt, das ‘Ministerium für Einwanderung, Integration, nationale Identität und Ko- Entwicklung’.
An der Spitze des Ministeriums steht der von ‘Liberation‘ als ‘rechter Arm von Sarkozy’ und ‘Ultrasarkozyste’ bezeichneten Brice Hortefeux.
Schon die Kurzform ‘Identitäts-Ministerium’ lässt kalte Ahnungen von 1984 aufkommen.
Brauchen wir (’die Franzosen’, ‘die Deutschen’, etc. – so es diese Prototypen geben sollte) wirklich immer noch ‘nationale Identität’? Sicher, wenn ich in Frankreich bin, nehme ich war, dass es (oft: kulturelle) Unterschiede zwischen meinen Denkweisen, Verhaltensweisen etc. und denen französischer Freunde gibt.
Aber spätestens jeder Aufenthalt im außereuropäischen Ausland erinnert doch immer wieder daran, dass das Europäische viel verbindender, gemeinsamer ist. Ich fühle mich als Europäer, und diese Tatsache unterscheidet mich in vielem von z.B. Ostasiaten, US-Amerikanern oder Afrikanern. Die Unterschiede zwischen einzelnen europäischen Staaten erscheinen mir dabei immer mehr marginal, letztlich beinahe vernachlässigbar.
Nationale Identität erscheint mir wie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Europäische Identität, ja, da könnte ich drüber nachdenken wollen … (und zur Not auch noch über regionale Identität, ich empfinde mich sicher eher als ‘norddeutsch’ denn als ‘rheinisch’).
Und die Kombination der vier inhaltsbestimmenden Begriffe des neuen französischen Ministeriums, dieser Begriffe, die scheinbar so perfekt zusammen passen, lässt schlimmes befürchten.
Was hat z.B. Einwanderung mit ‘nationaler Identität’ zu tun? Steht hier nicht implizit der Gedanke im Hintergrund, Einwanderung gefährde ‘nationale Identität’? Gefahr statt Bereicherung? In einem Land mit einer festgelegten Abschiebequote (2007: 25.000 Menschen) scheint dieser Gedanke alles andere als fern zu liegen.
Und, kann es überhaupt einen einzigen Menschen (egal ob Minister oder nicht) geben, der bestimmt, was ‘nationale Identität’ ist?
In Frankreich kursiert bereits ein von über 13.000 Menschen unterzeichneter Aufruf, in dem gegen das neue ‘Identitäts-Ministerium’ protestiert wird. Der Kreis der Unterzeichner reicht vom Historiker Jacques Le Goff über Regisseurin Ariane Mnouchkine bis zum Sänger Yann Tiersen. Menschenrechtsvereinigungen in Frankreich protestieren gegen ‘Ausländerfeindlichkeit per Gesetz’, Amnesty kritisiert den Minister.
‘Nationale Identität’ war eines der zentralen Themen des Wahlkampfs von Nikloas Sarkozy. Die Franzosen haben nun bekommen, was sie gewählt haben. Schon jetzt sprechen Kommentatoren von einem der mächtigsten französischen Präsidenten.
Sarkozy, oder schreiben wir demnächst besser Zarkozy?
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