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Bordeaux Politisches

Alain Juppé, Schwergewicht und Stehaufmännchen der französischen Konservativen

Er ist das politische Stehaufmännchen und ein Schwergewicht der französischen Politik: der Politiker der Konservativen Alain Juppe. Seit 2006 ist Juppe (wieder) Bürgermeister von Bordeaux. 2016 unterlag er beim Versuch, Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2017 zu werden, seinem konservativen Parteifreund Fillon. Aus der aktiven Parteiarbeit für Les Républicains zog Juppé sich Anfang 2018 zurück. Im Februar 20ß19 legte er sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux nieder und nahm seine Berufung in den Verfassungsrat an.

Alain Juppé gilt als Ziehsohn des Gaullisten Jacques Chirac. Bei ihm begann er als Redenschreiber seine politische Karriere, wurde 1969 dessen enger Mitarbeiter. Alain Juppe stammt aus Mont-de-Marsan in den Landes / Aquitanien (geb. 15. August 1945). Juppés Verhältnis zum früheren Parteichef der Konservativen (früher UMP, 2015 umbenannt in Les Républicains) Nicolas Sarkozy gilt eher als angespannt. Beide galten vor dem Ausscheiden von Sarkozy im ersten Wahlgang der Vorwahl als Wettbewerber um die Position des Präsidentschaftskandidaten der Konservativen 2017. Beide scheiterten.

Alain Juppe 2008 (Foto: wikipedia / Hien Le)
Alain Juppé 2008 (Foto: Hien Le; Lizenz cc by-sa 2.0)

Alain Juppé, former French Prime Minister – Hien Le CC BY 2.0

Alain Juppé – Wiederaufstieg ab 2006 nach tiefem Sturz

Bordeaux, im Dezember 2004. Alain Juppé, konservativer Politiker und Bürgermeister von Bordeaux, wird wegen seiner Verwicklung in eine Parteispenden-Affäre im Berufungsverfahren (das das Urteil erster Instanz stark abmildert) zu immer noch 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Für ein Jahr wird ihm das passive Wahlrecht entzogen. Der Richter bescheinigt ihm im Urteil, er habe „das Vertrauen des Souveräns, des Volkes“ verraten. Aufgedeckt wurden die Vorgänge ursprünglich im Juni 1995 durch die satirische Pariser Wochenzeitung ‚Le Canard enchaîné‘. Sie veröffentlichte ein internes, von Juppé unterzeichnetes Dokument der Stadt Paris (Juppé war seit 1976 enger Mitarbeiter des damaligen Pariser Bürgermeisters Jacques Chirac).
Der Weg ist frei für Nicolas Sarkozy, der am 6. Mai 2007 zum Staatspräsidenten der französischen Republik gewählt wird. Juppé verbringt die darauf folgenden Monate im ‚Exil‘ als Hochschullehrer im kanadischen Québec. Ein Statthalter (Hugues Martin) regiert Bordeaux.

Bordeaux, im Oktober 2006. Die Bürger (genauer 45% von ihnen) wählen mit 56% genau den gleichen Juppé wieder zum Bürgermeister von Bordeaux (er war dies bereits seit 1995 bis zur Verurteilung 2004).
Zu den Neuwahlen war es mithilfe von Tricksereien gekommen (Mandatsniederlegung durch 47 Stadträte), gegen die die Oppositionsparteien vergeblich klagten. Juppé freute sich („das Volk hat mir sein Vertrauen geschenkt“), und Juppé-Ziehvater Chirac freute sich auch.

Alain Juppé 2008 (Foto: wikimedia / Medef)
Alain Juppé 2008 (Foto: Medef; Lizenz cc by-sa 2.0)

Alain JuppéMEDEF CC BY-SA 2.0

Karriereschub wenige Jahre später. Der Gaullist und frühere Premierminister Alain Juppé tritt ab 14. November 2010 in die Regierung ein. Zunächst wird er Verteidigungsminister, ab 27. Februar 2011 (bis zum 17. Mai 2012) Außenminister (ein Amt, das er 1993 bis 1995 unter Balladur schon einmal inne hatte).

Alain Juppé hatte bereits viele Comebacks in der französischen Politik. Seine Rückkehr ins Kabinett 2010 und seine Berufung als Außenminister 2011  wurden von der Presse als „Comeback zu seinen eigenen [und nicht Fillons oder Sarkozys, d.Verf.] Bedingungen“ bezeichnet.

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Alain Juppé als Bürgermeister – Bordeaux verändert sich

Bordeaux hat sich in den letzten 20 Jahren sehr zu seinem Vorteil verändert. Ja, ich erinnere mich. Schließlich bin ich ja seit Jahren oft in Bordeaux (wir verbringen gerne Urlaube entweder in der Bretagne oder in der Nähe von Bordeaux am Atlantik, besuchen oft Freunde in Bordeaux). Registriere von Jahr zu Jahr die Veränderungen. Veränderungen, von denen der Großteil in die Bürgermeisterzeit von Alain Juppe fällt.

Bordeaux 2006
Bordeaux 2006

Seit 2007 ist das annähernd 2.300 Jahre alte Bordeaux UNESCO-Weltkulturerbe. Auf beeindruckende Weise hat Bordeaux sind in den vergangenen Jahren zum Wasser geöffnet, die Garonne in das Stadtleben zurück geholt. Das Flußufer, einst mit seinen Kais und Hangars nur von Hafenbetrieben und Schwulen (zum Cruising…) genutzt, wurde zu einer beliebten Spazier- und Amüsiermeile. Der PKW-Verkehr wurde im Innenstadtbereich weitgehend zurück gedrängt, wichtigstes Verkehrsmittel in der Innenstadt ist seit 2003 eine moderne neue Straßenbahn, die im UNESCO-geschützen Weltkulturerbe-Bereich der Innenstadt völlig ohne Oberleitung fährt. Zunehmend modernisiert wird auch das ‚andere‘ Garonne-Ufer, zu erreichen über die beeindruckende pont de Pierre, die älteste Garonne-Überquerung von Bordeaux, oder die neue pont Chaban-Delmas. Das alles zum Preis einer zunehmenden Veränderung des sozialen Gefüges der Stadt (sprich: Verdrängung weniger gut situierter Bevölkerungsgruppen an den Stadtrand).

Alain Juppe war bereits von 1995 bis 2004 Bürgermeister von Bordeaux als Nachfolger von Jacques Chaban-Delmas (dem Namenspatron der neuen Garonne-Brücke pont Chaban-Delmas). Er verlor dieses Amt damals durch Aberkennung der Wählbarkeit nach seiner Verurteilung zu einer 14monatigen Gefängnisstrafe wegen Verwicklung in eine Affäre um illegale Parteienfinanzierung (s.o.). Im Oktober 2006 wurde Alain Juppé erneut zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt und ist es seitdem ununterbrochen bis heute.

Ob Juppé 2019 erneut als Bürgermeister von Bordeaux kandidert, will er im Januar 29019 mitteilen, ließ Alain Juppe im Sommer 2017 wissen. Es wäre seine 5.  Amtszeit als Bürgermeister …

Alain Juppé – nicht Kandidat der Konservativen für die Präsidentschaftswahl 2017

Im Herbst 2016 trat Alain Juppé bei den Vorwahlen der Konservativen ‚Les Républicains‘ als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2017 an. Er erreichte im ersten Wahlgang am 20. November als Zweitplatzierter die Stichwahl gegen François Fillon. In der anschließenden Stichwahl allerdings unterlag er deutlich. Juppé kündigte anschließend an, sich zukünftig ganz seinem Amt als Bürgermeister von Bordeaux zu widmen.

Im Verlauf der Schwierigkeiten, in die Fillon während seiner Präsidentschaftskandidatur geriet, verhielt Juppé sich zunächst auffallend zurückhaltend. Lange betonte er, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Als die Umfragewerte der Konservativen deutlich einbrachen und Fillon formell beschuldigt wurde, bemühten sich Parteifruende ihn zu erneuter Kandidatur zu bewegen. Am 7. März 2017 allerdings machte Juppe erneut deutlich, er stehe nicht zur Verfügung. „Es ist zu spät.“

„je confirme, une bonne fois pour toutes, que je ne suis pas candidat à la présidence de la République. Il est trop tard. „

Nach der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten befand Juppé sich in einer politisch paradoxen Lage: wie sollte er weiterhin Politik für den konservativen Les Républicains machen, zumal dort viele auf Konfrontation zu Macron gehen wollten? Einer seiner engsten Vertrauten, der konservative Bürgermeister von Le Havre Edouard Philippe, wurde zum Premierminister ernannt. Zudem vertritt Macron – insbersondere in seinem Ansinnen, links und rechts zu überwinden, zu vereinen um Frankreich zusammen zu bringen – Positionen, die Juppé nahe sind (aber fern von Parteigrößen der Konservativen wie Fillon):

Il faudra peut-etre songer un jour à couper les deux bouts de l’onglette pour que les gens raisonables gouvernent ensemble et laissent de coté les deux extrèmes.
(Alain Juppé im Januar 2015 in einem Interview im Point)

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2018 – Juppé arbeitet nicht mehr aktiv bei der konservativen Partei mit

Am 15. Januar 2018 teilte Alain Juppé anläßlich seines Neujahrs-Presseempfangs mit, er habe die Beiträge zur Partei Les Républicains 2017 nicht gezahlt, werde dies auch 2018 nicht tun. Aus dem Parteipräsidium für die Gironde habe er sich zurück gezogen.

Hintegrrund dürfte die politische Ausrichtung der Partei LR seit der Wahl des sehr konservativen Laurent Wauquiez zum Parteivorsitzenden (Anfang Dezember 2017) sein. Juppé hatte sich in letzter Zeit eher interessiert gezeigt an einer Gruppierung der Mitte.

Die Frage eines formellen Austritts ließ Juppé offen. Er betonte jedoch erneut, es gebe ‚rote Linien‘, so der Kampf gegen den rechtsextremen Front national sowie das Einsetzen für das Projekt Europa.

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Ende Februar 2019 kündigte Alain Juppé an, sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux niederzulegen. Zugleich nahm er seine Berufung in den Verfassungsrat (conseil constitutionel) an.
Am 6. März 2019 wählte der Stadtrat von Bordeaux Nicolas Florian (Les Republicains) zum neuen Bürgermeister.

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Aus Anlass der Vorstellugn seiner Autobiographie äußerte Juppé Anfang September 2023

„J’aurais bien aimé être président de la République, mais enfin, je m’en suis remis.“
(Ich wäre gerne Staatspräsident geworden. Aber ich habe das überwunden. [Übers. UW])

Alain Juppé am 5. September 2023
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Frankreich Paris

Paris – die besondere Stadt

Paris.

Paris war immer ‚meine Stadt‘.
Man kann nur Paris lieben oder London. Man muss sich entscheiden. Beides geht nicht. Passt nicht zusammen. Dachte, nein fühlte ich damals. Paris. Ganz klar Paris. Die Antwort war völlig klar für mich, damals.

Was macht Paris so besonders?

Dieser Abend vor dem 14. Juli. Musik auf vielen Plätzen. Stände mit Getränken und kleinen Speisen. Akkordeon, Gitarre, Musik und Tanz überall. Herum gehen, hier schauen, dort ein wenig verweilen. Sitzen, lauschen, plaudern, vielleicht ein wenig tanzen. Weiter schlendern, sich treiben lassen durch die Stadt, ‚le jour de gloire est arrivé‘.

Durchtanzte Nächte, an so vielen Vorabenden des 14. Juli, auf dem ‚Quai de la Tournelle‘. Die größte schwule open-air-Party, die ich damals kannte. Feiern, tanzen, knutschen, trinken. Mit Freunden, mit Unbekannten die zu Bekannten wurden, mit Unbekannten die weiter zogen. Leben. Tausende Menschen die mit einander glücklich sind, Spaß haben, sich amüsieren.

Die kleine Wohnung, im Nutten-Viertel, ganz unter dem Dach. Unendlich klein, unsagbar teuer, damals schon – und doch unser Paradies. ‚Basis-Station‘, wenn Julien aus Südfrankreich, Ulli aus Köln kamen, wir uns zusammen in Paris vergnügten.

Die Gare du Nord, der meistbesuchte Pariser Bahnhof, Station so vieler Ankünfte und Abfahrten. Ankommen meist am sehr frühen Morgen, mit dem Nachtzug aus Köln. Abfahrt meist am späten Abend, mit der letzten halbwegs erträglichen Verbindung. So viel Zeit wie möglich in Paris verbringen.

Continental Opéra‘, jene Sauna, in der ich viele Stunden verbrachte, entspannen – oder auf der Jagd nach Sex. Jene riesige Sauna, die längst Geschichte ist, Zeichen einer vergangenen Zeit ebenso wie der Hamburger ‚CU‘.

Die Nächte im ‚Broad‚ und anderen Pariser Clubs. Viele viele Nächte, Frank und ich, auf der Pirsch oder einfach relaxen, tanzen, Spaß haben. ‚Ich hab da was kennen gelernt, darf ich den mitnehmen‘, frage ich drucksend unseren (genauer: Franks) Gastgeber. Er ist großzügig, ich darf. Philippe-Pierre.

Père Lachaise, jener Friedhof, den man nicht beschreiben kann, den man erleben muss. Ort der damals lang herbei gesehnten ‚Begegnung‘ mit Jim Morrison, dessen ‚Riders on the Storm‘ Zuflucht so vieler Abende des heranwachsenden Ulli war. Père Lachaise, letzte Ruhestätte nicht nur Jim Morrisons, sondern vieler bemerkenswerter Menschen. Und bizarrer Cruising-Ort, der bizarrste wahrscheinlich, auf dem ich je war, damals zumindest (ist es heute noch so? Cruisen in den Gängen, und sich zurückziehen in offene Grabhäuschen?).

Die ‚Rue de Vaugirard‘, an ihrem unteren Ende. Eine kleine Wohnung, viel zu klein eigentlich für vier Personen. In der ‚Conti‚ lernten wir uns kennen, und kurz darauf ludst du Frank und mich ein, doch einige Tage bei euch zu bleiben. Der Beginn einer intensiven, und doch zu kurzen Freundschaft und großen Liebe. PhiPhi und Ulli. Liebende, Brüder.

Der Blick vom Tour Montparnasse, ganz oben, von der Bar in jenem Restaurant, das jetzt ‚Ciel de Paris‘ heißt. Ein Gin Tonic (oder zwei) am frühen Abend, Blick auf Paris in der Abenddämmerung, leise Piano-Musik, träumen, glücklich sein, die Welt liegt uns zu Füßen.

Die Clinique Henner, irgendwo nahe Pigalle, Ort so vieler glücklicher und schmerzhafter Wiedersehen. Ort vieler ruhiger Stunden, wenn du schliefst. Ort persönlichster Gespräche, über ‚Gott und die Welt‘, im wahrsten wie im übertragenen Sinn. Ort vieler geweinter Tränen, mit dir, mit Annie; Ort unterdrückter Tränen, sobald dein kleiner Bruder dabei war. Ort der Hoffnung und doch immer wieder der Hoffnunglosigkeit.

Unendliche Entdeckungen und freudvolle Abende ‚Chez Marianne‘ im Marais, in diesem fabelhaften kleinen Restaurant entdeckten wir uns unbekannte Küche. Zu bestellen gab es nur ‚6‘, ‚9‘ oder ’12‘ – die Zahl gab einfach an, wie viele der verschiedenen Gerichte von ‚Caviar d’Aubergine‘ bis ‚Hoummous‘ man meinte gerade verdrücken zu können, dazu einen leckeren Rotwein aus dem Libanon oder Israel, und frisches Baguette. Mehr nicht, und es war mehr als genug.

Das ‚Piano Zinc‚. Mit Jürgen, dem damaligen Wirt, der aus Deutschland stammt. Der die frisch gegründete ACT UP – Gruppe unterstützte. Die Bar vieler ‚wirklich der letzte‘ Absacker mit Syriac, wenn wir nicht wussten, ob wir uns gegenseitig trösten, hoffnungslos besaufen oder einfach nur nicht weinen wollten.

Die ‚Brasserie Le Vaudeville‘. „Gehen wir heute Abend noch was zusammen essen„, fragte Syriac am Telefon. Ja, gerne doch. Brasserie is ja was Einfacheres als ein Restaurant, denken wir in unserer Naivität. In alter Jeans und T-Shirt stehen Frank und Ulli vor dieser ‚Brasserie‘ nahe der Börse. Vor der dicke Limousinen parken, die Damen im Sommer Pelz tragen, und wir als erstes ein Glas Champagner bekommen, weil der Tisch noch nicht frei ist. Leckeres Essen, entspannte Atmosphäre außer einem Jean-Philippe, der ziemlich zickig und schlecht gelaunt ist. Jacky Ickx am Nachbartisch. Ein schöner Abend. Unser letzter gemeinsamer Abend. Der Abschied am nächsten Morgen, der Blick in deine Augen, ein letztes Lächeln aus erschöpften liebevollen Augen. Der letzte Blick.

Das Crématorium von Père Lachaise. Ort einer Zeremonie für Jean-Philippe, jener Zeremonie des Abschieds, nach den Regeln des Nichiren-shū Buddhismus, jener japanischen Variante des Buddhismus, die  ihm in den letzten Monaten so wichtig geworden, mir immer fremd geblieben war. Dieser Zeremonie, die sich so tief in meine Erinnerungen eingegraben hat. Und die doch so fern und unerreichbar liegt, in tiefem Nebel undurchdringbar. Filmriss.

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Paris.

Viele Jahre ist all das her.

Paris, das sind viele viele liebevolle Erinnerungen. Einige sehr schmerzhafte.

Zweimal war ich nach Jean-Philippes Tod und Einäscherung 1990 noch in Paris. Es war nicht mehr die selbe Stadt für mich. Das lustvolle Herumstromern und Entdecken, das sich-treiben-lassen, das gelassene Spazieren und Cruisen, all das ging nicht mehr. Für mich nicht.

Die Lust auf Paris, sie war zerstoben. Und ist nie wieder ganz zurück gekehrt.

Manchmal überlege ich inzwischen, es wieder neu ‚mit Paris zu versuchen‘.

Manchmal.

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Frankreich Paris

Strahlungsmessung Paris 2001 mit Zeppelin NT

Die französische Regierung reagierte 2011 auf ihre Art auf die Atom-Katastrophe in Japan: ein Zeppelin NT wird eingesetzt zur Strahlungsmessung Paris. Die französische Regierung möchte hierdurch Referenzwerte erheben. Sie sollen als Grundlage dienen, um später feststellen zu können, ob die Strahlung aus Japan auch Europa erreicht.

Strahlungs-Messung / Blimp über Paris (nahe dem Arc de Triomphe)
Strahlungs-Messung / Zeppelin NT über Paris (nahe dem Arc de Triomphe)

(Danke an Manfred für das Photo!)

Die Messung der Strahlung erfolgte im Atomstrom-Land Frankreich regelmäßig; erstmals allerdings wurde ein Blimp Zeppelin NT eingesetzt. Zwischen dem 12. und 20. März 2011 kreiste der Ballon von der Marinefliegerbasis in Paris Le Bourget insgesamt 20 Stunden in einem vorgegebenen Raster über Paris und sammelte Messwerte. Ziel war die Erstellung einer ‚radiologischen Grundkarte‘.

Für die Strahlenmessung (Gamma – Ortsdosisleistung) wurde unter der Luftschiffkabine ein Spezialbehälter mit Messinstrumenten installiert. Zwei Mitarbeiter der CEA (Commissariat à l’énergie atomique) begleiteten die Messflüge an Bord.

Die aktuelle Messung habe keinen direkten Zusammenhang mit den Ereignissen in Japan (Atomkatastrophe von Fukushima), hieß es zunächst in französischen Medien. Der Einsatz sei monatelang vorbereitet worden.

Nach der Strahlungsmessung Paris sollen anschließend Messwerte über Strasbourg gesammelt werden. Anschließend soll der Zeppelin NT nach Friedrichshafen zurück kehren.

Blimps sind (im Gegensatz zu Zeppelinen) Luftschiffe ohne inneres Gerüst (wie Ballone). Zeppeline NT (NT = Neue Technologie) sind halbstarre Luftschiffe mit einer inneren dreieckigen Tragstruktur.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Paris Declaration 1994 – Zeitzeuge Guido Vael: das ungenügend eingehaltene Versprechen

Am 1.12.1994 verabschiedeten die die Staats- und Regierungs-Chefs von 42 Staaten eine Erklärung zu HIV / Aids. Für die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer das Dokument. Diese ‚Paris Declaration‘ (als Dokumentation deutschsprachiger Text hier:  „Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG“) gilt als das zentrale Grundlagen-Dokument auch zur Beteiligung von HIV-Positiven an sie betreffenden Entscheidungen (GIPA – greater involvement of people with HIV / Aids).

Guido Vael war bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei – als Mitglied der deutschen Delegation. Im Interview berichtet er, wie es dazu kam.

Guido Vael, Zeitzeuge der Unterzeichnung der Paris Declaration (Foto: privat)
Guido Vael, Zeitzeuge der Unterzeichnung der Paris Declaration (Foto: privat)

Guido Vael engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in Schwulen- und Aids-Bewegungen, war u.a. Mit-Organisator des ersten CSD in München 1980 und engagierte sich Ende der 1980er Jahre gegen den ‚Bayrischen Maßnahmen-Katalog‘. Von 1990 bis 1999 war Guido Vael Mitglied des Vorstands der Deutschen Aids-Hilfe. Der gebürtige Belgier ist seit 15 Jahren Leiter des Projekts Prävention im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum SUB e.V. in München. Vael wurde für sein langjähriges Engagement u.a. mit der Medaille ‚München leuchtet!“ ausgezeichnet.

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Guido, wie kam es dazu, dass du bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei warst?

Der damalige Bundesgesundheitsminister Seehofer hat einige Leute, die im AIDS-Bereich tätig sind dazu eingeladen. Es waren Mitarbeiter/-innen aus staatlichen Beratungsstellen und NGOs. Wenn ich mich richtig erinnere ging auch eine Einladung an die DAH und ich bin dann als damaliges Mitglied des Vorstands mitgefahren. Meine Vorstandskollegen haben mir wohl den Vortritt gelassen weil ich auch in Bayern aktiv war und Herrn Seehofer bereits kannte von den Ministergesprächen und den Münchner AIDS-Tagen.

Wie kam es zur Entstehung der Erklärung, in welchem Umfeld entstand sie?

Die Erklärung wurde auf die sog. unteren Arbeitsebenen vorbereitet und auch fertig gestellt. Die Regierungsvertreter haben sich in Paris getroffen, „nur“ zum Unterzeichnen. Am Vormittag gab es eine Reihe von Ansprachen u.a vom UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, vom damaligen Leiter von UNAIDS und Regierungsvertretern der sog. Dritten Welt. Ich glaube mich auch an eine bewegende Rede einer HIV-positiven Frau aus Afrika erinnern zu können, die die Notwendigkeit einer globalen, konzertierten Aktion betonte. Die Delegationen saßen dabei wie in einer großen Hörsaal. Mittags gab es ein nobles Essen. Das gehört wohl bei solchen Veranstaltungen dazu. Nachmittags hat Seehofer die Delegation verlassen, um die feierliche Unterschrift zu leisten.

Ich habe einige gute und angenehme Gespräche mit Seehofer führen können, z.B. zum Gesundheitssystem in Deutschland, und ihn als problembewusster Fachmann geschätzt.

Und wie siehst du die Bedeutung der ‚Paris Declaration‘ heute? Welche Bedeutung hat sie, welche könnte sie haben?

Ich denke, dass die Erklärung ein wichtiger und notwendiger Schritt war. Gerade weil auch Diskriminierung und Ausgrenzung darin angesprochen wurde und das Recht auf medizinische Versorgung betont wurde.

Die Geschichte zeigt aber, dass gerade die westlichen Länder ihr Versprechen in meinen Augen ungenügend eingehalten habe. Es stünde auch die Bundesregierung gut an, sich auf die Erklärung zu besinnen. Es soll nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Es gibt in vielen Ländern immer noch die Diskriminierung und Ächtung/Ausgrenzung. In vielen Ländern wird HIV/AIDS zu wenig ernst genommen. Eine flächendeckende medizinische und soziale Versorgung ist auch 16 Jahren nach der Pariser Erklärung immer noch nicht erreicht worden.

Lieber Guido, vielen Dank für das Interview!

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Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG

Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

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Politisches

Atomstrom in Frankreich – Chronologie eines Nicht- Ausstiegs

Atomstrom in Frankreich – Frankreich ist Weltmeister in der Nutzung der Atomenergie. Kernenergie ist Staatsraison. Atomenergie bleibt auch langfristig das Rückgrat der Energieversorgung des Landes. Inzwischen ist der Bau neuer AKW geplant.

‚Weltmeister‘ in der Nutzung von Atomenergie ist ein Nachbar Deutschlands – Frankreich, das Land in dem der (Atom-) Strom auch nach Three-Miles-Island und Fukushima noch „sorglos aus der Steckdose kommt“.

Weltweit sind Mitte 2023 noch 407 Atomkraftwerke zur Energieversorgung aktiv eingesetzt (2002 Höchststand 438). In Frankreich sind 2023 56 AKW in Betrieb, eines weiterhin im Bau. Das neueste AKW Frankreichs ging 1999 in Betrieb, das Durchschnittsalter der Reaktoiren betrug 2023 38,6 Jahre. Nach den USA mit 93 AKW ist Frankreich 2023 das Land mit den zweitmeisten Atomkraftwerken in Betrieb.

Frankreich deckte 2019 seinen Strom-Bedarf noch zu 72 Prozent aus Atomstrom, und zu 69% im Jahr 2021 – unter den großen Ländern weltweit die höchste Quote. 58 Atomkraftwerke sind derzeit in Frankreich in Betrieb, dazu die  ‚Wiederaufbereitungs- Anlage‘ (Usine de Retraitement de La Hague) in La Hague. Ein Teil des erzeugten Atomstroms wird exportiert (sofern nicht, wie Ende 2022, eine große Zahl Reaktoren aufgrudn Wartung und technischer Störungen abgeschaltet ist), u.a. auch nach Deutschland.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

GIPA : Erklärung von Paris 1994 – nichtamtliche Übersetzung des BMG

Erklärung von Paris (Paris declaration) – Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”) – dies betont das “ GIPA Prinzip ” – Greater Involvment of People with HIV and Aids.

Das GIPA-Prinzip wurde am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‘Paris Aids Summit’. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‘Paris Declaration‘.

Die Erklärung von Paris ist eine der wesentlichen Grundlagen der Community-Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids.

Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.

GIPA : Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG:

Erklärung von Paris
Pariser AIDS-Gipfel – 1. Dezember 1994

(nichtamtliche Übersetzung des Bundesgesundheits-Ministeriums)

Wir, die Regierungschefs der Vertreter der 42 Staaten, die sich am 01. Dezember 1994 in Paris versammelten:

I. In der Erwägung,

  • dass die AIDS-Pandemie aufgrund ihres Ausmaßes eine Gefahr für die Menschheit darstellt,
  • dass ihre Ausbreitung sämtliche Gesellschaften betrifft,
  • dass sie die soziale und wirtschaftlich Entwicklung erschwert, insesondere die der am meisten betroffenen Länder, sowie das Gefälle innerhalb und zwischen den Ländern vergrößert,
  • dass Armut und Benachteiligung begünstigende Faktoren für die Ausbreitung der Pandemie darstellen,
  • dass HIV/AIDS Familien und Gemeinschaften nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt,
  • dass die Pandemie alle Menschen ohne Unterschiede betrifft, dass jedoch Frauen, Kinder und Jugendliche in zunehmendem Maße infiziert werden,
  • dass sie nicht nur die Ursache für körperliches und seelisches Leid ist, sondern auch oft als Rechtfertigungsgrund für die schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte angeführt wird,

Und in der Erwägung,

  • dass Hemmnisse jeglicher Art – seien sie kultureller, rechtlicher,wirtschaftlicher oder politischer Natur – die Bemühungen um Aufklärung, Prävention, Versorgung sowie Unterstützung erschweren,
  • dass die HIV/AIDS-Präventions-Versorgungs und -Unterstützungsstrategien voneinander untrennbar sind und daher einen wesentlichen Bestandteil bei einem effektiven und umfassenden Vorgehen zur Eindämmung der Pandemie darstellen müssen,
  • dass neue örtliche, nationale und internationale Formen der Solidarität aufkommen, die insbesondere mit HIV/AIDS lebende Menschen sowie gemeindenahe Organisationen miteinbeziehen,

II. Erklären feierlich

  • unsere Pflicht als politische Verantwortliche, der HIV/AIDS-Bekämpfung Priorität einzuräumen,
  • unsere Pflicht, mitfühlend und solidarisch mit den HIV-infizierten oder
    ansteckungsgefährdeten Menschen sowohl in unseren Gesellschaften als auch auf internationaler Ebene zu handeln,
  • unsere Entschlossenheit sicherzustellen, dass alle mit HIV/AIDS lebenden Menschen ihre Grund-und Freiheitsrechte ohne Unterschied und unter allen Umständen in vollem und gleichem Umfang wahrnehmen können,
  • unsere Entschlossenheit, Armut, Stigmatisierung und Benachteiligung zu bekämpfen,
  • unsere Entschlossenheit, die gesamte Gesellschaft – den öffentlichen und den privaten Sektor, gemeindenahe Organisationen sowie mit HIV/AIDS lebende Menschen zu einer echten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu mobilisieren,
  • unsere Wertschätzung und Unterstützung für die Maßnahmen und die Arbeit multilateraler, zwischenstaatlicher, nichtstaatlicher und gemeindenaher Organisationen sowie unsere Anerkennung ihrer wichtigen Funktion in der Bekämpfung der Pandemie,
  • unsere Überzeugung, dass nur ein energischeres und besser koordiniertes Vorgehen weltweit über einen längeren Zeitraum – wie z. B. die in Angriff zu nehmende Maßnahme im Rahmen des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS – die Pandemie stoppen kann,

III. Verpflichten uns in unseren nationalen Politiken,

  • die Rechte von Einzelpersonen, insbesondere der mit HIV/AIDS lebenden oder ansteckungsgefährdeten Menschen, durch rechtliche und soziale Rahmenbedingungen zu schützen und zu fördern,
  • nichtstaatliche und gemeindenahe Organisationen sowie  mit HIV/AIDS lebende Menschen in die Ausarbeitung Umsetzung öffentlicher Maßnahmen umfassend einzubeziehen,
  • einen einheitlichen, rechtlichen Schutz für mit HIV/AIDS lebende Menschen im Hinblick auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung, zum Reisen, zu Wohnraum und zur Sozialfürsorge sicherzustellen,
  • die folgenden wesentlichen Ansätze zur Prävention von HIV/AIDS zu intensivieren:
  1. Förderung von und Zugang zu verschiedenen kulturell annehmbaren Präventionsstrategien und- produkten, einschließlich Kondomen und der Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten,
  2. Förderung einer geeigneten schulischen und außerschulischen Präventionsaufklärung für Jugendliche, einschließlich der Sexualaufklärung und des Unterrichts zu Gleichstellungsfragen,
  3. Verbesserung der Stellung, der Bildung und der Lebensbedingungen von Frauen,
  4. spezifische Risikominderungsmaßnahmen für und in Absprache mit den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie, z. B. jene, für die eine erhöhte Gefährdung durch sexuelle Übertragung besteht, und dem Bevöklerungsanteil mit Migrationshintergrund,
  5. die Sicherheit von Blut und Blutprodukten,
  6. Stärkung der Systeme der Basisgesundheitsversorgung als Grundlage für Prävention und Versorgung sowie Integration von HIV/AIDS-Maßnahmen
    in diese Systeme zur Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu einer umfassenden Fürsorge,
  7. Bereitstellung notwendiger Ressourcen zur besseren Bekämpfung der Pandemie, einschließlich einer ausreichenden Unterstützung für mit HIV/AIDS lebenden Menschen sowie für nichtstaatliche und gemeindenahe Organisationen, die mit gefährdeten Bevölkerungsgruppen arbeiten.

IV. Sind entschlossen, die internationale Kooperation durch die folgenden Maßnahmen und Initiativen zu stärken:

Dies können wir erreichen durch unser Engagement und unsere Unterstützung hinsichtlich der Entwicklung des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS, das den geeigneten Rahmen zur Verstärkung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten bietet sowie als Orientierungshilfe und zur weltweiten Führung im Kampf gegen HIV/AIDS dient. Der Anwendungsbereich jeder einzelnen Initiative sollte genauer definiert und im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Programm und anderen geeigneten Programmen weiterentwickelt werden:

  • Zur Unterstützung einer stärkeren Einbeziehung der mit HIV/AIDS lebenden Menschen durch eine Initiative zur Stärkung der Kapazitäten und der Koordinierung von Netzwerken der mit HIV/AIDS lebenden Menschen und gemeindenaher Organisationen. Durch die Sicherstellung ihrer umfassenden Einbeziehung in unsere gemeinsame Reaktion auf die Pandemie auf allen nationalen, regionalen und internationalen Ebenen wird diese Initiative insbesondere die Schaffung hierfür unterstützender politischer, rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen befördern.
  • Zur Förderung der weltweiten Zusammenarbeit in der HIV/AIDS-Forschung durch die Unterstützung nationaler und internationaler Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zur Beschleunigung der Entwicklung von Präventions- und Behandlungstechnologien, einschließlich Impfstoffen und Mikrobiziden sowie zur Gewährleistung der notwendigen Maßnahmen, die deren Verfügbarkeit in den Entwicklungsländern sicherstellen sollen. Dieses gemeinsame Vorgehen sollte die flankierende Sozial-und Verhaltensforschung einschließen.
  • Zur Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit in der Blutsicherheit im Hinblick auf die Koordinierung technischer Angaben, das Entwerfen von Standards für eine gute Herstellungspraxis für sämtliche Blutprodukte sowie die Förderung der Einrichtung und Umsetzung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Blutsicherheit in allen Ländern.
  • Zur Förderung einer weltweiten Versorgungsinitiative zur Stärkung der nationalen Kompetenz der Länder, insbesondere derer, die am meisten benachteiligt sind, zur Sicherstellung des Zugangs zu einer umfassenden Versorgung und sozialen Einrichtung sowie Grundarzneimitteln und bestehenden Präventionsmethoden.
  • Zur Mobilisierung örtlicher, nationaler und internationaler Organisationen, zu deren gewöhnlichen Tätigkeiten auch die Hilfe für die von HIV/AIDS betroffenen oder ansteckungsgefährdeten Kinder und Jugendlichen, einschließlich Waisen, zählt, um eine weltweite Partnerschaf zur Reduzierung der Auswirkungen der HIV/AIDS Pandemie auf Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt zu fordern.
  • Zur Unterstützung von Initiativen zur Reduzierung der Anfälligkeit von Frauen für HIV/AIDS durch die Förderung nationaler und internationaler Bemühungen zur Stärkung der Rolle der Frau: durch Verbesserung ihrer Stellung und Beseitigung ungünstiger sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Faktoren; durch die Sicherstellung ihrer Beteiligung an sämtlichen, sie betreffenden Entscheidungs- und Umsetzungsprozesssen sowie durch die Schaffung neuer Verbindungen und die Stärkung der Netzwerke zur Förderung der Frauenrechte.
  • Zur Stärkung nationaler und internationaler Mechanismen im Hinblick auf Menschenrechte und ethische Fragen im Bereich HIV/AIDS, einschließlich der Inanspruchnahme eines Fachgremiums sowie nationaler und regionaler Netzwerke zur Gewährleistung der Führung, Überzeugungsarbeit und Orientierungshilfe, um sicherzustellen, dass die Nichtdiskriminierung, die Menschenrechte und die ethischen Grundsätze einen wesentlichen Bestandteil des Vorgehens zur Eindämmung der Pandemie darstellen.

Wir bitten alle Länder und die internationale Staatengemeinschaft eindringlich, die für die oben genannten Maßnahmen und Initiativen notwendigen Ressourcen bereitzustellen.

Wir fordern alle Länder, die Verantwortlichen des zukünftigen Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS sowie seine sechs Mitgliedsorganisationen und Programme auf, alle möglichen Schritte zur Umsetzung dieser Erklärung in Abstimmung mit multilateralen und bilateralen Hilfsprogrammen sowie zwischenstaatliche und nichtststaatlichen Organisationen zu unternehmen.

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(nichtamtliche Übersetzung des Bundesgesundheitsministeriums, via alivenkickin – danke!)

Pariser Erklärung vom 1.12.1994 auch als pdf: Pariser Erklärung 1994 Seite 1, Pariser Erklärung 1994 Seite 2, Pariser Erklärung 1994 Seite 3.

Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

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Politisches

Gene Sharp (1928 – 2018): Die Macht – Frage

Gene Sharp wurde am 21. Januar 1928 in North Baltimore (Ohio) geboren. Sehr bekannt ist Gene Sharp außerhalb der Politikwissenschaften nicht – sein Einfluss auch auf jüngste politische Entwicklungen allerdings ist teilweise erheblich. Gene Sharp ist einer der Väter der ‚gewaltfreien Aktion‘ als Form politischen Engagements. Sharp starb am 28. Januar 2018.

Macht ist das Ergebnis einer Übereinkunft. Ausüben von Macht setzt das stillschweigende Zustimmen der (oft ’schweigenden‘) Mehrheit voraus. Herrschaftstechniken diesen dazu, diese schweigende Zustimmung zu sichern und als ‚unausweichlich‘ aufrecht zu erhalten. Wenn aber die Beherrschten erkennen, dass sie selbst es sind, die den Herrschern die Macht (sie zu beherrschen) verliehen haben, habe sie das Werkzeug in der Hand – eine Herrschaft so zu gestalten, dass sie ihren Interessen dient.

Mittel der Wahl dazu ist die ‚gewaltfreie Aktion‘. Hierzu gehören gewaltfreier Protest und Überzeugung, soziale Nichtzusammenarbeit, Boykott- und Streikaktionen, politische Nichtzusammenarbeit sowie gewaltfreie Intervention – mit Formen, die von Flugblättern über Sit-Ins bis Straßentheater und ‚Dienst nach Vorschrift‘ reichen.

Die sind die zentralen Gedanken zweier wesentlicher Werke von Gene Sharp – ‚the politics of nonviolent action‚ (1973) und ‚from dictatorship to democracy‚ (2003).

Beide Werke gehören seit Jahren zum ’ständigen Inventar‘ zahlreicher Freiheitsbewegungen, inspirierten Blogger und Aktivisten, waren Ideengeber für zahlreiche Jugend- und Protestbewegungen, von Serbien (Otpor / Sturz Milosevics) über die Ukraine bis zu jüngsten Bewegungen in Tunesien (Sturz Ben Alis) oder Ägypten (Sturz Mubaraks). Vorbild Sharps, besonders seines wichtigsten Werks zu gewaltfreier Aktion: Mahatma Gandhi und sein Kampf für die Unabhängigkeit Indiens.

1983 gründete Gene Sharp mit finanzieller Unterstützung eines befreundeten Investmentbankers die ‚Albert Einstein Institution‘ (AEI) – viele Jahre die zentrale Organisation zur Unterstützung von Aktivisten in Freiheits- und Demokratiebewegungen in zahlreichen Staaten weltweit.

Logo der Albert Einstein Institution (Screenshot)
Logo der Albert Einstein Institution (Screenshot)

Sharp selbst beschrieb seine Arbeit in einem Interview („Sie müssen das System verstehen„, SZ 24.02.2011):

Wir greifen nie ein und geben auch keine Ratschläge. Die Leute vor Ort müssen selber wissen, was sie tun„. Er betont „was zählt, sind die Ideen, die Kenntnis, der Plan“ – und kommentiert Passivität und Desinteresse lakonisch „wenn die Bevölkerung ihre Situation nicht ändern will, … dann wird sie nicht gewinnen„.

Gene Sharp war auch – in Deutschland kaum bekannt – einer der gedanklichen Väter eines der Handlungskonzepte von ACT UP. Die Aids-Aktionsgruppen ACT UP hatte viele Handlungsfelder – die künstlerischen Auseinandersetzungen z.B. durch Gruppen wie ‚General Idea‘ sind hierzulande recht bekannt. Die medialen Aktionen vielleicht auch noch. Eine der zentralen Punkte der Arbeit von ACT UP war jedoch immer auch die Gewaltfreiheit – und die Frage, wie kann man / frau effizient gewaltfreie Aktionen machen, und wie sich auch bei Gewalt der ‚Gegenseite‘ (die häufig vor kam) gewaltfrei verhalten? Mitglieder von ACT UP Gruppen in zahlreichen Ländern (auch in Deutschland, auch ich selbst) nahmen vielfach an Trainings zur Gewaltfreiheit teil – diese Trainings basierten auch auf den Konzepten von Gene Sharp. Und sein Konzept der Gewaltfreiheit und gewaltfreien Aktion waren auch ein Teil des damaligen Erfolgskonzepts von ACT UP.

Gene Sharp starb am 28. Januar 2018 in seinem Haus in East Boston, eine Woche nach seinem 90. Geburtstag.

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weitere Informationen:
The Albert Einstein Institution
Gene Sharp: From Dictatorship to Democracy (pdf)
Gene Sharp: The Politics of Nonviolent Action
Gene Sharp: Das politische Äquivalent des Krieges – die gewaltlose Aktion
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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

HIV ist die Ursache von Aids – die Deklaration von Durban (2000)

“Der Nachweis, dass AIDS von HIV-1 oder HIV-2 verursacht wird, ist klar, erschöpfend und eindeutig” – mit diesem zentralen Satz stellt im Jahr 2000 die Durban Declaration klar, dass HIV die Ursache von Aids ist, und die Thesen der so genannten ‘Aids-Leugner’ keine Grundlage haben.

„Der Nachweis, dass AIDS von HIV-1 oder HIV-2 verursacht wird, ist klar, erschöpfend und eindeutig“ – mit diesem zentralen Satz stellte im Jahr 2000 die Durban Declaration klar, dass HIV die Ursache von Aids ist – und die Thesen der so genannten ‚Aids-Leugner‘ keine Grundlage haben.

Es ist ein Unglück, dass eine Handvoll lautstarker Protagonisten nicht müde wird, die Beweise zu bestreiten. Diese Position wird unzählige Menschenleben kosten.

Die ‚Durban Declaration‘, entworfen von einer Arbeitsgruppe aus über 250 Wissenschaftlern, wurde am 6. Juli 2000 im Wissenschaftsmagazin ‚Nature‘ erstveröffentlicht. Über 5000 Personen unterzeichneten die Erklärung, darunter 11 Nobelpreisträger sowie die Direktoren oder Präsidenten internationaler Forschungs- Organisationen wie der National Academy of Science (USA), der britischen Academy of Medical Sciences, das Institute Pasteur, oder die Max-Planck-Institute. Wissenschaftler aus der Pharmaindustrie waren an Entstehen und Unterzeichnung der Durban Declaration nicht beteiligt.

Als Dokumentation die „Durban Declaration“, entstanden anlässlich der 13. Internationalen Aids-Konferenz, die im Juli 2000 in Durban / Südafrika stattfand:

HIV ist die Ursache von Aids – Dokumentation: Deklaration von Durban (2000)

Siebzehn Jahre nach der Entdeckung des menschlichen Immunschwäche-Virus HIV treffen sich Tausende von Menschen aus der ganzen Welt in Durban, Südafrika, um an der 13. Internationalen Aids-Konferenz teilzunehmen.

Zum Beginn des neuen Jahrtausends leben weltweit schätzungsweise 34,3 Millionen Menschen mit HIV oder Aids, davon 24,5 Millionen in Afrika südlich der Sahara (1). Allein im letzten Jahr sind 2,8 Millionen Menschen an Aids gestorben. Das ist die höchste Rate seit dem Ausbruch der Epidemie.

Wenn der aktuelle Trend sich fortsetzt, werden Süd- und Südostasien, Südamerika sowie Gebiete der früheren Sowjetunion in den nächsten zwei Jahrzehnten eine schwere Last zu tragen haben.

Aids verbreitet sich wie viele andere Krankheiten, die wie Tuberkulose und Malaria besonders in unterprivilegierten und verarmten Gemeinschaften zu Siechtum und Tod führen, durch Infektion.
Bei HIV-1, das für die AIDS-Pandemie verantwortlich ist, handelt es sich um ein Retrovirus, das in enger Beziehung zu einem Affen-Immunschwächevirus (SIV) steht, das Schimpansen infiziert.
HIV-2, das in Westafrika prävalent ist und sich bis nach Europa und Indien ausgebreitet hat, ist kaum zu unterscheiden von einem SIV, das Schwarze Mangaben infiziert.

Obwohl HIV-1 und HIV-2 zunächst als Zoonosen in Erscheinung traten (2), d.h. Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden, verbreiten sich beide heute unter Menschen durch sexuellen Kontakt, von der Mutter auf das Kind und über kontaminiertes Blut.

Ein tierische Quelle für eine Infektion ist keine Besonderheit von HIV. Ratten brachten die Pest und Vögel die Grippe. Das neue Nipah-Virus in Südostasien erreichte den Menschen über das Schwein.
Fälle von Creutzfeldt-Jakob-Krankheit in Großbritannien waren identisch mit dem ‚Rinderwahnsinn‘.

Als HIV erst einmal im Menschen war, passte es sich bald an dessen Gewohnheit und Mobilität an. Wie viele andere Viren auch kennt HIV keine sozialen, politischen oder geografischen Grenzen.

Der Nachweis, dass AIDS von HIV-1 oder HIV-2 verursacht wird, ist klar, erschöpfend und eindeutig und entspricht höchsten wissenschaftlichen Standards (3-7). Die Daten erfüllen genau die gleichen Kriterien wie die über andere Viruserkrankungen wie Polio, Masern und Pocken:

  • Patienten mit dem erworbenen Immunschwäche-Syndrom sind unabhängig davon, wo sie leben, mit HIV infiziert (3-7).
  • Unbehandelt zeigen die meisten Menschen mit einer HIV- Infektion innerhalb von 5-10 Jahren Zeichen von Aids (6, 7). Der Nachweis von HIV im Blut erfolgt durch den Nachweis von Antikörpern, von Gen-Sequenzen oder durch eine Isolierung von Viren. Diese Tests sind genauso zuverlässig wie beliebige, zum Nachweis anderer Virus-Infektionen angewendete Tests
  • Personen, die HIV-kontaminiertes Blut bzw. Blutprodukte erhalten, bilden Aids aus, während dies bei Personen, die nicht verseuchtes bzw. kontrolliertes Blut erhalten, nicht der Fall ist (6).
  • Die meisten Kinder, die Aids ausbilden, wurden von HIV-infizierten Müttern geboren. Je höher die Viruslast in der Mutter, desto größer ist das Risiko für das Kind, infiziert zu werden (8).
  • Im Labor infiziert HIV genau die Art von weißen Blutzellen (CD4-Lymphozyten), die sich bei Menschen mit Aids erschöpft (3-5).
  • Medikamente, die die Replikation von HIV im Reagenzglas hemmen, reduzieren auch die Viruslast im Menschen und halten das Fortschreiten der Infektion zu Aids auf. Die Behandlung hat dort, wo sie verfügbar ist, die Aids-Sterblichkeit um mehr als 80% reduziert (9).
  • Affen, denen geklonte SIV-DNA injiziert wurde, infizierten sich und bildeten Aids aus (10).

Weitere unwiderlegbare Daten sind verfügbar (4). HIV verursacht Aids (5). Es ist ein Unglück, dass eine Handvoll lautstarker Protagonisten nicht müde wird, die Beweise zu bestreiten. Diese Position wird unzählige Menschenleben kosten.

In verschiedenen Regionen der Welt kann HIV/Aids veränderte Ausbreitungsmuster und Symptome aufweisen. In Afrika beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit für mit HIV infizierte Personen, innerhalb von 5 Jahren zu sterben, elfmal so hoch wie bei nicht infizierten Personen (7), und das Risiko, ein Kaposi-Sarkom auszubilden, d.h. eine Krebsart, die in Beziehung zu einem anderen Virus steht, ist bei ihnen sogar 100-mal höher (11).

Wie bei anderen chronischen Infektionen ist das Erkrankungsrisiko von verschiedenen Faktoren abhängig. Unterernährte oder ältere Menschen, die bereits an anderen Infektionen leiden, neigen dazu, anfälliger für eine schnelle Ausbildung von Aids als Folge einer HIV-Infektion zu sein. Keiner dieser Faktoren schmälert jedoch die wissenschaftlichen Beweise, dass HIV die alleinige Ursache der Aids-Epidemie ist.

In dieser globalen Krise muss der Verhütung von HIV-Infektionen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit im Weltmaßstab oberste Priorität eingeräumt werden. Das Wissen und die Mittel, Infektionen zu verhüten, stehen zur Verfügung. Der sexuellen Weiterverbreitung von HIV kann durch wechselseitige Monogamie, Abstinenz oder durch die Verwendung von Kondomen Einhalt geboten werden. Einer Übertragung durch Blut kann durch das Screening von Blutprodukten und durch Einweg-Nadeln vorgebeugt werden. Eine Übertragung von der Mutter auf das Kind lässt sich durch eine Kurzzeit-Therapie mit antiviralen Medikamenten um die Hälfte oder sogar mehr reduzieren (12, 13).

Begrenzte Ressourcen und die erdrückende Last der Armut in vielen Teilen der Welt bilden für die Beherrschung der HIV-Infektion gewaltige Probleme. Bereits infizierten Menschen kann durch eine Behandlung mit lebensrettenden Medikamenten geholfen werden, doch die hohen Kosten dieser Medikamente lassen sie für den größten Teil der Welt unerschwinglich werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, neue antivirale Medikamente zu entwickeln, die leichter einzunehmen sind, weniger Nebenwirkungen haben und wesentlich kostengünstiger sind, so dass Millionen von Menschen in ihren Genuss kommen können.

Es gibt viele Methoden, die entscheidenden Informationen über HIV/Aids zu vermitteln, und was sich in einem Land am besten bewährt, kann in einem anderen völlig ungeeignet sein. Doch um die Krankheit zu bezwingen, muss jeder zuerst einmal verstehen, dass HIV der Feind ist.

Forschung und keine Mythen werden zur Entwicklung von effektiveren und billigeren Behandlungsmethoden und, so bleibt zu hoffen, eines Impfstoffs führen. Einstweilen muss der Schwerpunkt jedoch auf die Verhinderung der sexuellen Übertragung gelegt werden.

Ein Ende der Aids-Pandemie ist nicht in Sicht. Indem wir zusammenarbeiten, haben wir jedoch die Kraft, sie zurückzudrängen.
Die Wissenschaft wird eines Tages über Aids triumphieren, so wie sie auch die Pocken besiegt hat. Die Eindämmung der Weiterverbreitung von HIV ist der erste Schritt dazu. Bis dahin müssen Vernunft, Solidarität, politischer Wille und Mut unsere Partner sein.

Quellennachweis

1. UNAIDS. AIDS epidemic update. Dezember 1999. www.unaids.org/hivaidsinfo/documents.html

2. Hahn, B. H., Shaw, G. M., De Cock, K. M., Sharp, P. M. (2000). AIDS as a zoonosis: scientific and public health implications. Science, 287, 607-614.

3. Weiss R.A und Jaffe, H.W. (1990). Duesberg, HIV and AIDS. Nature, 345, 659-660.

4. NIAID (1996). HIV as the cause of AIDS. www.niaid.nih.gov/spotlight/hiv00/default.html

5. O’Brien, S.J. und Goedert, J.J. (1996). HIV causes AIDS: Koch’s postulates fulfilled. Current Opinion in Immunology, 8, 613-618.

6. Darby, S.C. et al., (1995). Mortality before and after HIV infection in the complete UK population of haemophiliacs. Nature, 377, 79-82.

7. Nunn, A.J. et al., (1997). Mortality associated with HIV-1 infection over five years in a rural Ugandan population: cohort study. BMJ, 315, 767-771.

8. Sperling, R. S. et al., (1996). Maternal viral load, zidovudine treatment, and the risk of transmission of human immunodeficiency virus type 1 from mother to infant. N. Engl. J. Med. 335, 1678-80.

9. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). HIV/AIDS Surveillance Report 1999; 11, 1-44.

10. Liska, V. et al., (1999). Viremia and AIDS in rhesus macaques after intramuscular inoculation of plasmid DNA encoding full-length SIVmac239. AIDS Research & Human Retroviruses, 15, 445-450.

11. Sitas, F. et al., (1999). Antibodies against human herpesvirus 8 in black South African patients with cancer. N. Engl. J. Med., 340, 1863-1871.

12. Shaffer, N. et al., (1999). Short course zidovudine for perinatal HIV-1 transmission in Bangkok Thailand: a randomised controlled trial. Lancet, 353, 773-780.

13. Guay, L. A. et al., (1999). Intrapartum and neonatal single-dose nevirapine compared with zidovudine for prevention of mother-to-child transmission of HIV-1 in Kampala, Uganda: HIVNET 012
randomised trial. Lancet, 354, 795-802.

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siehe auch Original-Text Nature 06.07.2000: The Durban Declaration

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Berlin Homosexualitäten

Rio Reiser Grab in Berlin (Fotos)

Rio Reiser Grab seit 2001 in Berlin: Rio Reiser, 1996 in Fresenhagen gestorben und bis 2011 dort beigesetzt, hat seit dem 11. Februar 2011 seine (hoffentlich wirklich letzte) Ruhestätte in Berlin gefunden.

Rio Reiser wurde 1950 in Berlin als Ralph Christian Möbius geboren, nannte sich bald ‘Rio Reiser’ (“weil ich immer so viel unterwegs war”). Rio war Mitglied von ‘Ton Steine Scherben’ [Macht kaputt was euch kaputt macht, 1970] und arbeitete mit ‘Brühwarm’ [Corny Littmann (später Mit-Gründer Familie Schmidt und Schmidt Theater), Danny Lewis, Ralph Mohnhaupt, Ernst Meibeck, Lutz Ulbrich, Claus Plänkers und Götz Barner] zusammen.

1875 zog Ton Steine Scherben von Berlin- Kreuzberg nach Fresenhagen in Schleswig-Holstein. 1984 trennte sich Rio Reiser von ‘Ton Steine Scherben’. Er blieb in Fresenhagen, begann eine Solo-Karriere. Arbeitete mit anderen Künstlern wie Wolfgang Michels (1951 – 2017; ex Percewoods Onagram) zusammen, spielte mit Bands wie ‘Pankow’ und ‘Silly’. Er engagierte sich zeitweise bei den Grünen, später bei der PDS.

Am 20. August 1996 starb Rio Reiser auf seinem Bauernhof in Fresenhagen (Rio Reiser Haus). Dort befand sich bis zum Verkauf von Rios Bauernhof in Fresenhagen auch sein Grab. Seit Anfang 2011 befindet sich Rio Reisers Grab nun in Berlin auf dem Alten St. Matthäus Kirchhof.

Am 3. August 2021 beschloss der Berliner Senat, das Grab von Rio Reiser als Ehrengrab anzuerkennen.

Die Umbettung war notwendig geworden, nachdem Rios Bruder Gert Möbius den Bauernhof in Fresenhagen verkaufen musste. Rios Grab befand sich mit Ausnahmegenehmigung der damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis im Garten seines Hauses in Fresenhagen. Nach dem Verkauf konnte es nicht dort verbleiben – Rio musste umgebettet werden, nach Berlin auf Wunsch des Bruders.

Das Grab befindet sich seit dem 11. Februar 2011 auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Berlin Schöneberg (direkt an der Mittel-Allee, etwa auf der Hälfte des Weges auf der linken Seite).

Gedenken an Rio Reiser in Berlin

Anläßlich des 17. Todestags wurde am 20. August 2013 eine Gedenktafel am Haus Tempelhofer Ufer 32 in Berlin übergeben. Dort lebten Ton Steine Scherben mit ihrem Sänger Rio Reiser von 1971 bis 1975.

Anlässlich Rios 70. Geburtstags am 9. Januar 2020 wird der Heinrichplatz in Rio-Reiser-Platz umbenannt. Dies beschloss die Bezirksversammlung am 27. November 2019. Nachdem Einsprüche von Anwohnern zurückgewiesen wurden, erfolgte die Einweihung mit offizieller Feier in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth nun am 21. August 2022.

Rio-Reiser-Platz Berlin
Rio-Reiser-Platz Berlin

Die Umbenennung sollte ursprünglich anlässlich Rio Reisers 70. Geburtstag im September 2020 erfolgen. Sie konnte aufgrund der Coronavirus Pandemie nicht stattfinden, hinzu kamen Anwohner- Einsprüche. Sie ist derzeit für Anfang 2022 geplant.

Rio Reisers Grab in Berlin – Zustand Februar 2011

Rio Reisers Grab in Berlin, Februar 2011
Rio Reisers Grab in Berlin, Februar 2011
Rio Reisers Grab in Berlin, Februar 2011
Grab in Berlin, Februar 2011
Rio Reisers Grab in Berlin, Februar 2011, mit Grabstein aus Fresenhagen
Grab in Berlin, Februar 2011, mit Grabstein aus Fresenhagen
Rio Raisers Grab in Berlin, Februar 2011, Detail
Grab in Berlin, Februar 2011, Detail

Fotos vom 26. Februar 2011

Auf dem Grab befindet sich noch der Stein vom Grab in Fresenhagen (siehe Foto im Artikel „Rio Reiser kommt zurück nach Berlin„). Auf Dauer sollte ursprünglich einem Wunsch seines Bruders entsprechend ein neuer Stein auf das Grab, mit Krone und dem Text seines Liedes ‚Sternchen‘.

Rio Reisers Grab in Berlin – Zustand Mai 2011

Das Grab auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Berlin ‚ziert‘ nun eine Bank …

Rio Reiser Grab in Berlin im Mai 2011
Grab in Berlin im Mai 2011
Rio Reisers Grab in Berlin im Mai 2011
Grab in Berlin im Mai 2011

(Fotos vom 12. Mai 2011)

Grab von Rio Reiser in Berlin – Zustand Juni 2011

Rio Reiser Grab in Berlin, Juni 2011
Rio Reisers Grab in Berlin, Juni 2011

(Foto vom 15. Juni 2011)

Rio Reisers Grabstätte in Berlin – Zustand März 2012

Rio Reiser Grab März 2012
Rio Reiser Grab März 2012

(Foto vom 21. März 2012)

Grabstätte Rio Reiser in Berlin – Zustand August 2014

Zwei Tage vor Rio Reisers 18. Todestag 2014 sieht sein Grab so aus:

Rio Reiser Grab August 2014
Rio Reiser Grabstätte August 2014

Rio Reisers Grab – Zustand Anfang März 2017

Rio Reiser Grab Anfang März 2017
R. Reiser Grab Anfang März 2017

Grab von Rio Reiser in Berlin – Zustand Juli 2018

Grab von Rio Reiser im Juli 2018
Grab Juli 2018

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Reiser Grab Ende 2018
Grab Rio Reiser im April 2023 (inzwischen Ehrengrab)
Grab Rio Reiser Ende November 2023

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„Ich will nicht, dass du wie’n Schmuckstück an mir hängst“
R. Reiser in „Laß uns ’n Wunder sein“

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Als ich Rio Reiser zum letzten Mal erlebte, bei einer Lesung im Kölner ‘BuntBuch’, sah ich leider wenig von dem Rio, den ich schätzte, vielmehr einen alternden Helden, ziemlich vollgekifft und neben sich selbst, irgendetwas lesend erzählend stammelnd was eigentlich nur in seiner momentanen Innenwelt lustig zu sein schien, das Publikum nahm er nicht weiter wahr. Ein Abend, der leider einen bitteren Nachgeschmack hinterließ.

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Bordeaux Frankreich Lacanau

Henry Salmide verhindert 1944 Sprengung Bordeaux

Bordeaux: Der Bordelaiser Henry Salmide starb am 23. Februar 2010 im Alter von 91 Jahren. Henry Salmide war Ritter der französischen Ehrenlegion – und Wehrmacht-Befehlsverweigerer, ‚Retter von Bordeaux‘. Die Geschichte des „Retters von Bordeaux“erzählt das Buch „Bordeaux mon amour“.

Heinz Stahlschmidt, 1919 in Dortmund geboren, lernte zunächst Installateur, bevor er sich 1939 bei der Marine verpflichtete. Stahlschmidt wurde in Bordeaux stationiert, dem größten Hafen Frankreichs.

Im August 1944 näherten sich die Alliierten auch Bordeaux. Am 19. August 1944 erhielt Unteroffizier Stahlschmidt den Befehl, die großflächige Zerstörung des Hafens von Bordeaux vorzubereiten. Er schickt die Wachen nach hause – und zündet selbst die Lunten am Sprengstoff-Depot. Stahlschmidt verhinderte durch sein eigenmächtiges Handeln eine Zerstörung großer Teile der Altstadt von Bordeaux.

Bordeaux (Ansicht auf einer Postkarte von 1936; Foto wikimedia / Langladure)
Bordeaux (Ansicht auf einer Postkarte von 1936; public domain)

Bordeaux les morutiers en rade dans le portLangladurePublic Domain

Nach dem erfolgreichen Anschlag versteckt die Resistance Stahlschmidt in Frankreich. Er beschloss, in dem Land zu bleiben, nicht nach Deutschland zurück zu kehren.

Stahlschmidt wurde 1947 französischer Staatsbürger und benannte sich um, ‚französisierte‘ seinen Namen zu ‚ Henry Salmide ‚. Mehr als 30 Jahre arbeitet Henry Salmide bei der Hafen-Feuerwehr von Bordeaux. Sein Schicksal, sein Verdienst um Bordeaux bleibt weitgehend unbekannt. Erst in den 1990er Jahren berichtet erstmals eine Regionalzeitung über ihn und die Vorgänge 1944.

Am 23. Februar 2010 starb Henry Salmide in Bordeaux. Offizielle der Stadt sprachen im Umfeld der Trauerfeiern von Planungen, ihm ein Denkmal zu errichten.

Literarisch setzte ihm Erich Schaake ein Denkmal, mit dem Buch „Bordeaux mon amour“.
Der Verlag wirbt mit folgendem Text für das Buch:

Der deutsche Feldwebel Heinz Stahlschmidt kommt mit der Wehrmacht als Besatzer nach Bordeaux. Aber schon bald verliebt er sich in die Stadt − und in die Französin Henriette. Da erhält er den Auftrag, den Hafen zu sprengen. Tausende Unschuldige müssten dabei sterben. Er entscheidet sich: gegen den Eid und für die Stadt seiner Geliebten. Er sabotiert den Plan und nimmt den Tod vieler Kameraden in Kauf. Bordeaux bleibt unzerstört, aber nun ist Heinz auf die Hilfe der Résistance angewiesen − und auf die Liebe von Henriette!

Welch netter Zufall, dass der Autor seit vielen Jahren in Lacanau Océan lebt – und ein guter Freund unseres Wohnungsnachbarn bei unserem Urlaub in Lacanau  im Spätsommer 2010 ist …

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Erich Schaake
„Bordeaux mon amour“

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weitere Informationen:
LegiFrance: Text der Urkunde der Ernennung zum Ritter (chevalier) der französischen Ehrenlegion vom 19.04.2000
FrankreichSüd.de: Der Dortmunder Heinz Stahlschmidt rettete den Hafen von Bordeaux
WDR Fernsehen Dokumentation „Wie ein Deutscher in die französische Ehrenlegion kam“ (leider nicht mehr online)
Mail online 25.02.2010: German sailor who refused to obey Nazi orders to blow up Bordeaux dies aged 91 . . . in France
New York Times 06.03.2010: Henri Salmide, 90, Dies; German’s Defiance Saved a French Port
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