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Kulturelles

Fassbinders Querelle – “Identität, die den Tod als Möglichkeit mit einbezieht”

Er war sein letzter Film, und sein Meisterwerk: die Verfilmung des Romans “Querelle de Brest” von Jean Genet. Der Film “Querelle” wurde 1982 gedreht und erstaufgeführt am 16. September 1982.

Rainer Werner Fassbinder, geboren am 31. Mai 1945 in Bad Wörishofen,  starb am 10. Juni 1982 in München. Juliane Lorenz, Cutterin seiner letzten 14 Filme und langjährige Gefährtin (und seit 1992 alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der in Berlin ansässigen Rainer Werner Fassbinder Foundation RWFF), fand ihn morgens um 4 Uhr tot in seiner Wohnung.

Das Leben von Rainer Werner Fassbinder wird derzeit unter der Regie von Marco Kreuzpaintner verfilmt, der zusammen mit Gerrit Hermanns auch das Drehbuch verfasst.

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Einer der stärksten Filme von Fassbinder, der mich am meisten beeindruckt, ist sein (je nach Zählweise 41. oder 45. und) letzter Film: „Querelle„.

Der Film “Querelle” wurde 1982 in den Berliner CCC-Studios gedreht und erstaufgeführt nach Fassbinders Tod am 16. September 1982.

28 Jahre später, im Jahr 2009 kommt der Film neu heraus und in die Kinos – frisch restauriert. In die Kinos? Ja – in Frankreich, und scheinbar nur dort. Zudem erschien der Film in Frankreich am 20. Oktober 2009 auch als DVD mit umfangreichen Extras.

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In seinem letzten Interview (mit Dieter Schidor) sprach Fassbinder von Genets Querelle als dem „Stoff, der etwa dem entspricht, den ich selber erfinden würde, wenn ich erfinden würde.

„Bei „Querelle“ geht es um den Entwurf einer möglichen Gesellschaft, die nach aller Ekelhaftigkeit wunderbar ist. …
Homosexualität ist aber in „Querelle“ auch gar kein Thema. Das Thema ist die Identität eines Einzelnen und wie er sich diese verschafft. Das hängt damit zusammen, wie Genet sagt, daß man, um vollständig zu sein, sich selber noch einmal braucht. Darin gebe ich Genet vollkommen Recht.

Ulrich Behrens analysiert 2005 auf ‚Filmzentrale‘

„Im magischen Dreieck von Macht (Seblon, Mario), Geld (Nono, Querelle) und Sexualität (als Unterwerfungs- und Integrationsstrategie) offenbart sich Macht als Organisationsprinzip von Gesellschaft, die – ganz im Foucaultschen Sinne – weniger das Instrument einer herrschenden Klasse repräsentiert, als das Zentrum, um das sich eine ganze Gesellschaft samt ihrer Geschichte und damit auch den Mythen, die sich um diese Geschichte bilden, gruppiert. …
Die Entmachtung des weiblichen Prinzips, repräsentiert durch Lysiane, kontrastiert mit einer Suche nach Identität, die den Tod, das heißt die vollkommene Identität, permanent als Möglichkeit einbezieht.“

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Ich kann mich gut erinnern, als ich damals 1982 in Hamburg zum ersten mal Fassbinders „Querelle“ sah. Genets 1947 geschriebenen ‚Querelle de Brest‘ hatte ich zuvor mehrfach gelesen, doch es blieb das Gefühl, den Roman nicht verstanden zu haben. Und dann. Fassbinder verfilmt Querelle. Ich ging aus dem Kino, mit dem tiefen Gefühl ‚er hat ihn verstanden‘, und – er hat ihn zuende gedacht.

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„Jemand muss sich in die tiefsten Tiefen dieser Gesellschaft begeben, um sich für eine neue zu befreien oder sich befreien zu können. Dass jemand, der das tut, wie auch immer faszinierend ist, ist klar.“
(Rainer Werner Fassbinder in seinem letzten Interview mit Dieter Schidor)

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Gilles: „Komisch, wie schnell wir Freunde geworden sind.
Querelle: „Wir waren Freunde von Anfang an.

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Die Film-Welt des Querelle, eine Welt, in der Frauen weitestgehend außen vor sind. Selbst Lisiane, die einzige Frau mit Sprechrolle im Film, wirkt wie in einer anderen Welt.

Lisiane stand immer mehr außerhalb des Spiels
(off)

du bist doch bloß eine Frau
(Querelle, angetrunken, zu Lisiane auf die Frage „was ist mit mir“)

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Passivität und Hingabe

Es gibt eine männliche Passivität die so ausgeprägt ist, dass sie sich in … der absolut entspannten Erwartung des Körpers [ausdrückt], seine Rolle zu erfüllen, seinen Sinn, Lust zu geben und zu empfangen.
(Lisiane)

Ich weiß, dass ich dabei nichts riskiere. Es gibt absolut keine Gefühlsregung, die die Reinheit meines Spiels trübt. Dabei ist keine Leidenschaft. Es ist nur ein Spiel ohne Schwere. Zwei Männer, beide stark und vergnügt, wobei der eine davon sorglos, ohne Umstände zu machen, dem anderen seinen Hintern überlässt.
(Nono)

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Nein, als „Fassbinders am schwersten zugänglichen Film„, wie die Kritik damals formulierte, empfinde ich Querelle nicht. Als bewundernswertesten.

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Querelles Einvernehmen mit sich selbst war unzerstörbar

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weil ich eine todbringende Wunden in mir habe
(Querelle / Brad Davis)

Brad Davis starb 1991, 9 Jahre nach Fertigstellung des Films, nach langer Aids-Erkrankung an einer absichtlichen Überdosis Drogen

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Immer noch irritierend, dass Querelle in Deutschland nicht verfügbar ist, weder für das Kino noch als Konserve (und wie gut, dass es Fassbinders Querelle in Frankreich, sogar restauriert, als DVD gibt, und zudem mit deutschem Ton).

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Lesezeichen:
„In den Tiefen der Gesellschaft“ – Interview mit Rainer Werner Fassbinder. in: Evangelischer Filmbeobachter, Nr. 17, September 1982 (pdf)
Ulrich Behrens: „Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel“

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Lacanau unterwegs

Unterwegs mit Bolly Duster – 6: ich bin noch heil, hab aber Konkurrenz bekommen!

Nun sind wir ja endlich da, Samstag mittags sind wir in Lacanau angekommen:

Bolly Duster ist angekommen in Lacanau
Bolly Duster ist angekommen in Lacanau

Hat alles gut geklappt, wir brauchten sogar nicht einmal auf die Wohnung zu warten, obwohl wir zu früh waren 🙂

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unterwegs

Unterwegs mit Bolly Duster – 5: alles eine Frage des Namens

Bolly war ja nu zwei Tage in Bordeaux, ausruhen. Die beiden waren viel unterwegs, ich hab eher verschnauft …

Woder denn mein Name kommt, fragt da einer. Na wo se mich so fragen, also … na wie soll ich sagen … die Schlankeste bin ich ja eben nich, mit der Taille … aber immerhin … ach … finden Sie? … ja? … ach danke, „vollschlank“ … is ja nett … det freut mich ja 🙂 … Also da passt Bolly doch ganz gut, find ich.

Boly hat übrigens nix mit Indien und Celluloid zu tun, wie se vielleicht vermutet haben. Nee, Film, det wär ja was Feines, hat aber bisher nicht geklappt. Aber man weiß ja nie …

Ich komm eher so ausser Nähe von de Karparten, allerdings mit französische Eltern.
Eigentlich bin ich ja sogar was Besseres, mein voller Name is ja ‚Bolly Duster de Relieur‘. Aber det mit dem Adel, is ja auch längst vorbei. Also für Sie einfach Bolly, ja?

Meinen Namen ham se mir ja sogar draußen dran geschrieben, also den Familiennamen jedenfalls, sehn se?

Bolly Duster
Bolly Duster

Hier in Frankreich sind übrigens auffällig viele aus unserer scheinbar doch recht großen Fam,ile untwegs, auf der Autobahn hab ich schon einige Verwandte gesehen, und neulich auf’m Parkplatz sogar direkt neben mir … war aber kein ‚de Relieur‘ 😉

Bolly Duster trifft Verwandte
Bolly Duster trifft Verwandte

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Kulturelles

Runge Farbkugel (1810)

Philipp Otto Runge (geb. 23.7.1777 Wolgast, gest. 2.12.1810 Hamburg) schuf 1810 das erste dreidimensionale Farbsytem: die Runge Farbkugel .

Nach Runge sind fünf Farben Bestandteil aller Farbmischungen: blau, gelb und rot sowie schwarz und weiß. Runge stellte diese 1810 in Form einer Kugel dar – wobei schwarz und weiß als ‚Pole‘ fungieren, während die drei subtraktiven Primär-Farben (und ihre Mischfarben) sich um den ‚Äquator‘ gruppieren. Zum Norden hin werden sie duch zunehmendes Weiß heller, zum Süden durch zunehmendes Schwarz dunkler.

Runge Farbkugel (Foto der Animation im Rungehaus Wolgast)
Runge Farbkugel (Foto der Animation im Rungehaus Wolgast)

Zu der Zeit, als er diese Farbkugel entwickelte, war Runge in engem Konktakt mit Goethe. In einem Brief an Goethe formulierte Runge am 21. November 1807 erstmals seine Idee, die Farben in Form einer Kugel darzustellen. 1810 veröffentlichte er schließlich sein Werk „Farbenkugel oder Konstruktion des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zueinander und ihrer vollständigen Affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben„.

Eine Animation der Runge Farbkugel ist zu sehen im Runge-Haus Wolgast .

Farbenkugel Runge, Nachbau (1971), Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Foto 2023)
Farbenkugel Runge, Nachbau (1971), Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Foto 2023)

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Auch sehenswert in Wolgast: das Eisenbahndampffährschiff Stralsund sowie die Hans Poelzig Sparkasse Wolgast 1930/31

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Grabstein für Philipp Otto Runge in Hamburg, Friedhof Ohlsdorf
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Frankreich

Unterwegs mit Bolly Duster – 4: hoch und weit zwischen Nord und Süd

Zwei Tage war Bolly in Le Havre. Hat ganz nett gewohnt – im Seemannsheim. Aber nicht dass bei Ihnen die Phantasien durchgehen, Bolly war ganz anständig.

Dafür war’s nach dem Pausen-Tag gestern heute richtig anstrengend. Heute Morgen noch Le Havre, und heut Abend schon in Barbezieux, nahe Alencon Angouleme – das ist weit. Und warum? Wir wollten eigentlich an die Charente – aber eine ganze Region war ausgebucht, und das wegen eines Fahrrad-Rennens!

Ulli am Steuer

Ulli am Steuer

Aber heute war’s nicht nur weit, sondern auch heute.  Hoch über der Seine sind wir gefahren, auf der wunderbaren Pont de Normandie.

Bolly Duster auf der Pont de Normandie
Bolly Duster auf der Pont de Normandie

Und Hochklultur hatten wir auch … auf einem Friedhof, in einem Dorf nahe Potiers. Schreiben die bestimmt noch drüber.

Abends sind wir völlig unerwartet in einem netten Hotel gelandet, da steh ich jetzt hinter’m Haus und ruh mich aus, während die beiden für relativ wenig Geld ziemlich gut gegessen haben (Chez Nicot in Barbezieux).

 

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Fotografie Ulli

multi selfie

 multi selfie August 2013 Foto Ulrich Würdemann CC BY 4.0
multi selfie (August 2013; Foto Ulrich Würdemann, CC BY 4.0)
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Frankreich

Unterwegs mit Bolly Duster – 3: das erste Mal

Gestern hat Bolly das erste Mal …

… das Meer gesehen 🙂

Bolly sieht Meer
Bolly sieht Meer

Und Bolly hat das Meer nicht etwa irgendwo zum ersten Mal gesehen!
Nein, an einer ganz besonderen Stelle: die haben mich nach Sangatte gefahren. Kennen Sie nicht? Doch … bestimmt, das ist der Ort, an dem der Kanaltunnel unter Frankreich verschwindet und später in England wieder heraus kommt. Da sind sie ganz stolz drauf, und haben sich eine der Tunnel-Bohrmaschinen als erinnerung auf nen Kreisel gestellt …

Tunnelbohrmaschine des Kanaltunnels auf einem Kreisel bei Coquelles
Tunnelbohrmaschine des Kanaltunnels auf einem Kreisel bei Coquelles

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und Bolly hat das erste Mal …

… was in Frankreich was zu trinken bekommen,.

Aber was … ts ts …

Bolly tankt Gazole
Bolly tankt Gazole

Gazole heißt das hier.
Würden Sie Gasöl trinken?
Ja wie klingt denn das?
Bei ‚Diesel‘, ja da konnte man ja noch von nem hübschen Rudi phantasieren.
Aber Gasöl?
Da fällt mir ja nix zu ein.
Also … daran musste Bolly sich erstmal gewöhnen …

… und hat sich in Le Havre erstmal schlafen gestellt …

Bolly schläft in Le Havre
Bolly schläft in Le Havre

 

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Frankreich

Unterwegs mit Bolly Duster – 2: drei an einem Tag

Also drei an einem Tag, das is ja in meinem Alter doch schon ganz schön viel.

Aber die Jungs schien das gar nicht zu stören, ganz im Gegenteil:

Grenzen 2 B Grenzen 1 NL Grenzen 3 F

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Erholen wollten wir uns hier …

"Raststätte" in Belgien
„Raststätte“ in Belgien

Sieht aus wie ein Hochbunker, was?
Innen war’s dann aber doch ganz okay, sagten die Jungs, ich musst‘ ja unten bleiben.

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Morgens noch in Bielefeld, waren wir nachmittags dann schon in Lille.
Die Jungs in ihr vorher reserviertes Hotel (da warn die schon mal, glaub ich).
Und ich?
Mich haben die im Keller abgestellt!

Bolly Duster im Darkroom
Bolly Duster im Darkroom

Naja, macht Dolly halt ihre ersten Darkroom – Erfahrungen. Vielleicht berichte ich Ihnen gelegentlich, was sich da nachts so abgespielt hat …

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Lille ist übrigens auch Stadt der Biere. Sagen die Jungs. Ich durft ja nicht mit …

Lille Stadt der Biere - Bier-Regal in einem Innenstadt-Supermarkt
Lille Stadt der Biere – Bier-Regal in einem Innenstadt-Supermarkt

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Frankreich

Lille

Die nordwestfranzösische Großstadt Lille (über 220.000 Einwohner) ist Teil der Region ‚Eurométropole Lille-Kortrijk-Tournai‘. 2004 war die Stadt Kulturhauptstadt Europas (gemeinsam mit Genua).

Lille Palais des Beaux Arts
Palais des Beaux Arts

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Deutschland

Unterwegs mit Bolly Duster – 1: Bielefeld gibt es ja doch?

Über’n Tag war’s eigentlich ganz ruhig. Hübsch war, wie wir so durch das Weserbergland geglitten sind, so mit Stan Getz und den beiden Gilbertos. Kennen Sie doch, oder? Astrud und Joao, ‚Tiki tika bim bam, tiki tiki bim bom‘ und so …

Allerdings, wir freuen uns ja schon alle auf die französischen Autobahn-Toiletten. Das was wir heute gesehen haben, diese stinkende und kaum funktionsfähige Kloake, da schämt man sich eher …

Erste Station also Bielefeld. Gibt es also doch. Wir sind dann mal kurz reingefahren. Suuuuper langweilig! Die Jungs haben mich an einer Ausfallstraße abgestellt und mir dann später erzählt, dass sie in einer schönen Kirche waren. Dann sind sie zum Rathausplatz gegangen, und siehe da, Bielefeld kann auch sehr hübsch sein.

Der erste Apéritif wurde getrunken, und die Frage stand im Raum: wieso wohnen ausgerechnet hier so viele Tucken?

Ich fürchte, wir müssen diese Frage später einmal erörtern – die Jungs waren hungrig, also zurück ins Vorstadt-Hotel. Ich darf mich ausruhen, und die Jungs kriegen Wildschwein.

Morgen geht’s weiter nach Lille. Hoffentlich wird das hübscher.

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Bielefeld gibt es doch
Bielefeld gibt es doch

Ist das Bielefeld? Oder eine Fata Morgana?
Übrigens, ich bin die Dame in weiß, in der rechten Bildmitte 🙂

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