„Reich & schön vs. Arm, aber sexy“, unter diesem Titel macht die Februar-Ausgabe des Hamburger Szene-Magazins „hinnerk“ groß auf.
Mit dem Ausbau der ICE-Strecke sind Hamburg und Berlin nur noch 90 Minuten voneinander entfernt. Diese neue Nachbarschaft scheinen immer mehr Schwule (von Lesben spricht der Artikel erstaunlicherweise nicht) zu nutzen, um anregende Wochenenden in Berlin zu verbringen.
Berlin gegen Hamburg, Hamburg gegen Berlin – ‘hinnerk’ malt munter ein ‘Berliner Schreckgespenst’ an die Wand, stilisiert Berlin zum ‘schwulen Verführer per se’.
Als Beispiel herhalten muss u.a. das Hamburger Ledertreffen, dem (wegen Besitzerwechsels) die Haupt-Attraktion namens Cap San Diego abhanden gekommen ist. Berlin profitiere, mit dem Folsom, das ja nur vier Wochen später stattgefunden habe.
Noch schlimmer, ‘hinnerk’ malt als ‘schlimmstes Szenario’ an die Wand „Hamburg geht zwischen den beiden Fetischtreffen (Ostern und September) unter“. Hamburg geht unter, Berlin als Sturmflut für die wackere Hansestadt. Und dann gleich ganz Hamburg, nicht etwa ‘nur’ die Hamburger Fetisch-Szene, so als sei die geballte Attraktivität von Ostertreffen und Folsom der Ruin für eine gesamten Großstadt.
Natürlich fragt der Artikel auch nach dem ‘warum’ der Hamburger Berlin-Flucht. „Hamburg kennt keine Ekstase“ wird als Begründung (wohl nicht ganz zu Unrecht) spekuliert. Der Hamburger Reichtum und seine ungerechte Verteilung kurz angerissen. Allein, wie es um die Hamburger Schwulen-Szene(n) aussieht, wird kaum hinterfragt. Hamburger Gastronomen, so der Artikel banal, gäben den blauen Seiten sowie Berlin die Schuld an der Gästeflaute am Wochenende. Statt einmal danach zu fragen, was sie (und für welches Geld) welchen Gästen an Angeboten machen.
Dabei sei Berlin doch eigentlich gar nicht so toll, wird klischeehaft Hamburger Kühle mit Berliner Pampigkeit aufgerechnet. Mitregiert von „Pleite“ und „SED-Nachfolgern“. Aber Berlin habe noch mehr zu bieten, „überzogenen Icke-Wahn“, „Ignoranz gegenüber dem Rest der Republik“ und „Selbstbezogenheit“. Berlin als „Koloss“, der „hartnäckig am Glauben an die seelige Insellage fest“ hält, diese Stadt die gewohnt sei an „reichlich Subventionen“ und „ungeahnte soziale Biotope“ züchte. Eben eine Stadt, die „keine Visionen für die Zukunft“ habe.
Ob man bzw. die Hamburger Szene(n) mit solch klischeehaften Plattitüden dem Phänomen der Attraktivität der Berliner Szenen(n) beikommen werden? Ein Teil der Analyse (‘Berlin als Homo-Metropole, von der schon lange keine Impulse mehr ausgehen’) mag nicht gerade unzutreffend sein, allein, reicht das, erklärt das alles?
Und – wie steht es mit Impulsen aus Hamburg? Auch deren Zeit scheint doch schon sehr lange vorbei zu sein. Der Autor meint, Hamburg könne sich stolz „schwulengeschichtlich … als Vorreiter der späteren ‘Homo-Ehe’ sehen“ – na klasse … Hier kommt wohl eher die Hamburger Bürgerlichkeit auch der Schwulenszene(n) treffend zum Ausdruck.
Da kann man anscheinend als Autor die Leistungsschau nur damit resümieren, Berlin sei ja auch „Hauptstadt der Spatzen“…
Einzig einmal kommt der Artikel zum Kern des Problems, wenn er Wowereits Sympathien (mit geschmacklosen Anspielungen zwischen Champagner und Natursekt) kommentiert mit „dergleichen übersteigt die hanseatische Vorstellungskraft natürlich bei weitem“. Genau.
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