Singapur nutzt eine Smartphone App, um die Ausbreitung des Coronavirus zu kontrollieren. Mit dem Virus Infizierte werden Kontaktpersonen von Infizierten ermittelt.
Aufgezeichnet wird mit der App, mit wem die mit dem Coronavirus infizierte Menschen in Kontakt waren. So sollen Kontaktpersonen gezielt und schnell ausfindig gemacht und in Quarantäne geschickt werden.
In Singapur ist die Nutzung der App freiwillig. Sie wird den Bürger:innen der Stadt allerdings dringend angeraten. Allerdings kündigten die Behörden bereits im September 2020 an, die Nutzung der Corona Tracing App zukünftig verpflichtend vorzuschreiben. Hierzu wurden auch Bluetooth Wearables (Beacon) eingeführt.
Die Nutzer müssen explizit einwilligen in die Teilnahme am Programm sowie in die Speicherung und Nutzung ihrer Mobilfunknummer und Daten für Bewegungsprofile (contact tracing). Der Name des Nutzers selbst wird nicht erhoben. Diese Einwilligung erfolgt bei Erst-Installation der App.
Start war am 20. März 2020. Entwickelt wurde die App von Singapurs staatlicher Government Technology Agency (GovTech).
So genannte Contact Tracer beim Gesundheitsministerium können dann von den Nutzern der App verschlüsselte Protokolle der Daten anfordern. Diese sind mit temporärten IDs versehen, um die Kontakt-Verfolgung zu vereinfachen. Durch dieses Verfahren haben die Gesundheitsbehörden erst dann Zugriff auf die Daten (und entschlüsseln diese auch), wenn der Nutzer sie übermittelt hat.
Technisch nutzt die TraceTogether App das Blue Trace Protocol (Bluetooth contact tracing). Dem BlueTrace Manifest zufolge erfordert der Einsatz das Einschalten von Bluertooth und Ortung (GPS, Galileo etc.). Die App speichert dann eine temporäre gerätespezifische Kennung, Zeitstempel, Bluetooth Signalstärke und Telefonmodell (für die Kalibrierung des Bluetooth Signals).
Die App speichert nicht direkt den jeweiligen Standort, sondern die Entfernung der Nutzer der App von einander. Nutzer der App erhalten allerdings (anders als z.B. die in Deutschland eingesetzte Cortona Trancing App Corona Warn App) eine permanente Nutzer-ID.
GPS-Daten direkt werden nicht genutzt. Diese hätten sich gerade in Ballungsräumen und geschlossenen Räumen als wenig geeignet gezeigt, so die Entwickler. In Ballungsräumen habe sich Bluetooth als überlegen erwiesen.
Das BlueTrace Protokoll ist darauf ausgelegt, nicht nur auf Handys, sodnern z.B. auch auf Wearables (Smart Watches, Fit Bänder) etc. eingestezt wzu werden.
Dezentrale Datensammlung und Entfernungs-Ermittlung und zentrale Datenanalyse zur Epidemie-Kontrolle bei public health Behörden ( community-driven contact tracing ) würden so mit einander kombiniert, so die Entwickler. Durch die dezentrale Datensammlung sollen datenschutzrechtliche Bedenken überwunden werden.
Die App steht in AppStores bereits zum Download zur Verfügung. Singapur überlegt unterdessen, die App als open source frei zugänglich zu machen. Dies teilte Singapurs Außenministerin auf Facebook mit. Bis 8. April 2020 war der Code allerdings auf GitHub noch nicht verfügbar.
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Singapur: Polizei nutzt Daten der Corona Tracing App
Anfang januar 2021 wurde bekannt, dass in Singapur die Polizei Zugriff auf Daten der Coronavirus Tracing App TraceTogether hat.
Innenminister Desmond Tan teilte dem Parlament mit, Strafverfolgungsbehörden könnten auf Daten aus der Kontaktverfolgung zugreifen.
Inzwischen wurde das FAQ der App entsprechend ergänzt und erwähnt die potenzielle Nutzung von Daten durch die Polizei.
Coronavirus und Stigma – bisher sind mit diesem Problem vor allem Menschen asiatischer Abstammung konfrontiert gewesen. Doch wann kommt es auch hierzulande zu Stigmatisierung infolge der Coronavirus Epidemie? Mit einem Immunitätsausweis zum Beispiel? Eine Spaltung der Gesellschaft entlang viraler Grenzen?
Ein einfaches Denkmodell.
Bisher ist Ziel, die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst niedrig zu halten. Das Schutzinteresse der Bevölkerung ist (wenn auch aus unterschiedlichen Ausgangslagen, z.B. ‚Risikogruppe‘ oder nicht) weitgehend gleich. Die Befolgung der Ausgangsbeschränkungen ist hoch, auch weil Einsicht in ihre Notwendigkeit besteht.
In allen epidemiologischen Modellen zum Verlauf der Coronavirus-Infektion steigt nach und nach die Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben und die Infektion (mit oder ohne Behandlung) erfolgreich überwunden haben. Die danach vermutlich immun gegen das Virus sind, sich nicht erneut infizieren können.
Ausgangseinschränkende Maßnahmen können nicht permanent über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten werden. Stattdessen werden sie der epidemiologischen Situation angepasst werden.
Bedeutet: es wird womöglich für eine länger Zeit immer wieder Zeiträume mit stärkeren Einschränkungen der Bewegungsfreiheit geben.
Doch – Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (ob als Ausgangssperre oder in Form von Kontaktverbot) werden sich kaum begründen lassen für Menschen, die bereits Immunität gegen das Coronavirus haben. Für sie besteht vermutlich schlicht keine Notwendigkeit mehr – und auch keine Einsicht, etwaig dennoch (und sei es aus Solidarität) mit Einschränkungen leben zu müssen.
Bekommen wir dann eine Zweiteilung der Gesellschaft?
Diejenigen „die es schon hatten“, die immun sind – und die sich frei bewegen dürfen? Mit ‚Corona Passierschein‚? Bundesgesundheitsminister Spahn hat bereits (am 29. April 2020) einen ‚Immunitätsausweis‚ vorgeschlagen … Während diejenigen die infiziert sind mit einer Corona Quarantäne App überwacht werden?
Und diejenigen, „die es noch nicht hatten“, die sich noch infizieren können, noch nicht immun sind – und die sich nicht frei bewegen dürfen?
Wird „ich hatte es nich nicht“, wird ’nicht Coronavirus immun‘, wird ‚gesund‘ zum neuen Coronavirus Stigma?
Bei früheren Erkrankungen bedeutet Stigmatisierung meist ‚Stigmatisierung der Erkrankten‘. Bekommnen wir bald stattdesen eine Umkehrung? Eine Stigmatisierung der Gesunden?
Droht uns die Situation einer CoronavirusStigmatisierung da noch nicht immun? Oder eine Privilegierung derer die bereits Immunität haben?
Und was können wir unternehmen um einer denkbaren neuen Stigmatisierung vorzubeugen?
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Dies sei nur ein Denkmodell fernab jeglicher Realität?
„Den Immunen könnte man eine Art Impfpass ausstellen, der es ihnen zum Beispiel erlaubt, von Einschränkungen ihrer Tätigkeit ausgenommen zu werden“, sagt Prof. Dr. Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und beteiligt an einer großen Studie zu Immunität gegen das Coronavirus …
Die Bundesärztekammer fordert am 30. März Erleichterungen für ‚Genesene‘. „Alle, die immun sind, weil sie die Infektion schon hinter sich haben, könnten dann wieder zur Arbeit gehen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. … Der große Vorteil ist ja: Sie sind weder gefährdet noch gefährden sie andere.“
Und Bundesgesundheitsminister Spahn schlägt am 29. April 2020 einen ‚Immunitätsausweis‘ vor … für den die Bundesregierung am 29. April 2020 gleich die Voraussetzungen schuf …
‚Vorbild‘ China? In Wuhan / China entscheidet eine Smartphone App über die Freiheit eines Menschen. Grün = freier Zutritt, gelb = 7 Tage Quarantäne, rot = 2 Wochen Isolation. Die Entscheidung trifft die App per Algorithmus, auf Basis von Herkunft, Reiseinformationen und Bewegungsprofil …
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Zum Komplex Krankheit und Stigmatisierung lohnt immer wider die Lektüre der Schriften von Susan Sontag (1933 – 2004), insbes. Krankheit als Metapher und Aids und seine Metaphern.
Niemand könne derzeit sicher sagen, ob jeder der erkrankt und danach genesen sie, auch tatsächlich immun sei (Antikörperstatus und Immunstatus seien derzeit nicht sicher gleichzusetzen), betonte RKI-Chef Wieler am 14. April 2020. Vor der Frage, wie mit Menschen mit Immunität umzugehen sei, müsse sicher der Immunstatus und seine Bedeutung sicher sein.
Am 25. April 2020 warnte auch die Weltgesundheitsorganisation WHO vor ‚Immunitätsausweisen‘. „Es gibt im Moment keinen Nachweis, dass Menschen, die sich von Covid-19 erholt und Antikörper haben, vor einer zweiten Infektion geschützt sind.„
In mehreren Bundesländern wurden oder werden Coronavirus Daten an die Polizei übermittelt. Zunächst wurde dies aus Baden-Württemberg bekannt. Doch auch in anderen Bundesländern kam es zur Übermittlung von Daten von mit dem Coronavirus Infizierten (‚Corona-Listen‘) an die Polizei. Der Datenschutz intervenierte. Die Datenübermittlung wurde gestoppt – fast überall, bis auf …. Und bis – Baden-Württemberg es erneut per Verordnung zuließ … Eine Übersicht:
Baden-Württemberg: Gesundheitsämter lieferten Coronavirus Daten an die Polizei
Wurden vom Gesundheitsamt Daten an die Polizei geliefert? In Baden-Württemberg ja. Dort sollen einige Gesundheitsämter die Daten aller ihnen bekannten mit dem Coronavirus Infizierten an die Polizei weitergereicht haben.
Der SWR berichtet am 26. März 2020, einige Gesundheitsämter in dem Bundesland hätten die Daten aller mit dem Coronavirus infizierten Personen an Polizeidienststellen weitergeleitet. Zur Begründung sei Selbstschutz angegeben worden. Fehlende Schutzkleidung bei den Beamten mache dies notwendig, die Beamten hätten sich doch schützen müssen.
Laut Recherchen der taz meldtete das Gesundheitsamt Böblingen z.B. nicht nur Namen der Coronavirus Infizierten, sondern auch Kontaktdaten sowie Namen von Personen die mit ihnen zusammen leben (‚häusliche Kontaktpersenen‘). Das Gesundheitsamt Böblingen ebstätigte dies.
Laut Badischer Zeitung sind von den etwa 34.000 Polzei-Mitarbeiter:innen des Bundeslands derzeit (23.3.) 58 mit dem Coronavirus infiziert.
Das Innenministerium habe dies gerechtfertigt mit dem Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Datensammlungen zur Abwendung von Gefahren von der Bevölkerung seien demnach zulässig.
„Wenn die Polizei beispielsweise zu einem Verkehrsunfall gerufen wird, kann sie so überprüfen, ob der Betroffene infiziert ist.“
Auch die Gewerkschaft der Polizei verwies zur Rechtfertigung auf fehlende Schutzkleidung.
„Uns fehlen Informationen von Infizierten, wenn wir bei Einsätzen ausrücken“
Hans-Jürgen Kristein , GdP Vorsitzender Baden-Württemberg
Das Landesgesundheitsamt war über die Datenweitergabe offensichtlich nicht informiert.
Der Landes-Datenschutzbeauftragte Stefan Brink betonte, die Weitergabe dürfe nicht pauschal in Listen erfolgen, sondern nur bei einer konkreten Gefahr für Beamte im Einzelfall. „Da werden Dämme eingerissen .„
SPD-Vertreter sprachen von einem massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Bürger:innen.
Einzelne Gesundheitsämter bestätigten der BZ zudem, Daten von mit dem Coronavrus Infizierten an die Ordnungsämter weiterzugeben, damit diese im Fall einer Quarantäne diese überwachen könnten.
Einstellung im April …
In Baden Württemberg wurde die Datenübermittlung an die Polizei nach Einschreiten des Datenschutzes beendet. Nur noch im Einzelfall und bei Gefahr im Verzug würden Daten übermittelt.
… und Kehrtwende am Montag 4. Mai 2020:
Eine neue Verordnung erlaubt nun die Übermittlung von Daten von mit dem Coronavirus Infizierten an die Polizei. Ministerpräsident Strobl (CDU): „Damit kann die Polizei Personen identifizieren, die sich nicht an die Auflagen halten und andere gefährden.“
Ab Dienstag 5. Mai 2020 darf die Polizei bei konkretem Anlaß auf die Daten von gesundheitsämtern zugreifen. Der Zugriff erfolgt zentral über das Landesgesundheitsamt.
Grundlage ist eine Verordnung des Innen- und Sozialministeriums zur Verarbeitung personenbezogener Daten zwischen Gesundheitsbehörden und Polizei.
Lob bekam die Maßnahme von Sozialminister Lucha (Grüne).
Mecklenburg Vorpommern
In Mecklenburg Vorpommern wurden Gesundheitsämter einem Bericht von Netzrecherche zufolge von Gesundheitsminister Glawe (CDU) angeordnet, Daten zu Coronavirus Infizierten zur Verfügung zu stellen.
Zuklünftig solle jeden Morgen um 10 Uhr per Email eine Liste an die Polizeidienststellen gehen, meldet der Nordkurier. Grund seien laut NDR Schutz der Beamt:innen und Gefahrenabwehr.
Rostock (auf Intervention des Sozialsenators) und der Landkreis Ludwigslust – Parchim (nach Bedenken des Landrats) halten sich Medienberichten zufolge nicht an die Anordnung.
In Mecklenburg Vorpommern hält der Landesdatenschutzbeauftragte die Übermittlung an die Polizei für zulässig und erteilte seine Zustimmung.
Der Präsident der Ärztekammer des Bundeslandes zweifelte Medienberichten zufolge am Sinn der Anordnung.
Niedersachen
Auch in Niedersachsen wurden Gesundheitsämter zufolge aufgefordert, Daten zu Coronavirus Infizierten zur Verfügung zu stellen, meldet Netzrecherche.
Das Innenministerium Niedersachsen erwäge sogar landesweit, die Übermittlung sogenannter ‚Quarantänelisten‘ anzuordnen. Ziel sei der bessere Schutz der Polizist:innen.
In Göttingen und Osnabrück seien bereits Daten an die Polizei übermittelt worden.
Die Datenschutzbehörden haben sich eingeschaltet. Am 3. April 2020 wurde Gesundheitsämtern des Bundeslandes untersagt, Liste von mit dem Coronavirus Infizierten an die Polizei weiterzugeben.
Doch am 6. April wurde deutlich: die Polizei versucht über ‚Notstandsparagraphen‘ weiterhin Daten zu bekommen. Laut Innenministerium würden weiterhin Daten übermittelt. Grundlage ist ein neuer Erlaß dessen Existenz geleakt wurde über Freiheitsfoo. Der genaue Wortlaut ist bisher nicht bekannt – er regele nur ‚interne Abläufe‘, so das neidersächsische Innenministerium.
Die nPolizei nutzt die Daten nicht nur für ‚interne Zwecke‘, sondern auch für die Einleitung von Straverfahren bei Verletzung von Quarantäne-Auflagen, wurde auf einer Pressekonferenz am 6. April deutlich.
Bremen
Auch in Bremen wurden Daten von mit dem Coronavirus Infizierten an die Politzei weitergegebenm, bestätigte laut Netzrecherche eine Pressesprecherin des Innensenators. Grund sei ebenfalls der Schutz der Beamt:innen.
Basis sei in Bremen das Bremische Gesetz zur Behandlungseinleitung bei Infektionen mit übertragbaren Krankheiten durch Dritte.
In Bremen erreichte die Datenschutzbeauftragte Imke Sommer eine vorläufige Beendigung der Datenweitergabe. Bereits übermittelte Daten wurden wieder gelöscht.
Gesundheitssenatorin Bernhard (Linke) erklärte inzwischen, die Daten seien ‚fälschlicherweise‘ weitergebene worden und inzwischen wieder gelöscht:
Sachsen- Anhalt – Coronalisten verschleiert?
Die Behörden in Sachsen-Anhalt verweigern Netzrecherche zufolge Auskünfte darüber ob Daten von Coronavirus Infizierten weitergegeben werden. Später wurde seitens des Innenministeriums eine Datenübermittlung verneint.
Ende April wurde der Verdacht laut, eine Datenübermittlung an die Polizei könnte vertuscht worden sein. Daten von Personen unter Quarantäne sowie Kontaktpersonen wurden doch an die Polzei weitergegeben und dort in die Fahndungs-Datenbank (‚ Personenfahndung mit der Anlass-Zweck-Kombination‘) gespeichert.
Erst jüngst konnte bei der Änderung des Infektionsschutz-Gesetzes die Weitergabe personalisierter Mobilfunkdaten an Gesundheitsbehörden verhindert werden.
Experten sprechen, Politiker sprechen. Wo bleibt in Zeiten der Epidemie des Coronavirus die Stimme der Infizierten und der Kranken?
Über 31.000 registrierte Infektionen mit dem Coronavirus meldet das Robert-Koch-Institut (Stand 25.3. 0:00 Uhr). Etwa 4.000 werden in Krankenhäusern in Deutschland aktuell behandelt (laut DKG).
Es gibt aus dem Ausland zahlreiche erschütternde Bilder von Krankenstationen, von Särgen, von Krematorien.
Vereinzelt gibt es Bilder fröhlich winkender Menschen, die als ‚Coronavirus geheilt‘ aus einem Krankenhaus entlassen werden.
Und wer spricht über die Coronavirus Epidemie und ihre Folgen? Es sprechen Virologen und Epidemiologen, es sprechen Politiker und Ökonomen, vereinzelt finden sogar Soziologen Gehör.
Doch weitgehend unsichtbar sind bisher die mit dem Coronavirus Infizierten sowie die an COVID-19 Erkrankten und ihre Angehörigen.
Coronavirus – unsichtbare Kranke ?
Es wird über sie gesprochen – doch wo kommen sie selbst zu Wort?
Nicht über uns – mit uns! … eine alte Lehre aus Frühzeiten des Aids-Aktivismus …
Wo erhebt sich ihre Stimme?
Wer vertritt ihre Interessen?
Wir sind am Beginn der Coronavirus Epidemie, es mag früh erscheinen diese Frage zu stellen.
Vergessen wir nicht die Lektionen aus Zeiten der Aids-Krise.
Vergessen wir nicht, wie lange es brauchte bis ‚Betroffene‚ selbst zu Wort kommen konnten, bis sie in Strukturen aktiv eingebunden wurden. Vergessen wir nicht, wie wichtig dies (bis hin zur Festschreibung von Communitybeteiligung in Prinzipien wie GIPA) für eine erfolgreiche Bekämpfungs-Strategie war und ist.
Coronavirus Kontaktverbot Kontaktbeschränkung – Ansammlungen von mehr als 2 (!) Personen sind ab Montag 23. März für zunächst mindestens 2 Wochen verboten. In der Öffentlichkeit gilt ein vorgeschriebener Mindestabstand. Darauf haben sich Bund und alle Bundesländer am 22. März verständigt.
Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind demzufolge verboten. Ausnahme gelten für Familien sowie Personen, die gemeinsam in einem Haushalt oder einer WG leben (und Nutzung ÖPNV sowie Beerdigungen). In der Öffentlichkeit muss ein Mindestabstand von 1,50 Meter (besser 2m) eingehalten werden.
Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder mit den im Haushalt lebenden Personen gestattet, so Bundeskanzlerin Merkel in der Pressekonferenz am 22. März 2020.
Bayern kündigte an, diese Regelung nicht umzusetzen. Man dürfe sich in Bayern auch weiterhin nur mit Angehörigen des eigenen Haushalts im Öffentlichen Raum bewegen. Auch einige andere Bundesländer haben üpber die gemeinsame Regelung hinaus reichende Regelungen verhängt.
Die Einhaltung soll von Polizei und Ordnungsbehörden überwacht, Verstöße sollen mit hohen Geldstrafen sanktioniert werden.
Die konkrete Rechtsgrundlage ist bisher unklar. Rechtlich zuständig sind die Bundesländer. Gültigkeit ist derzeit mindestens zwei Wochen (NRW: bis 19. April).
Mit der Regelung – statt einer völligen Ausgangssperre – soll die weitere Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden. Das Problem sei nicht das Verlassen des Hauses (Ausgangssperre), sondern der Kontakt von Personen.
Ähnlich wie Ausgangssperren greift ein Kontaktverbot tief in Grundrechte ein, z.B. in die Bewegungsfreiheit oder die Versammlungsfreiheit. Oppositionspolitiker mahnen bereits regelmäßige Überprüfungen an.
Die beschlossenen Regelungen zeigen keine eindeutige Exitstrategie auf. Wird sie wieder zurück genommen? Wann? Die Gültigkeit? Vorläufig. Verlängerbar. Unendlich verlängerbar? Unklar. Zurücknahme unter welchen Bedingungen? Unklar.
JES & akzept e.V. & Deutsche Aidshilfe : Corona – Informationen für Drogengebraucher*innen (pdf)
Konferenz der Vorsitzenden von Qualitätssicherungskommissionen der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland: Informationen zur Opioid-Substitution und Sars-CoV-2/Covid-19 Hinweise für substituierende Ärztinnen und Ärzte (pdf)
Im März und im November 2020 erfolgte in zwei Schritten die Änderung Infektionsschutzgesetz 2020: das Bundeskabinett beschloss am 23. März 2020 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Der Entwurf wurde am 25. März in drei Lesungen im Bundestag und am 27. März im Bundesrat im Eilverfahren beschlossen und direkt anschließend in Kraft gesetzt. Mit einer zweiten Änderung wurde per 19. November 2020 ein neuer Paragraf 28a eingeführt, der konkrete Maßnahmen benennt und durch eine Gesetzesgrundlage mehr Rechtssicherheit schafft.
Am Sonntag 22. März 2020 einigten sich Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten der Länder unter anderem auch darauf, das Infektionsschutzgesetz zu ändern. Die Verpflichtung zur Übermittlung von Mobilfunkdaten wurde im letzten Moment aus dem Gesetzentwurf gestrichen.
Mehrere Bundesländer hatten im Vorfeld die geplanten Änderungen kritisiert, eine Änderung von Zuständigkeiten sei nicht erforderlich und führe nur zu Verunsicherung. Medien kritisieren, mit dem Gestez würde der Bundesgesundheitsminsietr „zum starken Mann“ gemacht.
Das Bundeskabinett hat den Entwurf (pdf) bereits am Montag 23. März 2020 behandelt und beschlossen. Noch in derselben Woche hat am Mittwoch 25.3. der Bundestag in erster, zweiter und dritter Lesung debattiert. Am Freitag 27.3. wird der Bundesrat im Eilverfahren darüber beschließen. Die Zustimmung des Bundesrats ist erforderlich, da eine neue Weisungsmöglichkeit des Bundes enthalten ist.
Änderung Infektionsschutzgesetz 2020 – Einführung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite
Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes werden dem Bund weitreichende zusätzliche Kompetenzen eingeräumt. Grundlage ist die neu eingeführte Möglichkeit, eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ (neuer §5) auszurufen. Dies kann erfolgen wenn eine „ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland festgestellt“ wird.
„Die Bundesregierung wird zur Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ermächtigt.“
„Auf Verlangen des Bundestages oder des Bundesrates ist die Feststellung aufzuheben.“
aus dem Gesetzentwurf zur Änderung des infektionsschutzgesetzes, 2. Satz ergänzt bei Lesuing im Bundestag am 24.3.
Medien (zuerst die FAZ) berichteten am 21. März 2020 erstmals von einem 23 Seiten umfassenden Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Der Bund wolle so mehr Kompetenzen an sich ziehen und die Bundesländer entmachten.
Die Ausrufung des Epidemiefalls wird einer Einigung am Montag 23.3. abends zufolge nun nicht wie ursprünglich im Entwurf des BMG geplant durch die Bundesregierung sondern durch denBundestag erfolgen. In einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ erhält der Bund dann für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Kompetenzen.
zusätzliche Kompetenzen für den Bund
Mit der Gesetzesänderung würde der Bund / das Bundesgesundheitsministerium sehr weitreichende Kompetenzen erhalten. Unter anderem wären weitreichende Einschränkungen von Grundrechten möglich
Es gehe unter anderem darum dem Bund zu Lasten der Bundesländer Kompetenz zuzugestehen, so z.B.
grenzüberschreitende Personentransporte zu untersagen
Verpflichtung einreisender Personen, Reiseroute und Kontakte offenzulegen
Kontaktpersonen von Coronavirus-Infizierten per Handy-Ortung zu suchen (contact tracing), Mobilfunkunternehmen sollen zur Datenweitergabe verpflichtet werden
zentrale Steuerung der Versorgung mit Arzneimitteln udn Schutzausrüstung
Zwangsrekrutierung von medizinischem Personal
Voraussetzung dieser neuen Kompetenzen sei eine „epidemische Lage nationaler Tragweite„. Die Bundesregierung müsse das Vorliegen dieser ‚National-Epidemie‚ erklären.
Mit der Änderung soll der Bundesgesundheitsminister auch ermächtigt werden, Ausnahmen von Gesetzen wie z.B. dem Arzneimittelgesetz zuzulassen – im Alleingang, ohne Hinzuziehen des (Gesetze erlassenden) Parlaments. Zudem soll der Bundesgesundheitsminister selbst ‚Ausnahmen vom Infektionsschutzgesetz‘ erlassen können.
Änderung Infektionsschutzgesetz – Präzisierung zu Ausgangssperren
Allerdings wird §28 (1) [Einschränkung von Grundrechten] in dieser Hinsicht präzisiert. Die ‚zuständige Behörde‘ kann demnach zukünftig Personen verpflichten, „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen“ oder „bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten“.
Änderung Infektionsschutzgesetz – vorerst gestoppt: Mobilfunkdaten an Gesundheitsbehörden
Mehrere Politiker äußerten insbesondere vor dem Hintergrund der Bereitstellung von Handydaten an Gesundheitsbehörden Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung?
Bundesgesundheitsminister Spahn gehe „sehr hemdsärmelig mit Bürgerrechten um“, so FDP-Politiker Stephan Thomae. Er sprach von einem „unverhältnismäßigen Eingriff in wichtige Persönlichkeitsrechte“. Spahns Plan des Handytracking sei „unausgegoren“, so Konstantin von Notz (Grüne).
Am Sonntag Nachmittag wurde bekannt, dass der Bundesgesundheitsminister auf die Ermittlung von Kontaktpersonen mittels Mobilfunkdaten verzichtet. Er ist aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Kanzlerin und Ministerprädsident:innen hätten es blockiert. Gerade dieser Punkt hatte in sozialen Netzwerken wie auch bei Netzaktivisten für Empörung und Proteste gesorgt.
Ulf Buermeyer, Richter am Berliner Landgericht, zeigte sich erleichtert – ein „missratener Vorschlag“ sei einkassiert.
Bundesjustizministerin Lambrecht betonte das Vorhaben personenbezogene (!) Mobilfunkdaten zu übermitteln werde vorerst nicht weiter verfolgt. Vorerst genüge die Übermittlung anonymisierter Daten. Die Übermittlung personenbezogener Daten schloss sie nicht generell aus. Spahns Vorschlag sei nur „zu früh gekommen„, zudem sei unklar ob er zielführend sei.
Allerdings enthält der Gesetzentwurf einen neuen Passus (neuer § 12 (5a) IGV-Durchführungsgesetz), demzufolge Gesundheitsämter Daten zur Erreichbarkeit von Personen direkt von den Fluggastdatenzentralen erhalten können. Dies ist nicht nur ‚im Verdachtsfall‘ möglich, sondern generell bei ‚Flügen aus betroffenen Gebieten‘.
Spahns Ansinnen ‚Mobilfunk Tracking Daten für Gesundheitsbehörden‚ ist ebenfalls nicht endgültig vom Tisch. Vielmehr soll das Vorhaben in Ruhe durchdacht und dann nach Ostern erneut aufgegriffen werden.
Zudem wird parallel an der Entwicklung einer ‚GesundheitsApp‘ gearbeitet, mit der infizierte Personen getrackt werden können.
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zweite Änderung Infektionsschutzgesetz 2020 – November 2020
Im November 2020 wurde eine dritte Änderung Infektionsschutzgesetz 2020 beschlossen (Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite).
Die Änderungen wurden in erster Lesung am 6. November 2020 im Bundestag behandelt. Am 18. November 2020 folgte die zweite und die dritte Lesung. Mit einer Mehrheit von 415 Abgeordneten stimmte der Bundestag der Änderung am Infektionsschutzgesetz zu. Direkt anschließend erteilte nachmittags der Bundesrat in einer Sondersitzung seine Zustimmung. Am Abend des gleichen Tages erfolgte die Unterzeichnung (Ausfertigung) durch den Bundespräsidenten. Das Gesetz trat am darauffolgenden Donnerstag 19. November 2020 in Kraft.
Hintergrund der Änderung im November 2020: viele Maßnahmen waren zunächst auf die ‚Generalklausel‚ gestützt. Paragraf 28 legt fest, dass ’notwendige Maßnahmen‘ ergriffen werden dürfen. Konkrete Maßnahmen würden dann durch Verordnungen der Bundesländer ergriffen. Doch in zahlreichen Bundesländern waren Corona-Maßnahmen von gerichten wieder gekippt worden (z.B. Beherbergungsverbot), z.B. mit der Begründung diese seien unverhältnismäßig oder nicht ausreichend begründet.
Mit der zweiten Änderung Infektionsschutzgesetz 2020 im November 2020 wird ein neuer Paragraf 28a eingeführt. In diesem werden einzelne mögliche Maßnahmen konkret benannt. Zu den benannten und dadurch gesetzlich verankerten Maßnahmen gehören
Abstandsgebote
Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum
Beschränkungenen oder Untersagungen von Übernachtungsangeboten, Reisen, Kultur-, Sport- und Freizeitveranstaltungen
Schließung von Geschäften
Anordnen einer Maskenpflicht im öffentlichen Raum
Die Maßnahmen basieren damit nicht mehr unspezifisch auf der Generalklausel sondern erhalten damit eine vom Parlament verabschiedete Gesetzesgrundlage (statt zuvor Verordnungnen der Länder; Schaffung von Rechtssicherheit). Die (umsetzenden) Verordnungen der Bundesländer müssen nun zeitlich befristet (grundsätzlich 4 Wochen, verlängerbar) und begründet sein (diese Begründungs- und Limitierungspflicht bestand zuvor nicht).
Änderung Infektionsschutzgesetz als Zeichen der Depolitisierung ?
Professor Christoph Möllers (HU Berlin) kritisiert unter dem Titel ‚parlamentarische Selbstentmächtigung‚ zahlreiche Bestimmungen der Änderugn des Infektionsschutzgesetzes und spricht von zunehmender Depolitisierung:
„Dass all diese Kompetenzen, die im Notfall wie jetzt im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stehen, von einem einzelnen Ministerium ausgeführt werden können, das sich nur noch mit der eigenen Hierarchie und punktuell mit dem ins Einvernehmen zu setzenden anderen Ministerien auseinanderzusetzen hat, führt die Depolitisierung weitreichender Entscheidungen auf die Spitze.“
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Ein Detail-Problem: Kontaktverbote und Ausgangssperren kann und wird man irgendwann zurücknehmen. Glaubt irgendwer, dass eine einmal eingeführte Übermittlung von Bewegungsdaten aus Mobilfunk an Gesundheitsbehörden jemals wieder zurückgenommen wird?
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Das Infektionsschutzgesetz (IfsG, Gesetzestext IfsG) regelt die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Es legt u.a. fest welche Krankheiten meldepflichtig sind, welche Angabe gemacht und wie übermittelt werden. Es trat am 1. Januar 2001 in Kraft und ist Nachfolger des 1961 bis 2000 geltenden Bundesseuchengesetzes.
Die Versammlungsfreiheit ist Ausdruck und Kernbestandteil freiheitlicher Demokratie. Wie steht es in Zeiten der Epidemie mit dem Coronavirus um Versammlungsfreiheit ?
Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht
Die Versammlungsfreiheit ist in Artikle 8 Absatz 1 des Grundgesetzes geregelt. Sie stellt ein Grundrecht dar.
„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Grundgesetzt Artikel 8 (1)
Zudem gewährleistet Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention die Versammlungsfreiheit:
„Jede Person hat das Recht, sich frein und freidlich mit anderen zu versammeln …“
Die Versammlungsfreiheit ist Grundbestandteil der politischen Willensbildung (Demonstrationsrecht, Demonstrationsfreiheit).
Gemäß Grundgesetz kann die Versammlungsfreiheit in der Öffentlichkeit beschränkt werden:
„Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. “
Grundgesetzt Artikel 8 (2)
Versammlungen unter freiem Himmel müssen angemeldet, nicht aber genehmig werden. Für die Beschränkung der Versammlungsfreiheit muß ein Gesetz Grundlage sein. In der Regel ist dies ein Versammlungsgesetz (auf der Ebene Bund oder seit der Föderalismusreform 1.9.2006 Länder). Zur Durchsetzung kann die Polizei herangezogen werden, ein Einsatz der Bundeswehr zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist nicht verfassungsgemäß.
Die große Bedeutung der Versammlungsfreiheit wurde mehrfach durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt (z.B. -> Brokdorf-Urteil 1985).
Die Versammlungsfreiheit kann durch Versammlungsverbote (gemäß §5 und §15 Versammlungsgesetz) oder Ausgangssperren eingeschränkt werden.
Coronavirus und Versammlungsfreiheit
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wurde zu Beginn der Coronavirus-Epidemie in zahlreichen Bundesländern eingeschränkt.
Rechtsgrundlage dieser Einschränkungen der Versammlungsfreiheit durch Landesbehörden infolge der Coronavirus-Epidemie ist i.d.R. das Infektionsschutzgesetz IfsG. Demzufolge kann die ‚zuständige Behörde‘
„auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. … Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt.“
§ 28 IfSG, Auszug
Dabei gilt, dass die Beschränkung verhältnismäßig sein muss, personell, räumlich und zeitlich bestimmt und begrenzt. Insbesondere sind nur vorübergehende Maßnahme zulässig „bis andere Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“ (IfsG).
So wurde z.B. in Hamburg am 12. März 2020 die ‚Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen und Versammlungen zur Eindämmung des Coronavirus‘ (pdf) erlassen.
Die Coronavirus Epidemie ist eine Ausnahmesituation – aber auch ein Cortonavirus Ausnahmezustand ?
„Es ist schon sehr schwer.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel schaut sehr ernst bei ihrer Fernsehansprache zur Coronavirus Epidemie am Mittwoch 18. März 2020. „Die nächsten Wochen werden noch schwerer.“
Die Situation ist ohne Zweifel eine Ausnahmesituation. Aber auch ein Ausnahmezustand?
Bei einem Ausnahmezustand werden Existenz oder wesentliche Grundfunktionen eines Staates als bedroht angesehen. Der Begriff Ausnahmezustand wird oft gleichbedeutend mit dem Begriff Notstand verwendet.
Im Grundgesetz gibt es den Begriff Ausnahmezustand nicht.
Am 30. Mai 1968 verabschiedete zur Zeit der Großen Koalition der Deutsche Bundestag nach massiven Protesten (insbesondere der ‚außerparlamentarischen Opposition APO) die so genannten ‚Notstandsgesetze‚ (‚Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes‘).
Die mit den Notstandsgesetzen herbeigeführten Änderungen des grundgesetzes ermöglichen unter genau spezifizierten Umständen zum Beispiel
gesetzgebende Funktionen von Bundestag und Bundesrat können von einem ‚Gemeinsamen Ausschuß‘ übernommen werden.
die Einschränkung einiger Grundrechte, ohne weiteren Rechtsweg.
Die einschränkbaren Grundrechte sind
Briefgeheimnis und
Post- und Fernmeldegeheimnis (Grundgesetz Artikel 10)
Freizügigkeit (Grundgesetz Artikel 11)
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Die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen Michelle Bachelet, Chirurgin und 2006 bis 2010 sowie 2014 bis 2018 Präsidentin Chiles, betonte am 16. März 2020, Ausnahmezustand und Notstand dürften nicht dazu missbraucht werden, Menschenrechte zu unterdrücken.
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Disclaimer
Ich bin juristischer
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Meinung. Sie sind lediglich allgemeiner Natur und stellen keine
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Kann in Ausnahmesituationen, z.B. Epidemie Coronavirus Bundeswehr im Innern eingesetzt werden, neben der Polizei werden ?
Coronavirus Bundeswehr im Innern – welche Rechtsgrundlage gäbe es?
Die Verwendung der Bundeswehr im Inneren sieht das Grundgesetz in genau zwei Fällen vor:
Verteidigungs- oder Spannungsfall, geregelt in Artikel 115 a (1), und
Wahrnehmung bestimmter Ausgaben im Inneren (kein Verteidigungs- oder Spannungsfall), geregelt in Artikel 87a (3), mit strengem Verfassungsvorbehalt.
„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“
Grundgesetz Artikel 87 a (2)
„Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Absatz 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.“
Grundgesetz Artikel 87 a Absatz 4
Im Fall des Einsatzes im Inneren ohne Spannungs-oder Verteidigungsfall (wie, wenn überhaupt, in der Situation der Coronavirus-Epidemie), bestehen genau drei Möglichkeiten gemäß Grundgesetz:
Amtshilfe (Artikel 35 (1)),
militärische Bekämpfung nichtstaatlicher Gegner der freiheitlichen ordnung (Artikel 87 a (4)) [innerer Notstand = Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung], und
Naturkatastrophe oder besonders schwerer Unglücksfall (Artikel 35 (2,2) & 3) [Katastrophenhilfe]
Im (für die Situation der Coronavirus-Epidemie am ehesten in Betracht zu ziehenden) Fall der Naturkatastrophe hat das Bundesverfassungsgericht noch 2006 die Verwendung explizit militärischer Mittel dezidiert abgelehnt (nur ‚Hilfspolizist‘). Seit 3. Juli 2010 (Parlaments- Entscheidgung) ist der Einsatz militärischer Mittel nur als ultima ratio möglich.
Erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2012 darf die Bundeswehr überhaupt im Inneren hoheitliche Aufgaben übernehmen – unter der Bedingung von Attentaten von „katastrophischem Ausmaß„.
Polizei in Land und Bund
Das Polizei– und Ordnungsrecht ist in Deutschland Sache der Bundesländer. Zusätzlich ist die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz) beim Bundesministerium des Inneren angesiedelt.
Vollkommen unabhängig vpon Landes- und Bundes-Polizeistrukturen sind die Feldjäger als Militärpolizei. Sie besitzt gegenüber Nicht-Bundeswehr-Angehörigen im Friedensfall keinerlei Weisungsbefugnis (Ausnahem zur prümären Aufgabenerfüllung, z.B. militärischen Sicherheitsbereich errichten).
Im Fall einer ‚drohenden Gefahr für den Bestand des Bundes‘ ermöglicht Artikel 91 (2) Grundgesetz der Bundesregierung, die Befehlsgewalt über die Polizei an sich zu ziehen und auch Bundespolizei einzusetzen. Militärische Strukturen werden nicht genannt.
Trennung von Polizei und Militär – eine historische Erfahrung
Die strikte Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben, wie sie das Grundgesetz (bis auf wenige genau geregelte Ausnahmen, s.o.) vorsieht, beruht auf historischer Erfahrung.
Die Staatsaufgabe Innere Sicherheit ist laut Grundgesetz Aufgabe der Polizei. Aufgabe der Bundeswehr ist die Außenverteidigung der Bundesrepublik Deutschland.
In der Verfassung der Weimarer Republik (wie zuvor auch des Kaiserreichs) gab es diese strikte Trennung nicht.
Die Folge, nicht erst in der NS-Zeit: immer wieder wurde das Militär auch im innern eingesetzt, um staatliche Gewalt durchzusetzen – gerade auch gegen politische Demonstrationen.
Dies zukünftig zu verhindern, ist Grundgedanke der strikten Trennung von polizeilichen und militärischen Funktionen im Grundgesetz
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Coronavirus und Bundeswehr – wie lange halten die verfassungsrechtlichen Grenzen?
Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer betonte Mitte März 2020, Sicherheit und Ordnung seien Sache der zivilen Sicherheitsbehörden.
Doch es gab bereits Anfragen in dieem Bereich. Vom Bundesland Thüringen sei die Bitte gekommen, Soldaten zur Bewachung einer Erstaufnahmeinrichtung für Asylbewerber in Suhl abzustellen. Juristen des Ministeriums hätten die Anfarge als nicht genehmigungsfähig beurteilt.
Am 26. März betonte Bundesverteidigungsministerium Annegret Kramp-Karrenbauer, es sei vorerst nicht die Zeit über größere Befugnisse der Bundeswehr im Innern zu diskutieren. Jetzt sei aktute Krise.
Ebenfalls am 26. März wird bekannt, dass der Innenminister von Baden-Württemberg mit Bundesverteidigungsminsiterin Kramp-Karrenbauer gesprochen hat – über Möglichkeiten der Bundeswehr, die Polizei im Land zu unterstützen.
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Die Bundeswehr stelle 15.000 Soldat:innen insbesondere aus Sanitätsdienst und Logistik ab für die Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie, teilte Bundesverteidigungsministerin Kram-Karrenbauer am 2. April 2020 mit.
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