Freitag Abend war ich für zweieinhalb Stunden nicht auf diesem Planeten. Sondern im Imperium Messiaen-Symeonidis.
Mit Nick abends ins Eisler, zum Klavierabend. Angekündigt ist Messiaen, von dem ich bisher zwei Stücke im Eisler hörte, mochte.
Nur wenige Gäste, obwohl wir (erst mussten wir noch in den Wellenflug auf dem Weihnachtsmarkt) reichlich spät ankommen. Gut dreißig Zuhörer, von denen einige in der Pause gehen.
Ein Komponist, ein Werk. Prodromos Symeonidis spielt auf dem Klavier Olivier Messiaens ‘Vingt regards sur l’Enfant Jesus ‘ (zwanzig Betrachtungen über das Jesus-Kind).
Zunächst bemerke ich bei Nick einige Irritationen, er hatte vermutlich ‘klassischere’ Klaviermusik erwartet. Dann scheint es auch bei ihm zu klicken. Sitzen nebeneinander. Augen geschlossen. Irgendwann ist Pause, gottseidank nur kurz. Weiter. Mir ist bald, als spiele Symeonidis in meinem Kopf, überall in meinem Kopf. Nein, wenn ich genauer beobachte, da gibt es keinen Kopf, keinen trennenden Schädel drum herum mehr. Meine Wahrnehmung ist überall im Raum, Wahrnehmung und Musik füllen alles aus. Wie aus einem anderen Universum kehre ich langsam zurück, irgendwann abends kurz vor halb zehn, als der Beifall beginnt.
Manchmal ist Bescherung schon vor dem 24.12. – früher, und völlig unverhofft …
Weitere Informationen über Olivier Messiaen auch auf http://www.oliviermessiaen.org Informationen zu Prodromos Symeonidis auf http://symeonidis.de/ , u.a. mit MP3-Hörproben, auch von einer Messiaen-Aufnahme.
Nachtrag 17.12. mittags angesichts der Frage eines Lesers, was denn nun der Titel bedeuten solle: “Je dors, mais mon coeur veille” (Ich schlafe, aber mein Herz wacht) ist für mich die schönste, poetischste der zwanzig Betrachtungen.
Es gibt erfreuliches über die Färöer zu berichten …
Ende Oktober schrieb ich über Homophobie auf den Färöer. Nach einer Häufung von Übergriffen gegen Schwule hatte die Gruppe Act against Homophobia eine Unterschriften-Kampagne gegen Homophobie auf den Färöer gestartet. Die gesammelten Unterschriften sollten der Regierung übergeben werden.
Die Aktion scheint von einem Erfolg gekrönt: Gestern Abend meldete Sabine in ihrem Blog: das Parlament der Färöer in Tórshavn hat ein Gesetz verabschiedet, das zukünftig die Diskriminierung von Schwulen und Lesben untersagt. 17 Abgeordnete stimmten für das neue Gesetz, 15 dagegen.
Mehr Infos auch auf gayweb.
Und – danke an Sabine für die Nachricht 🙂
Gibt es einen Sinn?
Gestern Abend zeigte Arte die Verfilmung „Die Entdeckung des Himmels“ des gleichnamigen Romans von Harry Mulisch, einem meiner derzeitigen Lieblings-Autoren.
Harry Mulisch – seine Romane mag ich (soweit ich sie gelesen habe) alle, einzig zu einigen seiner eher essayistischen Texte finde ich kaum Zugang.
An seinen Romanen bewundere ich die großen Imaginationskraft seiner Sprache, die selbst absurdeste Einfälle wie ein bisher unbekanntes Kind Hitlers ganz ‘normal’ vorstellbar erscheinen lässt. Und vor allem, mit welcher Kontinuität er immer wieder, aus den verschiedensten Facetten und Blickwinkeln, die Zeit der NS-Besetzung der Niederlande und den Holocaust thematisiert.
Gestern Abend also auf Arte die niederländische Verfilmung des wohl bekanntesten Romans von Mulisch, „Die Entdeckung des Himmels“.
Schon bald stellt sich ein seltsames, schönes Gefühl ein: dieses Gefühl in einen Film einzutauchen, weil einem alles so vertraut vorkommt. Weil vieles so zu sein scheint, wie man es beim Lesen imaginiert hat. Ständige vermeintliche Déja-Vus mit der eigenen Phantasie.
Vollkommen abschalten, Hektik Gedanken Probleme Wirrungen der vergangenen Tage für gut 2 Stunden hinter mir lassen.
Gut, es gibt einiges, das anders war in „meinem“ Himmel.
Onno ist in meiner Phantasie jungenhafter gewesen, weniger der reife etwas hausbackene Mann der er im Film ist.
Vor allem aber fällt mir das Tempo auf. Zu dicht, zu schnell erzählt scheint mir der Film in weiten Passagen. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte eine „Film-Bremse“ ziehen, das Erzähltempo des Films verlangsamen. Die ruhige, dem Inhalt angemessene Erzählweise geht verloren zugunsten einer stärkeren Verdichtung. Eine Geschwindigkeit, Dichte, die viele liebgewordene Details (wie die Beschreibungen des Hauses, in dem Quinten aufwächst) verloren gehen lässt.
Manchmal scheint mir zudem, ich habe (beim Lesen) die Mulisch’sche Roman-Realität in schwarz-grau-weiß gesehen. Wundere mich nun über die überraschende (der Zeit der Handlung geschuldete) Farbigkeit der Bilder.
Und doch, insgesamt, das zentrale Gefühl bleibt, wie im Buch. Rätselhaftigkeit die Sinn macht. Puzzlestücke die sich nur zögernd, langsam zu Zusammenhängen fügen mögen. Brüche Verwerfungen Rätselhaftigkeiten, die verstören, nur langsam in einen sinnhaften Zusammenhang treten.
Dieser Traum, diese Sehnsucht, dass endlich alles einen Sinn macht. Gibt es einen Sinn? Gibt jemand Sinn? Ist Sinn in mir? Ist dieser Sinn sinn-voll? Das Wissen, die unbegründete Zuversicht, dass da ein Sinn ist. Die Zuversicht, das das Richtige geschehen, ‘es’ sich fügen wird. Zielstrebigkeit, ohne dass einem die Richtung bewusst ist. Verstehen.
Und Gedanken die (scheinbar ganz nebenbei) die Frage streifen, was ist eigentlich die Grundlage unserer Zivilisation?
Ist das alles das Ende vom Anfang? – Möchte jemand ein Ingwerplätzchen? – Es ist ein Junge!
„Die Entdeckung des Himmels“ wird wiederholt auf Arte am 20. Dezember 2006
Ist Selbsthilfe, aktives Engagement und Interessen- Vertretung von Positiven noch erwünscht? Warum scheint sie immer schwieriger, sowohl in der Arbeit vor Ort als auch der politischen Interessenvertretung auf Bundesebene? Eine der Frage wurde am Samstag ausgiebig diskutiert, die andere blieb offen im Raum stehen.
Bereits seit einiger Zeit tobt unter einigen Positiven, in Netzwerken, Selbst- und Aids-Hilfen eine Diskussion über ‚Aids-Hilfe und Selbsthilfe‘. Fragen, die dabei diskutiert werden sind z.B.: wie weit ist Aids-Hilfe noch Selbst-Hilfe? Wie weit ’nur noch‘ Service-Einrichtung? Welche Rolle spielen Sekundär- und Primär-Prävention? Welche Rolle haben Positive überhaupt noch in Aids-Hilfen?
Hintergrund dieser Fragen ist u.a., dass so manche Aids-Hilfe nicht gerade ein Hort positiver Selbsthilfe zu sein scheint. Dass es Aids-Hilfen gibt, in denen es beim Thema Selbsthilfe mehr auf Schein als auf Sein, mehr auf den (billigen) Effekt als auf die (langfristige) Wirkung ankommt, auch das wird des öfteren als Befürchtung geäußert.
In diesem Spannungsfeld möglicher Fragen und Herausforderungen an und durch Selbsthilfe veranstaltete das Netzwerk plus am 9.12.2006 in Berlin eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Mehr Schein als Sein? – Beteiligungsmöglichkeiten von HIV-Positiven in Selbsthilfestrukturen“.
Deutlich wird schon zu Beginn der Veranstaltung, mit welcher Bescheidenheit Selbsthilfe zurecht zu kommen, manchmal zu kämpfen hat. Da werden z.B. Selbstverständlichkeiten (wie die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen) als großzügiges Entgegenkommen verkauft. Wenn Verantwortliche sich tatsächlich Fragen stellen, auch kritischen Fragen, ist man/frau schon vorab dankbar allein für die Bereitschaft – und sieht sich, je kritischer die Fragen werden, doch mit dem Vorwurf konfrontiert, man sei doch nicht ‚Rechenschaft schuldig‘. Oder da da wird die Entsendung von Selbsthilfe-Vertretern in Entscheidungsgremien von der Zustimmung von Vorständen abhängig gemacht.
Viel Enttäuschung, viel an Zugangshemmnissen ist zu erahnen, wenn des öfteren unterschwellig der verzweifelte Ruf herauszuhören ist ‚wir machen hier nun so mühevoll Selbsthilfe – warum kommt denn kaum jemand?‘.
Etwas anders die Beteiligung von PatientInnen- Vertretern auf Bundesebene, die als Ergebnis der letzten Gesundheitsreform inzwischen ihre Anfänge nimmt (insbesondere, wenn auch noch ohne Stimmrecht, im ‚Gemeinsamen Bundesausschuß‘ G-BA). Hier ist ganz klar – die Hürden sind hoch, haben Namen wie ‚Vertretung politischer Gruppeninteressen, nicht von Einzelschicksalen‘ oder ‚viel Gremien-Arbeit, viel Frustrationstoleranz sind gefragt‘.
Diese beiden Ebenen in der Diskussion um Selbsthilfe zu unterscheiden – ‚wie kann ich mich in der Selbsthilfe engagieren‘, und die Frage, ‚wie kann Selbsthilfe sich an (politischen) Prozessen beteiligen‘ (also der Innen- und der Aussenwirkung) – bleibt im Verlauf der Diskussion immer wieder Herausforderung.
Einigkeit besteht hingegen bald, dass auf beiden Feldern eine wesentliche Herausforderung die Vermittlung von Kompetenzen ist. Kompetenzen, die in der praktischen Selbsthilfe vor Ort ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, die aber auch für die Gremienarbeit auf Bundesebene erforderlich sind. Die Patientenbeauftragte für Berlin sowie anwesende Aids-Hilfe-Vertreter sehen hier Möglichkeiten konkreter Unterstützung, die sie bieten könnten – eine baldige Umsetzung wäre im Sinne effektiver Selbsthilfe-Arbeit wünschenswert.
Und es wird im Verlauf der Diskussion deutlich, wie wichtig es -gerade für die politische Interessenvertretung auf Bundesebene- ist, eine breite Basis aufzubauen. Eine Basis, die die vorhandenen Strukturen (insbes. von Netzwerken und Aids-Hilfen) nutzt, die auf Probleme aufmerksam macht. Eine Struktur, die einerseits eine Bündelung von Themen, Interessen und anstehenden Fragen ermöglicht und eine Kondensierung für die bundespolitische Arbeit bietet, diese andererseits auch ‚erdet‘ und am ‚Abheben‘ hindert.
Die letztlich entscheidende, das Spannungsfeld (s.o.) treffend auf den Punkt bringende Frage wird erst ganz gegen Schluss gestellt: welches Interesse haben Aids-Hilfen überhaupt noch, dass Positive sich befähigen, sich engagieren, aktiv einbringen und beteiligen?
Diese Frage bleibt gen Ende der Veranstaltung im Raum stehen – verbunden mit dem Hinweis, die Leitbild-Diskussion der DAH beschäftige sich ja genau damit.
MySpace plant, eine private Polizei gegen Sexualstraftäter einzuführen. Mit eigenen Datenbanken, ‚automatischer Pädophilenerkennung‘ und vorbeugender Fahndung.
Erst vor Kurzem habe ich ja geschrieben, warum ich plane mein MySpace-Profil wieder abzuschalten. Heute hat MySpace (via SpON) noch einen Grund nachgeliefert: MySpace hat sehr kurzfristig vor, Rasterfahndung in privater Hand aufzubauen.
MySpace hat Angst um seinen Ruf. In der US-Presse war es anscheinend zu mehreren Berichten gekommen, dass Pädophile versucht haben, MySpace als Forum für Kontaktanbahnungen zu benutzen.
Nichts fürchtet ein Forum wie MySpace, das gerade erst für viele Hunderte Millionen Dollar an Herrn Murdoch verkauft wurde, mehr als schlechten Ruf. Das schadet dem Image, und erst recht dem Börsenkurs (der Mutter Murdoch namens NewsCorp). Zudem lässt es die Nutzerzahlen erodieren, was wiederum weiterer Schaden ist.
Als Reaktion darauf hat MySpace nun vor, einen Site-interne Polizei einzurichten.
Die soll innerhalb von 30 Tagen eine Datenbank aller 550.000 wegen Sexualstraftaten verurteilten US-Amerikaner aufbauen. Für diese hauseigene Datenbank will MySpace erstmalig die (bisher getrennten) Daten aller Bundesstaaten zu einer integrierten Sexualstraftäter-Datenbank zusammenführen.
Alle Einträge in dieser neuen Datenbank sollen dann regelmäßig mit den MySpace-Profilen abglichen werden. Zudem soll die Datenbank als ‚vorbeugende‘ Identifizierungshilfe dienen.
Früher (zu Herolds Zeiten) nannte man das Rasterfahndung. Das war damals schon ziemlich eklig und vor allem umstritten, aber immerhin noch in staatlicher Hand, (vermeintlich) staatlich legitimiert und einer gewissen Kontrollmöglichkeit unterworfen.
Nun aber – Rasterfahndung elektronisch, und das ganze in privater Hand?
Erstmalig werden alle Daten in einer Datenbank zusammengeführt – und dann privat?
Irgendwelche MySpace-Mitarbeiter dürfen sich anmaßen Schnüffel-Privatstaat zu spielen?
Und das auch noch ‚vorbeugend‘, ohne konkreten ‚Tatverdacht‘? Wo bleibt die Unschuldsvermutung?
MySpace als privaten Schnüffel-Polizei?
Aber MySpace (bzw. wohl der ehrenwerte Herr Murdoch) treibt’s noch weiter.
Da könnten die Sexualstraftäter ja auf die Idee kommen, sich mit falschen Angaben anzumelden (oh, das werden wohl nicht nur die machen, wenn ich da an Gayromeo denke …). Also macht er in Washington Lobbyarbeit für ein Gesetz, das Sexualstraftäter zwingen soll, ihre Emailadresse zentral registrieren zu lassen und keine anonymen Emailadressen zu benutzen.
MySpace wird nebenbei (auch) zu einem Werkzeug Murdoch’scher konservativer Politik.
Es geht hier nicht darum, Sexualstraftaten zu verharmlosen. Aber es geht darum, wer macht Ermittlungen, Strafverfolgung (der Staat oder Private?). Es geht um Freiheitsrechte. Und um Polizei-Instrumente in privater Hand.
Jetzt noch mehr: MySpace ist nicht mehr my space …
Ich weiß ja, es ist viel zu warm für die Jahreszeit, und eigentlich ist das Wetter ja auch gar nicht so schlecht.
Mir ist einfach nicht nach Herbst, erst recht nicht nach Winter. Und Glühwein trinken, auch bei +10°, ist auf meinem emotionalen Fahrplan auch irgendwie nicht angesagt.
Ich will wieder Sommer! Ab an diesen oder einen anderen Traumstrand …
Seit Ende August 2006 bin ich mit einem Profil (und zeitweise Blog) auch auf Myspace. Nun werde ich mein Myspace-Profil wieder löschen – aus mehreren Gründen.
Nach hundert Tagen auf Myspace ziehe ich eine insgesamt eher negative Bilanz. Aus persönlichen Erfahrungen, zu denen eher politische Gründe hinzu kommen.
Auf der positiven Seite: ich habe eine meiner Lieblings-Gruppen der 90er Jahre [Bel Canto, damals von der Rigo empfohlen :-)] wiedergefunden. Einen netten Franzosen (elektronisch) kennen gelernt, einige andere Bekannte auf Myspace wiedergetroffen. Eine nette auch persönliche Bekanntschaft, die sich leider unter seltsamen Umständen bald darauf wieder verflüchtigt. Einige nette neue Musikmacher kennen gelernt.
Auf der negativen Seite: immer mehr bekomme ich im Laufe der 100 Tage das Gefühl, für viele besteht Myspace nur aus einem Wettbewerb, möglichst viele Verlinkungen als so genannte „Freunde“ zu haben. Täglich mehrere Anfragen von den teilweise abstrusesten Profilen, die „mein Freund“ werden wollen [sorry, aber was ich mit einer Gruppe evangelikaler Hetero-Väter in Michigan gemeinsam habe, erschließt sich mir nun wirklich gar nicht, und ich möchte es auch nicht ausprobieren]. Dazu massenweise ebensolche ‚Freund‘-Anfragen von irgendwelchen Bands und Liedermachern. Darunter ist dann ab und an auch eine interessante Entdeckung (wie Tommy Finke), aber letztlich empfinde ich die massenhaften Band-Anfragen bald nur noch als Werbe-Müll.
Im Resume der persönlichen Erfahrungen: für mich steht der Zeitaufwand, den Myspace erfordern würde, in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen. Noch unproduktiver und zeitraubender als Gayromeo ;-).
Dazu kommt, aber das ist eher ein Neben-Grund, dass Myspace mich nicht gerade in liebenswerte Gesellschaft bringt: Myspace ist zentraler Baustein in der Internetstrategie des konservativen Medien-Zaren Rupert Murdoch (der Myspace für einige hundert Millionen Dollar übernommen hat). Der Murdoch, der mit Hetz- und Propagandasendern der Rechten prächtig Geld verdient (schon mal Fox News gesehen? Oder die ‚New York Post‘ gelesen?). Und in dessen Reich ich nicht unbedingt gratis-Inhalte-Lieferant (oder Konsumenten- und Marketing-Futter) sein möchte. [Nicht, dass Google, Hoster meines Blogs, nun gerade unkritisch zu sehen wäre. Aber das ist eine andere Geschichte…]
Im Ergebnis nach hundert Tagen: Myspace war ein interessantes Experiment, bei dem ich einiges über die Welten und Funktionsweisen einer der Facetten des Web 2.0 kennen gelernt habe.
Beinahe gleichzeitig habe ich damals auch das Bloggen begonnen. Und auf das werde ich mich zukünftig konzentrieren … adieu Myspace, und auf ein weiteres auf meinem Blog Ondamaris.
Schreiben Sie noch Briefe? Selten, stimmt’s? Das meiste erledigen wir heute per Email. Emails sind innerhalb weniger Jahre eine Selbstverständlichkeit geworden, haben sich in unserem Alltag eingenistet als wären sie immer schon dort gewesen. Und doch – Emails sind noch recht jung, die erste Email stammt aus dem Jahr 1971.
Wir befinden uns in den Urzeiten des Internet. Noch kurz vorher waren Computer einzelne, riesige und isoliert existierende Schränke. Einer ‚Kommunikation‘ zwischen diesen Dingern wurde nur untergeordnete Bedeutung beigemessen, Dialoge fanden noch über Lochkarten statt.
Bis die US-Luftwaffe begann, das so genannte ArpaNet entwickeln zu lassen – den Ur-Vater des Internet, schon damals mit einer Struktur paketvermittelter Netze. Ab Ende der 1960er Jahre wurde das ArpaNet nach einigen Fehlschlägen im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums realisiert – zunächst begonnen mit der Vernetzung von Rechnern in vier Forschungeinrichtungen. 1)
Aber irgendetwas fehlte, wie einige findige Forscher bald feststellten. Zwar konnten Computer bald Daten untereinander austauschen – aber sie selbst nicht. Nachrichten von einem zum anderen – das wäre etwas.
Der US-Forscher Ray Tomlinson machte sich an die Arbeit, ‚erfand‘ ein Format zum Austausch von Daten. Aber wie sollte er kenntlich machen, an wen die Nachricht gehen sollte? Wie sollte das, was bei Briefen die Post-Adresse war, im elektronischen Netz aussehen? Eigentlich bräuchte man ja keine physikalische Adresse, sondern nur den Namen und die Organisation, beides sinnvoll verknüpft. Bei der Suche, wie beides sinnvoll verknüpft werden könnte, stieß Tomlinson auf das bisher im elektronischen Datenverkehr nahezu ungebräuchliche @. Und baute daraus die erste Email-Adresse: tomlinson@bbn-tenexa.
Da fehlt doch was? Ja, stimmt. Die Endungen! Die aber kamen erst später hinzu, als die Zahl der beteiligten Institute so gross wurde, dass ein weiteres ‚Sortier-Kriterium‘ erforderlich wurde, diese durch die heute populären Endungen .com, .gov oder .de unterschieden wurden.
Die erste Email wurde von Tomlinson Ende 1971 (im November oder Dezember, da sind sich die Geschichtsschreiber des Internet nicht einig) geschrieben und über Telefonleitung verschickt.
Nur zur Erinnerung: der erste ‚PC‘, heute ebenfalls eine Selbstverständlichkeit, wurde erst 1981 von IBM auf den Markt gebracht, und der Siegeszug des World Wide Web, heute nur noch als www bekannt, begann erst 1991. Inzwischen hat die Email längst einen Siegeszug um die Welt hinter sich, täglich gehen Abermillionen Emails rund um den Erdball auf den Weg, ist die Email zur am weitesten verbreiteten Anwendung im Internet geworden..
Wie schnell man neue Technologien und Verfahren als selbstverständlich nimmt …
Und warum sind Emails heute (oft) weiterhin kostenfrei? Weil Ray Tomlinson und seine Kollegen niemals versuchten, ihre Erfindung zu kommerzialisieren – sonst würden Email heute wohl Porto kosten.
1) Nebenbei, der beliebte Internet-Mythos, das ArpaNet sei entwickelt worden als einem Atomkrieg widerstehendes Netzwerk hat sich als Illusion erwiesen …
Ray Tomlinson wurde am 2. Oktober 1941 in Amsterdam im US-Bundesstaat New York geboren. Von Ausbildung Akustiker, begann er in den 1960er Jahren am MIT Massachusetts Institute of Technology in der Akustik-Abteilung, wechselte aber bald zu einem kleinen bereits 1948 aus dem MIT heraus gegründeten Unternehmen namens ‚Bolt, Beranek and Newman‘ (BBN).
BBN gewann 1969 eine Ausschreibung über neuartige Rechner-Netze – hier und im Rahmen dieses Projekts ‚erfand‘ Tomlinson die erste Email.
Im Gegensatz zu manch anderen ‚Helden‘ des Internet wurde Tomlinson kein großer Star. Bis zu seinem Tod arbeitete er bei BBN, seit 2009 Tochtergesellschaft des Elektronik- und Rüstungs-Konzerns Raytheon.
Ray Tomlinson starb am 5. März 2016 im Alter von 74 Jahren zuhause in Lincoln, Massachusetts an den Folgen eines Herzinfarkts.
Vor einiger Zeit flatterte Nick durch mein Leben, plötzlich und unerwartet.
Eigentlich war ich mit Michi verabredet, ein erstes persönliches Kennenlernen, nachdem wir schon länger auf Gayromeo zusammen gechattet hatten. Am Vortag hatten wir miteinander telefoniert, uns für den folgenden Abend im ‘Maybach’ verabredet.
„Ach woartee“, sagte Michi gegen Ende unseres Telefonats, „Doo iis doch där Nick doa. (Denkpause) Ah gääähh, dees mocht ahh nix. Kommst halt dazua.“
Michi ist, wie ich zu Beginn unserer Bekanntschaft überrascht bemerkte, Wiener, der seit einiger Zeit in Berlin lebt. Überrascht, denn Langsamkeit und Gemütlichkeit seiner Sprechweise stehen in eigentümlichem Kontrast zu den Fotos in seinem Gayromeo-Profil, die eine ganz andere Sprache sprechen.
Obwohl, wenn ich’s recht überlege, der Widerspruch nur ein vermeintlicher ist. Unter der Fassade von Barock- und Gründerzeit-Bauten, von Stuck und Plüsch habe ich in Wien, der Stadt von Cafés, in denen die Schwulen zueinander noch ‘Küss’ die Hand` sagen, und von Saunen, die in ihrem feudalen Charme an späte KuK-Zeiten erinnern, Nächte und Situationen erlebt, die so deftig, so bizarr waren, dass sie selbst in Berlin manchem unglaubwürdig erscheinen mögen.
Aber ich will nicht abschweifen und über Wien erzählen.
Sondern über Nick. Der saß nun am folgenden Abend mit Michi am Tisch, als ich ins ‘Maybach’ kam. Eine ungewohnte Situation, mir nicht ganz recht – schließlich wollte ich Michi kennen lernen, nicht einen mir unbekannten Nick. Der mich die erste Zeit etwas skeptisch-schüchtern von der Seite betrachtete, während ich mich an ihrem Gespräch tastend zu beteiligen begann. Einige eher beiläufig von Michi eingeworfene Stichworte zu Nicks Vorlieben (nein, jetzt schweifen wir hier aber wirklich nicht ab ) weckten mein Interesse. Zudem, auf seine zurückhaltende Art, mit diesem offenen und doch selbstbewussten warmen Blick wirkte er, nun ja, nicht gerade un-sexy. Gegen Ende des Abends tauschten wir unsere Handynummern aus.
Verabredeten uns in den nächsten Tagen. Trafen uns zu einem Spaziergang durch den langsam in die November-Dämmerung gleitenden Grunewald. Und Nick wurde mir mehr und mehr sympathisch, weckte ein angenehmes Gefühl von Vertrautheit. Würden wir uns besser kennen, ging es mir des öfteren in der Dämmerung durch den Kopf, wir gingen wahrscheinlich ab und an Arm in Arm, so nah fühlte ich mich ihm.
Was mich (seitdem, und immer noch, neben einigem anderen) an Nick fasziniert, der übrigens ebenfalls selbst ‘Zugereister’ ist, nicht gebürtiger Berliner: er bewegt sich nicht in dem, was wir allgemein als „schwule Szene“ zusammenfassen, und hat es auch fast nie. Weder in seiner Freizeit, zum Amüsieren, noch zum Kennenlernen oder auf der Sex-Suche. Wohlgemerkt, er ist kein Szene-Hasser, nein er hat einfach das Gefühl sie nicht zu brauchen. Sein schwules Leben spielt sich im Privaten ab, Kennenlernen in Bekanntenkreisen und durch Empfehlung („wenn du in … bist, ruf gern mal den … an, der steht auch auf … und könnt zu dir passen“). Und weil sich das nun furchtbar bieder, langweilig, versteckt anhören könnte: nein, weit gefehlt, der Nick ist, soweit ich ihn bisher kennen gelernt habe, ein offener, selbstbewusster schwuler emanzipierter Mann (und gern, das wollen Sie sicherlich gar nicht wissen, das was Michi in breitem Wiener Dialekt wohl ‘eane Sau vooar däm Härrrn’ nennen würde). Nur dass er auch sein schwules Leben (und die Sau) nicht in schwulen Szenen auslebt, sondern in privaten Bereichen, Außenstehenden nur mit persönlichen Kontakten zugänglich.
Eine ebenfalls schwule Welt, und keine unbedeutende, die von dem was sich als „schwule Szene“ sieht, über ihre Homo-Kieze, Sex-Parties, CSDs und Straßenfeste gern vergessen, so gar nicht wahrgenommen wird. Und wohl von nicht wenigen Präventions-Projekten auch nicht oder kaum erreicht wird.
Was wir (ich schließe mich da gern mit ein) oft als „die schwule Szene“ (mir wäre allerdings lieber der Plural, die Szenen) wahrnehmen, ist eben doch nur ein Ausschnitt aus der Vielfalt schwulen Lebens, ein nicht unbedeutender Ausschnitt sicherlich, aber auch nicht ‘die ganze Wahrheit’.
Und, falls Sie nach dem Spaziergang und nach Nick fragen … Ja, dieses Gefühl von Sympathie erwies sich als beidseitig, das Kennenlernen erfuhr seine Fortsetzung …
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