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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Aidshilfe und Selbsthilfe – Guck mal wer da spricht ?

„Nicht über uns reden, sondern mit uns“ forderte ACT UP Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre, ging mit Aktionen und Inhalten in die Aids-Kongresse, zwang Mediziner Forscher und Pharmaindustrie zum Dialog, zum Streitgespräch mit ‚Betroffenen‘.

Und heute?

Manchmal scheint mir, die gleichen ACT UP – Aktionen müssten heute in so einigen Aidshilfen stattfinden. Damit Positive endlich (wieder) nicht nur als Klienten, als zu bespaßende und beratende Kundschaft (und, nebenbei, als Existenzgrundlage der Jobs vieler Mitarbeiter) betrachtet werden, sondern als Partner mit denen zusammen Aidshilfen handeln, und die selbstverständlich aktiv mit einbezogen werden.

Viele Aidshilfen haben sich inzwischen zu Organisationen entwickelt, in denen Selbsthilfe, aktives Einbeziehen von Positiven (auch in Entscheidungen) oder Fördern von positivem Selbst-Engagement Fremdworte zu sein scheinen, die höchstens noch zu dunklen Schatten einer fernen Vergangenheit gehören.

Dazu ist es nicht ohne Grund gekommen – welche/r Positive will sich denn heute noch einmischen, sich auch nur Gedanken machen? Ich fürchte, ihre Zahl ist gering, ihr Alter eher hoch.

Und dennoch – brauchen wir nicht neben aller Bespaßung Betreuung Befütterung -auch- wieder eine Kultur, in der die, die es angeht, selbstverständlich aktiv mit eingebunden werden? In der Positive ermuntert, aktiv unterstützt werden sich zu beteiligen? In der Selbsthilfe und positives Engagement wieder selbstverständlich und erwünscht sind? In der Kritik geschätzt, Diskussionen und Debatten gewürdigt (und nicht als unerwünschtes Einmischen abgekanzelt) werden?

Oder müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass Aids-Hilfe noch etwas mit Selbsthilfe, mit aus eigener Betroffenheit engagierter Interessenvertretung zu tun hat?

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Text 22. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Persönliches

Zwischen den Jahren

Die Zeit nach Weihnachten und vor dem Jahreswechsel ist ja immer eine etwas seltsame Zeit – bei uns heißt sie „zwischen den Jahren“.

Der Stress der Weihnachtsvorbereitung ist vorbei, die Weihnachtstage selbst waren (hoffentlich) ruhig und angenehm, vielleicht nur etwas viel gegessen, wieder einmal. Arbeiten muss man, wenn man/frau glücklich ist, vielleicht auch nicht. Kein Alltagstrott, keine Geschäftigkeit. Es ist ein wenig, alss ei die Welt stehen geblieben, ein klein wenig zumindest. Eine Zwischen-Zeit …

Da kann man sich ja die ruhige Stimmung der Weihnachtstage noch ein wenig verlängern, sozusagen aufheben bis ja eh schon wieder bald Silvester und Neujahr sind, danach dann der neue alte Trott des Alltags droht. Jetzt aber könnt’ man sich ja mal Zeit für längst Liegengebliebenes nehmen, in dieser Zeit so irgendwo dazwischen.

„ Zwischen den Jahren “ hieß diese Zeit bei uns zuhause früher immer.
Vollkommen blöder Begriff, oder? Da ist doch nichts ‘dazwischen’. Selbst wenn ich auf die Millisekunde runterschaue. Entweder ist noch das ‘alte’ Jahr, oder schon das ‘neue’. Nur nie irgendwas ‘dazwischen’, zumindest nicht zwischen zwei Jahren. Nichtmal mit Hilfe von Elementarteilchen oder irgendwelchen Quanten. Hü oder Hott, Fisch oder Fleisch. Entweder oder.

Aber andererseits, diese Tage sind ja auch nie „nur“ banaler Alltag, für mich jedenfalls nicht. Ich versuche, mir den normalen Alltag dann vom Hals zu halten. Ruhe nutzen, für Schönes, für Zweisamkeit, Entspannung, einen kleinen privaten Kurzurlaub zuhause. Das alte Jahr irgendwie doch schon ‘abgehakt’, und das neue, ja das kann auch ruhig noch ein paar Tage warten.

Für viele ist „zwischen den Jahren“ die Zeit der Ruhe, der Rückbesinnung, zur Besinnung kommen, Stille statt Stress und Hektik. Stille zunächst um ‚runterzukommen‘, aber letztlich auch um Freiraum für Neues zu schaffen.

Dennoch, vollkommen blöder Begriff, ‘ zwischen den Jahren ’. Und doch irgendwie nicht so ganz verkehrt…

Übrigens, der Begriff ‘ zwischen den Jahren ’ ist religiösen Ursprungs und sowohl im Christentum als auch im Judentum bekannt. Erst im 17. Jahrhundert wurde zunehmend einheitlich der 1. Januar als Tag des Jahreswechsels begangen. Zuvor wurde Jahresbeginn oft am 25. Dezember, am 1. Januar oder am 6. Januar gefeiert, aber auch der 1. und der 25. März wurden einst als Jahresanfang betrachtet.

‚ Zwischen den Jahren ’ hat sich als Bezeichnung für den Zeitraum ‘dazwischen’, zwischen diesen früher unterschiedlich gefeierten Jahresanfängen eingebürgert und bis heute erhalten.

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Berlin

Immer noch Weihnachtspause

Weihnacht 2006, Berlin Unter den linden
Weihnacht 2006, Berlin Unter den linden

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Frankreich

Gruselwetter-Träumereien

Bei dem Grusel-Wetter hier träum’ ich lieber von schöneren Aussichten …

Le Porge 2006
Le Porge 2006

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Berlin

Ein normaler Abend am Rand der Homo-Autobahn

Die ganze Community is doch eh scheiße“, sagt der klonig-strunzige Mit-Dreißiger am Nachbartisch. Klagt in drei Sätzen schnell über ‘Kommerz-Kacke’, ‘nur rumf*cken sonst nix’ und ‘sind doch alles nur Ego-Shooter hier’. Dass er selbst Teil dieser Szene(n!) ist, auch dazu beitragen könnte dass schwules Leben anders, vielfältiger aussieht, scheint ihm entgangen zu sein. Vielleicht liegt’s am leckeren polnischen Bier.

Der recht korpulente junge Mann hingegen, der mir auf dem Klo begegnet, scheint sehr zufrieden. Schwarzes T-Shirt, kurze Haare mit angedeutetem Iro, Lederhose. Seine Begleiter im gleichen Look, etwas sm-iger gekleidet. Da wo er herkomme könne er nicht so rumlaufen, sich öffentlich so frei geben. Berlin sei schon eine tolle Stadt.

Am Tisch rechts unterhalten sich, sichtlich gelockert nach einigen Bierchen, drei Männer und eine Frau, alle Ende 30 Anfang 40. Juxen rum, lachen laut, nehmen sich in den Arm. Schwul? Lesbisch? Hetero? Nicht ersichtlich. Nicht wichtig.

Etwas zu schnelle Musik. Etwas zu laute Gäste. Insgesamt nette Stimmung dennoch. Benze rasen bei dunkelrot über die Kreuzung. Vorgezogene Kreuzungsknaller.

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Berlin Kulturelles

Ich schlafe aber mein Herz wacht

Freitag Abend war ich für zweieinhalb Stunden nicht auf diesem Planeten. Sondern im Imperium Messiaen-Symeonidis.

Mit Nick abends ins Eisler, zum Klavierabend. Angekündigt ist Messiaen, von dem ich bisher zwei Stücke im Eisler hörte, mochte.

Wellenflug
Wellenflug

Nur wenige Gäste, obwohl wir (erst mussten wir noch in den Wellenflug auf dem Weihnachtsmarkt) reichlich spät ankommen. Gut dreißig Zuhörer, von denen einige in der Pause gehen.

Ein Komponist, ein Werk. Prodromos Symeonidis spielt auf dem Klavier Olivier Messiaens ‘Vingt regards sur l’Enfant Jesus ‘ (zwanzig Betrachtungen über das Jesus-Kind).

Zunächst bemerke ich bei Nick einige Irritationen, er hatte vermutlich ‘klassischere’ Klaviermusik erwartet. Dann scheint es auch bei ihm zu klicken.
Sitzen nebeneinander.
Augen geschlossen.
Irgendwann ist Pause, gottseidank nur kurz. Weiter.
Mir ist bald, als spiele Symeonidis in meinem Kopf, überall in meinem Kopf. Nein, wenn ich genauer beobachte, da gibt es keinen Kopf, keinen trennenden Schädel drum herum mehr. Meine Wahrnehmung ist überall im Raum, Wahrnehmung und Musik füllen alles aus.
Wie aus einem anderen Universum kehre ich langsam zurück, irgendwann abends kurz vor halb zehn, als der Beifall beginnt.

Prodromos Symeonidis
Prodromos Symeonidis

Manchmal ist Bescherung schon vor dem 24.12. – früher, und völlig unverhofft …

Weitere Informationen über Olivier Messiaen auch auf http://www.oliviermessiaen.org
Informationen zu Prodromos Symeonidis auf http://symeonidis.de/ , u.a. mit MP3-Hörproben, auch von einer Messiaen-Aufnahme.

Nachtrag 17.12. mittags angesichts der Frage eines Lesers, was denn nun der Titel bedeuten solle:
“Je dors, mais mon coeur veille” (Ich schlafe, aber mein Herz wacht) ist für mich die schönste, poetischste der zwanzig Betrachtungen.

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Färöer Homosexualität – ein Schritt in die richtige Richtung

Es gibt erfreuliches über die Färöer zu berichten …

Ende Oktober schrieb ich über Homophobie auf den Färöer. Nach einer Häufung von Übergriffen gegen Schwule hatte die Gruppe Act against Homophobia eine Unterschriften-Kampagne gegen Homophobie auf den Färöer gestartet. Die gesammelten Unterschriften sollten der Regierung übergeben werden.

Die Aktion scheint von einem Erfolg gekrönt: Gestern Abend meldete Sabine in ihrem Blog: das Parlament der Färöer in Tórshavn hat ein Gesetz verabschiedet, das zukünftig die Diskriminierung von Schwulen und Lesben untersagt. 17 Abgeordnete stimmten für das neue Gesetz, 15 dagegen.

Mehr Infos auch auf gayweb.
Und – danke an Sabine für die Nachricht 🙂

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Nachdenkliches

Von Engeln und Raben

Gibt es einen Sinn?
Gestern Abend zeigte Arte die Verfilmung „Die Entdeckung des Himmels“ des gleichnamigen Romans von Harry Mulisch, einem meiner derzeitigen Lieblings-Autoren.

Harry Mulisch – seine Romane mag ich (soweit ich sie gelesen habe) alle, einzig zu einigen seiner eher essayistischen Texte finde ich kaum Zugang.
An seinen Romanen bewundere ich die großen Imaginationskraft seiner Sprache, die selbst absurdeste Einfälle wie ein bisher unbekanntes Kind Hitlers ganz ‘normal’ vorstellbar erscheinen lässt. Und vor allem, mit welcher Kontinuität er immer wieder, aus den verschiedensten Facetten und Blickwinkeln, die Zeit der NS-Besetzung der Niederlande und den Holocaust thematisiert.

Gestern Abend also auf Arte die niederländische Verfilmung des wohl bekanntesten Romans von Mulisch, „Die Entdeckung des Himmels“.

Schon bald stellt sich ein seltsames, schönes Gefühl ein: dieses Gefühl in einen Film einzutauchen, weil einem alles so vertraut vorkommt. Weil vieles so zu sein scheint, wie man es beim Lesen imaginiert hat. Ständige vermeintliche Déja-Vus mit der eigenen Phantasie.
Vollkommen abschalten, Hektik Gedanken Probleme Wirrungen der vergangenen Tage für gut 2 Stunden hinter mir lassen.

Gut, es gibt einiges, das anders war in „meinem“ Himmel.
Onno ist in meiner Phantasie jungenhafter gewesen, weniger der reife etwas hausbackene Mann der er im Film ist.
Vor allem aber fällt mir das Tempo auf. Zu dicht, zu schnell erzählt scheint mir der Film in weiten Passagen. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte eine „Film-Bremse“ ziehen, das Erzähltempo des Films verlangsamen. Die ruhige, dem Inhalt angemessene Erzählweise geht verloren zugunsten einer stärkeren Verdichtung. Eine Geschwindigkeit, Dichte, die viele liebgewordene Details (wie die Beschreibungen des Hauses, in dem Quinten aufwächst) verloren gehen lässt.
Manchmal scheint mir zudem, ich habe (beim Lesen) die Mulisch’sche Roman-Realität in schwarz-grau-weiß gesehen. Wundere mich nun über die überraschende (der Zeit der Handlung geschuldete) Farbigkeit der Bilder.

Und doch, insgesamt, das zentrale Gefühl bleibt, wie im Buch. Rätselhaftigkeit die Sinn macht. Puzzlestücke die sich nur zögernd, langsam zu Zusammenhängen fügen mögen. Brüche Verwerfungen Rätselhaftigkeiten, die verstören, nur langsam in einen sinnhaften Zusammenhang treten.

Dieser Traum, diese Sehnsucht, dass endlich alles einen Sinn macht. Gibt es einen Sinn? Gibt jemand Sinn? Ist Sinn in mir? Ist dieser Sinn sinn-voll? Das Wissen, die unbegründete Zuversicht, dass da ein Sinn ist. Die Zuversicht, das das Richtige geschehen, ‘es’ sich fügen wird. Zielstrebigkeit, ohne dass einem die Richtung bewusst ist. Verstehen.
Und Gedanken die (scheinbar ganz nebenbei) die Frage streifen, was ist eigentlich die Grundlage unserer Zivilisation?

Ist das alles das Ende vom Anfang? – Möchte jemand ein Ingwerplätzchen? – Es ist ein Junge!

„Die Entdeckung des Himmels“ wird wiederholt auf Arte am 20. Dezember 2006

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Hilfe für die Selbsthilfe ?

Ist Selbsthilfe, aktives Engagement und Interessen- Vertretung von Positiven noch erwünscht? Warum scheint sie immer schwieriger, sowohl in der Arbeit vor Ort als auch der politischen Interessenvertretung auf Bundesebene? Eine der Frage wurde am Samstag ausgiebig diskutiert, die andere blieb offen im Raum stehen.

Bereits seit einiger Zeit tobt unter einigen Positiven, in Netzwerken, Selbst- und Aids-Hilfen eine Diskussion über ‚Aids-Hilfe und Selbsthilfe‘. Fragen, die dabei diskutiert werden sind z.B.: wie weit ist Aids-Hilfe noch Selbst-Hilfe? Wie weit ’nur noch‘ Service-Einrichtung? Welche Rolle spielen Sekundär- und Primär-Prävention? Welche Rolle haben Positive überhaupt noch in Aids-Hilfen?

Hintergrund dieser Fragen ist u.a., dass so manche Aids-Hilfe nicht gerade ein Hort positiver Selbsthilfe zu sein scheint. Dass es Aids-Hilfen gibt, in denen es beim Thema Selbsthilfe mehr auf Schein als auf Sein, mehr auf den (billigen) Effekt als auf die (langfristige) Wirkung ankommt, auch das wird des öfteren als Befürchtung geäußert.

In diesem Spannungsfeld möglicher Fragen und Herausforderungen an und durch Selbsthilfe veranstaltete das Netzwerk plus am 9.12.2006 in Berlin eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Mehr Schein als Sein? – Beteiligungsmöglichkeiten von HIV-Positiven in Selbsthilfestrukturen“.

Netzwerk plus - Diskussion Selbsthilfe Dezember 2006
Netzwerk plus – Diskussion Selbsthilfe Dezember 2006

Deutlich wird schon zu Beginn der Veranstaltung, mit welcher Bescheidenheit Selbsthilfe zurecht zu kommen, manchmal zu kämpfen hat. Da werden z.B. Selbstverständlichkeiten (wie die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen) als großzügiges Entgegenkommen verkauft. Wenn Verantwortliche sich tatsächlich Fragen stellen, auch kritischen Fragen, ist man/frau schon vorab dankbar allein für die Bereitschaft – und sieht sich, je kritischer die Fragen werden, doch mit dem Vorwurf konfrontiert, man sei doch nicht ‚Rechenschaft schuldig‘. Oder da da wird die Entsendung von Selbsthilfe-Vertretern in Entscheidungsgremien von der Zustimmung von Vorständen abhängig gemacht.

Viel Enttäuschung, viel an Zugangshemmnissen ist zu erahnen, wenn des öfteren unterschwellig der verzweifelte Ruf herauszuhören ist ‚wir machen hier nun so mühevoll Selbsthilfe – warum kommt denn kaum jemand?‘.

Etwas anders die Beteiligung von PatientInnen- Vertretern auf Bundesebene, die als Ergebnis der letzten Gesundheitsreform inzwischen ihre Anfänge nimmt (insbesondere, wenn auch noch ohne Stimmrecht, im ‚Gemeinsamen Bundesausschuß‘ G-BA). Hier ist ganz klar – die Hürden sind hoch, haben Namen wie ‚Vertretung politischer Gruppeninteressen, nicht von Einzelschicksalen‘ oder ‚viel Gremien-Arbeit, viel Frustrationstoleranz sind gefragt‘.

Diese beiden Ebenen in der Diskussion um Selbsthilfe zu unterscheiden – ‚wie kann ich mich in der Selbsthilfe engagieren‘, und die Frage, ‚wie kann Selbsthilfe sich an (politischen) Prozessen beteiligen‘ (also der Innen- und der Aussenwirkung) – bleibt im Verlauf der Diskussion immer wieder Herausforderung.

Einigkeit besteht hingegen bald, dass auf beiden Feldern eine wesentliche Herausforderung die Vermittlung von Kompetenzen ist. Kompetenzen, die in der praktischen Selbsthilfe vor Ort ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, die aber auch für die Gremienarbeit auf Bundesebene erforderlich sind. Die Patientenbeauftragte für Berlin sowie anwesende Aids-Hilfe-Vertreter sehen hier Möglichkeiten konkreter Unterstützung, die sie bieten könnten – eine baldige Umsetzung wäre im Sinne effektiver Selbsthilfe-Arbeit wünschenswert.

Und es wird im Verlauf der Diskussion deutlich, wie wichtig es -gerade für die politische Interessenvertretung auf Bundesebene- ist, eine breite Basis aufzubauen. Eine Basis, die die vorhandenen Strukturen (insbes. von Netzwerken und Aids-Hilfen) nutzt, die auf Probleme aufmerksam macht. Eine Struktur, die einerseits eine Bündelung von Themen, Interessen und anstehenden Fragen ermöglicht und eine Kondensierung für die bundespolitische Arbeit bietet, diese andererseits auch ‚erdet‘ und am ‚Abheben‘ hindert.

Die letztlich entscheidende, das Spannungsfeld (s.o.) treffend auf den Punkt bringende Frage wird erst ganz gegen Schluss gestellt: welches Interesse haben Aids-Hilfen überhaupt noch, dass Positive sich befähigen, sich engagieren, aktiv einbringen und beteiligen?

Diese Frage bleibt gen Ende der Veranstaltung im Raum stehen – verbunden mit dem Hinweis, die Leitbild-Diskussion der DAH beschäftige sich ja genau damit.

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Text 21. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Polizei MySpace?

MySpace plant, eine private Polizei gegen Sexualstraftäter einzuführen. Mit eigenen Datenbanken, ‚automatischer Pädophilenerkennung‘ und vorbeugender Fahndung.

Erst vor Kurzem habe ich ja geschrieben, warum ich plane mein MySpace-Profil wieder abzuschalten. Heute hat MySpace (via SpON) noch einen Grund nachgeliefert: MySpace hat sehr kurzfristig vor, Rasterfahndung in privater Hand aufzubauen.

MySpace hat Angst um seinen Ruf. In der US-Presse war es anscheinend zu mehreren Berichten gekommen, dass Pädophile versucht haben, MySpace als Forum für Kontaktanbahnungen zu benutzen.

Nichts fürchtet ein Forum wie MySpace, das gerade erst für viele Hunderte Millionen Dollar an Herrn Murdoch verkauft wurde, mehr als schlechten Ruf. Das schadet dem Image, und erst recht dem Börsenkurs (der Mutter Murdoch namens NewsCorp). Zudem lässt es die Nutzerzahlen erodieren, was wiederum weiterer Schaden ist.

Als Reaktion darauf hat MySpace nun vor, einen Site-interne Polizei einzurichten.
Die soll innerhalb von 30 Tagen eine Datenbank aller 550.000 wegen Sexualstraftaten verurteilten US-Amerikaner aufbauen. Für diese hauseigene Datenbank will MySpace erstmalig die (bisher getrennten) Daten aller Bundesstaaten zu einer integrierten Sexualstraftäter-Datenbank zusammenführen.
Alle Einträge in dieser neuen Datenbank sollen dann regelmäßig mit den MySpace-Profilen abglichen werden. Zudem soll die Datenbank als ‚vorbeugende‘ Identifizierungshilfe dienen.

Früher (zu Herolds Zeiten) nannte man das Rasterfahndung. Das war damals schon ziemlich eklig und vor allem umstritten, aber immerhin noch in staatlicher Hand, (vermeintlich) staatlich legitimiert und einer gewissen Kontrollmöglichkeit unterworfen.

Nun aber – Rasterfahndung elektronisch, und das ganze in privater Hand?
Erstmalig werden alle Daten in einer Datenbank zusammengeführt – und dann privat?
Irgendwelche MySpace-Mitarbeiter dürfen sich anmaßen Schnüffel-Privatstaat zu spielen?
Und das auch noch ‚vorbeugend‘, ohne konkreten ‚Tatverdacht‘? Wo bleibt die Unschuldsvermutung?
MySpace als privaten Schnüffel-Polizei?

Aber MySpace (bzw. wohl der ehrenwerte Herr Murdoch) treibt’s noch weiter.
Da könnten die Sexualstraftäter ja auf die Idee kommen, sich mit falschen Angaben anzumelden (oh, das werden wohl nicht nur die machen, wenn ich da an Gayromeo denke …). Also macht er in Washington Lobbyarbeit für ein Gesetz, das Sexualstraftäter zwingen soll, ihre Emailadresse zentral registrieren zu lassen und keine anonymen Emailadressen zu benutzen.
MySpace wird nebenbei (auch) zu einem Werkzeug Murdoch’scher konservativer Politik.

Es geht hier nicht darum, Sexualstraftaten zu verharmlosen. Aber es geht darum, wer macht Ermittlungen, Strafverfolgung (der Staat oder Private?). Es geht um Freiheitsrechte. Und um Polizei-Instrumente in privater Hand.

Jetzt noch mehr: MySpace ist nicht mehr my space …

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Text 26. Januar 2017 von ondamaris auf 2mecs