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Coronographien 23 – RKI Corona Datenspende App

Mit der Corona Datenspende App will das Robert Koch Institut RKI auf freiwilliger Basis Vitaldaten erfassen, um die Verbreitung bestimmter Sypmtome besser erkennen zu können.

Corona Datenspende App des RKI

Die Corona Datenspende App funktioniert in Kombination mit Smartwatches (Fitnessuhren) und Fitnessarmbändern. Diese zeichnen in der Regel Vitaldaten auf. Bei akuten Atemwegserkrankungen ändern sich diese Vitaldaten. Symptome einer akuten COVID-19 – Erkrankung könnten durch die App erkannt werden.

Die App ist kein Test auf Infektion mit dem Coronavirus. Die Nutzer selbst werden nicht über eine mögliche Infektion informiert.

Corona Datenspende App (Screenshot corona-datenspende.de, RKI)

Die Corona Datenspende App soll damit dazu beitragen, Infektionsschwerpunkte zu erkennen. Sie dient nicht dem Tracking von mit dem Coronavirus Infizierten. Für das Tracking entwickelt das RKI eine eigene App.

„Wenn in einer ausreichend großen Stichprobe die Anzahl der symptomatischen Patienten erfasst werden kann, könnte uns das dabei helfen, früher Rückschlüsse auf Infektionsgeschehen, Verbreitung und auch auf die Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen zu ziehen.“

Prof. Lothar Wieler, Leiter des RKI

Über die App werden folgende Nutzerdaten erhoben:

  • Postleitzahl
  • Körperdaten: einmalig Geschlecht, Alter, Größe, Gewicht
  • Automatisch und manuell erfasste Aktivitäten des Fitnessarmbands, wie bspw.: Sport (bspw. Fahrradfahren, Laufen), Schlafen und Schlafphasen, Aktivsein (bspw. Gehen, Aktivität), Ruhezeiten
  • Automatisch und manuell erfasste Vitaldaten des Fitnessarmbands, wie bspw.: Puls, Herzratenvariabilität, Stress, Temperatur, Gewicht, Blutdruck

Die Nutzerdaten werden pseudonymisiert erhoben (individuelle NutzerID, Pseudonym), eine Identifizierung der Person sei nicht möglich. Name oder Anschrift oder andere identifizierende Daten werden nicht erhoben.

Unterstützt werden alle über GoogleHealth oder AppleHealth verbundenen Geräte.

Entwickelt wurde die App vom E-Health- Unternehmen Thryve (mHealth Pioneers GmbH), einem 2016 aus dem Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung ausgegründeten Berliner StartUp, in Zusammenarbeit mit dem RKI. Der Bundesdatenschutzbeauftragte wurde einbezogen.

Die Daten gehen TSL/SSL-verschlüsselt zentral an das Robert Koch Institut. Sie werden aufbereitet und in eine interaktive Karte auf PLZ-Ebene umgestezt.

Mobilfunk- oder Ortungsdaten werden nicht erhoben.

Die Corona Datenspende App steht für iOs und Android zur Verfügung. Am Tag des Starts der App war die zugehörige Internetseite allerdings zeitweise nicht erreichbar. Das RKI räumte Probleme ein, eine Lösung sei in Arbeit.

Bis 9. April 2020 haben bereits über 160.000 Personen die App installiert, so RKI-Wissenschaftler Dirk Brockmann. Am 14.4. berichtete RKI-Chef Prof. Wieler, die App sei bereits über 300.000 mal heruntergeladen worden. Inzwischen (20.4.) nutzen über 400.000 Personen die App.

Kritik an der Corona Datenspende APP

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz Ulrich Kelber zeigte sich im t3n Podcast frühzeitig skeptisch gegenüber dem Namen der App ‚DatenSpende‘. Es sei keine Spende, das Einverständnis könne jederzeit zurück genommen werden und die Daten gelöscht werden.
Seine Behörde sei erst relativ spät im Prozess eingebunden worden. Vorläufig sehe die Behörde eine datenschutzkonforme Umsetzung der App als möglich an.

In einem interview (Link) bestätigte Kelber, der Bundes – Datenschutzbeauftragte sei vom RKI erst sehr spät einbezogen worden. Man habe nur wenige Hinweise geben können. Das RKI habe Nachbesserungen zugesagt. Auch kelber bemängelte den vom CCC beklagten möglichen Zugriff auf Klarnamen.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) bezeichnete die Corona Datenspende App am 9. April 2020 als ‚schlecht gemacht‚. Sie erfülle „im Hinblick auf Datenschutz und IT-Sicherheit nicht die grundlegenden Anforderungen“. Zudem sei der Code proprietär und nicht öffentlich frei zugänglich.

deutliche Kritik vom CCC – Risiken „auf Dauer nicht hinnehmbar“

Der Chaos Computer Club CCC stellte in seiner Sicherheits-Analyse vom 19. April 2020 (hier als pdf) bei der Datenspende App zahlreiche Sicherheitsprobleme fest. Das RKI sei von sich aus nicht transparent genug gewesen.

Die Daten würden nicht direkt von Smartphone, sondern vom Fitnesstracker per Cloud direkt geholt. Erst anschließend erfolge die Pseudonymisierung beim RKI. Prinzipiell sei damit sogar der Zugriff auf den Klarnamen möglich.

Es würden mehr Daten gespeichert als notwendig, Hürden für Angreifer seien zu niedrig. Pseudonymisierung und Datenfluss seien sehr intransparent. Selbst bei Deinstallation der App laufe die Datenspende im Hintergrund weiter (CCC: „Abofalle Datenspende„), statt automatisch beendet zu werden (Tipp: Zuigangsberechtigung in den System-Einstellungen entziehen).

CCC bezeichnete die bestehenden Risiken als „auf Dauer nicht tragbbar„.
Der CCC hat sich bereits vor Veröffentlichung App-Entwickler und RKI über seine Analyseergebnisse informiert.

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Der Europäische Datenschutz-Ausschuss betonte in einer Stellungnahme „Die Anonymisierung erlaubt die uneingeschränkte Nutzung der Daten, aber pseudonymisierte Daten fallen immer noch in den Geltungsbereich des DSGVO.

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Doe Coronavirus Epidemie schafft auch allgemeine Bereitschaft für den Gedanken der Datenspende, Gesundheitsdaten für die Forschung zur Verfügung ztu stellen – ein Gedanke der nicht neu ist:

Corona Datenspende App: Geschichte des Gedankens der Datenspende im Gesundheitswesen

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Coronographien 22 – PEPP-PT oder DP-3T als Basis für Coronavirus Tracing App

Am 1. April wurde ein paneuropäisches Projekt vorgestellt, das PEPP-PT als Basis für Coronavirus Tracing App Lösungen. Am 7. April 2020 soll die Basis-Software präsentiert werden. Sie soll auch Grundlage der Coronavirus Tracing App des RKI (Corona App) werden, mit der für Mitte Ende April gerechnet wird.

Pan European Privacy-Protecting Proximity Tracing (PEPP-PT)

Am 1. April 2020 berichten diverse Medien ausführlich über die Technologie. Es handele sich um ein europäisches Projekt unter den Namen „Pan European Privacy-Protecting Proximity Tracing“ (PEPP-PT).

PEPP-PT als Basis für Coronavirus tracing App-  Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing  (screenshot)
PEPP-PT als Basis für Coronavirus tracking App – Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing (screenshot)

Beteiligt sind an der gemeinsamen Initiative 17 Institute und Firmen. Sie stammen neben Deutschland auch aus Belgien, Dänemark, Frankreich (wo die App StopCovid und das Protokoll (der zentralen Lösung) Robert (ROBust and privacy-presERving proximity Tracing protocol) genannt wird), Italien, Österreich, Spanien und der Schweiz. (vgl. Übersicht Coronavirus tracing Apps in Europa)

Großbritannien hingegen plant eine eigene App. Diese soll ebenfalls über Bluetooth arbeiten und über opt-in verfügen. Beteiligt ist u.a. das Big Data Institute der Universität Oxford. Der NHS werde einen Ethik-Rat einsetzen, der das Projekt begleite.
Eventuell werden das europäische und das britische System interoperabel sein.

Das Projekt entwickelt im eigentlichen Sinne keine App, sondern eine technologische Basis dafür. Es stelle den möglichen ‚backbone für digitale Kern-Komponenten‘ europäischer COVID-19 Coronavirus Tracking Apps dar (‚Referenzimplementierung‘) , so der Unternehmer Hans-Christian Boos, Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung. Auf dieser Grundlage würden dann nationale Apps geschaffen. Diese werden von dem neu entsteheden Konsortium zertifiziert. Die einzelnen Länder-Versionen sollen unter einander interoperabel sein (Erleichterung von Grenzöffnungen). Zusätzlich will PEPP-PT eine Referenz-Implementierung entwickeln.

Das kalifornische Unternehmen Palantir soll bereits ein Angebot für die Realisierung abgegeben haben, berichtet ND. Palantir sei bekannt für Zusammenarbeit mit der CIA und deutschen Sicherheitsbehörden.

PEPP-PT selbst will sich als non-profit Organisation mit Sitz in der Schweiz konstituieren.

Die Basis-Software PEPP-PT soll am Dienstag 7. Ende April vorgestellt werden. Launch einer deutschen Coronavirus Tracking App des RKI könnte nach Ostern im Mai sein.

100 Soldaten testen die technologische Basis derzeit in einer Berliner Kaserne auf Praxistauglichkeit.

Der Quellcode soll später offen gelegt werden unter open source Lizenz der Mozilla Foundation.

Bluetooth LE – Distanz statt Position als Grundlage der Risikobewertung bei PEPP-PT

Grundidee von PEPP-PT: relevant ist die Frage von Kontakten mit hohen Coronavirus – Übertragungsrisiko. Dies ist der Fall bei Abstand von weniger als 1,50 m zwischen zwei Personen (Distanz) für mehr als 15 Minuten (Zeitraum). Nicht relevant ist der konkrete Ort (Position).

Die App arbeite rein über Bluetooth LE, Standortdaten und Bewegungsprofile z.B. über GPS werden nicht genutzt. Sie arbeitet mit einer temporär generierten ID, die keinerlei Rückschlüsse auf Person oder Gerät zulassen soll. Der Einsatz sei freiwillig.

Bluetooth LE (LE = low energy; auch BLE oder Bluetooth Smart genannt) ist eine Erweiterung des Bluetooth Standards. Bei deutlich geringerem Stromverbrauch (und neidrigerer Übertragungsgeschwindigkeit) besteht eine Reichweite bis 10 Meter. Bluetooth LE wird z.B. in Fitness Trackern eingesetzt.
Bluetooth LE hat neue Protoikolle hinzugefügt. Geräte mit Bluetooth LE können 4 Rollen haben, Observer (nur Empfang von Daten), Broadcaster (nur Senden von daten), Peripheral (als Slave Verbindungsanfragen senden) oder Central. Anders als bei Bluetooth wird bei Bluetooth LE sowohl key manager als auch security manager beim Host aufgesetzt. Verschiedene security modes sind möglich. Bluetooth LE gilt als sicherer als das ‚alte‘ Bluetooth. Wie Bluetooth selbst ist jedoch auch Bluetooth LE nicht frei von Sicherheitsproblemen (allerdings ist bei der Bewertung zu bedenken dass der ‚Angreifer‘ in Funkreichweite sein muss).
Wegen des geringen Stromverbrauchs kann Bluetooth LE permanent eingesetzt werden und wird z.B. für Wearables, Sensoren / Internet der Dinge (IoT) und proximity sensing (PXP) genutzt.

Bluetooth muss für die Verwendung von PEPP-PT dauerhaft aktiviert sein. Gemessen wird der Abstand zwischen Geräten und die Dauer des Kontakts (proximity tracking).

zentral oder dezentral?

PEPP-PT als Basis für Coronavirus tracing App verfolgte zu Beginn prinzipiell sowohl einen zentralen als auch einen dezentralen Ansatz.

Welcher Ansatz sinnvoller ist, ist unter Datenschützern umstritten. Zahlreiche Experten befürchten, ein zentraler Ansatz erleichtere eine De-Anonymisierung.

Laut Medienmeldungen entbrannte Mitte April allerdings projektintern ein Streit über die Frage des dezentralen (DP-3T, Decentralised Privacy-Preserving Proximity Tracing) oder zentralen Ansatzes. Bei DP-3T verbleiben persönliche Daten auf dem Mobiltelefon des Nutzers. Bei PEPP-PT und dem (besonders von Frankreich und bis 25.4. Deutschland verfolgten) Protokoll ROBERT hingegen werden alle Daten bei einem Backend-Server der nationalen gesundheitsbehörde zusammengeführt.

Die Bundesregierung soll deutlich Druck zugunsten eines zentralen Ansatzes ausgeübt haben. Auch die französische Regierung soll ein zentrales Modell bevorzugen. Das EU-Parlament hingegen hat sich für eine dezentrale Lösung ausgesprochen.
Am 24.4. bestätigte eine Regierungssprecherin erneut die Präferenz für das zentrale Modell.

Mitte April 2020 warnten über 300 Wissenschaftler aus 26 Ländern vor der zentralen Speicherung.
Am 23. April warnten auch in Deutschland 6 Digital-Vereine, darunter der CCC und Stiftung Datenschutz, in einem gemeinsamen offenen Brief deutlich vor den angestrebten zentralen Konzept und einem ’nationalen Alleingang‘. Die derzeitigen Pläne seien ‚hochproblematisch‚. „Dem zentralen Ansatz müssen wir vertrauen, ohne ihn kontrollieren zu können„, kritisierte Linus Neumann, Sprecher des CCC.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Ulrich Kelber bezeichnete in einem Interview ebenfalls die dezentrale Variante als datenschutzfreundlicher und datenminimierender. Eine Veröffentlichung als open source sei der beste Weg.

Auch die Unterstützung von Google und Apple orientiert sich am die dezentrale Lösung (Protokoll 1.1 ist dezentral). Zunächst soll ab 28. April 2020 eine API (Schnittstelle) zur Verfügung stehen, später soll die direkte Einbettung von proximity tracing ins Betriebssystem folgen.
Dies wirft die Frage auf, wie zuverlässig dann eine zentrale Lösung laufen kann.

Am 25. April wurde ein deutlicher Richtungswechsel der Bundesregierung bekannt. Kanzleramtsminister Braun bestätigte in einem Interview, dass die Beteiligten nun „eine dezentrale Architektur vorantreiben, die die Kontakte nur auf den Geräten speichert und damit Vertrauen schafft„. Es werde eine App entwickelt, die die „in Kürze zur Verfügung stehenden Programmierschnittstellen der wesentlichen Anbieter von mobilen Betriebssystemen nutzt und gleichzeitig die epidemiologische Qualitätssicherung bestmöglich integriert„, so Gesundheitsminister Spahn. Die weitere Entwicklung wird nicht mehr vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (Entwickler des zentralen Systems) vorangetrieben.

Der Chaos Computer Club, der das bisherige Festhalten an einer zentralen Architektur deutlich kritisiert hatte, begrüßte die Entscheidung.

Die bereits in Österreich eingeführte (und als open source veröffentlichte) Tracing App des Roten Kreuzes setzt ebenfalls auf die dezentrale Lösung DP-3T.

Datenschutz und Privatsphäre

Medien zitieren Thomas Wiegand, Leiter des FFI

„Wir haben extrem viele Designaspekte so gewählt wie sie sind, damit die Privatsphäre gewahrt bleibt.“

„Wir messen nur Abstand und Zeit. Es ist egal, wer sich getroffen hat. Es ist egal, wo sie sich getroffen haben.“

Prof. Dr. Thomas Wiegand, Direktor Fraunhofer Heinrich Hertz Institut

Die Daten werden für 21 Tage gespeichert. Es sollen keine persönlichen Daten erfasst werden.

Die App sei völlig GDPR konform (General Data Protection Regulation = DSGVO Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union).

Der Bundesdatenschutzbeauftragte (seit 17. März) sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) haben die Entwicklung von PEPP-PT begleitet.
Da noch nicht alle Entscheidungen getroffen seien, könne aber noch keine grobe Entscheidung zur Datenschutz-Konformität getroffen werden, erklärte Bundsesdatenschutzbeauftrager Ulrich Kelber am 10.4.

Im Fall eines positiven Coronavirus Tests (der von Ärzten oder Labors verifiziert werden kann) könne die betreffende Person freiwillig ihre Daten auf einen Server hochladen. Erst dann würde – mit Zustimmung der Person – auf dem Server gespeichert, welche anderen temporärten IDs Kontakt zu dieser ID hatten. Eine Entschlüsselung dieser IDs und Zuordnung zu Personen sei nicht möglich.

Daraufhin werde nur eine Warnung weitergeleitet, dass in der Vergangenheit möglicherweise ein Infektionsrisiko bestanden habe. Die betreffende Person könne sich dann testen lassen und in Quarantäne gehen (womöglich überwacht durch eine Corona Quarantäne App).

Für Überwachung, etwa von Auflagen oder Quarantäne, sei die technologische Basis dezidiert nicht vorgesehen.

Ein Vorteil einer App-Lösung könnte sein, dass so ein Aufspüren von Kontaktpersonen wesentlich schneller und umfassender erfolgen könnte als bei manueller Ermittlung von Kontaktpersonen.

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Juristen wie Dr. Ulf Buermeyer (Vorsitzender Gesellschaft für Freiheitsrechte) und Christian Thönnes zeigten sich – auf Basis der Beurteilung des Konzepts, nicht der fertiogen Software oder App – „vorsichtig optimistisch“, dass PEPP-PT in der Lage sein könnte, Infektionsschutz und Datenschutz miteinander zu vereinen.

Sie ergänzen „Jede Form der Kooperation mit geheimdienstnahen Datenkraken wie dem US-Konzern Palantir – dem konkretes Interesse an Corona-Apps nachgesagt wird – dürften sich etwa von selbst verbieten.“

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„Das ist rechtlich in Ordnung, slange es freiwillig ist und man anonym bleibt.“

Hans-Jürgen Papier, 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, am 2.4.2020 in der SZ auf die Frage, was er von einem solchen (s.o.) Modell halte

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Internetseite von PEPP-PT

Am 10. April 2020 kündigten Google und Apple eine Partnerschaft für eine Berteibssystem-übergreifende Contact Tracing Lösung an. Im Laufe des Main 2020 sollen hierfür Schnittstellen (APIs) entwickelt und bereitgestellt werden, die gegenseitiges Tracking mit Handys beider Betriebssysteme ermöglichen (erste Details hier). Apps von Gesundheitsbehörden sollen auf diese APIs zugreifen können. In einem zweiten Schritt sollen später eigene Bluetooth-basierte Kontaktmessungs- Plattformen direkt in die Betriebssysteme integriert werden. Dies würde eine Kontaktverfolgung aller Nutzer ohne zusätzliche App ermöglichen.

Die EU-Kommission forderte inzwischen ein EU-weit koordiniertes Vorgehen und kündigte bis zum 15. April ein Konzept zur Datenschutz-konformen Umsetzung an

Die Digitale Gesellschaft fordert am 15.4.20 für Corona Apps, „eine vollständige Datenschutzprüfung durchzuführen und diese zu veröffentlichen“.

siehe auch Kann eine Coronavirus Tracing App vertretbar sein?

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Coronographien 21 – kann eine Coronavirus Tracing App vertretbar sein ?

Kann der Einsatz einer Coronavirus Tracing App vertretbar sein in dieser Ausnahmesituation und unter Einhaltung bestimmter Bedingungen? Persönliche Gedanken.

Als eine ExitStrategie, um aus den Ausgangsbeschränkungen durch Kontaktverbote und Ausgangssperren heraus zu kommen gilt vermehrtes Containment zur Senkung der Neuinfektionsrate. Coronavirus-Infizierte sollen durch stark ausgeweitetes Testen aufgespürt und dann durch contact tracing Infektionsketten unterbrochen werden.

Als ein möglicherweise effizientes und sinnvolles Werkzeug des contact tracing gelten Tracing Apps für Mobiltelefone.

In einigen Staaten werden solche Tracking Apps bereits eingesetzt, so dieSingapur Coronavirus Tracking App.

Auch in Deutschland entwickelt das Robert Koch Institut eine Tracing App. Ihre Basis ist das paneuropäische Projekt PEPP-PT.

Doch diese Apps greifen womöglich stark in Freiheits– und Grundrechte ein. Wie verträgt sich die Anwendung von Tracking Apps mit Datenschutz und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung?

Welche grundsätzlichen Möglichkeiten von Tracking Apps es gibt, und wie diese einzuschätzen sind, habe ich hier dargestellt: Tracking von Coronavirus Infizierten.

Auch ausgangsbeschränkende Maßnahne sind starke Eingriffe in Bürgerrechte. Zudem dürften sie über einen längeren Zeitraum nur schwer aufrecht zu erhalten und durchzusetzen sein.

Wenn Tracking Apps hier einen Weg heraus aus diesen Einschreänkuzngen weisen können, gilt es ihren Einsatz ernsthaft zu erwägen. Die Frage ist also in der aktuellen Situation vielleicht nicht „ist eine Coronavirus Tracking App schlecht und abzulehnen?“, sondern eher

„wie kann eine Grundrechte- und Datenschutz- konforme Coronavirus Tracking App aussehen?“

Grund-Anforderungen an eine Coronavirus Tracing App

Standort, Bewegungsverläufe, Kontakt – Tracking betrifft potenziell zahlreiche Daten, die tief die Privatsphäre tangieren. Und die besonderem Schutz unterstehen.

Wie können Grundanforderungen lauten, damit eine Coronavirus Tracking App Privatsphäre– und Grundrechteverträglich sein könnte?

Drei Prinzipien:

  • Dezentralität – Daten sollten nur dezentral verarbeitet und gespeichert werden, keine zentrale Datenspeicherung,
  • Anonymität – Daten nur anonymisiert verwenden (namentlich nicht zuorndbar), und dergestalt, dass sie nicht de-anonymisierbar / re-personalisierbar sind, und
  • Datensparsamkeit Weitergabe nur im Fall einer Infektion, Weitergabe nur ohne Identität von Indexperson oder Kontaktpersonen.

Dies sind Grundanforderungen in Anlehnung an Linus Neumann (Sprecher des CCC) „Corona-Apps“: Sinn und Unsinn von Tracking„.

Neumann skizziert in seinem Text zudem in 6 Schritten, wie eine elegante Lösung aussehen könnte. Er kommt zu dem Schluss

„Die Daten der höchsten Qualität und Aussagekraft lassen sich vollständig anonym und dezentral erfassen.“

Linus Neuman

Weitere Anforderungen kommen hinzu. Generell gilt, die App sollte

  • angemessen,
  • verhältnismäßig
  • transparent (der Nutzer muss wissen, was gespeichert, wie verarbeitet und an wen weitergegeben wird),
  • zeitlich begrenzt speichern (14 Tage?), anschließend rückstandlos löschen, und
  • datensparsam sein.

Die Coronavirus Epidemie wird irgendwann vorüber gehen. Gehen die Grundrechte-Aufweichungen dann auch vorüber?
Um Missbrauch zu verhindern und die Etablierung eines allgemeingültigen Überwachungs-Tools auszuschließen, sollte

  • der zeitlich begrenzte Ausnahme-Charakter eines solchen Trackings muss festgeschrieben sein, und
  • eine automatische Beendigung / Ablauf der Berechtigung inkludiert sein,
  • geregelt sein was mit den Daten nach Beendigung der Epidemie oder Erreichen des vorher definierten Ziels geschieht (Löschung)
  • der Quellcode vollständig frei und ohne Zugangsbeschränkungen zugänglich sein.

Klaus Müller, Vorstand Bundesverband Verbraucherzentralen, formulierte am 11.4. fünf Bedingungen: „freiwillig, geeignet, nötig, verhältnismäßig und zeitlich befristet“.

die Singapur Coronavirus Tracking App ist keine vertretbare Lösung

Die Singapur Coronavirus Tracking App wird häufig als Beispiel einer innovativen Tracking App genannt, die auch mit dem Datenschutz und Grundrechten vereinbar sein könne.

Coronavirus Tracking App vertretbar ? - das Beispiel Singapur
Coronavirus Tracking App vertretbar ? – das Beispiel Singapur (Quelle: https://www.tracetogether.gov.sg/)

Diese App arbeitet (vermeintlich?) nicht mit GPS- Standortdaten, sondern mit Bluetooth und Nähe- Daten.

Peter Schaar, bis 2013 Bundesdatenschutzbeauftragterm, wies darauf hin, dass bei Kombination von Bluetooth und GPS „Anonymität eine Illusion“ sei.

Allerdings erfüllt auch diese App nicht komplett die obigen Grund- Anforderungen. Vermutlich werden Bewegungsdaten gespeichert. Der Querllöcode liegt bisher nicht offen. Im Fall einer Infektion wird in dieser App die Identität der Personen offen gelegt.

Die Singapur Coronavirus Tracking App ist m.E. keine vertretbare Lösung für eine Tracking App…

Vertretbare Möglichkeiten einer Tracing App denkbar?

Doch – sind die Faktoren, die z.B. die Singapur-Lösung m.E. nicht vertrebar machen überhaupt für die Zielerreichung zwingend erforderlich?

Nein, gerade eine Identitäts-Offenlegung ebenso wie Bewegungsprofile sind für das Erreichen des Zwecks der App nicht zwingend erforderlich. Wichtig ist dafür die Tatsache des Kontakts, jedoch weder der Ort des Kontakts noch die Identität der Personen.

Auch ohne Weitergabe persönlicher Daten und von Bewegungsprofilen ist ein Tracing zur Unterbrechung von Infektionsketten möglich – wenn die App entsprechend gestaltet wird.

Wie diese Anonymität und Datenschutz gewährleistende Version einer Bluetooth basierten Tracking App mit strikt dezentraler anonymer Speicherung aussehen könnte, hat Dr. Ulf Buermeyer (Richter am Landgericht Berlin) konkret skizziert: Corona-Tracking & Datenschutz: kein notwendiger Widerspruch.

Eine Umsetzung dieser Anforderungen könnte datenschutzkonform möglich werden mit dem Pan European Privacy-Protecting Proximity Tracing (PEPP-PT).

Die Digitale Gesellschaft fordert für Corona Apps, „eine vollständige Datenschutzprüfung durchzuführen und diese zu veröffentlichen“. Im Fall von contact tracing sei eine umfangreiche Risikobetrachtung notwendig. Bei Anbindung an Infrastrukturen von Google oder Apple seien Vertantwortlichkeiten untereinander zu klären.

Ob eine auf PEPP-PT aufbauende angekündigte Coronavirus Tracing App des RKI die Anforderungen erfüllt, bleibt abzuwarten …

Die Leopoldina – Stellungnahme zu Ausstiegs-Szenarien aus dem Shutdown hingegen schlägt die “Nutzung von freiwillig bereitgestellten GPS-Daten in Kombination mit Contact-Tracing” und von „Bewegungsprofilen“ vor, ohne zu begründen warum GPS-Daten und Bewegungsprofile erforderlich wären und nicht Bluetooth-basierte Verfahren genügen (Stellungnahme Leopoldina, pdf).

bleibt das Problem der Freiwilligkeit

Selbst wenn eine Tracing App dann Grundrechte- verträglich und Datenschutz- konform eingesetzt werden kann – es bleibt eine Frage:

Wie viel Freiwilligkeit ist beim Einsatz einer derartigen App realistisch möglich? Gerade in Zeiten einer Epidemie? Bei sozialem Druck, shaming & blaming ?

Wenn selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bereits in einer Stellungnahme eine App-Pflicht diskutiert?

Auch das FiFF warnt in seiner Stellungnahme (14.4.) vor der Gefahr einer ‚impliziten Nötigung‘ zur Nutzung der App.
Und SPD-Vorsitzende Eskens forderte am 11. Mai, der Einsatz der App müsse erfolgen unter der Maxime “ kein Zwang, keine Anreize, keine Verhaltenssteuerung“.

Jeder Zwang wäre ein fatales Zeichen … erst recht, falls es zu einer Kombination mit einer Corona Quarantäne App käme …

Fragen zur Freiwilligkeit sind z.B.

  • tragen mögliche ‚Incentives‘ für die Nutzung der App (wie Vorteile bei der Lockerung von ausgangsbeschränkenden Maßnahmen) zur Verschärfung dieses Freiwilligkeits-Problems bei?
  • wie kann sichergestellt werden das Nicht-Nutzern der App keine Nachteile drohen ?
  • Und wie kann sichergestellt werden, dass ein zunächst freiwillig eingeführtes Tracing nicht im nachhinein doch noch verpflichtend wird?

die Frage der Aufteilung der Gesellschaft

Wier bekommen absehbar eine Dreiteilung der Gesellschaft – in diejenigen, die immun sind, diejenigen die gerade infiziert oder erkrankt sind, und diejenigen die bisher nicht mit dem Coronavirus infiziert waren.

Drei Gruppen mit sehr unterschiedlichen Interessen – von Epiemiologie und Virologie über Gesellschaft bis Ökonomie.

Wie gehen wir in der Gesellschaft damit um, dass es bald eine Teilung entlang der Virologie geben könnte? Kommt es womöglich zu einem neuen Coronavirus Stigma? Einer Spaltung der Gesellschaft? Haben Bürger:innen die immun sind bald mehr Rechte als die anderen? Z.B. per ‚Immunitätsausweis‚, wie ihn der Bundesgesundheitsminister bereits vorgeschlagen hat? Und für den die Bundesregierung kurz darauf bereits die Voraussetzungen geschaffen hat?
Müssen aktuell Infizierte und Erkrankte gar damit rechnen, mit einem sichtbaren Makel herum zu laufen? Oder wird die App auch dafür eingesetzt, Quarantäne zu überwachen?

Eine Tracking App verursachte diese Frage nicht – sie trägt aber dazu bei sie sichtbar zu machen. Und könnte dazu beitragen sie zu vermeiden oder lindern.

mein persönliches Résumé

Eine Coronavirus Tracing App kann womöglich dazu beitragen, dass ausgangsbeschränkende Maßnahmen und andere in Freiheits- und Bürgerrechte massiv eingreifende Maßnahmen zurückgenommen werden können. Erleichtern wenn nicht ermöglichen dass wir in „ein normales Leben zurückkehren“ können.

Solch eine Tracing App kann vermutlich Grundrechte- und Datenschutz- konform, insbesondere auch unter Wahrung der Anonymität realisiert werden.

Wenn weitere Kriterien erfüllt sind (s.o.), insbesondere die zeitliche Begrenzung, und Fragen wie Stigma und mögliche Dreiteilung der Gesellschaft bedacht werden,

scheint mir persönlich unter diesen Bedingungen und in dieser Ausnahmesituation die Verwendung einer Coronavirus Tracing App vertretbar zu sein.

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CCC 6.4.2020: 10 Prüfsteine für die Beurteilung von „Contact Tracing“-Apps

Reporter ohne Grenzen 6.4.2020: Anonymität und Quellenschutz gewährleisten

FiFF 14.4.2020: Datenschutz-Folgeabschätzung für die Corona App
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Coronographien 20 – Corona Warn App des RKI seit 16. Juni 2020

Seit 16. Juni steht die Corona Warn App des Robert Koch Instituts zur Verfügung. Anfang August 2020 waren weit über 16 Millionen Downloads erreicht. Versionen in anderen Sprachen sollen bald folgen (türkisch, französisch, arabisch, rumänisch, russisch).

Auch das Robert Koch Institut arbeitet an einer contact tracing Anwendung. Die „offizielle COVID-19-App zur Kontaktfallbenachrichtigung“ trägt inzwischen den Namen Corona Warn App. Sie steht seit 16. Juni zur Verfügung.

Doch über diese RKI Tracing App war bis Ende März 2020 wenig bekannt – ganz im Unterscheid zu anderen Systemen. Am 1. April wurde die zugunde liegende technologische Basis PEPP-PT präsentiert. der Launch der App durch das RKI (Betreiber) könnte Ende Mitte April Mai 2020 erfolgen.
Ende April folgte ein Wechsel auf die dezentrale Lösung DP-3T. Zudem sind TCN und die Schnittstelle (API) von Google und Apple Grundlage.

Parallel hat das RKI am 7. April 2020 eine (mit der Tracking App nicht zu verwechselnde) Coronavirus Datenspende App vorgestellt, die dazu dienen soll auf freiwilliger Basis Vitaldaten zu erfassen, um die Verbreitung bestimmter Sypmtome besser erkennen zu können.

Ausgangsbeschränkungen – egal ob Ausgangssperre oder Kontaktverbote – können nicht einzige, dauerhafte Strategie der Bekämpfung der Coronavirus Epidemie sein. Zunehmend wird eine Kombination von stark ausgeweiteter Testung und Tracking von Infizierten über Handy Applikationen diskutiert.

Auch das Robert Koch Institut RKI arbeitet zusammen mit beratender Unterstützung des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) und des helmholtz-Insituts CISPA an einer Coronavirus Tracking App, einem Infektions-Tracker. Das Institut arbeite an dem Infektions Tracker „mit einem Team aus 25 Leuten, die aus 12 Institutionen kommen“, ließ RKI Chef Wieler Mitte März wissen.

Bisher trägt die App noch keinen präganten Namen. Laut Spiegel soll es RKI-intern ‚Kontakte-Nachverfolgungs-Vorhaben‘ heißen.

Corona Warn App  des RKI - RKI Logo
Logo des Robert Koch Instituts

Am 1. April berichten diverse Medien ausführlich über die geplante App. Sie soll auf einer technologischen Basis aufbauen, die als europäisches Projekt unter den Namen Pan European Privacy-Protecting Proximity Tracing“ (PEPP-PT) entwickelt wird.

Die App sei völlig GDPR konform (General Data Protection Regulation = DSGVO Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union).

Die auf PEPP-PT aufbauende Coronavirus Tracing App des RKI soll nach Ostern 2020 (Vorstellung am 14. oder 16. April?) in einer ersten Version einsatzbereit sein. Einer der beteiligten Forscher äußerte am 8. April gegenüber Medien, eine erste Version sei voraussichtlich zwischen dem 15. und 19. April verfügbar.
Am 6. April ließ Helge Braun, Chef des Kanzleramts, wissen, schon in den kommenden Tagen, spätestens Wochen sei die App einsatzbereit – natürlich auf freiwilliger Basis.

Bundesgesundheitsminster Spahn korrigierte am 17. April 2020, mit der App sei eher Mitte Mai zu rechnen (siehe Coronavirus Tracing App Entscheidung).

Nach dem Wechsel auf die dezentrale Lösung DP-3T (siehe PEPP-PT oder DP-3T) bestätigten am 28. April 2020 die Telekom und SAP, an der Entwicklung der App beteiligt zu sein. Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist eng einbezogen.

Die RKI-App solle mit anderen europäischen Anwendungen kompatibel sein. Sie sei wesentlich für die Lockerung von ausgangsbeschränkenden Maßnahmen:

„Dabei spielt die Tracking-App, die dem EU-Datenschutz genügen muss, eine entscheidende Rolle“

Helge Braun, Chef des Kanzleramts, am 6.4.2020

Das Konzept zur Coronavirus tracing App – nun genannt Corona Warn App – wurde am 13. Mai 2020 auf GitHub veröffentlicht. Am 31. Mai 2020 wurde der komplette Quellcode auf GitHub veröffentlicht.

Seit 16. Juni 2020 steht die Corona Warn App zum Download zur Verfügung. Am 18. Juni mittags waren bereits knapp 8 Millionen Downloads erreicht. Am Mittag des 19.6. lag die Zahl bei 9,6 Mio. Am 25. Juni waren 13 Millionen Downloads erreicht. Am 18. Juni wurde ein erstes Update veröffentlicht.
Am 4. August 2020 lag die Zahl der Downloads bei 16,6 Millionen. Bis dahin waren 1.052 Tele-Tans generiert (Warnmeldung, mit einer infiozierten person Kontakt gehabt zu haben).

Versionen in anderen Sprachen sollen bald folgen (türkisch, französisch, arabisch, rumänisch, russisch). Besucher aus dem Ausland können die App auch in den App Stores von elf weiteren europäischen Ländern herunterladen.

Nebeinbei, dank Zero Rating wird der jeweilige Datentarif des Mobilfunkvertrags durch die Nutzung der Corona Warn App nicht belastet.

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Der institutsintere Name ‚Kontakte-Nachverfolgungs-Vorhaben‘ könnte darauf hindeuten, dass echte Bewegungsprofile angedacht sind – was auf eine GPS-Anwendung hindeuten könnte. Mit beträchtlichen Problemen bei Grundrechten und Datenschutz.

In seinen Richtlinien zur Kontaktpersonen­nachverfolgung nennt das RKI für Personen der Kategorie I (höheres Infektionsrisiko) die ‚namentliche Registrierung‚.

Auch um Datenschutz- Probleme zu vermeiden, setzen auch andere Tracking Apps nicht auf GPS und zentrale Lösungen, sondern Bluetooth und dezentrale Anwendung, so wie die Singapur Coronavirus Tracking App.

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Vizekanzler Olaf Scholz berichtete am 29. März 2020 in einer TV Talkshow ohne konkreten Verweis auf die RKI Tracking App, es werde „intensiv daran gearebeitet, eine technische Platform zu entwickeln“. Er sprach von freiwilliger Teilnahme, er „gehe davon aus dass das ziemlich jeder machen würde“.

siehe auch Kann eine Coronavirus Tracing App vertretbar sein?

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Coronographien 19 – ein Gedankenexperiment

Machen wir in Gedanken eine kleine Zeitreise. Zurück in die Jahre der Anfänge der Aids-Krise, Ende der 1980er Jahre.

Ein ‚Gesundheits-Berater‘ einer Landesregierung hatte eine Idee. Für die er bald die Unterstützung erst der Landesregierung, schnell aber auch des Bundes fand. Er fragte sich, wie kann man andere Menschen davor warnen, dass sie sich gerade einem HIV-Infizierten nähern. Die einfache Idee: wer weiß dass er gerade nahe einem HIV-Infizierten steht, wird sich sicherlich selbst schützen.

Und so werden ab dem Tag X (wir sind in den 1980er Jahren) alle HIV-Infizierten des Landes verpflichtet, eine Glocke um den Hals zu tragen. Damit jeder der sich ihnen nähert schon vom Läuten der Glocke die Warnung hören kann: ah, da steht einer der hat HIV, der ist infiziert. Von dem halt ich mich besser fern.

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Was für eine Idee, was haben sie denn konsumiert, denken sie. Nicht einmal dem G. wäre eine solche Idee ernsthaft gekommen, und auf den Straßen hätten wir protestiert und wären dagegen vorgegangen. Niemals wäre so etwas realisiert worden. Höchstens hätte ein Textilkonzern die Idee aufgegriffen und daraus eine die Aufmerksamkeits-Ökonomie nutzende Werbekampagne gemacht …

Oliviero Toscani im Sommer 2007 (Foto: Leandro Emede)
Schöpfer der Werbekampagne 1993 mit dem HIV-positiv Arsch Tattoo – Oliviero Toscani im Sommer 2007 (Foto: Leandro Emede)

Und?

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Das haben Sie sich aber fein ausgedacht … denken Sie jetzt womöglich immer noch.

Nun ja.

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„die App aus Hannover [soll] einzelne Nutzer warnen, falls sie sich länger in der Nähe von Infizierten aufgehalten haben“

Spiegel, 20.3.2020

berichtet der Spiegel über die GPS-basierte Tracking-App GeoHealth, die in Hannover entwickelt wird, in Kooperation mit dem Unternehmen UbiLabs aus Hamburg. Unter der Leitung von Oberarzt Dr. Gernot Beutel, Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wird eine App erstellt, die aus Bewegungsprofilen prüft, ob man sich ‚an einem Risiko-Ort aufgehalten‘ hat.

„Ein rotes Ampelsymbol würde bedeuten: Achte auf Symptome und lass dich testen. Ein grünes Ampelsymbol dagegen würde nicht heißen, dass man definitiv sicher ist, aber wenigstens, dass es derzeit keinen konkreten Hinweis auf eine Ansteckung gibt.“

Spiegel, 20.3.2020

Die App könne „wie eine elektronische Impfung wirken“, zitiert der Spiegel Dr. Beutel.

Am 26. März wurde bekannt, dass Dr. Beutel sich von seinem Kompagnon Maxim Gleser getrennt habe. Beutel wolle die Weiterentwicklung aus Gründen des Datenschutzes nicht weiter verfolgen.
Sein Kollege Maxim Gleser, ein 25jähriger Medizin-Student und StartUp-Gründer, hat weniger Bedenken … die Entwicklung geht weiter…

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Eine ‚elektronische Impfung‚, die schützt – vor Infektion? Eine Coronavirus Tracking App die vor Infizierten warnt ? Vor sozialer Nähe? Eine Prise Coronavirus Stigma?

Viele Frage … und ein übler Beigeschmack … eine Erinnerung … da war doch was …

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Mir ist bewusst, dass die Infektion mit einem sexuell übertragbaren Virus etwas anderes ist als ein Coronavirus. Mir geht es darum zu fragen, welche Wirkungen solch eine Warn-App haben könnte …

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Fotografie Ulli

selfie in blau

selfie in blau, März 2020
selfie in blau, März 2020

selfie in bau – Beitrag zum Foto Marathon Corona Blau von Adelheid Demmer

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Coronographien 18 – Tracking von Infizierten

Tracking von Infizierten – Mit Fortschreiten der Coronavirus Epidemie gewinnt eine zweite Strategie an Bedeutung: mit dem Coronavirus infizierte Menschen erfassen und ihre Kontakte aufspüren. Ziel: weitere Infektionen zu verhindern und Quarantäne durchzusetzen (vgl. Corona Quarantäne App) und zu überwachen. Wie könnte ein Tracking vorgenommen werden? Und kann ein Coronavirus Tracking von Infizierten überhaupt konform mit Grundrechten erfolgen, und wenn ja wie?

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen wie Ausgangssperren und Kontaktverbote werden sich in der Bekämpfung der Coronavirus Epidemie nicht auf Dauer aufrecht erhalten lassen. In der Folge wird neben großflächigen Tests vor allem das Unterbrechen von Infektionsketten an Bedeutung gewinnen.

Hier kommt das contact tracing (früher: Umgebungsuntersuchung) ins Spiel. Das Ziel: möglichst jede mit dem Coronavirus infizierte Person finden ( -> massive Ausweitung von Test), und dann die Übertragung auf andere Personen verhindern.

Coronavirus Tracking von Infizierten per Handy App ?
Coronavirus Tracking von Infizierten per Handy App ? (Quelle: https://www.tracetogether.gov.sg/)

contact tracing

Um die Übertragung des Coronavirus von einer infizierten Person (IndexPerson) auf andere zu verhindern oder zu begrenzen, wird beim contact tracing vesucht, alle Personen zu ermitteln, die mit der Index-Person (infektionsrelevanten) Kontakt hatten, um diese zu informieren, zu beraten und zu testen und im Bedarfsfall zu behandeln.

contact tracing ist ein seit langem etabliertes Verfahren und z.B,. bei Tuberkulose eingesetzt. Dennoch ist die Methode nicht unumstritten (z.B. bei sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten wie HIV u.a. wegen Rückschlüssen auf Sexualverhalten und -Partner).

contact tracing per Handyüberwachung

Niemand weiß theoretisch besser, wo wir uns aufhalten und mit wem wir wie engen Kontakt haben als unser Handy (im Idealfall des Epidemiologen: das Smartphone). Es kennt unseren Standort, weiß oft auch mit wem wir uns wann und wo treffen, wie wir uns wann wo bewegen, und wer alles zu unseren Kontakten gehört.

Daten, die Epidemiologen zu gerne nutzen würden – unter anderem für contact tracing um Infektionsketten aufzuspüren und zu unterbrechen. Coronavirus Infizierte überwachen ?

Doch – diese Daten gehören in den sensibelsten Bereich unserer Privatsphäre und sind durch Grundrechte geschützt, bis hin zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

„Wenn es darum geht, flächendeckend Bewegungsprofile zu erstellen und auszuwerten, dann ist für mich die Grenze des Zulässigen überschritten.“

Hans-Jürgen papier, 2002 – 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, am 2.4.2020 in der SZ

contact tracing per Handyüberwachung und das Grundrechte-Problem

Handyüberwachung und Bewegungsprofile eines Mobilfunknutzers – dazu bedarf es letztlich zunächst nur seines Standort.

contact tracing per Funkzellenabfrage

Der Standort des Handys ist leicht zu ermitteln aus der Funkzelle bzw. dem Standort des Mobilfunkmasts, an dem das Handy ins Netz eingebucht ist (Triangulation dreier Masten).
Vorteile: Diese Daten hat der Mobilfunkanbieter betriebsbedingt verfügbar. Funktioniert selbst bei einfachsten Handys die kein Smartphone sind, die kein GPS haben.
Nachteile: hohe Ungenauigkeit (Funkzellen können einen Durchmesser von mehreren Kilometern haben), keine genaue Standortermittlung möglich. Verfassungsrechtlich höchst problematisch.

contact tracing per GPS (Galileo, Glonass, Beidou etc.)

Moderne Handys (Smartphones) haben in der Regel Ortung (GPS, Galileo etc.). Standort und Bewegungsprofil lassen sich hieraus einfach ermitteln.
Vorteil: Daten breit vorhanden. Präzisere Standortdaten als bei Funkzellen-Abfrage.
Nachteile: Daten nicht beim Provider vorhanden, sondern beim Mobilfunknutzer. In Gebäuden und Ballungsräumen vergleichsweise ungenau bis nutzlos. Verfassungsrechtlich höchst problematisch.

contact tracing per Bluetooth

In der Öffentlichkeit weniger bekannt doch in diversen Einsatzbereichen angedacht oder in Erprobung: Standortermittlung oder Mikro-Ortung per Bluetooth. Im Einzelhandel könnten so z.B. Kunden zur beworbene Ware dirigiert werden. Bluetooth kann Daten nur über kurze Distanzen übermitteln.
Vorteil: Technik breit verfügbar, in nahezu jedem Smartphone vorhanden (deaktivierbar).
Nachteil: Nur Datenübermittlung über kurze Distanz.

Grundsätzlich werfen alle contact tracing Verfahren große Probleme bei Datenschutz und Grundrechten auf.

„Bisher fehlt jeder Nachweis, dass die individuellen Standortdaten der Mobilfunkanbieter einen Beitrag leisten könnten, Kontaktpersonen zu ermitteln, dafür sind diese viel zu ungenau.“

Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für Datenschutz, Tweet 22.3.2020

Zu den datenschutzrechtlichen Fragen zählen auch:

  • Ist die Anwendung angemessen, verhältnismäßig und so datensparsam wie möglich?
  • Werden personenbezogene Daten gespeichert? Wo (dezentral? zentral?)?
  • Wer hat mit welcher rechtlichen Grundlage Zugriff auf die Daten?
  • Sind die Daten anonymisiert? Und nicht re-personalisierbar?
  • Was geschieht mit den Daten nach der Epidemie?
  • Hat die Befugnis (Gesetz, Verordnung) eine streng begrenzte Gültigkeit?
  • Wie wird sichergestellt dass eine als Ausnahme eingeführte Überwachungsmöglichkeit nicht die Regel wird, nicht dauerhaft genutzt wird?

Die Datenschutz- und Grundrechte- Probleme versucht die Singapur Coronavirus Tracking App zu umschiffen. Sie ermittelt nicht (über GPS oder Funkzellen) einen absoluten Standort, sondern ’nur‘ relativ, welche anderen Handys in der Nähe sind (und damit: welche Kontakte der Nutzer hat. Diese Daten werden verschlüsselt gespeichert. Bewegungsprofile werden nicht erstellt, sondenr nur relative Distanzdaten.
Erst falls der Nutzer mit dem Coronavirus infiziert ist (Indexperson), werden die Daten an contact tracer bei den Gesundheitsbehörden übermittelt und entschlüsselt. Anschließend werden daraus die Kontaktpersonen dieser Indexpersonen ermittelt, informiert und getestet. Indexperson und infizierte Kontaktpersonen müssen in Quarantäne.

Auch dieses contact tracing Verfahren arbeitet mit Standortdaten, Bewegungsprofilen und weiteren persönlichen Daten. Und wirft damit grundrechtlich gravierende Fragen auf.
Es sei denn, es wird auf freiwilliger Basis eingesetzt …

Freiwilligkeit als Ausweg?

In Singapur wird seit 20. März mit der Singapur Coronavirus Tracking App gearbeitet. Ihre Verwendung ist freiwillig, wird staatlicherseits aber dringend empfohlen.

Auch das Robert-Koch-Institut arbeitet gemeinsam mit einem Fraunhofer Institut an einer Tracking App – die ebenfalls auf ‚Freiwilligkeit‘ setzt.

Und Bundesjustizministerin Lambrecht äußerte am 31. März, sie halte den Einsatz einer Tracking App für denkbar – anonymisiert, und wenn dieser denn auf Freiwilligkeit beruhe.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, eine solche App müsse „freiwillig, geeignet, nötig, verhältnismäßig und zeitlich befristet sein“.

Freiwilligkeit als Lösungsstrategie für grundrechtliche Probleme?

Wie viel Freiwilligkwit ist möglich? Gerade in Zeiten einer Epidemie? Bei sozialem Druck, shaming & blaming etc.?

Und spätestens wenn die Verwendung einer solchen contact tracing App mit Incentives ‚belohnt‘ würde (Ausgangsbeschänkungen unter Auflagen reduziert z.B. per ‚Immunitätsausweis‚), wäre es mit der Freiwilligkeit nicht weit her …

Tracking als Ausweg aus Ausgangssperren ?

Ausgangssperren werden sich nicht dauerhaft aufrecht erhalten lassen. Und sind zunehmend nicht für alle begründbar. Wer bereits infiziert war und immun ist – warum sollte der noch Ausgangssperren befolgen? (1)

Je mehr Infizierte ermittelt und isoliert, Infektionsketten unterbrochen werden können, desto leichter könnten Ausgangsbeschränkungen gelockert werden – ist ein Denkmodell.

Weitere Möglichkeit: eine App könnte auch genutzt werden, um auszuweisen dass der Besitzer immun ist. Und dies anzeigen, um so z.B. mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen …

„FDP- Politiker Frank Sitta (Fraktions- Vizevorsitzender) schlägt genau dies schon vor: „Nachweislich immunisierte Personen könnten sich dann zum Beispiel auf ihrem Handy ausweisen, womit ihnen auch die Bewegungsfreiheit in sensibleren Gebieten gewährt werden könnte“

Frank Sitta, FDP

Womit die Frage Coronavirus und Stigma auch wieder auf der Tagesordnung wäre …

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Die Frage ist also vielleicht: Ist der Einsatz einer Coronavirus Tracking App tertretbar, und unter welchen Bedingungen?

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(1) Eine Immunität nach erfolgreich überstandener Infektion mit Sars-CoV-2 gilt Virologen als sehr wahrscheinlich. dass eine Immunantowrt erfolge, sei nachgewiesen, ihre Dauer sei hingegen bisher nicht bekannt. Ein verlässlicher Antikörper-Test befindet sich noch in der Entwicklung.

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Robert Koch Institut: Kontaktpersonen­nachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2

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Dank an Frank und an Jan für Anregungen !

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Coronographien 17 – Singapur Coronavirus Tracking App

Singapur nutzt eine Smartphone App, um die Ausbreitung des Coronavirus zu kontrollieren. Mit dem Virus Infizierte werden Kontaktpersonen von Infizierten ermittelt.

Aufgezeichnet wird mit der App, mit wem die mit dem Coronavirus infizierte Menschen in Kontakt waren. So sollen Kontaktpersonen gezielt und schnell ausfindig gemacht und in Quarantäne geschickt werden.

Singapur Coronavirus Tracking App
Singapur Coronavirus Tracking App – ‚trace together‘ (Quelle: https://www.tracetogether.gov.sg/)

TraceTogether heißt die staatliche App. Ihr Ziel: die Kontakte derjenigen Bürger zu überwachen, die mit dem Coronavirus infiziert sind.

In Singapur ist die Nutzung der App freiwillig. Sie wird den Bürger:innen der Stadt allerdings dringend angeraten.
Allerdings kündigten die Behörden bereits im September 2020 an, die Nutzung der Corona Tracing App zukünftig verpflichtend vorzuschreiben. Hierzu wurden auch Bluetooth Wearables (Beacon) eingeführt.

Die Nutzer müssen explizit einwilligen in die Teilnahme am Programm sowie in die Speicherung und Nutzung ihrer Mobilfunknummer und Daten für Bewegungsprofile (contact tracing). Der Name des Nutzers selbst wird nicht erhoben. Diese Einwilligung erfolgt bei Erst-Installation der App.

Start war am 20. März 2020. Entwickelt wurde die App von Singapurs staatlicher Government Technology Agency (GovTech).

So genannte Contact Tracer beim Gesundheitsministerium können dann von den Nutzern der App verschlüsselte Protokolle der Daten anfordern. Diese sind mit temporärten IDs versehen, um die Kontakt-Verfolgung zu vereinfachen. Durch dieses Verfahren haben die Gesundheitsbehörden erst dann Zugriff auf die Daten (und entschlüsseln diese auch), wenn der Nutzer sie übermittelt hat.

Technisch nutzt die TraceTogether App das Blue Trace Protocol (Bluetooth contact tracing). Dem BlueTrace Manifest zufolge erfordert der Einsatz das Einschalten von Bluertooth und Ortung (GPS, Galileo etc.). Die App speichert dann eine temporäre gerätespezifische Kennung, Zeitstempel, Bluetooth Signalstärke und Telefonmodell (für die Kalibrierung des Bluetooth Signals).

Die App speichert nicht direkt den jeweiligen Standort, sondern die Entfernung der Nutzer der App von einander. Nutzer der App erhalten allerdings (anders als z.B. die in Deutschland eingesetzte Cortona Trancing App Corona Warn App) eine permanente Nutzer-ID.

GPS-Daten direkt werden nicht genutzt. Diese hätten sich gerade in Ballungsräumen und geschlossenen Räumen als wenig geeignet gezeigt, so die Entwickler. In Ballungsräumen habe sich Bluetooth als überlegen erwiesen.

Das BlueTrace Protokoll ist darauf ausgelegt, nicht nur auf Handys, sodnern z.B. auch auf Wearables (Smart Watches, Fit Bänder) etc. eingestezt wzu werden.

Bewegungsprofile von Coronavirus Infizierten und Kontaktpersonen nicht auf GPS- sondern auf Bluetooth Basis (Begegnung und Entfernung (encounter & proximity) zu einander).

Dezentrale Datensammlung und Entfernungs-Ermittlung und zentrale Datenanalyse zur Epidemie-Kontrolle bei public health Behörden ( community-driven contact tracing ) würden so mit einander kombiniert, so die Entwickler. Durch die dezentrale Datensammlung sollen datenschutzrechtliche Bedenken überwunden werden.

Die App steht in AppStores bereits zum Download zur Verfügung. Singapur überlegt unterdessen, die App als open source frei zugänglich zu machen. Dies teilte Singapurs Außenministerin auf Facebook mit. Bis 8. April 2020 war der Code allerdings auf GitHub noch nicht verfügbar.

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Singapur: Polizei nutzt Daten der Corona Tracing App

Anfang januar 2021 wurde bekannt, dass in Singapur die Polizei Zugriff auf Daten der Coronavirus Tracing App TraceTogether hat.

Innenminister Desmond Tan teilte dem Parlament mit, Strafverfolgungsbehörden könnten auf Daten aus der Kontaktverfolgung zugreifen.

Inzwischen wurde das FAQ der App entsprechend ergänzt und erwähnt die potenzielle Nutzung von Daten durch die Polizei.

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Coronographien 16 – Stigma und Immunität

Coronavirus und Stigma – bisher sind mit diesem Problem vor allem Menschen asiatischer Abstammung konfrontiert gewesen. Doch wann kommt es auch hierzulande zu Stigmatisierung infolge der Coronavirus Epidemie? Mit einem Immunitätsausweis zum Beispiel? Eine Spaltung der Gesellschaft entlang viraler Grenzen?

Ein einfaches Denkmodell.

Bisher ist Ziel, die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst niedrig zu halten. Das Schutzinteresse der Bevölkerung ist (wenn auch aus unterschiedlichen Ausgangslagen, z.B. ‚Risikogruppe‘ oder nicht) weitgehend gleich. Die Befolgung der Ausgangsbeschränkungen ist hoch, auch weil Einsicht in ihre Notwendigkeit besteht.

In allen epidemiologischen Modellen zum Verlauf der Coronavirus-Infektion steigt nach und nach die Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben und die Infektion (mit oder ohne Behandlung) erfolgreich überwunden haben. Die danach vermutlich immun gegen das Virus sind, sich nicht erneut infizieren können.

Coronavirus SARS-CoV-2 – CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM
Centers for Disease Control and Prevention’s Public Health Image Library (PHIL) –
Public Domain

Ausgangseinschränkende Maßnahmen können nicht permanent über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten werden. Stattdessen werden sie der epidemiologischen Situation angepasst werden.

Bedeutet: es wird womöglich für eine länger Zeit immer wieder Zeiträume mit stärkeren Einschränkungen der Bewegungsfreiheit geben.

Doch – Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (ob als Ausgangssperre oder in Form von Kontaktverbot) werden sich kaum begründen lassen für Menschen, die bereits Immunität gegen das Coronavirus haben. Für sie besteht vermutlich schlicht keine Notwendigkeit mehr – und auch keine Einsicht, etwaig dennoch (und sei es aus Solidarität) mit Einschränkungen leben zu müssen.

Bekommen wir dann eine Zweiteilung der Gesellschaft?

Diejenigen „die es schon hatten“, die immun sind – und die sich frei bewegen dürfen? Mit ‚Corona Passierschein‚? Bundesgesundheitsminister Spahn hat bereits (am 29. April 2020) einen ‚Immunitätsausweis‚ vorgeschlagen …
Während diejenigen die infiziert sind mit einer Corona Quarantäne App überwacht werden?

Und diejenigen, „die es noch nicht hatten“, die sich noch infizieren können, noch nicht immun sind – und die sich nicht frei bewegen dürfen?

Wird „ich hatte es nich nicht“, wird ’nicht Coronavirus immun‘, wird ‚gesund‘ zum neuen Coronavirus Stigma?

Bei früheren Erkrankungen bedeutet Stigmatisierung meist ‚Stigmatisierung der Erkrankten‘. Bekommnen wir bald stattdesen eine Umkehrung? Eine Stigmatisierung der Gesunden?

Droht uns die Situation einer CoronavirusStigmatisierung da noch nicht immun?
Oder eine Privilegierung derer die bereits Immunität haben?

Und was können wir unternehmen um einer denkbaren neuen Stigmatisierung vorzubeugen?

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Dies sei nur ein Denkmodell fernab jeglicher Realität?

„Den Immunen könnte man eine Art Impfpass ausstellen, der es ihnen zum Beispiel erlaubt, von Einschränkungen ihrer Tätigkeit ausgenommen zu werden“, sagt Prof. Dr. Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und beteiligt an einer großen Studie zu Immunität gegen das Coronavirus …

Die Bundesärztekammer fordert am 30. März Erleichterungen für ‚Genesene‘. „Alle, die immun sind, weil sie die Infektion schon hinter sich haben, könnten dann wieder zur Arbeit gehen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. … Der große Vorteil ist ja: Sie sind weder gefährdet noch gefährden sie andere.“

Und Bundesgesundheitsminister Spahn schlägt am 29. April 2020 einen ‚Immunitätsausweis‘ vor … für den die Bundesregierung am 29. April 2020 gleich die Voraussetzungen schuf

‚Vorbild‘ China? In Wuhan / China entscheidet eine Smartphone App über die Freiheit eines Menschen. Grün = freier Zutritt, gelb = 7 Tage Quarantäne, rot = 2 Wochen Isolation. Die Entscheidung trifft die App per Algorithmus, auf Basis von Herkunft, Reiseinformationen und Bewegungsprofil …

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Zum Komplex Krankheit und Stigmatisierung lohnt immer wider die Lektüre der Schriften von Susan Sontag (1933 – 2004), insbes. Krankheit als Metapher und Aids und seine Metaphern.

Niemand könne derzeit sicher sagen, ob jeder der erkrankt und danach genesen sie, auch tatsächlich immun sei (Antikörperstatus und Immunstatus seien derzeit nicht sicher gleichzusetzen), betonte RKI-Chef Wieler am 14. April 2020. Vor der Frage, wie mit Menschen mit Immunität umzugehen sei, müsse sicher der Immunstatus und seine Bedeutung sicher sein.

Am 25. April 2020 warnte auch die Weltgesundheitsorganisation WHO vor ‚Immunitätsausweisen‘. „Es gibt im Moment keinen Nachweis, dass Menschen, die sich von Covid-19 erholt und Antikörper haben, vor einer zweiten Infektion geschützt sind.

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Coronographien 15 – Coronavirus Daten an Polizei in mehreren Bundesländern

In mehreren Bundesländern wurden oder werden Coronavirus Daten an die Polizei übermittelt. Zunächst wurde dies aus Baden-Württemberg bekannt. Doch auch in anderen Bundesländern kam es zur Übermittlung von Daten von mit dem Coronavirus Infizierten (‚Corona-Listen‘) an die Polizei. Der Datenschutz intervenierte. Die Datenübermittlung wurde gestoppt – fast überall, bis auf …. Und bis – Baden-Württemberg es erneut per Verordnung zuließ
Eine Übersicht:

Baden-Württemberg: Gesundheitsämter lieferten Coronavirus Daten an die Polizei

Wurden vom Gesundheitsamt Daten an die Polizei geliefert? In Baden-Württemberg ja. Dort sollen einige Gesundheitsämter die Daten aller ihnen bekannten mit dem Coronavirus Infizierten an die Polizei weitergereicht haben.

Der SWR berichtet am 26. März 2020, einige Gesundheitsämter in dem Bundesland hätten die Daten aller mit dem Coronavirus infizierten Personen an Polizeidienststellen weitergeleitet. Zur Begründung sei Selbstschutz angegeben worden. Fehlende Schutzkleidung bei den Beamten mache dies notwendig, die Beamten hätten sich doch schützen müssen.

Laut Recherchen der taz meldtete das Gesundheitsamt Böblingen z.B. nicht nur Namen der Coronavirus Infizierten, sondern auch Kontaktdaten sowie Namen von Personen die mit ihnen zusammen leben (‚häusliche Kontaktpersenen‘). Das Gesundheitsamt Böblingen ebstätigte dies.

Ärmelwappen der Polizei Baden-Württemberg -
Ärmelwappen der Polizei Baden-Württemberg –
Henning Schlottmann (User:H-stt) – Own work – Lizenz
CC BY-SA 4.0

Laut Badischer Zeitung sind von den etwa 34.000 Polzei-Mitarbeiter:innen des Bundeslands derzeit (23.3.) 58 mit dem Coronavirus infiziert.

Das Innenministerium habe dies gerechtfertigt mit dem Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Datensammlungen zur Abwendung von Gefahren von der Bevölkerung seien demnach zulässig.

„Wenn die Polizei beispielsweise zu einem Verkehrsunfall gerufen wird, kann sie so überprüfen, ob der Betroffene infiziert ist.“

Detlef Werner, Innenministerium Baden-Württemberg (laut SWR)

Auch die Gewerkschaft der Polizei verwies zur Rechtfertigung auf fehlende Schutzkleidung.

„Uns fehlen Informationen von Infizierten, wenn wir bei Einsätzen ausrücken“

Hans-Jürgen Kristein , GdP Vorsitzender Baden-Württemberg

Das Landesgesundheitsamt war über die Datenweitergabe offensichtlich nicht informiert.

Der Landes-Datenschutzbeauftragte Stefan Brink betonte, die Weitergabe dürfe nicht pauschal in Listen erfolgen, sondern nur bei einer konkreten Gefahr für Beamte im Einzelfall. „Da werden Dämme eingerissen .

SPD-Vertreter sprachen von einem massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Bürger:innen.

Einzelne Gesundheitsämter bestätigten der BZ zudem, Daten von mit dem Coronavrus Infizierten an die Ordnungsämter weiterzugeben, damit diese im Fall einer Quarantäne diese überwachen könnten.

Einstellung im April …

In Baden Württemberg wurde die Datenübermittlung an die Polizei nach Einschreiten des Datenschutzes beendet. Nur noch im Einzelfall und bei Gefahr im Verzug würden Daten übermittelt.

… und Kehrtwende am Montag 4. Mai 2020:

Eine neue Verordnung erlaubt nun die Übermittlung von Daten von mit dem Coronavirus Infizierten an die Polizei. Ministerpräsident Strobl (CDU): „Damit kann die Polizei Personen identifizieren, die sich nicht an die Auflagen halten und andere gefährden.“

Ab Dienstag 5. Mai 2020 darf die Polizei bei konkretem Anlaß auf die Daten von gesundheitsämtern zugreifen. Der Zugriff erfolgt zentral über das Landesgesundheitsamt.

Grundlage ist eine Verordnung des Innen- und Sozialministeriums zur Verarbeitung personenbezogener Daten zwischen Gesundheitsbehörden und Polizei.

Lob bekam die Maßnahme von Sozialminister Lucha (Grüne).

Mecklenburg Vorpommern

In Mecklenburg Vorpommern wurden Gesundheitsämter einem Bericht von Netzrecherche zufolge von Gesundheitsminister Glawe (CDU) angeordnet, Daten zu Coronavirus Infizierten zur Verfügung zu stellen.

Zuklünftig solle jeden Morgen um 10 Uhr per Email eine Liste an die Polizeidienststellen gehen, meldet der Nordkurier. Grund seien laut NDR Schutz der Beamt:innen und Gefahrenabwehr.

Rostock (auf Intervention des Sozialsenators) und der Landkreis Ludwigslust – Parchim (nach Bedenken des Landrats) halten sich Medienberichten zufolge nicht an die Anordnung.

In Mecklenburg Vorpommern hält der Landesdatenschutzbeauftragte die Übermittlung an die Polizei für zulässig und erteilte seine Zustimmung.

Der Präsident der Ärztekammer des Bundeslandes zweifelte Medienberichten zufolge am Sinn der Anordnung.

Niedersachen

Auch in Niedersachsen wurden Gesundheitsämter zufolge aufgefordert, Daten zu Coronavirus Infizierten zur Verfügung zu stellen, meldet Netzrecherche.

Das Innenministerium Niedersachsen erwäge sogar landesweit, die Übermittlung sogenannter ‚Quarantänelisten‘ anzuordnen. Ziel sei der bessere Schutz der Polizist:innen.

In Göttingen und Osnabrück seien bereits Daten an die Polizei übermittelt worden.

Die Datenschutzbehörden haben sich eingeschaltet. Am 3. April 2020 wurde Gesundheitsämtern des Bundeslandes untersagt, Liste von mit dem Coronavirus Infizierten an die Polizei weiterzugeben.

Doch am 6. April wurde deutlich: die Polizei versucht über ‚Notstandsparagraphen‘ weiterhin Daten zu bekommen. Laut Innenministerium würden weiterhin Daten übermittelt. Grundlage ist ein neuer Erlaß dessen Existenz geleakt wurde über Freiheitsfoo. Der genaue Wortlaut ist bisher nicht bekannt – er regele nur ‚interne Abläufe‘, so das neidersächsische Innenministerium.

Die nPolizei nutzt die Daten nicht nur für ‚interne Zwecke‘, sondern auch für die Einleitung von Straverfahren bei Verletzung von Quarantäne-Auflagen, wurde auf einer Pressekonferenz am 6. April deutlich.

Bremen

Auch in Bremen wurden Daten von mit dem Coronavirus Infizierten an die Politzei weitergegebenm, bestätigte laut Netzrecherche eine Pressesprecherin des Innensenators. Grund sei ebenfalls der Schutz der Beamt:innen.

Basis sei in Bremen das Bremische Gesetz zur Behandlungseinleitung bei Infektionen mit übertragbaren Krankheiten durch Dritte.

In Bremen erreichte die Datenschutzbeauftragte Imke Sommer eine vorläufige Beendigung der Datenweitergabe. Bereits übermittelte Daten wurden wieder gelöscht.

Gesundheitssenatorin Bernhard (Linke) erklärte inzwischen, die Daten seien ‚fälschlicherweise‘ weitergebene worden und inzwischen wieder gelöscht:

Sachsen- Anhalt – Coronalisten verschleiert?

Die Behörden in Sachsen-Anhalt verweigern Netzrecherche zufolge Auskünfte darüber ob Daten von Coronavirus Infizierten weitergegeben werden. Später wurde seitens des Innenministeriums eine Datenübermittlung verneint.

Ende April wurde der Verdacht laut, eine Datenübermittlung an die Polizei könnte vertuscht worden sein. Daten von Personen unter Quarantäne sowie Kontaktpersonen wurden doch an die Polzei weitergegeben und dort in die Fahndungs-Datenbank (‚ Personenfahndung mit der Anlass-Zweck-Kombination‘) gespeichert.

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Mobilfunkanbieter in Europa liefern – aggregierte, anonymisierte – Handydaten an Gesundheitsbehörden, um mit Bewegungsprofilen die Einhaltung von Ausgangssperren zu überprüfen.

Erst jüngst konnte bei der Änderung des Infektionsschutz-Gesetzes die Weitergabe personalisierter Mobilfunkdaten an Gesundheitsbehörden verhindert werden.

In mehren Staaten werden Coronavirus-Infizierte von staatlichen Dienststellen überwacht.

Und nun werden vom Gesundheitsamt Daten an die Polizei geggeben? Persönliche Daten von Coronavirus-Infizierten?

Wie sich das mit Datenschutz und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verträgt?

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Mich erinnert die Weitergaben persönlicher Daten von Coronavirus-Infizierten durch Gesundheitsämter an die Polizei fatal an frühere Debatten über Datenspeicherung zu HIV-Infizierten bei der Polizei (ANST). Der Nationale Aids-Beirat des Bundesgesundheitsministers (ich war von 2013 bis zu seiner Abschaffung Ende 2016 Mitglied des Nationalen Aids-Beirats) beschäftigte sich intensiv mit diesem thema und verabschiedete hierzu ein Votum.