Die größte Pariser Boulevard-Zeitung ‚Le Parisien‘ kritisiert die französische Aidshilfe-Organisation Aides. Insbesondere in der Kritik: der ehemalige Präsident Christian Saout. Hat er eine Aides Dienstwohnung ?
Es ist das Tagesgespräch in Paris, nicht nur in Aids-Kreisen: gab es bei der französischen Aidshilfe-Organisation Aides unprofessionellen Umgang mit Mitteln? Haben einzelne Mitarbeiter unverhältnismäßige Vorteile genossen?
Die französische Aidshilfe-Organisation Aides wurde 1984 von Daniel Defert (nach dem Tod seines langjährigen Lebensgefährten Michel Foucault) gegründet. Aides ist in über 100 Städten Frankreichs aktiv, beschäftigt über 300 Mitarbeiter und über 1.000 Ehrenamtler. Aides ist mit einem Jahresbudget von 39 Millionen Euro (2009) eine der bedeutendsten karitativen Organisationen Frankrichs, so ‚Le Parisien‘.
Le Parisien zitiert in seiner heutigen Ausgabe (25. Januar 2011) aus einer vertraulichen Studie des Beratungsunternehmens ‚Sécafi‘. Dies kritisiere, die ‚Organisation sei nicht ausreichend entwickelt‘. Zudem gehe ein zu geringer Teil der Mittel (60%) in den sozialen Bereich (während Organisationen wie Arc (Krebsbekämpfung) oder AFM (Myopathie) Werte von 78% und 83% erreichen). Einzelne Mitarbeiter profitierten zudem von „unverhältnismäßigen Vorteilen“.
Insbesondere in der Kritik: Christian Saout, Präsident von Aids von 1998 bis 2007. Warum hat er ab 1999 bis 2010 von einer Dienstwohnung profitiert (eines Studios in Pantin nordöstlich von Paris), fragt ‚Le Parisien, einer Praxis, die generell vom Rechnungshof kritisiert werde. Und warum überweise Aides ihm noch ein Gehalt (110.000 € pro Jahr, aus staatlichen Zuschüssen, nicht aus Spendengeldern), obwohl er doch nur noch Ehren-Präsident sei (und somit eigentlich ohne Bezüge)? Er vertrete Aides in zahlreichen Instanzen, das benötige Zeit, erläutert Aides-Generaldirektor Olivier Dénoue als Begründung.
Noch großzügiger sei die Situation gestaltet bei Generaldirektor Vincent Pelletier. Er habe die vertragliche zusage, alle zwei Jahre sein Gehalt neu zu verhandeln – und mache davon auch rege Gebrauch. Sein Monatsgehalt sei zwischen 2007 und 2009 um 17% gestiegen und liege nun bei 9.500 Euro pro Monat. Die gehälter der ’normalen Angestellten‘ hingegen seien niedrig und würden auch nur geringfügig erhöht.
Zudem kritisiert ‚Le Parisien‘ bzw. der Bericht des Beratungsunternehmens „undurchsichtige Rechnungslegung“ – die notwendige Transparenz fehle, der jüngste Bericht des Rechnungshofes sei nie veröffentlicht worden.
Garde um auch weiterhin für Spender attraktiv zu sein, bedürfe es auch der Transparenz. Die Organisation der Charta „Spende inVertrauen“ (‚don en confiance‘) habe die inhaltliche Arbeit hierzu begonnen – Aides habe jedoch entscheiden, dieser Organisation nicht beizutreten.
Aides reagierte in einer Stellungnahme auf den Artikel und bezeichnete ihn als „weitgehend umstritten, sowohl hinsichtlich der Methode als auch des Inhalts“ sowie als „Verleumdung“. Der Artikel sei ein schwerer Schlag für alle Mitstreiter und für den Kampf gegen Aids. Mehrere Berichte verschiedener Organisationen hätten in der Vergangenheit die beispielhafte Transparenz der Organisation gelobt. Man werde auf jeden einzelnen der von Le Parisien angesprochenen Punkte zügig reagieren.
Ein Prüfbericht für die Direction Géneral de Santé kommt zu einem anderen ergebnis als der Artikel von Le Parisien. Der Bericht spricht im September 2010 von ‚guter finanzieller Gesundheit‘ und ‚echtem Engagement für Transparenz‘ („une bonne santé financière de l’association. Celle-ci s’accompagne d’une gestion rigoureuse, elle-même portée par une réelle volonté de transparence“). Einige Aides-Insider und ‚Ehemalige‘ hingegen zeigen sich in Kommentaren (teils auch mit vollem Namen) „wenig überrascht“ von dem Bericht von Le Parisien.
Für heute (25.1.2011) Nachmittag (16:30 Uhr) hat Aides eilig zu einer Pressekonferenz geladen.
Aktualisierung
26.01.2011, 12:45 Uhr: Yagg berichtet von einer Pressekonferenz „voller Mitarbeiter von Aids, und nur einer Handvoll Journalisten“ und in aufgeheizter Atmosphäre. Der Bericht von Secafi, Basis des Parisien-Artikels (Bericht: siehe Links unter ‚weitere Informationen‘) wurde verteilt.
Bruno Sphire, jetziger Präsident von Aids, habe betont, seit Jahren hätten alle Prüfberichte Aides als eine ‚gesunde Organisation‘ beschrieben. Das Gehalt des früheren Präsidenten rechtfertigte er, man brauche einen hochqualifizierten Chef, außerdem sei ein derartiges Gehalt bei Organisationen dieser Größe üblich. Christain Saout, im Artikel kritisierter Ex-Präsident bis 2007, betonte, seine Dienstwohnung (die er bis 2010 hatte) habe er pflichtgemäß in seiner Steuererklärung angegeben. Der Artikel des Parisien habe ‚die Absicht Schaden anzurichten‘. Ein Vertreter der Beschäftigten von Aides erklärte sich solidarisch, es gebe keine Beschwerden innerhalb der Organisation.
26.01.2011, 14:20 Uhr: Aides selbst reagierte inzwischen mit einer erneuten Stellungnahme. Der Artikel und die Auseinandersetzung sei verschwendete Energie, die im Kampf gegen Aids fehle. Das Studio in Pantin (für den Präsidenten) sei weniger teuer gewesen als 15 Nächte pro Monat im Hotel. Das gehalt des ehemaligen Präsidenten sei hoch, aber im Bereich von Organisationen mit 500 Mitarbeitern üblich; zudem sei es seit Monaten durch einen Radio-Bericht bekannt gewesen. Das Ganze sei ein erfundener Skandal. Aides habe Berichte verschiedener Organisationen online gestellt, damit sich jeder selbst ein Bild machen könne.
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weitere Informationen:
Le Parisien 25.01.2011: Exclusif: L’association Aides dans la tourmente
Comité de la
Tetu 25.01.2011: La gestion de Aides épinglée par «Le Parisien»
Charte du don en confiance
Aides 25.01.2011: « Calomniez, calomniez, il en restera toujours quelque chose »
Europe 1 25.01.2011: Les mauvais comptes d’Aides
„Aides“ – Rapport pour le Ministère de la santé et des sports – Direction Générale de la Santé – Audit d’une association subventionnée
par la Direction Générale de la Santé : évaluation de la convention 2007-2010 (pdf)
Aides: Quelques chiffres
Secafi: AIDES – Rapport sur la situation de l’association
pour l’exercice clos le 31.12.2009 (pdf)
Yagg 26.01.2011: Aides répond à l’enquête du « Parisien »
Aides 26.01.2011: AIDES diffamée ? La calomnie retombe comme un soufflé
Le Parisien 25.01.2011: Aides : la crise en trois questions
Le Parisien 25.01.2011: « J’ai menti aux gens en leur faisant des promesses qu’on ne pouvait pas tenir »
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Text 15. April 2017 von ondamaris auf 2mecs