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Berlin

Familiengeschichten rastende Anal-Olfen

Café Anal, Möbel Olfe, Raststätte Gnadenbrot – Berliner Heimstätten der ganz eigenen Art. Ein ‘Lebens-Kochbuch’ mit Rezepten aus Schmelztopf und Tresenbuch …

Frühmorgens flattert letztens eine tief des Nachts losgeflogene Brieftaube vorbei, lässt einige blau-türkise Logo-Farbsprengsel fallen, dabei einige Zeilen … sie hat lange gebraucht, die kleine Brieftaube, für den kurzen Weg um einige Straßenecken und Häusermeere … und ruft mit ihrem Lockruf Erinnerungen wach …

Da wird etwas beworben, das große “Raststätten-Möbel-Olfe-(und ein bisschen Cafe Anal)-Lebens-Kochbuch” …

Anal, Olfe und Raste – Kosenamen für Etablissements, die vielleicht dem nicht-Berliner und nicht-schwulen Leser weniger sagen.

Die ‘Raststätte Gnadenbrot’ liegt zwar an so mancher Autobahn, aber eine Raststätte klassischen Typs sollte der Besucher nicht erwarten …
… in der ‘Möbel Olfe’ werden Möbel heute nur noch äußerst selten gehandelt …
… und im ‘Café Anal’ ist leider schon lange Schicht, anal und banal nichts mehr los …

Die drei Etablissements sind auf verschlungenen Wegen der Zeit mit einander verschwippschwagerschwiegerwandt …
Fragen wir die kleine Brieftaube:

“Da ist dieses kleine Restaurant, nein, nicht am Ende des Universums, sondern mitten drin, mitten im Universum, an einer vierspurigen, vielbefahrenen Straße und Kreuzung im Berliner Bezirk Schöneberg. Dieser Schmelztopf heißt Raststätte Gnadenbrot, manchmal kurz Raste genannt, manchmal einfach auch nur Brot.
Die Raste ist Aufenthaltsort einiger Großstadtnomaden, die auf der Suche nach Nahrung, Getränk und Wärme durch die Strassen und U-Bahnen irrten, bis sie hier ein Zuhause fanden.”

Aber die Zuflucht bietende Raste ist gar nicht so allein, sie hat eine Mutter,

“Das Gnadenbrot hat eine Mutter, eine ziemlich wilde Mama , die am Kotti lebt. Der Kotti ist das Zentrum vom Berliner Bezirk Kreuzberg. Am Kotti steht das NKZ das “Neue Kreuzberger Zentrum”, eine Bausünde aus den 70igern. In einer Abteilung dieser Bausünde ist die “Möbel Olfe”, eine Trinkhalle, in der Beton noch ist was man daraus macht.”

Und wie es sich für eine gute Familie gehört, gibt’s auch noch ne alte Oma …

… eine “Oma, die schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilt, aber in Geschichten und Anekdoten immer wieder auftaucht, das “Café Anal”, Friede seiner Asche.”

Anal, Olfe, Raste.
Mit der Olfe (dem ‘ewigen Geheimtipp‘, welch Irrtum) bin ich nie ‘richtig warm geworden’. Das mag an ihrer Lage liegen (schon die Raste liegt ja eher am Dorfausgang, aber die Olfe weit jenseits des heimischen Angers), an Größe und Höhe, Beton und und …

Die Raste hingegen ist eines der Etablissements, die -wenn er denn verliehen werden würde- Anwärter auf den Preis des persönlich bevorzugten Wohnzimmers wäre …
So mancher harte Tag könnte hier seinen sanften Ausklang finden, so manches Schäferstündchen seine Wiese Terrasse, so mancher launische Abend findet ohne Karneval statt … auch wenn die ein oder andere Nacht zu furchtbaren Sehstörungen führen kann.

An das Café Anal gibt es schöne, bizarre Erinnerungen, aber auch schmerzhafte.
Das Café Anal eröffnete im Februar 1990 in der Muskauer 15. Es war

“ein Nonprofit-Kollektiv mit Polit-Anspruch. Vorfinanziert mit linken Krediten, verstanden sie sich als Antwort radikaler Tunten auf zwangsautonome Hegemonie. Juristisch als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts geführt, bestand die Gründungsgruppe aus ca. 10 Leuten. Man einigte sich auf einen Einheitslohn von 12,50 DM die Stunde und im wöchentlichen Plenum ging es um Fragen von “Wie koche ich Milchkaffee” bis zur Endlosdiskussion um das Für und Wieder einer Duldung heterosexueller Handlungen im Café.”

(etuxx)

Im Anal war trotz Kulturbeitrag ab und an der “Tresenspülausguß verstopft” und das “Herrentoilettenlicht macht auch ganz komische Sachen”(so so …, wenn’s das Anal-Tresenbuch nicht gäbe …). Tja, das Anal war unfreiwillig Trendsetter, in vielerlei Hinsicht, nur die Arschtapete konnte sich über die Jahre nicht recht durchsetzen …

“Gebenefizt wurde was das Zeug hält und Montagnacht hatten Schwanzträger keine Chance auf Einlaß; einem Umstand, der weitreichende Folgen haben sollte. Das Café Anal war in der ersten Hälfte der 90iger das Kiez-Wohnzimmer für alle Abweichler vom schwulen Mainstream und gleichzeitig das niedrigschwellige Angebot für linke Heten mit Coming-Out Hemmungen. Stilbildend auch das Interieur: Nachwende-Tuntenbarock vom Feinsten, Springbrunnen, Plüschvorhänge, Plastik-Trash aus den umliegenden, türkischen In- und Exportläden. Das Highlight der Anfangsjahre war die legendäre Arschtapete, die später einer der zahlreichen, gruppendynamischen Renovierungen zum Opfer fiel.” (etuxx)

Hier schaute der “Prinz in Hölleland” vorbei und Irmgard Knef machte ihre ersten Gehversuche … zahlreiche antischwule Gewalt-Angriffe richteten sich gegen diesen Freiraum, und auch Polizisten verprügelten Gäste im Café Anal.

Irgendwann war seine Zeit abgelaufen … doch er wird immer wieder vermisst der Freiraum Café Anal, landete noch 2004 auf Platz 4 der Kategorie ‘am meisten vermisst’ der Siegessäule.
Immerhin, es gibt ja nun die Raste …

Und – das “Raststätten – Möbel – Olfen – und ein bisschen Cafe Anal – Lebens – Kochbuch”, das wäre doch ein schönes Geschenk zum dreieinhalbten Advent.

Leider gibt es dieses Kochbuch noch nicht, die Brieftaube schaut ratlos durch’s Fenster …
Damit’s was wird … mit dran schreiben, hier

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Gedenken an verfolgte Homosexuelle: Homo-Mahnmal Tel Aviv

Israel hat seit 2013 sein erstes Mahnmal für die im Holocaust vernichteten Homosexuellen – das Homo-Mahnmal Tel  Aviv. 2008 vom Bürgermeister von Tel Aviv angekündigt, wurde es 2013 eingeweiht.

Seit 2013 gibt es das Homomonument in Tel Aviv – das Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle.

Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle / Homomonument in Tel Aviv / Israel (Foto: Christian Till, Lizenz cc-by-sa 4.0)
Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle in Tel Aviv / Israel (Foto: Christian Till, Lizenz cc-by-sa 4.0)

Das Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle wurde am 10. Januar 2014 in Tel Aviv, Israel eingeweiht.Christian TillCC-BY-SA 4.0

Am 2. Mai ist in Israel Holocaust Remembrance Day (Yom Hashoah). Ein Feiertag, ein besonderer Tag jedes Jahr, sich bewusst zu machen, dass der Holocaust mehr ist als ‘nur’ Teil der Geschichte. Sich zu erinnern an diejenigen die litten, diejenigen die kämpften, diejenigen die starben. An sechs Millionen ermordete Juden.

Der Holocaust – in den KZs der Nazis, an den Folgen der Terrorherrschaft litten und starben über sechs Millionen Juden, sowie auch Angehörige zahlreicher anderer Gruppen, z.B. Kommunisten und Sozialdemokraten, Roma und Sinti, aus religiösen Gründen Verfolgte. Und tausende homosexueller Männer und Frauen, die schwulen Männer meist gekennzeichnet mit dem ‘Rosa Winkel’.

Dieser homosexuelle Holocaust-Opfer wird nun auch in Israel mit einem eigenen Monument gedacht werden, dem Homo-Mahnmal Tel Aviv . Der auch 2018 wiedergewählte Langzeit- Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, kündigte am 1. Mai 2008 an, ein Mahnmal zur Erinnerung an die homosexuellen Männer und Frauen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und im Holocaust vernichtet wurden, solle in Meir Garden in Tel Aviv errichtet werden.

Zum Gedenken an homosexuellen NS-Opfer existieren bisher weltweit nur wenige Mahnmale, z.B. in Amsterdam (Homomonument, 1987), Frankfurt am Main (Engel von Rosemarie von Trockel, 1994), Köln, Kopenhagen, San Francisco (Rosa Winkel Park, 2000/1), Sydney ( Gay and Lesbian Holocaust Memorial, 2001), Uruguay / Montevideo (‘Park of Sexual Diversity’, Rosa Winkel Monolith, 2005), in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen sowie bereits seit 1989 die Gedenktafel Rosa Winkel am U-Bahnhof Nollendorfplatz, sowie Lübeck. In Frankreich erinnert inzwischen die ‚rue Pierre Seel’ in Toulouse an den wegen Homosexualität Verfolgten.

Am 10. Dezember 2013 weihte Bürgermeister Ron Huldai das von der Stadt Tel Aviv beauftragte und finanzierte Denkmal für homosexuelle NS-Opfer ein. Das in Form von Rosa Winkeln gestaltete Homo-Mahnmal Tel Aviv (Entwurf: Professorin Yael Moriah) befindet sich vor dem städtischen Sozialzentrum im Meir-Park.

Das Denkmal trägt (in hebräischer, englischer und deutscher Sprache, auf jedem der Winkel) die Inschrift

„Im Gedenken an jene, die vom Nazi-Regime aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Gender-Identität verfolgt wurden.“

Erinnert wird im Text u.a. an Magnus Hirschfeld, Gad Beck und Walther Gutman.

Ende Oktober 2018 wurde das Homo-Mahnmal Tel Aviv homophob beschmiert – Unbekannte hatten den Schriftzug ‚Death to LGBT‘ aufgesprüht. Die Polizei ermittelt.

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siehe auch Übersicht über die Denkmale für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

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Homosexualitäten Kulturelles

Herbert Tobias (1924 – 1982)

Der Photograph Herbert Tobias starb am 17. August 1982 in Hamburg an den Folgen von Aids.

Herbert Tobias gilt als einer der bedeutendsten und doch heute nur wenig bekannten deutschen Photographen der Nachkriegszeit.

Herbert Tobias wird am 14. Dezember 1924 in Dessau geboren, arbeitet vorübergehend an den Werkstätten des Bauhauses. Er verbringt Jugendjahre u.a. in Höxter. Nach dem Zweiten Weltkrieg besucht er in Siegburg die Schauspielschule, erhält ein Engagement bei einem kleinen Tournee-Theater.

In Paris arbeitet er als Photograph bei dem bekannten Mode-Photographen Willy Maywald, hat erste Veröffentlichungen. Tobias verlässt 1953 Paris plötzlich, siedelt 1954 nach Berlin um – er ist in einer Pariser Klappe verhaftet, anschließend wegen ‘Erregung öffentlichen Ärgernisses’ verurteilt und nach Deutschland abgeschoben worden.
In Berlin entstehen zahlreiche Mode- und Prominenten-Photos (Knef, Leander, Flickenschildt), u.a. auch vom (damals noch völlig unbekannten) Andreas Baader [vgl. Ulrike Meinhof] (Interview mit Prof. Rolf Sachsse über Herbert Tobias in der taz). Tobias wird Cover-Gestalter für die ‘Deutsche Grammophon’.

Doch mitten im Erfolg verlässt er Berlin wieder, wechselt 1969 nach Hamburg. Engagiert sich politisch. Über die früheren ‘St. Pauli Nachrichten’ lernt Herbert Tobias in den 1970ern u.a. Hans Eppendorfer kennen. Gestaltet zahlreiche Platten-Cover und wird insbesondere durch seine Arbeiten für mehrere ‘Homosexuellen-Magazine’ (wie him applaus, Du & Ich, …) und schwule Pornohefte bekannt.

Herbert Tobias erkrankt im Februar 1982. Am 17. August 1982 stirbt er in Hamburg im Alter von 57 Jahren an den Folgen von Aids.

Herbert Tobias Grabstein (Foto: Udo Grimberg)
Herbert Tobias Grabstein (Foto: Udo Grimberg; Lizenz cc by-sa 3.0)

Photographer Herbert Tobias, tomb on the main-cemetery in Hamburg-AltonaFoto: Udo Grimberg – CC BY-SA 3.0 de

Die Kosten der Beisetzung des verarmten Tobias auf dem Hauptfriedhof Altona übernimmt die Hamburger Sozialbehörde. Nach 25 Jahren soll das Grab 2007 eingeebnet werden. Einer Initiative um Bernhard Rosenkranz gelingt jedoch 2007 eine Umwandlung in ein Ehrengrab.

Das Archiv von Herbert Tobias befindet sich seit 1986 in der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie.

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Erstmal gab ab Mitte Mai 2008 eine Ausstellung einen Überblick über Schaffen und Werk des Photographen Tobias. Am 15. Mai eröffnete in der Berlinischen Galerie die Retrospektive “Blicke und Begehren – Der Fotograf Herbert Tobias (1924-1982)”. Die Ausstellung bot mit 200 zum Teil noch nie gezeigten Arbeiten einen Überblick über Tobias’ Schaffen.

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Herbert Tobias – Namen und Steine Bonn

Herbert Tobias Namen und Steine Tom Fecht Bonn
Herbert Tobias Namen und Steine Tom Fecht Bonn

Stein für Herbert Tobias, Namen und Steine – Kaltes Quadrat, Tom Fecht 1993 / Bonn Bundeskunsthalle

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“Blicke und Begehren – Der Fotograf Herbert Tobias (1924-1982)”
Berlinische Galerie
16. Mai bis 25. August 2008 (Vernissage 15. Mai, 19:00 Uhr)
danach 2009 Hamburg, Deichtorhallen.

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Nachdenkliches

Sartre in Stammheim

Am 4. Dezember 1974 besucht Jean-Paul Sartre in Stammheim Andreas Baader im Gefängnis. Eine lesenswerte Analyse von Wolfgang Kraushaar zeichnet Besuch, Wirkung und Hintergründe nach 34 Jahren nach.

Jean-Paul Sartre (21.6.1905 Paris – 15.4.1980 Paris), der französische Philosoph des Existenzialismus – was bringt ihn dazu, sich mit Andreas Baader zu treffen, dem seit Juni 1972 inhaftierten führenden Mann der RAF (’Rote Armee Fraktion’)? Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung spürt dem Hintergründen des Treffens nach, zeichnet ein Bild einer damals völlig polarisierten, erblindenden Gesellschaft.

1972. Die Gründer der ‘Roten Armee Fraktion’ (RAF), unter ihnen die bekanntesten Protagonisten Andreas Baader (in Jugendjahren von Herbert Tobias photographiert) und Ulrike Meinhof, sind verhaftet. Im Herbst 1974 führen die Gefangenen ihren inzwischen dritten Hungerstreik durch. Sie wollen auf ihre Lage aufmerksam machen, eine Verbesserung der Haftbedingungen erreichen, sehen die Hungerstreiks auch als Teil des politischen Kampfes.

Eines politischen Kampfes, der die westdeutsche Gesellschaft zunehmend in den Herbst führt. Die gesamte Gesellschaft, so schien es mir, kam nicht heraus aus einer einzigen gigantischen schwarz-weiß-Malerei. Entweder man war für die BRD, oder dagegen, entweder für strikteste Terrorbekämpfung bis zur Aufgabe demokratischer Grundprinzipien oder eben Terrorist.
Selbst im kleinstädtische Gymnasium, das ich damals besuchte, war die zunehmende Polarisierung, Hysterie spürbar, konkret erlebbar. Nicht nur in Nachrichten und Provinzblatt-’Journalismus’, sondern auch z.B. in Hetze und Ausgrenzung gegen vermeintlich ‘linke’ Lehrer oder Schüler. Wer sich gegen Bestehendes auflehnte, versuchte kritisch zu denken, war beinahe automatisch zumindest ‘Sympathisant’.

Deutschland im Herbst“, so ist nicht nur der Titel eines Films von 1978 über diese Jahre, sondern diese Formulierung beschreibt auch das Lebensgefühl in zunehmend antifreiheitlicher werdenden Rahmenbedingungen.
Hysterie, bewusst geschürte Ängste, Hetze gegen alles Andersdenken. Eine Zeit, in der differenziertes Denken, Abwägen, Hören nach Zwischentönen, Ausbrechen aus schwarz-weiß-Dogmen nicht gefragt waren, ja bekämpft wurden. Beide Seiten beharrten auf Konfrontation, Polarisierung. Menschlichkeit, Freiheit, Vielfalt – sie schienen damals oft wie kalte Fremdworte einer anderen Welt.

In einer solch polarisierten Zeit besucht Jean-Paul Sartre Andreas Baader im Gefängnis. Sartre in Stammheim – ein Besuch, der ein Fiasko wird, für Baader und die RAF erfolglos, für Sartre persönliche Blamage.

Wolfgang Kraushaar zeichnet die Geschichte und Ergebnisse dieses Besuches Sartres nach. Er verweist detailliert auf Hintergründe und Bezüge, Rahmenbedingungen und gesellschaftliches Klima.

Er fragt, was Sartre zu diesem Besuch bewogen haben mag. Kraushaar weist deutlich darauf hin, wie sehr Vorbehalte gegen die BRD auch ihre Berechtigung haben konnten, insbesondere angesichts anfänglich umfassender personeller Kontinuitäten zwischen NS-Regime und westdeutschen Regierungsorganen. Sartre andererseits wird wohl mehr als nur von RAF-Gefangenen und ihren Anwälten in “einen Hinterhalt” gelockt worden sein (wie Hans Mayer es formulierte), sah auch die Chance, eine kritische Position zu unterstützen. Differenzierte Kritik jedoch war damals, im deutschen Herbst, kaum möglich, Zwischentöne wurden nicht gehört – eine taube Gesellschaft, die in eine schwarz-weiße Polarisierung stolpern, manchmal stürmen wollte.

Deutschland im Herbst – Jahre, die bei mir noch jetzt, in der Erinnerung, beklemmende Gefühle wach werden lassen.
Hans Joachim Klein, damals Chauffeur Sartres und Croissants bei jenem Besuch in Stammheim, später am Überfall auf das OPEC-Treffen in Wien beteiligt, dann RAF-Aussteiger, nannte seine 1979 publizierten Erinnerungen bezeichnenderweise “Rückkehr in die Menschlichkeit”…

Wolfgang Kraushaar: Sartre in Stammheim
in: Lettre International (deutschsprachige Ausgabe) Nr. 80, Frühjahr 2008

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Nachdenkliches

Heimat

Was ist eigentlich deine Heimat?
Diese Frage wird ja gelegentlich gestellt, oder ‘heimatliche Gefühle’ für einen Ort, eine Region bekundet.

Nun, was ist meine Heimat?
Häufig ist ja zunächst ganz banal gemeint “wo kommst du her”.
Eigentlich aber geht es ja um die Frage wo fühle ich mich heimatlich, zuhause.

Nun, den Ort meiner Geburt und Jugendjahre, jene trostlose Kleinstadt-Tristesse, die für sich einst mit ‘Industriestadt im Grünen‘ warb, diesen Ort empfinde ich schon lange nicht mehr als meine ‘Heimat’ (habe ich es je?), eher als fremdes Universum. Heimat, das ist für mich sicherlich nicht mein Geburtsort.

Manchmal frage ich mich, ob ‘Heimat’ überhaupt für mich ein Ort ist? Oder ist Heimat für mich eher ein Gefühl? Ein Gefühl des Wohlbefindens, des sich-zuhause-Fühlens?

Eine erste Näherung an dieses Gefühl würde dann spontan lauten, Heimat ist wo mein Mann und ich zusammen sind. Er ist ein solch tief reichender Faktor des Wohlbefindens für mich, dass dieser Gedanke für mich offensichtlich scheint, dieser Zusammenhang zwischen Heimat und Partner. Vielleicht, nein sicherlich im Idealfall noch ergänzt um die Anwesenheit einiger uns jeweils oder gemeinsam wichtiger Freunde. Ja, das könnte eine Idee von Heimat sein (als Metapher habe ich das ja ansatzweise im ‘Wohnturm‘ angedeutet).

ohne Titel – heimat, Naneci Yurdagül, 2020 (Ausstellung ‚Horizonte‘, Germanisches Nationalmusem Nürnberg, August 2023)

Und doch – ist das alleiniger Faktor für Heimat?
Ganz offensichtlich für mich nicht, lehrt mich meine Erfahrung.

Ich kann mich lebhaft an einige kürzere und längere Auslands-Aufenthalte erinnern, die mir auf verschiedene Weise klar gemacht haben, dass zu Heimat mehr als ‘nur’ Menschen gehören – dass es überhaupt etwas wie Heimat gibt. Selbst mit dem Mann und guten Freunden zusammen würde ich wohl auf längere Sicht in z.B. in China oder Malaysia kein Gefühl von Heimat bekommen.

Eher vielleicht, so meine Erfahrung, ein Vermissen der selbigen. So mancher Auslandsaufenthalt erwies sich als den eigenen Horizont erweiterndes Erlebnis, machte mir in einigen Fällen jedoch auch bald klar, dass schon zu meinem Wohlbefinden auch andere Rahmenbedingungen gehören. Kultureller Kontext, Wertesystem – Stichworte, die mir in den Sinn kommen.

Partner und Freunde sowie kultureller Kontext, zwei mögliche Faktoren des Gefühls ‘Heimat’.
Kultureller Kontext, das ist letztlich assoziiert mit Raum, mit Region. Womit sich indirekt letztlich doch wieder die Frage des Ortes stellt. Vielleicht muss es nur nicht ein einziger Ort sein.

Berlin, Hamburg, Köln, mit allen drei Orten verbinde ich unterschiedlich heimatliche Gefühle.
Ich freue mich bei jeder Abwesenheit wieder sehr auf Berlin, auf die Stadt, darauf einige mir sehr wichtige Menschen im Alltag um mich haben zu können, gemeinsam essen oder in’s Kino zu gehen, spazieren, plaudern, sich spontan treffen und Zeit gemeinsam verbringen. Und doch – der Mann fehlt, denn der lebt in Köln.
So bleibt Berlin derzeit eine Art ‘Heimat ohne Mittelpunkt’. Köln, eine Stadt, zu der per se ich heimatliche Gefühle im Sinne eines Wohlfühlens in der Stadt so gar nicht habe, wohl aber: sie ist der Mittelpunkt der Welt, wenn er und ich dort zusammen sind.
Für diese ‘gespaltene Heimat’ sind in der Beziehung längst lebbare und pragmatische Wege gefunden. Als schwieriger erweist sich der Kontakt zu Freunden abseits von Berlin. Freundschaft will gepflegt, gelebt werden, erst recht wenn sie vielleicht gerade am Entstehen ist – nicht leicht über 300 oder 600 km Distanz. Ob Tobias oder Uwe, oft bleibt eine Sehnsucht, sich mit nicht-Berliner Freunden einfach, unkompliziert sehen zu können, dann wenn einem der Sinn danach ist, mit Zeit – nicht wann und wie es Kalender und Termine zulassen.
Berlin, Köln und Hamburg in einer Stadt – das wäre für mich nicht nur in dieser Hinsicht persönlich eine feine Lösung … und könnte vielleicht ‘Heimat’ sein.

Heimat – was ist das? In einigen Näherungen gehören sicher Mann und Freunde, kultureller Kontext und, ja, Orte dazu. Allerdings, Heimat ist für mich bisher nichts Statisches. Heimat ist für mich ein Gefühl, das sich noch immer in den vergangenen Jahren geändert, weiter entwickelt hat.

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Homosexualität ist eine Krankheit

‚Homosexualität ist eine Krankheit‘.

Keine Angst, ondamaris hat nicht die Seite gewechselt.

Homosexualität ist eine Krankheit - und die Erde ist eine Scheibe (c) Bündnis Freiheit für Vielfalt
Homosexualität ist eine Krankheit – und die Erde ist eine Scheibe (c) Bündnis Freiheit für Vielfalt

„Homosexualität ist eine Krankheit, und die Erde ist eine Scheibe“ – mit diesem plakativen Motto wendet sich das Bündnis rund um die Organisatoren „Freiheit für Vielfalt“ gegen das umstrittene ‚Christival‘, das heute in Bremen beginnt.

Die Augen dürfen nicht verschlossen werden, wenn u.a. homophobe und abtreibungsfeindliche sowie andere menschenrechtsfeindliche Ansichten öffentlich unter tausenden Jugendlichen verbreitet werden“, betonen die Organisatoren. “ Wir setzen uns dafür ein, dass Bremen weiterhin eine Stadt der Vielfalt sein kann, in der jede(r) das Recht darauf hat, seine/ ihre Freiheiten zu schützen und zu leben.

Das ‚Festival‘ war aufgrund inzwischen abgesagter Workshops u.a. zur ‚Heilung von Homosexualität‘ in die Kritik geraten.
Es findet nicht nur unter der Schirmherrschaft von Bundesfamilienministerin von der Leyen statt, ihr Ministerium hat das ‚Christival‘ auch großzügig finanziell gefördert.

In Bremen stößt das ‚Christival‘ inzwischen auf immer mehr Protest. Das Bündnis „Freiheit für Vielfalt“ umfasst inzwischen die folgenden Gruppen:
– Arbeitskreis Lesben- und Schwulenpolitik Bremen
– BEFAH (Bundesverband der Eltern, Freude und Angehörigen von Homosexuellen)
– BEFAH Elterngruppe Bremen im Rat & Tat Zentrum
– Belladonna Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum für Frauen e.V.
– Bündnis ’90/ Die Grünen Bremen
– Café Bi-It für bisexuelle Menschen und ihre FreundInnen
– Da capo al dente Schwul-lesbischer Chor
– Frauen in Schwarz Bremen
– Grüne Jugend Bremen
– HuK (Homosexuelle und Kirche) Bremen
– MeRSI (Menschenrechte und sexuelle Identität) Gruppe von amnesty international
– Mondaysisters offene Lesbengruppe
– Rat & Tat Zentrum für Schwule und Lesben e.V.
– Respekt SchwuLesBische Jugendgruppe
– Schwule Väter, Ehemänner und Freunde Gruppe
– Stand.Up
– Kultur- und Kommunikationsverein für Schwule und Lesben in Bremen e.V.

Zudem hat sich ‚antisexistischer Protest‘ auch in dem Bündnis „No Christival“ versammelt, das ebenfalls Aktionen plant

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Text 27. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Deutschland

Souvenirs aus Brandenburg

Brandenburg Souvenir : Vor der Motorradtour am gestrigen sonnigen Morgen stand das Basteln …

Der gutaussehende gelbe Engel hatte wohl doch recht – die Batterie war hinüber. Also morgens neuen Batterie eingebaut, und dann los in’s Grüne.

Beelitz Spargelfeld
Beelitz Spargelfeld

Vorbei an Spargelfeldern und durch’s schöne Beelitz.

Russenjäger
Russenjäger

Russenjäger
Russenjäger

Plötzlich glotzen mich unvermittelt in der Gegend rumstehende russische Kampfjets an (und nein, kein Museum weit und breit, keine Hinweisschilder) …

Schwedenfeuer
Schwedenfeuer

Rapsfeld

In der Landschaft herum stehender Schilder mit seltsamen Botschaften geben Rätsel auf …
(Schwedenfeuer sind auf besondere Weise geschnittene Baumstämme, die prima Fackeln abgeben) …

… der Raps ist noch nicht ganz in Blüte, lässt aber bereits Vorfreude auf baldige Fahrten durch gelbe Blüten- und Geruchsmeere ahnen …

Rast in Wittenberg
Rast in Wittenberg

Ausgiebigere Pause dann in der Lutherstadt Wittenberg

Banana Split in Wittenberg
Banana Split in Wittenberg

… wo sich drängende Fragen stellen …
… wie: warum heißt das ‘Banana Split’ so, obwohl es nicht aus Split kommt?
Und warum wird es so gerne serviert in Gefäßen, die penetrant nach billigem Souvenir aus Venedig aussehen?

Kloster Zinna
Kloster Zinna

Kloster Zinna - Pranger
Kloster Zinna – Pranger

Zurück quer durch Brandenburger Dörfer und Flecken, teils recht hübsch anzusehen, teils ‘blühende Landschaften’ trister Industriebrachen.

Kurze Pause am Kloster Zinna, an dem niemand am Pranger steht …

Zum Abschluss, zurück in Berlin, bekommt die Karre noch ne frische ASU und HU spendiert …

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Frankreich

Nizza April 2008

16.- 19.4. 2008 – Nizza

Ein tiefes Brummen weckt uns morgens, ein letztes Mal. Ein Flimmern durchzieht das Schiff, bald ein starkes Vibrieren – das vertraute Gefühl der Reaktionen des Schiffs, Resonanzspiel zwischen Kaimauer und Bugstrahl.

Anlegen in Nizza. Frühstück an Deck, mit Blick auf den Park ‘Colline du Chateau’.

Unsere Kreuzfahrt geht hier zuende.
Es wird wohl unsere letzte Fahrt mit der ‘Astoria‘ gewesen sein. Nicht etwa, weil Schiff oder Kreuzfahrt uns nicht gefallen hätten, ganz im Gegenteil. Aber Transocean lässt den Chartervertrag per April 2009 auslaufen. Wie zu hören ist, plant Phoenix das Schiff unter neuem Namen und nach Umbau in ein Wellness-Suiten-Schiff weiter zu betrieben, als Ersatz für die ‘Maxim Gorki‘, die dort außer Dienst gehen soll. Eine Nachfolgerin für die ‘Astoria‘ wird noch gesucht …

Nur kurze Zeit später, zu Fuß zum Hotel, die Koffer abgestellt, sitzen wir an der Promenade des Anglais unten auf dem Kiesstrand, ein erster Milchkaffee und Tee, Blick auf das unglaublich blaue, jedem Klischee gerecht werdende Meer. Zeitung lesen, Ruhe, Sonne. Elf Uhr, ums Kap herum wird die Astoria sichtbar, die in Leerfahrt pünktlich den Hafen von Nizza gen Bremerhaven verlässt.

MS-Astoria beim Auslaufen aus dem Hafen von Nizza am 16. April 2008
MS-Astoria beim Auslaufen aus dem Hafen von Nizza am 16. April 2008

Nizza. Schillernder Ort der französischen Mittelmeer-Küste, früher italienisch, erst seit 1860/61 zu Frankreich gehörend. Ausgerechnet Garibaldis Heimat mussten die Italiener abgeben als Preis dafür, dass Napoleon III. ihnen bei der Vertreibung der Österreicher aus Norditalien half. Schon damals war Nizza Ziel von Touristen, zuerst den Engländern, bald aber auch schon russischer Adel – dem heutzutage der russische Geldadel folgt.

Nizza – entspannen, drei Tage Ruhe, Nichtstun. Il dolce far niente. Keine Kirchen, keine Besichtigungen, keine Hochkultur. Eher Alltagskultur – Cafés, Joggen, Spazierengehen, Lesen, Sauna.

Meeresfrüchte in Nizza :-)
Meeresfrüchte in Nizza 🙂

Und Essen, gutes Essen. Eine Saunabekanntschaft empfiehlt uns – wir wollen dem Touristen-Trubel entfliehen – ein Restaurant, ‘typisch nicoiser Küche, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis’. Und tatsächlich, wir werden zunächst etwas kühl begrüßt, kommen da schon wieder Touristen?, dann hervorragend bewirtet und bedient. Ein außerordentlich leckere Menu, vollkommen befriedigt (ja ja, Sex des Alters 😉 ) gehen wir ins Hotel. Haben für den letzten Abend wieder hier reserviert – und für den zweiten Abend vom Patron einen Tipp für ein reines Meeresfrüchte-Restaurant erhalten, der sich ebenfalls als Volltreffer erweist.

Morgens joggen auf der (bis zu 10m breiten) Promenade des Anglais. Sonne, blaues Meer, Entspannung. Schade, der ‘Demi-Marathon de Nice’ findet am Sonntag statt, wir fliegen schon Samstag.

Es muss mit dem Blau zusammen hängen, überlegen wir, mit dem fast immer guten Wetter, dem Meer – oder womit sonst? Die Menschen sind in der überwiegenden Mehrzahl auffällig freundlich und zuvorkommend, ob in der Patisserie, im Zeitungsladen, mittags im Café um die Ecke oder abends im Restaurant. Eine Freundlichkeit, die umso mehr auffällt im Vergleich zur oft muffeligen Stimmung in heimatlichen Gefilden.

Und das Meer ist blau, so blau …

Nizza von oben 19.4.2008
Nizza von oben 19.4.2008

Stationen der Reise im Überblick

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Homosexualitäten Paris

Jean-Daniel Cadinot 10.2.1944 – 23.4.2008

Jean-Daniel Cadinot war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Produzenten schwuler Pornos. Er prägte einen eigenen Stil, den ‚french touch‘. Cadinot wurde am 10. Februar 1944 in Paris geboren und starb dort am 23. April 2008.

Er setzte schwule Träume in Szene, als Regisseur und Produzent: Jean-Daniel Cadinot (JDC) mit seinem Unternehmen ‚French Art‚.

Jean-Daniel Cadinot wurde am 10. Februar 1944 im Viertel Batignoles in Paris am Fuß des Montmartre geboren. Beide Eltern arbeiteten als Herrenschneider. Er nahm dies später gelegentlich zum Anlass zu frotzeln

Während meine Eltern Männer einkleideten, wurde ich dafür bekannt sie auszuziehen.

Jean-Daniel Cadinot studierte zunächst Anfang der 1960er Jahre an der Ecole des Arts et Métiers sowie der Ecole national de la Photographie. Seine Karriere als Photograph begann im Alter von 19 Jahren. Zunächst arbeitete er freiberuflich für das US-Magazin ‚After dark‘. Später war er auch für deutschsprachige Schwulenmagazine wie ‚Him‘ und ‚Du & Ich‘ sowie in Frankreich für den ‚Gai Pied‚ tätig.

Bald wurde er für seine Nackt-Portraits bekannt (u.a. des Autors Yves Navarre sowie der Sänger Patrick Juvet und Pascal Auriat). Photos von Cadinot wurden in der ersten Ausgabe des französischen Schwulenmagazins Gai Pied abgedruckt. Auch in vielen Homo-Magazinen in Deutschland finden sich in den 1970er Jahren seine Photos.

1978, nachdem er 17 Photo-Bände mit einer Gesamtauflage von über 170.000 Exemplaren veröfentlicht hatte, wechselte Jean-Daniel Cadinot vom Photographieren zum Film

„Das Foto erwies sich bald als zu begrenzt. Ich kam schnell an seine Grenzen, ich wollte Handlung und Bewegung. Ich wollte weiter gehen, wollte unsere Geschichten als schwule Männer erzählen. Video machte mir genau das möglich.“

Er begann mit der Realisierung von Filmen, mit dem 30minütigen 16mm-Film ‘tendres adolescents’ (1978). Zugleich betrieb er eines der ersten Pornofilm-Studios in Frankreich, das ebenfalls 1978 gegründete Studio ‘French Art’.

Möglich geworden war dieser Wechsel zum Pornofilm juristisch erst kurz zuvor. 1975 wurde unter Präsident Valéry Giscard d’Estaing der Pornofilm legalisiert und eine neue Kategorie X eingeführt.

Seine Filme waren bei vielen homosexuellen Konsumenten insbesondere auch deswegen beliebt: im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Filmen US-amerikanischer Produktion arbeiteten sie mit Phantasien und Vorstellungsvermögen und wiesen auch ein gewisses Maß an Dialogen auf. Er und seine Filme hatten den besonderen ‚french touch‘.

Der mit zahlreichen Preisen (u.a. 1989 GayVN Award) ausgezeichnete Cadinot legte Wert auf Inszenierungen, eine gewisse Handlung und Kostüme. Einige seiner Pornos wiesen komplette Handlungsstränge auf. Dabei versuchte er immer wieder, schwule Phantasien zu bedienen – Karneval in Venedig, Internatsaufenthalte oder Reisen ins Magreb waren einige seiner ‘Geschichten’. Sein 48. und letzter Film erscheint erst nach seinem Tod im Verlauf Jahres 2008 unter dem Titel ‘Subversion’.

Cadinnot realisierte unter dem Pseudonymen ‚ Tony Darcq ‚ und ‚ Tony Dark ‘ (Namen mal mit ein wenig Phantasie rückwärts lesen …) auch ‘härtere’ Filme.

Im Stillen engagierte er sich auch gelegentlich – so habe er, berichtet Jean le Bitoux, in den 1990ern den ‚Gay Pride de Paris‘ finanziell unterstützt.

Die französische Tageszeitung Liberation bezeichnete ihn 2005 als „un de nos plus grands cinéaste“ (‚einen unserer größten Filmschaffenden‘, Übers. UW)..

Jean-Daniel Cadinot wurde 64 Jahre alt. Er starb am 23. April 2008 in Salouël (Dep. Somme), nach Angaben seiner offiziellen Website an den Folgen eines Herzstillstands. Er ist auf dem Cimetière de Montmartre beigesetzt (Grabstelle in der offiziellen Friedhofs-Broschüre nicht erwähnt).

Nach Cadinots Tod wurde sein Unternehmen French Art fortgeführt von François Orenn. Orenn hatte bereits Filmmusik für ihn geschrieben, und seit 2002 bereits das Unternehmen geleitet. 2013 wurden die Marke Cadinot sowie die exklusiven Vertriebsrechte an allen Filmen gemeinsam erworben von StudioPresse und PinkTv. Die Website cadinot.fr wird seitdem von StudioPress (u.a. auch Citebeur)  betrieben.

Ein filmisches Denkmal gesetzt bekam er 2005 mit dem  Dokumentarfilm „Le Mystère Cadinot“ von Olivier Ciappa.

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Jean-Daniel Cadinot verabschiedete sich selbst in seinem Blog mit den Worten

“wenn ihr dies lest, habe ich die Kamera aus den Händen gelegt, die Lichter gelöscht, die Vorhänge herunter gezogen …”

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Jean-Daniel Cadinot Grab

Grab von Jean Daniel Cadinot auf dem Cimetière de Montmartre in Paris (Foto: Janericloebe)
Grab von Jean-Daniel Cadinot auf dem Cimetière de Montmartre in Paris (Foto: Janericloebe, publicdomain)

Grabsteinrückseite von Jean Daniel Cadinot auf dem Friedhof Cimetière de Montmartre in Paris – JanericloebePublic Domain

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Italien

Florenz

15.4.2008 – Florenz

Es war gutes Wetter, als wir morgens an Deck frühstückten. Livorno. Sonne, leichter Wind, ein wenig kühl. Aber es war ja noch Morgen. Auf in den Bus gen Florenz …
Schon nach wenigen Kilometern, Pisa im Blick, zeigen sich dicke Wolken in den Bergen.

Nach knapp eineinhalb Stunden kommen wir in Florenz an, eine freundliche alte Dame begrüßt uns, die Stadtführerin. Führt uns zunächst Richtung Palazzo Medici-Riccardi. Den wir auch noch trocken zu sehen bekommen. Allerdings, der Himmel verdüstert sich. Und nur kurze Zeit später schüttet es in Strömen. Sturzbäche ergießen sich auf die Massen von Touristen, die sich plötzlich alle ratlos vor der Kathedrale tummeln, alle irritiert Unterschlupf suchend.

Genervte Touristen geraten sich untereinander und mit der Touri-Führerin in die Haare, erste “wir wollen wieder zum Bus”-Rufe werden laut. Der Regen wird nicht besser, eher heftiger. Der Himmel immer dunkler, ein einziger grauer Brei, keine Besserung in Sicht. Auch nicht bei der Stimmung der werten Mitreisenden – irgendwann setzen wir uns ab, bevor der Nerv auf uns übergreift. Schauen uns, ausgestattet mit schnell gekauftem Schirm und Regenjacke, die Stadt auf eigen Faust an – wie gut, dass der Mann Florenz kennt.

Sind später wieder am vereinbarten Treffpunkt, genervte Mitreisende schauen uns entgeistert an, ja, wir haben uns tatsächlich die Stadt angeschaut, das kann man auch im Regen.

Im Bus allerdings müssen wir uns erstmal trockene Sweatshirts anziehen, die wir vorsichtshalber im Rucksack hatten …