Kategorien
HIV/Aids Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Felix Gonzalez-Torres (1957 – 1996)

Der US-amerikanische Konzept-Künstler Felix Gonzalez-Torres wurde geboren am 26. November 1957 in Guiamaro auf Kuba. Er starb am 9. Januar 1996 in Miami an den Folgen von Aids.

Die NGBK, die einige seiner Werke schon Ende der 80er Jahre erstmals in Deutschland zeigte (im Rahmen der von Frank Wagner kuratierten Ausstellung „Vollbild Aids“), veranstaltete 2006 eine umfassende Retrospektive.

Felix Gonzalez-Torres Retrospektive – Berlin Hamburger Bahnhof 2006

Felix Gonzalez-Torres Retrospektive - candy pills, Detail
Felix Gonzalez-Torres Retrospektive – candy pills, Detail

Spontan fahre ich zum Hamburger Bahnhof (für die nicht-Berliner Leser: der ehemalige Bahnhof ist seit 10 Jahren Museum für Moderne Kunst). Die Felix Gonzalez-Torres Retrospektive (anläßlich seines 10. Todestages, vom 1.10.2006 bis 9.1.2007, von Frank Wagner kuratiert) hatte ich mir doch eh ansehen wollen, warum nicht jetzt.

Gleich am Eingang: ein riesiges Quadrat goldfarben eingepackter Bonbons. Einige Besucher stehen irritiert davor, andere belustigt. Ein kleiner Junge nervt seine Mutter offensichtlich damit, eines der Bonbons zu wollen. „Halt den Mund, das ist Kunst“, höre ich sie sagen.

Felix Gonzalez-Torres Retrospektive - candy pills
Felix Gonzalez-Torres Retrospektive – candy pills

Eine Vielzahl Arbeiten aus Werk- Gruppen erwarten mich: „candy pills“ neben „stacks“, Stapel von Postern in unlimitierter Auflage. Puzzle-Bilder, Lichterketten, Fotografien und Schrift-Arbeiten auf den Museumswänden.
Häufig: das Nebeneinander des Banalen und des Intensiven, des Alltäglichen und des Außerordentlichen, des Privaten und des Öffentlichen. Blutwerte und Krieg in einem fernen Land. In erschreckender, irritierender Dichte, Aufeinanderfolge.

Die Auseinandersetzung mit Aids ist dabei immer wieder Thema seiner Arbeiten, sei es in den Bonbon-Bergen, Fotografien oder Wort-Arbeiten. Die Geschichte hinter den Kunstwerken wird nicht erzählt, es bleibt Aufgabe des Besuchers sie sich zu erschließen.

Vielen Besuchern allerdings scheint das kaum zu gelingen, habe ich das Gefühl. Sie schlendern durch die Ausstellung, klauben Plakate zusammen und naschen Bonbons (auch der kleine Junge kommt bald doch noch auf seine Kosten) – nutzen jedoch kaum die in einem abgetrennten Bereich (dem „Archiv“) bereitgestellten Hintergrund-Informationen.

Felix Gonzalez-Torres Retrospektive
Felix Gonzalez-Torres Retrospektive

So erfahren sie wahrscheinlich nicht, was hinter den Lichterketten steckt (O-Ton: ‚Das ist aber hübsch, wollen wir das bei uns auch so machen im Treppenhaus?‚). Nichts über die Explosion von Information und gleichzeitige Implosion von Bedeutung. Oder dass eine 60-Watt-Birne genau die gleiche Wärmemenge abstrahlt wie ein menschlicher Körper. Dass einer der Bonbon-Berge („untitled“, (Ross), 1991) zu Ausstellungsbeginn gut 79 Kilogramm wog, was dem Gewicht seines verstorbenen Lovers Ross entspricht.

Was für ein bezaubernder, metaphysisch anmutender Gedanke. Ich nehme ein Bonbon, mit dem Lutschen wird Ross, wird ein Stück von Gonzalez-Torres‘ Kunstwerk Teil von mir. Das Kunstwerk wird so einerseits immer weniger im Verlauf der Ausstellung – doch auch wieder nicht. Den Anweisungen des Künstlers folgend (‚endloser Vorrat‘) ist spätestens mit jeder neuen Ausstellung ein neuer Bonbon-Berg vorhanden.
Verschwinden und Unmöglichkeit des Verschwindens gleichzeitig.
Was für ein Umgang mit Trauer Erinnern Verlust.

Nachspiel: steht ansonsten eher „Bitte nicht berühren“ auf den Schildern im Museum, gern auch mit Ausrufezeichen, finde ich hier einen anderen Hinweis:

Felix Gonzalez-Torres Retrospektive - 'Verzehr eines Bonbons auf eigene Gefahr'
Felix Gonzalez-Torres Retrospektive – ‚Verzehr eines Bonbons auf eigene Gefahr‘

.

Kategorien
Nachdenkliches

Homo? Hete? Im Fitness trennt sich’s … Oder nicht?

Jetzt wo der Sommer definitiv vorbei ist, für die nächsten Wochen höchstens noch einige schöne Herbsttage in Aussicht stehen, gehe ich wieder häufiger zum Fitness. Was sich manchmal als ganz aufschlussreich erweisen kann:

Denn auch im Fitnesscenter werden sich Heten und Homos ja immer ähnlicher. So haben selbst viele (meist jüngere) Heten-Männer inzwischen entdeckt, dass ein knackiger Po sexy und attraktiv machen kann. Und dass auch dieser Körperteil ein Muskel und somit trainierbar ist. Mühen sich auf Geräten mit tollen Namen wie H1 oder P5, ihrem Allerwertesten die rechte Form zu geben. Noch vor ein, zwei Jahren dachte ich das seien genau diejenigen Geräte, an die nur Frauen und Schwule gehen …

Einige kleine Unterschiede gibt es aber immer noch. Nein, nicht was Sie meinen. Klar, auch wohin sich einer der ersten Blicke richtet ist noch immer unterschiedlich. Der Blick des schwulen Mannes geht doch immer noch häufig zuerst an andere Stellen als der des Hetero-Mannes, vor allem wenn er unter der Dusche ist.

Nein, ich meine eher die kleinen Dinge.
Manchmal beobachte ich erstaunliche Kleinigkeiten, in der Umkleide zum Beispiel.

Da kommen einige Jungmänner von den Geräten, Spind aufschließen, Tasche raus, Schuhe Short und T-Shirt aus – und gleich die Straßenklamotten wieder an. Nix Duschen. Dafür aber reichlich Gel ins Haar, vielleicht auch noch etwas Duftwasser ins Gesicht.
Oder Variante zwei: frisch geduscht, immerhin, zügig Hose und T-Shirt anziehen – und dann, ein schneller Griff in den Rucksack, Pfff Pfff, Deo-Spray unter die Achseln (gerne entweder der Marke mit der kleinen Rechen-Aufgabe, oder der mit dem großen Männlichkeits-Erfolgs-Versprechen). Bei besonders Schnellen auch gerne direkt außen auf’s T-Shirt. Wenn’s ganz übel wird, auch noch in den Schritt.

Es ist spannend zu erleben, welche unterschiedlichen Vorstellungen von Reinlichkeit (nach dem Sport) Mann haben kann – und dass es doch noch Punkte gibt, in denen sich (manche) Heten-Männer eindeutig von Schwulen unterscheiden. Wobei, so manche Frau beneide ich in einigen Situationen wahrlich nicht …

Kategorien
Nachdenkliches

Gedanken über Wahrheit und Freiheit

Wahrheit und Freiheit – „Warum schreibst du eigentlich nicht darüber?“, fragt Dieter mich beim Frühstück. „Na, ich schreib’ doch nicht über alles, ich verkneif’ mir ja auch den Tag der Deutschen (R)Einheit“, antworte ich flappsig.
Wir hatten über die Rede Ratzingers gesprochen, die Reaktionen darauf, über seine Motivation, mögliche Intention. Sprachen danach über Zusammenarbeit in Gruppen und ihr Scheitern, über Toleranz anderen Meinungen gegenüber, über Wahrheit und ihren Besitz, über eigene Meinung und Offenheit gegenüber Kritik.

im Schleusenkrug im Oktober 2006
im Schleusenkrug im Oktober 2006

In der Warteschlange am Fahrkarten-Schalter beginnt mein Gehirn zu rattern, ziellos, irritiert.
Auf einem kurzen Spaziergang durch den Tiergarten steigen einzelne Gedanken aus den Nebeln dieses Ratterns auf.
Im Schleusenkrug (ja, ich sitze draußen, genieße immer wieder einzelne Sonnenlöcher im Meer grau-dunkler Regenwolken) sortieren sich, inspiriert auch durch Pfefferminztee und Beobachten der anderen Gäste im Café, langsam meine Gedanken.

Es gibt Menschen, die meinen, die ‘Wahrheit’ erkannt zu haben. Die ‘Wahrheit’ kann vieles umfassen, z.B. welcher Glaube der ‘Richtige’ ist, wie die Dinge / die Gesellschaft sein sollte, wie nicht, wie man zu diesem Ideal kommen kann, usw. Immer schon habe ich dieser Art von ‘Wahrheit’, egal von wem sie geäußert oder propagiert wird, misstraut (wohl ein Erbe geschätzter Lehrer/innen an der Schule), inzwischen schreckt sie mich eher sogar ab.
Diese Art ‘Wahrheit’ hat immer etwas Ausschließendes, es gibt in ihrem Gegenüber immer etwas notwendigerweise Falsches, Abzulehnendes – und nur zu gerne einen wie auch immer gearteten ‘Kampf’ für das als ‘wahr’ erachtete.
Diese ‘Wahrheit’ muss in ihrer Konsequenz irgendwann wohl Bomben werfen, seien sie verbal oder tatsächlich. Muss Zensur einsetzen, Gedankenpolizei.

Mit Vertretern dieser Art ‘Wahrheiten’ Auseinandersetzungen in der Sache zu führen scheint mir äußerst schwierig, im Kern eigentlich unmöglich. Unmöglich, da eine geistige Auseinandersetzung letztlich beinhalten müsste, beiderseits auch die eigene Position in Frage stellen zu können – was dem Absoluten, das dieser Art ‘Wahrheit’ immanent ist, widerspräche.
Diese Art ‘Wahrheit’ ist nicht nur in ihren Konsequenzen undemokratisch. Ich empfinde sie auch in ihrem Wesen zutiefst als un-menschlich. Un-menschlich, denn Mensch-Sein heißt für mich immer auch, zu denken, in Frage zu stellen, auch meine Gedankenwelt (auch wenn’s schmerzvoll sein kann) in Frage stellen zu lassen. Die Freiheit dieses Denkens hat den Preis, nicht gewiss sein zu können (wie es die ‘Wahrheit’ sein kann). Ich muss mir und dem anderen das nicht-Absolute meiner Gedanken zugestehen, um freies Denken, freien Diskurs zu ermöglichen.

In diesem Sinn hat ihre Art ‘Wahrheit’ etwas sehr Fundamentalistisches. Die Gewissheit, Absolutheit dieser ‘Wahrheit’ scheint mir geradezu Gegenpol von Freiheit, freiem Denken, offener Auseinandersetzung zu sein.

Die Frage
Die Frage

Gegenteil dieser ‘fundamentalistischen’ ‘Wahrheit’ wäre dann das freie Denken, ein (wie George Steiner schreibt) „anarchisches, spielerisches, verschwenderisches Denken“, das mir viel menschlicher erscheint, viel sympathischer als eine falsche Gewissheit einer absoluten ‘Wahrheit’. Leben, Mensch-Sein, das bedeutet (zumindest für mich), lieber frei denken zu können – und dafür auf die Gewissheit des absolut ‘Wahren’ verzichten zu müssen.

Kategorien
Kulturelles

Klappenkultur bei Ebay?

Neulich, in einem Café. Auf dem Rückweg von der Toilette stöbere ich in den dort aufgestellten Kulturprospekten und Gratis-Postkarten. (Übrigens, warum diese Kombination von Kultur und Klo besteht, ist mir wirklich unerklärlich…).

Zwischen Werbung für irgendwelche Spektakel, neue kalorien-, fett- und geschmackfreie Softdrinks und männlichkeitsstrotzenden Rauchwaren-Promotions entdecke ich dies:

Klappenkultur ?
Klappenkultur ?

Mein Blick bleibt sofort hängen. Ganz klar, eine Klappe. Wie hübsch, auch noch als Teekännchen, was an den Spitznamen ‘Teehäuschen’ erinnert, den Klappen bei vielen früher hatten. Oder an ‘Kaffeekännchen’, jene gern karikierte Körperhaltung, die einige homosexuelle Herren doch so wenig männlich wirken lassen kann.Allerdings, „Genau, was ich will“, dieser Aufdruck irritiert mich doch. Klar, Klappen fand ich eine Zeit lang eine ganz spannende Angelegenheit. ‘Genau was ich will’ – das wäre eine nicht unzutreffende Beschreibung für viele meiner Bremerhavener Studientage, die ich mehr auf der Klappe am Deich als in den Hörsälen verbrachte.

Aber dass die jetzt so öffentlich dafür werben? Und überhaupt, wer wirbt denn da für Klappen?
Irgend etwas kann da doch nicht stimmen.

Ich nehme eine der hübschen Karten aus dem Ständer, drehe sie um – und muss schallend lachen. „Drei zwei eins – meins!“ lese ich.
Ich bin auf eine Ebay-Werbung hereingefallen…

Den kleinen Hinweis ‘Souvenirs’ auf dem Haus habe ich übersehen, fühle mich ertappt. Typisch schwul, alles siehst du gleich durch die Sex-Brille. Und doch, ich muss noch lachen als ich an unseren Tisch zurück gehe, meinem Begleiter die Karte zeige.
Klappen – genau was ich will! Drei zwei eins – Meine! Also los meine Herren…

Und für die heterosexuellen Leser von Onda Maris, die mit dem Begriff Klappe vielleicht nichts anfangen können, nicht mehr assoziieren als ein loses Mundwerk: ‘Klappen’ werden jene öffentliche Bedürfnisanstalten genannt, die von manchen Schwulen gerne zur Kontaktaufnahme (und mehr) genutzt werden. Beziehungsweise genutzt wurden, denn die meisten öffentlichen Bedürfnisanstalten sind (offiziell natürlich aus Kostengründen) längst geschlossen oder durch Atom-Klos ersetzt worden, die schwule Klappenkultur ist langsam am Aussterben.

Kategorien
ondamaris Texte zu HIV & Aids Politisches

Kreationismus – christliche Fundamentalisten in Deutschland

Fundamentalisten – dabei denken Sie sicherlich zuerst an „islamische Fundamentalisten“.
Aber, es gibt sie auch im Christentum. Christliche Fundamentalisten, Menschen die glauben, die Antworten auf alle Fragen (auch des heutigen Lebens) seien in der Bibel zu finden. Und es gibt sie zunehmend auch in Deutschland.

Ganz vorne mit dabei im Reigen christlicher Fundamentalisten: die Kreationisten.
Sie sind gegen die Evolutionstheorie, glauben nicht, dass der Mensch sich aus dem Affen entwickelt habe (nach Darwin, „Die Entstehung der Arten“). Gott habe die Welt erschaffen, nicht nur im religiösen Sinn, sondern ganz real.

Die Kreationisten, eine Bewegung, die in den USA längst breit Fuß gefasst hat, sind in den letzten Jahren zu einer starken Kraft geworden. Lehrpläne von Schulen werden beeinflusst, „Museen“ der Schöpfungsgeschichte entsprechend der Lesart der Kreationisten gebaut. Bis in höchste Regierungskreise hat die Bewegung Unterstützer. In den letzten Jahren werden Kreationisten auch in Europa aktiv.

Zunehmend promoten die Kreationisten dabei eine Variante ihrer Überzeugung, die sie „intelligent design“ nennen. Gott habe die Welt erschaffen, lehren sie. Versuchen, so genannte Mikro-Evolution von so genannter Makro- Evolution zu unterscheiden. Einige, die zentralen Teile der Natur seien keine „zufälligen Ereignisse“ (wie nach Darwin), sondern Teil einer bewussten Schöpfung, eines göttlichen Plans.
Diese Volte hat einen Hintergrund: Kreationismus an Schulen zu unterrichten ist in den USA verboten. Ein „wissenschaftlicher Anstrich“ musste her … oder: Religion (hier: fundamentalistische Religion) wird als „Wissenschaft“ verkauft, um sie besser in der Gesellschaft durchsetzen zu können.
Schöner Nebeneffekt: indem sie sich einen „wissenschaftlichen Anstrich“ geben, beanspruchen sie auch, mit Naturwissenschaften auf einer Ebene zu stehen.

Auch in Deutschland findet dieses Gedankengut zunehmend Ausbreitung, selbst im Schulwesen. „Wort und Wissen“ – diese Organisation ist eine der wichtigsten im Bereich Kreationisten hierzulande.
Die August Hermann Franke Schule in Gießen unterrichtet z.B. im Biologie-Unterricht neben der Evolutionstheorie auch ‚intelligent design‘, verwendet ein (für den Unterricht nicht zugelassenes) Schulbuch von Kreationisten – und das in einer staatlich anerkannten (Privat-) Schule.
Die staatliche Schulaufsicht Hessens fühlt sich für ‚intelligent design‘ nicht zuständig, die Schule sei ja zugelassen. Die Eltern würden sich ja freiwillig für die Schule entscheiden.
Selbst deutsche Politiker wie Anette Schavan begrüßen die von Kreationisten begonnene Debatte – und spannen sich so, bewusst oder unbewusst, vor den Karren einer fundamentalistischen christlichen Bewegung.

Was wollen die Kreationisten?
Die Bibel ist wahr, ist ihre Überzeugung. „Schöpfung ohne Kompromisse“, wie der Titel einer Kreationisten-Konferenz deutlich macht. Wer Darwin zustimme, rufe den Zorn Gottes hervor. Ziel des ‚intelligent design‘ sei eine mit dem Christentum verträgliche Wissenschaft, erklärt einer ihrer Vertreter.
Ein Beispiel, was das nach ihrer Vorstellung heißt: ‚Die Welt ist 6.000 Jahre alt. Stern und Planeten sind dabei etwas jünger als die Erde – denn in der Bibel steht, Gott habe die Erde am ersten, Sterne und Planeten jedoch am vierten Tag erschaffen.‘

Es geht nicht darum, hier Kreationisten durch Berichte aufzuwerten, Aufmerksamkeit zu schaffen, oder sie Darwin in Frage stellen zu lassen. Wohl aber geht es darum, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, wenn diese Bewegung auch hier Fuß fasst.

War nicht erst die Trennung von Wissenschaft und Religion eigentlicher Beginn der modernen Naturwissenschaften, der Aufklärung, der modernen Gesellschaften?

Naturwissenschaft erklärt das ‚wie‘, nicht das ‚warum‘. Ist die Suche nach dem ‚warum‘, nach dem Sinn (des Lebens) ein Grund für die Erfolge der Kreationisten und ihres modernen Kindes, des ‚intelligent design‘? (Dabei, selbst die katholische Kirche kann heute Gott und Darwin gut miteinander vereinbaren. Einer ihrer Ansätze: der Körper mag wie von Darwin postuliert entstanden sein, die Seele des Menschen ist göttlicher Natur.)

Darwin ist eine, ist die Grundlage der modernen Naturwissenschaften – hinter den Kreationisten steht damit auch ein Angriff generell auf wissenschaftliche Sichtweisen, auf die moderne Gesellschaft.

Kreationismus – das steht für ein fundamentalistisches Weltbild, das eine Generalabrechnung auch mit Homosexuellen, modernem Frauenbild beinhaltet – mit überhaupt allem, was die moderne Gesellschaft ausmacht.

Die eigentliche Gefahr ist der christliche Fundamentalismus, sind dessen Folgewirkungen für das Demokratieverständnis unserer Gesellschaft.

Die Trennung von Religion und Naturwissenschaft ist das Fundament der modernen aufgeklärten Gesellschaft – ein Fundament, das wir nicht auf’s Spiel setzen sollten.

Oder wollen wir wieder zurück zu mittelalterlichem Denken, zu einer Gesellschaft, in der alles, was nicht mit christlichem Denken verträglich ist, nicht zulässig ist? Eine Gesellschaft, in deren fast logisch anmutender Konsequenz eine Inquisition steht?

.

Text am 20. Dezember 2016 von ondamaris auf 2mecs

 

Kategorien
Homosexualitäten Kulturelles

Verlag Rosa Winkel (1975 – 2005)

1975 gründeten Volker Bruns und Peter von Hedenström in Berlin den Verlag Rosa Winkel. 1978 übernahm Egmont Fassbinder, am 26. Juli 1945 in Kippenheim (bei Lahr, Baden) geboren, die Leitung (bis 1981 zusammen mit Hans Hütt).

‚Rosa Winkel‘ war der erste Verlag in Deutschland nach 1945, der sich speziell schwulen Themen widmete.

Logo des Verlags rosa Winkel – Autor/-in unbekannt – http://www.maennerschwarm.de/Verlag/htdocs/vrw.html – Gemeinfrei
Kategorien
Berlin

Zu braun in Wusterhausen …

Morgens. Immer noch schönstes Spätsommer-Wetter in Berlin.

Spontan entschließe ich mich zu einer Motorrad-Tour, gen Südosten von Berlin, um den Müggelsee und angrenzende Seen.

unterwegs mit der CBF
unterwegs mit der CBF

Genieße die ruhige, unaufgeregte Landschaft.

Stopp in Königs Wusterhausen. Besuch und Führung im Schloss des „Soldatenkönigs“.

Im Ort auffallend viele junge Männer mit T-Shirts, auf denen Aufdrucke prangen wie ‘White Power’ oder ähnliche nazistische Sprüche und Symboliken.
Mir scheint, die tragen das so selbstverständlich, wie ich damals ‘Atomkraft – nein Danke’ getragen habe. Sind wir schon soweit, dass das heute für das gleiche gehalten wird? Statt demokratischem Bürgerprotest heute Nazi-Parolen? Die Selbstverständlichkeit erschreckt mich, auch, dass niemand etwas sagt an der Supermarkt-Kasse, niemand protestiert gegen das Nazi-Logo auf dem T-Shirt vor mir in der Warteschlange.
Ist das schon Selbstverständlichkeit geworden? Normal und akzeptiert? Mir wird übel, ich gehe zum Motorrad und verlasse den Ort schnellstmöglich, fahre weiter.

Ulli
Rast am Müggelsee / Rübezahl

Durchgerüttelt von mit Asphalt notdürftig geflickten Kopfsteinpflaster-Straßen freue ich mich auf eine wohlverdiente Entspannung im ‘Rübezahl’, mit Blick auf den Müggelsee …

Kategorien
ondamaris Texte zu HIV & Aids

Jesus Bäckerei

Erstaunliches:

Jesus Bäckerei
Jesus Bäckerei

.

25. Januar 2017 von ondamaris auf 2mecs

Kategorien
Berlin Kulturelles

Auf nach Mahagonny …

Morgen Abend hat in der Komischen Oper Berlin „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ Premiere. Am Vorabend erzählte und sang Gisela May unter dem Motto „Geld macht sinnlich – der Skandal um ‘Mahagonny’“, ebenfalls in der Komischen Oper.

Gisela May? Ja, Gisela May, die viele vielleicht (leider) nur aus der Rolle der „Muddi“ in der TV-Serie „Adelheid und ihre Mörder“ kennen. Die aber schon 1962 von Helene Weigel an das Berliner Ensemble geholt wurde (und ihm bis 1992 angehörte). Dort immer noch jährlich wunderbare Brecht-Abende macht, wie Bekannte berichten (ich hab irgendwie noch nie eine Karte bekommen :-( )

Ein netter, plaudriger Abend, ganz geprägt von der Persönlichkeit Gisela Mays. Manchmal in der Leichtigkeit ihres gekonnten (vermeintlichen) aus-dem-Konzept-Geraten fast an die frühe Georgette Dee erinnernd (wenn der Vergleich erlaubt ist). Dann wieder unvermittelt komisch, wenn sie eine Kästner-Version des „Surabaya Johnny“ sächselnd zum Besten gibt.

Im Kern aber immer wieder „Mahagonny“ und die Geschichte des Entstehens dieser Oper mit Musik von Kurt Weill und Texten von Bertolt Brecht.

Worum geht es? Die Komische Oper beschreibt es so:

„Wenn man von der Polizei verfolgt wird, muss man viel Geld haben, um die Ordnungsmacht des Staates zu bestechen. Wenn man keins hat, muss man welches machen. Drei Gangster handeln nach dieser Erkenntnis und errichten mitten im Nirgendwo die Paradiesstadt Mahagonny, wo die Menschen ihr Glück finden und ihr Geld ausgeben sollen. Aber das Unternehmen würde scheitern, wenn nicht Jim Mahoney, ein einfacher Holzfäller aus Alaska, das Gesetz der menschlichen Glückseligkeit finden würde: Der Mensch muss alles dürfen dürfen – sich bis zum Platzen vollfressen, exzessiv Sex haben, sich im Boxkampf als echter Mann erweisen, sich bis zum Umfallen besaufen. Mahagonny boomt, die Gangster werden reich, aber Jim hat ein viel wichtigeres Gesetz übersehen: Man darf nun zwar alles, aber man muss es bezahlen können. Er kann es nicht und wird wegen Geldmangels hingerichtet.“

Eine der erfolgreichsten Opern des 20. Jahrhunderts, mit gegenüber der (populäreren) Dreigroschen-Oper ausgereifter wirkender, aber auch ab und an weniger eingängiger Musik.
Eine Oper in drei Akten, die nur scheinbar in einer Phantasiestadt zu einer Phantasiezeit spielt. Die vielmehr so frisch, so aktuell wirkt, dass man fast erschrickt – eine Parabel, der angesichts von freiem Welthandel, Liberalisierung und zunehmender Demontage des Sozialstaats viele Zuschauer zu wünschen sind.
Und eine Aufführung, auf die Gisela May so viel Appetit gemacht hat, dass ich mir nun doch Karten besorgen werde …

„Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, Komische Oper Berlin, neu im Spielplan 2006, weitere Infos http://www.komische-oper-berlin.de/

Kategorien
Berlin

Berlin ein Uhr nachts

Vergangene Nacht, circa ein Uhr. Etwas müde komme ich aus dem ‘Lab’, bin auf dem Weg zur S-Bahn. Rechterhand der Parkplatz vor dem ‘ND’, früher war doch hier Cruising, geht es mir durch den Kopf.

Tatsächlich, drei, vier Männer unterschiedlichen Alters streifen auffällig unauffällig herum, mustern mich. Einer von ihnen weckt durchaus mein Interesse, wir beäugen uns. Inzwischen sind weitere Herren aus der Unsichtbarkeit von Gebüschen und PKWs in von den grellen Laternen möglichst wenig beleuchtete Ecken getreten.

“Ey, was’n hier los!“ Erst jetzt bemerke ich zwei junge Männer, die, vielleicht auf dem Weg zum ‘Berghain’, über den Parkplatz gehen. Kleidung, Gang, lauter Tonfall verraten sofort, die sind aus irgendeinem anderen Grund hier als die anderen Cruiser, mich eingeschlossen.

Ich sehe die zwei auf einen Mann etwa meinen Alters zugehen, der sich gerade in sein Auto flüchten will. „Ey, was suchst du hier?!“ Wieder die gleiche aggressive Stimme, der in eine Frage gekleidete Vorwurf, als würde er sein Revier verteidigen. Die Arme in die Hüften gestemmt baut er sich ihm auf, hindert ihn daran, seinen Wagen zu öffnen.

‘Ach, lass doch den Scheiß!’, höre ich seinen Kumpel rufen, fast zeitgleich den Autofahrer sagen „Ach, lass mich doch in Ruhe.“

Sekundenbruchteile später geht der Mann zu Boden, liegt zusammengekrümmt neben seinem Wagen. ‘Mann, nu lass doch den Scheiß!’ Der Kumpel des Schlägers versucht diesen an weiteren Schlägen, Tritten zu hindern. Sie sehen sich an. Ich brülle irgendetwas, keine Ahnung mehr heute, dann schreie ich laut „Polizei, Hilfe!“
Beide Typen sehen zu mir herüber. Einen Moment wird mir flau im Magen. Was, wenn die sich jetzt auf mich stürzen? „Polizei, Hilfe!“ schreie ich nochmal. Es ist merkwürdig ruhig geworden auf dem Platz, fast leer, wie von der Dunkelheit verschluckt sind die meisten Cruiser so plötzlich wie sie auftraten wieder von der Bühne verschwunden.

‘Lass uns abhauen, komm!’ Wieder höre ich den Kumpel des Schlägers, sehe, wie er versucht ihn wegzuziehen. Der sieht kurz auf, zu mir herüber, beide laufen weg, Richtung Straße. Ich laufe zu dem Mann, der immer noch zusammengekrümmt vor seinem Wagen liegt.

„Ich kann nichts sehen“ wimmert er immer wieder. Ich sehe im Halbdunkel Blut von seiner Schläfe laufen.
Nur ein junger Mann hat sich zu uns gesellt, ansonsten ist der Parkplatz nun leer, unschuldig fast, als sei hier nie etwas anderes geschehen als Parken. „Hast du ein Handy?“ frage ich ihn. Er nickt. Wir rufen Polizei und Krankenwagen herbei, beide benötigen fast ¼ Stunde. Endlich wird der Zusammengeschlagene, der sich inzwischen wieder etwas erholt hat, von einem Krankenpfleger versorgt. Zwei Polizeibeamte nehmen unsere Daten auf. Die beiden jungen Männer sind längst über alle Berge.

Auch wenn viele es nicht (mehr) wahrhaben wollen, Gewalt gegen Schwule gibt es immer noch, auch im ‘Homo-Paradies Berlin’.

Solltest du selbst betroffen sein oder Zeuge eines Überfalls werden, melde dies, der zuständigen Polizeidienststelle, mindestens aber dem Überfalltelefon (in Berlin: Maneo, täglich 17:00 bis 19:00 Uhr, Tel. 216 33 36).