“ Mehr Demokratie wagen ” – Worte aus Willy Brandts erster Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969
„Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information genüge tun. Wir werden darauf hinwirken, daß durch Anhörungen im Bundestag, durch ständige Fühlungnahme mit den repräsentativen Gruppen unseres Volkes und durch eine umfassende Unterrichtung über die Regierungspolitik jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken.
Wir wenden uns an die im Frieden nachgewachsenen Generationen, die nicht mit den Hypotheken der Älteren belastet sind und belastet werden dürfen; jene jungen Menschen, die uns beim Wort nehmen wollen – und sollen. Diese jungen Menschen müssen aber verstehen, daß auch sie gegenüber Staat und Gesellschaft Verpflichtungen haben.„
Der Nationale Aids-Beirat, jüngst erst von Bundes-Gesundheitsminister Rösler aufgelöst, wird sich absehbar neu konstituieren – ohne Interessenvertretung von Deutscher Aidshilfe oder Menschen mit HIV. GIPA? Fehlanzeige.
Im neuen Nationale Aids-Beirat wird auch die Deutsche Aids-Hilfe (DAH)vertreten sein. Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH, wurde persönlich als Mitglied benannt. Dies bestätigte die DAH auf Nachfrage.
Der ’neue‘ Nationale Aids-Beirat wird sich am 8. Februar 2011 mit seiner ersten Sitzung in Berlin konstituieren.
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Aktualisierung 06.01.2011, 17:30:
Silke Klumb ist (anders als in der ursprünglichen Fassung des Artikels formuliert) persönlich als Mitglied des ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirats benannt, nicht als Vertreterin der Deutschen Aids-Hilfe, und ohne deren vorherige Einbindung (siehe Kommentar #3 & 5).
Damit sind weder der Dachverband der Aidshilfen in Deutschland noch Interessenvertreter von Menschen mit HIV und Aids im ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirat vertreten.
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Es ist erfreulich, dass Aids-Organisationen wie Deutsche Aidshilfe und Aidshilfe Baden-Württemberg im neuen Nationalen Aids-Beirat vertreten sind. Dass Menschen mit HIV – explizit als Interessenvertreter von Menschen mit HIV, nicht als Vertreter von Aids-Organisationen – weiterhin nicht als Mitglieder benannt wurden, befremdet.
Die Bundesregierung versäumt es wieder einmal, das – von ihr selbst bereits 1994 unterzeichnete – GIPA-Prinzip (Menschen mit HIV aktiv an sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen) selbst umzusetzen.
Vom 9. bis 12. Juni 1983 traf sich in Denver eine Gruppe AIDS-Kranker (diesen Namen hatte die Krankheit die sie hatten damals allerdings noch nicht) während des Jahrestreffens der US-amerikanischen ‚National Gay and Lesbian Health Conference‘. Erstmals waren damit Aids-Kranke nicht nur Gegenstand von Diskussionen, sondern direkt selbst beteiligt.
Am 11. April 1961 begann in Jerusalem der Eichmann-Prozess , das Verfahren gegen Adolf Eichmann, Mit-Organisator des millionenfachen Mordes an Juden Europas.
Vom 11. April bis 15. Dezember 1961 fand vor dem Jerusalemer Bezirksgericht der Prozess gegen Adolf Eichmann statt, gegen den ‚Referatsleiter IV B 4 ‚Juden- und Räumungsangelegenheiten‘) und Organisator des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden.
Eichmann-Prozess 1961: Adolf Eichmann während der Gerichtsverhandlung in Israel 1961 (Foto: wikimedia, public domain)
Eichmann, ehemaliger ‚SS-Obersturmbannführer‘, war nach 1945 zunächst in Niedersachsen (ausgerechnet nahe dem ehemaligen KZ Bergen-Belsen) untergetaucht. Ab 1950 flüchtete er dann über Stationen u.a.in Innsbruck und Tramin nach Argentinien – wo ihn der israelische Geheimdienst Mossad aufspürte und 1960 nach Israel brachte. Am 23. Mai 1960 wurde Eichmann in Haifa inhaftiert.
Der Eichmann-Prozess 1961 erregte international sehr großes Aufsehen. Und er beendete in Deutschland eine bis dahin weit verbreitete Vergessenheit der Ermordung der Juden gegenüber.
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Frankfurt) hatte früh Hinweise auf den Aufenthaltsort von Eichmann erhalten und diese an Stellen in Israel weitergegeben.
Der Prozeß sorgte in Deutschland für Aufregung, zu sehr befürchtete die Adenauer-Regierung, belastendes Material über ihr Spitzen-Personal könne bekannt werden, insbesondere über den Staatssekretär im Kanzleramt und Kommentator der ‚Nürnberger Gesetze‘ Hans Globke. Doch trotz Antrag des Eichmann-Verteidigers Servatius wurde ein Antrag auf Vernehmung Globkes im Prozess abgelehnt.
Hannah Arendt, die als Reporterin der Zeitschrift ‚The New Yorker‘ zeitweise am Prozess gegen Adolf Eichmann teilnahm, prägte mit ihrer Bezeichnung von Eichmann („der größte Verbrecher seiner Zeit„) als ‚Schreibtisch-Täter‚ einen viel zitierten Begriff – der als Denkfigur auch für Argumentationen in zahlreichen späteren Prozessen gegen NS-Täter Bedeutung gewann. Arendt beschrieb Eichmann dabei als „normalen Menschen“ wie die meisten Nationalsozialisten und sprach von der ‚Banalität des Bösen‚.
„Das Beunruhigende an der Person Eichmanns war doch gerade, dass er war wie viele und dass diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind.“
Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem
Arendts Berichte vom Eichmann-Prozess erschienen zunächst in der US-amerikanischen Zeitschrift ‚New Yorker‘, 1964 wurden sie dann als Buch veröffentlicht. Arendts Berichte und Analysen erregten viel Aufsehen – und stießen damals auf viel Unverständnis. Nicht nur ihre Formulierung von der ‚Banalität des Bösen‘ wurde oft missverstanden, auch ihrer Darstellung der (kollaborierenden) Rolle der ‚Judenräte‘ wurde damals viel widersprochen.
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Gabriel Bach, am 13. März 1927 in Halberstadt geborener und heute in Jerusalem lebender isrealischer Jurist, war stellvertretender Ankläger im Prozess gegen Adolf Eichmann. Am 30. Januar 2010 sprach Bach im Polittbüro (der Bühne von Herrchens Frauchen) in Hamburg über seine Erinnerungen an den Eichmann-Prozess und Einschätzungen der damaligen und heutigen politischen Situation; seine Rede ist als Mitschnitt bei freie-radios.net online.
Frankreich und die EU werden heute größer – Mayotte, eine Insel im Archipel der Komoren, wird heute 101. französisches Départment und damit Teil der Europäischen Union.
Mayotte ist eine kleine Inselgruppe von 374 km², die geographisch zum Archipel der Komoren (grob: zwischen Madagaskar und der afrikanischen Ostküste) gehört. Weit weg von Europa – und doch so nah: am 31. März 2011 erhält Mayotte den Status eines französischen Übersee-Départments (départment d’outre-mer, DOM). Damit wird Mayotte zugleich auch Teil der Europäischen Union.
Wappen von Mayotte
Die französische Botschaft erläutert
„Bei der Volksabstimmung am 29. März 2009 hatten sich 95,24 % der Mahorerinnen und Mahorer für den Übergang Mayottes von einer Übersee-Körperschaft in ein Übersee-Departement ausgesprochen. … Nachdem der französische Senat am 22. Oktober 2010 den Gesetzentwurf zu Mayotte verabschiedet hat, wird die zu den Komoren gehörende Insel im Indischen Ozean im März 2011 zum 5. Übersee-Departement und damit zum 101. französischen Departement.“
Frankreich hatte die Inselgruppe bereits 1841 in Besitz genommen. Die Komoren wurden 1974 unabhängig – die Menschen in Mayotte allerdings stimmten mit großer Mehrheit dafür, bei Frankreich zu bleiben. Nachdem die Inselgruppe lange einen Sonderstatus zunächst als Gebietskörperschaft, dann als ‚überseeische Körperschaft‘ hatte, wird Mayotte nun ‚richtig‘ Frankreich.
Dabei bedeutet dieser Schritt für Mayote große Veränderungen: Abschaffung der Polygamie und Heraufsetzung des Heiratsalters der Mädchen auf 18 erfolgten bereits, ebenso die Abschaffung des männlichen ‚Vorrechts‘, ihre Frauen zu verstoßen. Nun wird schrittweise in einem mehrjährigen Prozess französisches Recht eingeführt.
Die meisten der 180.000 Einwohner Mayottes freuen sich auf ihren Status als französisches Départment – bringt er ihnen doch auch zahlreiche Besserstellungen bis hin zum französischen Mindestlohn (SMIC salaire minimum interprofessionnel de croissance). Nicht ganz so glücklich sind die Nachbarn – der Außenminister der Komoren beschwerte sich bereits, auch die Komoren würden (unter Verweis auf eine UN-Resolution aus dem Jahr 1979) weiterhin Mayotte beanspruchen.
Pier Paolo Pasolini war ein Künstler mit beeindruckender Produktivität.
“Träume sind manchmal schlechte Lehrmeister, Dunya, denn die ganze Wahrheit ist nie nur in einem Traum zu finden. Die ganze Wahrheit findet sich nur in vielen Träumen.” (’Il fiore delle mille e una notte’, 1973)
Die Ermordung Passolinis
Am 2. November 1975, noch vor Uraufführung seines letzten Films ‚Salo oder Die 120 Tage von Sodom‚, wurde Pier Paolo Pasolini (geb. 5. März 1922 in Bologna) in der Nähe von Ostia ermordet aufgefunden.
“Der Tod macht eine fulminante Montage aus unserem Leben, das heißt, er wählt dessen wirklich signifikante … Momente aus und stellt sie in eine Folge. Er macht also aus unserer infiniten, instabilen und unsicheren und also linguistisch nicht beschreibbaren Gegenwart eine klare, stabile und sichere und also linguistisch … beschreibbare Vergangenheit.” (in: Empirismo eretico, 1967)
“Ich liebe das Leben wild und verzweifelt. Und ich glaube, daß diese Wildheit und diese Verzweiflung mich an mein Ende führen… Ich bin skandalös.” (Pasolini in seinem letzten Interview, 31.10.1975)
„Er hat es doch so gewollt„, soll der Christdemokrat Andreotti, damals Regierungschef, die Ermordung Pasolinis kommentiert haben.
Warum diese Verachtung? „In Italien hat kaum jemand Pasolini gemocht, denn er war unbequem für alle Italiener“ (Rossana Rossanda).
Pier Paolo Pasolini, Portrait von Graziano Origa 1976 (wikimedia commons / origafoundation; Lizenz cc by-sa 3.0)
Pier Paolo Pasolini, portrait by italian artist Graziano Origa, pen&ink, 1976 – Origafoundation – CC BY-SA 3.0
Pino Pelosi, der damals 17jährige Stricher, war womöglich kein Einzeltäter, darauf deuteten 2014 neue Ermittlungsergebnisse hin. Pelosi selbst sagte inzwischen aus, mindestens sechs weitere Männer seien am Tatort anwesend gewesen. zudem sollen DNA-Spuren vion drei Personen auf Pasolinis Kleidung nachgewiesen worden sein.
Petrolio – Der unvollendete Roman
Eines seiner Werke, der Roman „Petrolio“ („Erdöl“), ist unvollendet. Er gilt als Schlüsselroman, als Enthüllungsroman. Steht die Ermordung von Rasolini am 2. November 1975 in Zusammenhang mit diesem unvollendeten Roman? Dies wurde immer wieder spekuliert. Immerhin, das 21. Kapitel fehlt bis heute …
2010 sei das fehlende Kapitel 21 des unvollendeten Romans wieder aufgetaucht, behauptete ein Senator. Er habe es selbst in den Händen gehabt, und es habe einen „beunruhigenden Inhalt„, teilt er Roman Herzog mit, der dies in ‚Briefe und Kommentare‘ in der aktuellen ‚Lettre‘ berichtet.
Leider sei seine Quelle nie wieder aufgetaucht. Aber immerhin, aufgrund der Ankündigung seien die Ermittlungen über die Umstände der Ermordung Pasolinis wieder aufgenommen worden – immer wieder waren massive Zweifel an der These des ‚Alleintäters‘ Pelosi aufgekommen.
Herzog erinnert in ‚Lettre‘ anlässlich der Geschichte um das fehlende Kapitel 21 an die Zeit Ende der 1970er Jahre in Italien, an die Zeit des „historischen Kompromisses“ zwischen (Euro-) Kommunisten der PCI und Aldo Moros Christdemokraten, an die Ermordung Moros, an die bleierne Zeit danach.
Aldo Moro. PPP. Zwei Morde. Zwei Tabus.
Der Senator berichtet, ebenso wie Herzog, von bizarren Allianzen. Von einem Pakt zwischen abtrünnigen (von Aldo Moros Linie abweichenden) Christdemokraten um Andreotti und Moskau-treuen (und von Berlinguers Linie abweichenden) Kommunisten.
Pasolini – ebenso wie Aldo Moro ein Opfer von Machenschaften, die einem Zweck dienten, dem Aufrechterhalten des status quo?
Nun also neue Ermittlungen zur Ermordung Pasolinis. Und das fehlende 21. Kapitel?
(Roman Herzog: ‚Pasolini, der Senator, das Buch‘; in: Lettre International 92, Frühjahr 2011)
Gerhard Marcks: Brandstifter, Jungfrau, Mutter und Kind, Kassandra und Prophet. Nischenfiguren in der Westfassade von St. Katharinen, Lübeck
Die Geschichte der Gemeinschaft der Heiligen an St. Katharinen in Lübeck:
Gemeinschaft der Heiligen, Katharinenkirche Lübeck
1929 begann Carl Georg Heise, damals Direktor des Lübecker Museums für Kunst- und Kulturgeschichte (St. Annen Museum), mit Planungen für eine eine Figuren-Gruppen für die Nischen an der Kirche St. Katahrinen. Er besuchte Ernst Barlach in Güstrow – Barlach hatte kurz zuvor u.a. für Kiel den „Geistkämpfer“ geschaffen. Nach einigem Zögern sagte Barlach zu. Die Kosten des Groß-Projekts sollten überwiegend durch Stifter getragen werden, die dafür je einen Zweitguss der Figur erhalten sollten.
Doch in Zeiten einer verschärften Wirtschaftskrise und erstarkenden ultranationalistischen (und bis auf wenige Ausnahmen Barlach feindlich gesinnten) politischen Strömung musste das Projekt schon bald stark reduziert werden: bereits 1931 wurden nur noch 8 Figuren geplant, und schließlich realisierte Barlach bis Ende 1932 drei Figuren der Gemeinschaft der Heiligen.
Diese drei Barlach-Figuren (Frau im Wind, Bettler, Singender Klosterschüler) wurden 1937 durch eine ‚Säuberungskommission‘ der Nazis im Rahmen der ‚Entartete Kunst‘ – Aktionen beschlagnahmt. 1939 wurden sie auf Weisung des NS-Propagandaministeriums zurück erstattet, sie waren gemäß Vertrag Privateigentum von Heise, der im September 1939 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden war.
Gemeinschaft der Heiligen – Fotos
In einem Versteck gesichert, konnten die drei Barlach-Figuren den Krieg unversehrt in Lübeck überstehen. 1947 wurden sie am vorgesehenen Ort, in den ersten drei (von vorn gesehen linken) Nischen von St. Katahrinen, aufgestellt.
Ernst Barlach: Frau im Wind, Bettler, Singender Klosterschüler. Nischenfiguren in der Westfassade von St. Katahrinen, Lübeck
1949 konnten sechs weitere Figuren der Gemeinschaft der Heiligen aufgestellt werden (Christus als Schmerzensmann; Brandstifter, Jungfrau, Mutter und Kind, Kassandra und Prophet), die von Gerhard Marcks (wie von Barlach und Heise 1938 angedacht) 1946 bis 1948 geschaffen wurden.
Gerhard Marcks: Christus als Schmerzensmann. Nischenfigur in der Westfassade von St. Katharinen, LübeckGerhard Marcks: Brandstifter, Jungfrau, Mutter und Kind, Kassandra und Prophet. Nischenfiguren in der Westfassade von St. Katharinen, Lübeck
Lübeck – Stadt mit aus Kostengründen geschlossenem Völkerkunde-Museum
Lübeck, eine Stadt die ausgeprägt vom Tourismus lebt, leistet sich etwas Besonderes: ein Völkerkunde-Museum mit einer sehenswerten Sammlung, die nicht mehr zu sehen ist: das Museum wurde 2007 aus Kostengründen geschlossen.
London calling ? ! – zwei Reisen nach London. Ja, Ulli war auch in London – obwohl immer Frankreich- und Paris-Liebhaber.
Zwei London-Reisen werden mir wohl Zeit meines Lebens in besonderer Erinnerung bleiben:
1. Meine erste London-Reise, kurz nach Abitur und Militärdienst 1979, eine der ersten Reisen alleine. Eine Überfahrt mit dem Fährschiff von Bremerhaven (kurz darauf lebte ich 1979 bis 1982 in Bremerhaven), hoher Seegang, stolz mich nicht übergeben zu müssen. Billige Pension. Herumirren in einer Stadt, zu der ich keinen Zugang finde.
London 1979
Zwei wesentliche Erinnerungen, schneller Sex mit ’nem attraktiven Chinesen auf dem Klo eines Restaurants, und ein super geiles Clash-Konzert (ein Jahr später, am 12. Mai 1980, geben sie auch ein Konzert in Hamburg, in der ‚Markthalle‘). ‚Mein erstes Punk Konzert‘, ein Zufalls-Treffer, ich gestehe, aber Zufalls-Volltreffer damals, im Marquee-Club. London Calling.
„Als Nummer zwei der Londoner Punk-Bands hatten die Clash immer die Aufgabe, den Rätseln der Sex Pistols einen Sinn zu geben …“
Greil Marcus, Lipstick Traces
Der Marquee Club 2007 (Foto: wikimedia commons / Eastmain, Lizenz cc by-sa 3.0)
Geblieben zudem als dauerhaftes Souvenir, tief vergraben irgendwo in einem der Schränke, die damals dort auch gekaufte ‚Miss You‘ Single der Stones.
2. Viele Jahre später. Frank und ich machen zusammen mit einem Freund und einer Bekannten eine kleine homosexuelle Reisegruppe namens ‚Homo Reizen‚. Eine der zahlreichen Reisen führt uns nach London, mit dem Zug, über Zeebrugge. Und – es ist Streik. Die Fähre geht nicht mehr, nicht mehr heute. Übernachten in Zeebrugge, in einem bereit gestellten Zug. Auf der Rückfahrt ein ähnliches Spektakel, überfüllter Zug, unsere Plätze sind trotz Reservierung belegt. Die spanische Mutti mit ihren Kindern scheint nichts zu verstehen. Doch wir haben Jean-Claude dabei, neben vielem anderen auch Sprachgenie. Er spricht mit ihr, vermutlich – wir verstehen nichts, können nur seine Gestik und ihre Reaktionen deuten – recht deutlich. In einer Vielzahl Sprachen, und er beherrscht so einige. Irgendwann, sichtlich hat er einen Nerv getroffen bei ihr, steht sie auf, schnappt ihre Kinder und ihr Gepäck – und wir haben unsere Sitzplätze von Zeebrugge bis Köln.
London. Wie gesagt, einen rechten Zugang habe ich nie gefunden zu dieser Stadt. Ganz im Gegensatz zu Paris.
Er ist das politische Stehaufmännchen und ein Schwergewicht der französischen Politik: der Politiker der Konservativen Alain Juppe. Seit 2006 ist Juppe (wieder) Bürgermeister von Bordeaux. 2016 unterlag er beim Versuch, Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2017 zu werden, seinem konservativen Parteifreund Fillon. Aus der aktiven Parteiarbeit für Les Républicains zog Juppé sich Anfang 2018 zurück. Im Februar 20ß19 legte er sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux nieder und nahm seine Berufung in den Verfassungsrat an.
Alain Juppé gilt als Ziehsohn des Gaullisten Jacques Chirac. Bei ihm begann er als Redenschreiber seine politische Karriere, wurde 1969 dessen enger Mitarbeiter. Alain Juppe stammt aus Mont-de-Marsan in den Landes / Aquitanien (geb. 15. August 1945). Juppés Verhältnis zum früheren Parteichef der Konservativen (früher UMP, 2015 umbenannt in Les Républicains) Nicolas Sarkozy gilt eher als angespannt. Beide galten vor dem Ausscheiden von Sarkozy im ersten Wahlgang der Vorwahl als Wettbewerber um die Position des Präsidentschaftskandidaten der Konservativen 2017. Beide scheiterten.
Alain Juppé 2008 (Foto: Hien Le; Lizenz cc by-sa 2.0)
Alain Juppé – Wiederaufstieg ab 2006 nach tiefem Sturz
Bordeaux, im Dezember 2004. Alain Juppé, konservativer Politiker und Bürgermeister von Bordeaux, wird wegen seiner Verwicklung in eine Parteispenden-Affäre im Berufungsverfahren (das das Urteil erster Instanz stark abmildert) zu immer noch 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Für ein Jahr wird ihm das passive Wahlrecht entzogen. Der Richter bescheinigt ihm im Urteil, er habe „das Vertrauen des Souveräns, des Volkes“ verraten. Aufgedeckt wurden die Vorgänge ursprünglich im Juni 1995 durch die satirische Pariser Wochenzeitung ‚Le Canard enchaîné‘. Sie veröffentlichte ein internes, von Juppé unterzeichnetes Dokument der Stadt Paris (Juppé war seit 1976 enger Mitarbeiter des damaligen Pariser Bürgermeisters Jacques Chirac). Der Weg ist frei für Nicolas Sarkozy, der am 6. Mai 2007 zum Staatspräsidenten der französischen Republik gewählt wird. Juppé verbringt die darauf folgenden Monate im ‚Exil‘ als Hochschullehrer im kanadischen Québec. Ein Statthalter (Hugues Martin) regiert Bordeaux.
Bordeaux, im Oktober 2006. Die Bürger (genauer 45% von ihnen) wählen mit 56% genau den gleichen Juppé wieder zum Bürgermeister von Bordeaux (er war dies bereits seit 1995 bis zur Verurteilung 2004). Zu den Neuwahlen war es mithilfe von Tricksereien gekommen (Mandatsniederlegung durch 47 Stadträte), gegen die die Oppositionsparteien vergeblich klagten. Juppé freute sich („das Volk hat mir sein Vertrauen geschenkt“), und Juppé-Ziehvater Chirac freute sich auch.
Alain Juppé 2008 (Foto: Medef; Lizenz cc by-sa 2.0)
Karriereschub wenige Jahre später. Der Gaullist und frühere Premierminister Alain Juppé tritt ab 14. November 2010 in die Regierung ein. Zunächst wird er Verteidigungsminister, ab 27. Februar 2011 (bis zum 17. Mai 2012) Außenminister (ein Amt, das er 1993 bis 1995 unter Balladur schon einmal inne hatte).
Alain Juppé hatte bereits viele Comebacks in der französischen Politik. Seine Rückkehr ins Kabinett 2010 und seine Berufung als Außenminister 2011 wurden von der Presse als „Comeback zu seinen eigenen [und nicht Fillons oder Sarkozys, d.Verf.] Bedingungen“ bezeichnet.
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Alain Juppé als Bürgermeister – Bordeaux verändert sich
Bordeaux hat sich in den letzten 20 Jahren sehr zu seinem Vorteil verändert. Ja, ich erinnere mich. Schließlich bin ich ja seit Jahren oft in Bordeaux (wir verbringen gerne Urlaube entweder in der Bretagne oder in der Nähe von Bordeaux am Atlantik, besuchen oft Freunde in Bordeaux). Registriere von Jahr zu Jahr die Veränderungen. Veränderungen, von denen der Großteil in die Bürgermeisterzeit von Alain Juppe fällt.
Bordeaux 2006
Seit 2007 ist das annähernd 2.300 Jahre alte Bordeaux UNESCO-Weltkulturerbe. Auf beeindruckende Weise hat Bordeaux sind in den vergangenen Jahren zum Wasser geöffnet, die Garonne in das Stadtleben zurück geholt. Das Flußufer, einst mit seinen Kais und Hangars nur von Hafenbetrieben und Schwulen (zum Cruising…) genutzt, wurde zu einer beliebten Spazier- und Amüsiermeile. Der PKW-Verkehr wurde im Innenstadtbereich weitgehend zurück gedrängt, wichtigstes Verkehrsmittel in der Innenstadt ist seit 2003 eine moderne neue Straßenbahn, die im UNESCO-geschützen Weltkulturerbe-Bereich der Innenstadt völlig ohne Oberleitung fährt. Zunehmend modernisiert wird auch das ‚andere‘ Garonne-Ufer, zu erreichen über die beeindruckende pont de Pierre, die älteste Garonne-Überquerung von Bordeaux, oder die neue pont Chaban-Delmas. Das alles zum Preis einer zunehmenden Veränderung des sozialen Gefüges der Stadt (sprich: Verdrängung weniger gut situierter Bevölkerungsgruppen an den Stadtrand).
Alain Juppe war bereits von 1995 bis 2004 Bürgermeister von Bordeaux als Nachfolger von Jacques Chaban-Delmas (dem Namenspatron der neuen Garonne-Brücke pont Chaban-Delmas). Er verlor dieses Amt damals durch Aberkennung der Wählbarkeit nach seiner Verurteilung zu einer 14monatigen Gefängnisstrafe wegen Verwicklung in eine Affäre um illegale Parteienfinanzierung (s.o.). Im Oktober 2006 wurde Alain Juppé erneut zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt und ist es seitdem ununterbrochen bis heute.
Ob Juppé 2019 erneut als Bürgermeister von Bordeaux kandidert, will er im Januar 29019 mitteilen, ließ Alain Juppe im Sommer 2017 wissen. Es wäre seine 5. Amtszeit als Bürgermeister …
Alain Juppé – nicht Kandidat der Konservativen für die Präsidentschaftswahl 2017
Im Verlauf der Schwierigkeiten, in die Fillon während seiner Präsidentschaftskandidatur geriet, verhielt Juppé sich zunächst auffallend zurückhaltend. Lange betonte er, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Als die Umfragewerte der Konservativen deutlich einbrachen und Fillon formell beschuldigt wurde, bemühten sich Parteifruende ihn zu erneuter Kandidatur zu bewegen. Am 7. März 2017 allerdings machte Juppe erneut deutlich, er stehe nicht zur Verfügung. „Es ist zu spät.“
„je confirme, une bonne fois pour toutes, que je ne suis pas candidat à la présidence de la République. Il est trop tard. „
Nach der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten befand Juppé sich in einer politisch paradoxen Lage: wie sollte er weiterhin Politik für den konservativen Les Républicains machen, zumal dort viele auf Konfrontation zu Macron gehen wollten? Einer seiner engsten Vertrauten, der konservative Bürgermeister von Le Havre Edouard Philippe, wurde zum Premierminister ernannt. Zudem vertritt Macron – insbersondere in seinem Ansinnen, links und rechts zu überwinden, zu vereinen um Frankreich zusammen zu bringen – Positionen, die Juppé nahe sind (aber fern von Parteigrößen der Konservativen wie Fillon):
„Il faudra peut-etre songer un jour à couper les deux bouts de l’onglette pour que les gens raisonables gouvernent ensemble et laissent de coté les deux extrèmes.„ (Alain Juppé im Januar 2015 in einem Interview im Point)
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2018 – Juppé arbeitet nicht mehr aktiv bei der konservativen Partei mit
Am 15. Januar 2018 teilte Alain Juppé anläßlich seines Neujahrs-Presseempfangs mit, er habe die Beiträge zur Partei Les Républicains 2017 nicht gezahlt, werde dies auch 2018 nicht tun. Aus dem Parteipräsidium für die Gironde habe er sich zurück gezogen.
Hintegrrund dürfte die politische Ausrichtung der Partei LR seit der Wahl des sehr konservativen Laurent Wauquiez zum Parteivorsitzenden (Anfang Dezember 2017) sein. Juppé hatte sich in letzter Zeit eher interessiert gezeigt an einer Gruppierung der Mitte.
Die Frage eines formellen Austritts ließ Juppé offen. Er betonte jedoch erneut, es gebe ‚rote Linien‘, so der Kampf gegen den rechtsextremen Front national sowie das Einsetzen für das Projekt Europa.
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Ende Februar 2019 kündigte Alain Juppé an, sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux niederzulegen. Zugleich nahm er seine Berufung in den Verfassungsrat (conseil constitutionel) an. Am 6. März 2019 wählte der Stadtrat von Bordeaux Nicolas Florian (Les Republicains) zum neuen Bürgermeister.
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Aus Anlass der Vorstellugn seiner Autobiographie äußerte Juppé Anfang September 2023
„J’aurais bien aimé être président de la République, mais enfin, je m’en suis remis.“ (Ich wäre gerne Staatspräsident geworden. Aber ich habe das überwunden. [Übers. UW])
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