Das französische LGBT-Internetportal Yagg wurde liquidiert – und kehrte 2017 zurück. Bereits seit 2015 war die Zukunft der 2008 gegründeten Seite aufgrund finanzieller Schwierigkeiten bedroht. Eine 2015 gestartete Abo-Kampagne brachte zahlreiche Neu-Abonnements, dennoch kam das Unternehmen im September 2016 unter Zwangsverwaltung. Ende Oktober 2016 beschloss das Handelsgericht Paris die Liquidation des Unternehmens. 2017 wurde eine Rückkehr angekündigt.
Das Internetportal Yagg berichtete erstmals im Juni 2015 von ernsthaften finanziellen Problemen. Bis zum Ende des Jahres sollten, so das Ziel der Redaktion, 3.000 neue Abonnent/innen gefunden werden, um das Überleben der Seite zu sichern.
Yagg – Abonnenten zum Überleben
Das Internetportal setzte zu Beginn auf gratis lesbaren Content und wechselte erst vor kurzem teilweise auf Artikel mit einem Bezahlmodell. Viele wenn auch nicht alle Artikel befinden sich inzwischen hinter einer Paywall und sind nur AbonnentInnen zugänglich. Für Abonnenten geworben wird u.a. mit einer Kampagne von Abonnenten-Bekundungen ‚Yagg muss leben!“.
Die Site befinde sich weiterhin in finanziellen Schwierigkeiten, betonte Chefredakteur Christophe Martet Anfang November 2015 in einer Nachricht an die Leserinnen, mit bisher etwa 1.700 AbonnentInnen sie das Ziel von 3.000 noch nicht erreicht.
Yagg habe seit seinem Bestehen zu wenig Unterstützung von öffentlichen oder privaten Stellen erhalten, beklagen die Redakteure. Auch ein Antrag auf 140.000€ aus einem von Google finanzierten Fonds zur Förderung elektronischer Medien (FINP) sei soeben abgelehnt worden.
Zur Kostenstruktur des Portals teilte Martet Ende November 2015 mit, 5 Vollzeit-Angestellte sowie ein Teilzeit-Praktikant seien zu Löhnen zwischen dem 1,2- und 1,4fachen des Mindestlohns (in Frankreich SMIC) beschäftigt, gesamt 13.860 Euro. Hinzu kämen 1.600 € monatlich für Mieten und Abgaben sowie 2.500€ weitere Kosten. Allein aus Werbe-Einnahmen könnten diese Kosten nicht gedeckt werden – deswgen bräuchte man schnell 3.000 Abonnenten.
Die Vereinigung französischer LGBT-Journalisten (AJL, Association des journalistes LGBT) zeigte sich in einer Stellungnahme besorgt über die Schwierigkeiten bei zwei der wichtigsten LGBT-Medien in Frankreich.
Der französische Geschäftsmann Jean-Jacques Augier, früherer Inhaber von Tetu, bemerkte zur Krise der LGBT-Medien und der ‚Demobilisierung von Lesern‘, in Zeiten von Ehe für alle und Ende der Stigmatisierung Homosexueller fehle vielen lesern und Internetnutzern die Einsicht in die Notwendigkeit von Medien, die für ihre Rechte eintreten. Unter Verweis auf sein Lieblingsbuch (‚Gay Berlin‘, Robert Beachy) betonte er, die Geschichte zeige dass Gleichberechtigung ein ständiger Kampf sei.
Yagg und die zeitweise Kooperation mit Tetu
Yagg startete am 4. November 2008 und wurde von vier Journalist/innen gegründet, Judith Silberfeld, Yannick Barbe, Xavier Héraud und Christophe Martet. Zuvor hatten sie am 6. Mai 2008 die Herausgeber-Gesellschaft LGNET gegründet.
Christophe Martet war zuvor von 1999 bis 2007 stellvertretender Chefredakteur des Homo-Magazins Tetu und 1994 bis 1996 Präsident von ACT UP Paris. Am 22. Februar 2016 teilte die bisherige Chefredakteurin und Yagg-Mitgründerin Judith Silberfeld mit, sie verlasse die Redaktion, bleibe aber im Aufsichtsrat.
2013 / 2014 hatten Tetu und Yagg im Internet-Bereich zusammen gearbeitet – de facto hatte Yagg die redaktionellen Inhalte geliefert und technische Dienstleistungen für Tetu erbracht.
Tetu musste nach 20jährigem Bestehen vor kurzem Konkurs anmelden. Im November 2015 wurde Tetu (Internetseite und Markenname) vom StartUp Idyls übernommen.
Yagg – 2016 das Aus
Am 15. September 2016 teilte Yagg in einer Notiz an die Leser/innen mit, LGNET SAS (die herausgebende Gesellschaft) befinde sich ‚unter dem Schutz des Gerichts‘. An 6. September war der Antrag auf Zwangsverwaltung gestellt worden. Neben dem Ausfall eines Aktionärs wurden der Aufschub mehrerer Werbekampagnen sowie die immer noch nicht ausreichende Anzahl an Abonnent/innen (über 2.000) als Gründe genannt.
Als eine mögliche Lösung wurde der Verkauf von LGNET genannt. Nach der Ankündigung der Zwangsverwaltung unterstützten über 200 Leser/innen Yagg mit Spenden oder neuen Abonnements. Man sei auf der Suche nach investoren, teilte die Site Anfang Oktober 2016 mit.
Das 2015 formulierte Ziel von 3.000 Abonennten, die Yagg als für das wirtschaftliche Überleben notwendig erachtete, wurde nahezu erreicht. Bis zum 25. Oktober 2016 zeiget das ‚Abo-Barometer‘ der Seite 2.651 Abonnent/innen, 88% des angestrebten Wertes.
Am 25. Oktober 2016 – wenige Tage vor dem 8. Geburtstag der Site – beschloss das Handelsgericht Paris dann, dass die Yagg herausgebende Gesellschaft LGNET liquidiert werde. Zwar war ein Übernahmeangebot eingereicht worden, dies wurde jedoch als unzureichend bezeichnet.
Für die verbliebenen fünf Mitarbeiter bedeutet dies die Entlassung. Vorhandene Aktiva einschließlich der Marke ‚Yagg‘ und dem Archiv der bisherigen Artikel werden zum Verkauf gestellt.
Die Situation sei eh schon schwer für die Medien, kommentierte Xavier Héraud, seit Frühjahr 2016 Chefredakteur von Yagg. Für LGBT-Medien, isoliert in ihrer Nische, sei sie noch schwieriger. Man habe den Wandel der Medienlandschaft nicht ausreichend bewätigt, weil Yagg zu lange einzig auf Werbe-Einnahmen gesetzt habe.
2017: Yagg kehrt zurück
Am 25. Januar 2017 verkündete Yagg seine Rückkehr – eine Einigung mit dem Handelsgericht sei erzielt worden.
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