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Kulturelles

Der liebenswerte stotternde König – The King’s Speech im St. Pauli Theater Hamburg

“ The King’s Speech – die Rede des Königs “ wird seit 20. November 2012 (und inzwischen verlängert bis 11. April 2013) im Hamburger St. Pauli Thetaer gespielt – eine sehenswerte Inszenierung.

Eher unfreiwillig kam Georg VI. 1936 auf den Thron – sein Bruder Edward VIII. hatte u.a. seiner Beziehung zu Wallis Simpson zuliebe am 11. Dezember 1936 abgedankt. Glücklich war George VI. zunächst nicht über diese neue Rolle – öffentliche Auftritte, öffentliche Reden waren ihm eine Qual – seit seiner Kindheit stotterte er. Doch Lionel Logue, australischer Sprachtherapeut, bereitete ihn vor, und untersützte ihn auch in seiner Amtszeit als König.

George VI. und Lionel Logue, Bernie und Lionel – ihre Geschichte, die sich zu einer Freundschaft entwickelt, steht im Mittelpunkt von ‚The King’s Speech‘. Das Stück des britisch-US-amerikanischen Drehbuch-Autors David Seidler hatte im Frühjahr 2012 in London Uraufführung und wird seit 20. November 2012 in deutscher Uraufführung im Hamburger St. Pauli Theater (Regisseur: Michael Bogdanov) gespielt.

The Kings Speech, Hamburg St. Pauli Theater
The Kings Speech, Hamburg St. Pauli Theater

Das Stück ist boulevardhafter inszeniert als der Film, jagt manchmal zu sehr jeder Möglichkeit auf einen Lacher hinterher. Die teils sehr hektische und (besonders in ‚harten‘ Schnitten) an Film erinnernde Szenenfolge vermittelt einen effekthascherischen Eindruck – das Publikum würde vieles auch ohne Szenen- und Bünenbildwechsel im Minutentaklt verstehen. Das Bünenbild allerdings, über wiegend auf Hinterwandprojektion aufbauend, beeindruckt. Ebenso die teils grossartigen Schauspieler, besonders Marcus Bluhm als Bernie / Prinz Albert / König Georg VI. sowie Boris Aljinovic als Lionel. Bemerkenswert: anders als der Film geht die Hamburger Inszenierung stärker auf die politischen Dimensionen der Vorgeschichte der Krönung Georg VI. ein.

The Kings Speech, Hamburg St. Pauli Theater, Bühne mit Thron
The Kings Speech, Hamburg St. Pauli Theater, Bühne mit Thron

Auch wer (wir wir) den (mit vier Oscars ausgezeichneten) Film gesehen hat, erlebt in der Aufführung im St. Pauli Theater einen amüsanten, unterhaltsamen Abend.

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St. Pauli Theater, Hamburg:
The King’s Speech

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Den schönen Abend haben wir Uwe zu verdanken – der aufgrund Erkältung nicht ins Theater konnte, und den wir kartenmäßig ‚beerbten‘ – Danke, und gute Besserung!

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unterwegs

Malaysia K7 1993 … Urheberrechte? Wer? Wo?

Urheberrecht, Lizenzen und Lizenzgebühren … was heute (immer noch) ein heißes Thema von Kulturindustrie, Künstlern, Produzenten und Medien ist, intereressierte in den 1990er Jahren in manchen Staaten in Südostasien scheinbar kaum jemanden.

Eine weitere Trouvaille meiner Stöber- und Aufräum-Aktion zeigt dies: Musik-Kassetten, die ich 1993 in Malaysia (in Kuala Lumpur und Johor Bahru) legal kaufte (ich war dort im März bis Juni 1993 geschäftlich):

Malaysia K7s (1993)
Malaysia K7s (1993)

Interpreten, Titel, Hersteller in Malaysia – alles wird genannt. Nur keinerlei Informationen in Richtung Urheberrechte …

Die ‚Music Authors‘ Copyright Protection (MACP) Berhad‘ wurde erst im September 1989 gegründet.

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PS:
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Erinnerungen HIV/Aids

ACT UP T-Shirt : ACT UP war (auch) Mode…

ACT UP T-Shirt der Aids-Aktionsgruppen ACT UP (Aids Coalition to Unleash Power), wiederentdeckt:

ACT UP war (auch) Mode

ACT UP - T-Shirts, Anfang 1990er Jahre
ACT UP – T-Shirts, Anfang 1990er Jahre

Die T-Shirts hatten für ACT UP allerdings mehr als ’nur‘ die Funktion einer Mode – sie waren Objekte der Identifikation, Instrument für ACT UP – Messages, und nicht zuletzt (durch den Verkauf) auch Finanzierungs-Quelle für unsere Aktionen.

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Das am schönsten gestaltete ACT UP T-Shirt hat sich leider in meiner Sammlung nicht erhalten, eines mit einem Motiv das Jimmy Somerville (der sich auch ansonsten viel für ACT UP engagierte) entwarf.

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Persönliches

Guten Tag, ich bin die Neue :-)

Gestatten, Petronella Franziska Berta Henriette von Berne zu Meiendorf.

Peppi, Anfang Dezember 2012
Peppi, Anfang Dezember 2012

Ich bin die Neue 🙂

… und Sie dürfen mich auch ‚Peppi‘ nennen … 😉

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Aktualisierung 04.01.2013:
Peppi kam Anfang Dezember 2012 zu uns, da ihre Besitzerin aus gesundheitlichen Gründen keinen Hund mehr halten kann. Wir nahmen Peppi für die Zeit ihrer Reha bei uns auf. Silvester haben wir uns entschieden: Peppi ist eine tolle Hündin – aber ihr und unser Leben passen an einigen entscheidenden Stellen doch nicht zusammen.
Aber – oh Freude: Peppi ist in die Nachbarschaft gezogen – nur „über’n Gartenzaun“ hat sie jetzt ihr neues dauerhaftes Zuhause 🙂

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Kulinarisches

Früchtepunsch à la 2mecs

Ideal für die Winterzeit, einen schönen Advents-Sonntag, einen Abend mit Freunden: ein (oder zwei, oder … ) Gläser heisser Früchte-Punsch.
Hier ‚unser‘ Rezept für ‚Früchtepunsch à la 2mecs‘:

Die Zutaten:

1 l Früchtetee
1 l Orangensaft
1 l Apfelsaft
1 Bio-Orange
1 Bio-Zitrone

zum Abschmecken:
Honig
5 Sternanis
1 Stange Vanille
5 – 10 Nelken

Den Früchtetee kochen (z.B. Hagebutte / Hibiscus). Orangen- und Apfelsaft dazu geben. Vanillestange hinein. Gewürze in eine Gewürzkugel (erspart das mühsame ‚Nelken-Suchen‘) und dazu geben. Die Schalen der Orange und der Zitrone reiben und dazu geben. Saft beider dazu geben. Punsch nach Geschmack mit Honig abschmecken. Das ganze bei mittlerer Temperatur mind. 30 Minuten ziehen lassen (nicht kochen).

Voilà 🙂

Früchtepunsch à la 2mecs
Früchtepunsch à la 2mecs

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Die Gewürz-Mischung lässt sich gut je nach Geschmack variieren, z.B. mit frischem Ingwer oder einer Spur Muskat. Interessant auch: eine knappe Handvoll getrockneter Cranberries mit ziehen lassen.

Und wer’s alkoholisch mag: ein kräftiger Schuss Amaretto oder Orangen-Likör gibt dem Punsch eine ganz besondere Note 😉

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HIV/Aids

Der alte Dämon Aids verliert seinen Schrecken – was nun?

Aids hat in den vergangenen 30 Jahren Schwule, das Leben von Schwulen und den schwulen Sex beeinträchtigt, unterdrückt, dämonisiert. Seit einigen Jahren allerdings verliert der alte Dämon Aids bei uns an Kraft. Immer weniger Menschen sterben in Deutschland an den Folgen von Aids. HIV-Positive, die erfolgreiche Therapien machen, sind so gut wie nicht infektiös. Die ‚Kombi‘ ist hinsichtlich des Schutzes vor HIV-Übertragung wirksamer als die Benutzung von Kondomen.

Dies spricht sich langsam herum. Mit Positiven unter erfolgreicher Therapie Sex zu haben wird attraktiver – auch der vermeintlichen Sicherheit wegen. Jake Sobo (Pseudonym) schreibt in seinem Blog von der ’schwer zu schluckenden Wahrheit, dass es … sicherer ist mit HIV-Positiven mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze zu ficken, als mit Typen, die denken sie seien HIV-negativ‘ („The hard-to-swallow truth is that, for guys with a lot of partners (like me), fucking poz guys with undetectable viral loads is actually safer than fucking raw with guys who think they’re negative“). Und selbst auf Gayromeo sind inzwischen Hinweise der Art zu finden „Suche Positiven unter der Nachweisgrenze“ oder „Ekaf-Sex bevorzugt“.

Lustvoller Sex, Sex ohne die Kondom- und anderen Scheren im Kopf, Sex ohne Sorgen wird für viele Schwule, ob HIV-positiv oder nicht, wieder möglich. HIV-Positive sind keine Parias mehr. Von der einstigen Panik wegen der ganz konkreten Todesbedrohung hin zu einem entspannten Management einer chronischen Erkrankung haben wir einiges unserer bunten Federn lassen und an Veränderungen akzeptieren müssen.

HIV-positive schwule Männer schlucken Pillen – und schluckten Kröten…

Nie wusste der Staat mehr über Schwule, über schwules Begehren, über schwulen Sex als in den vergangenen Jahren. Unzählige Befragungen, Meinungsbilder, Verhaltensanalysen. Kartonweise Fragebögen, Megabytes an Auswertungen – über schwulen Sex, schwules Leben.

Nie konnten Staat und Gesellschaft – auch auf Basis dieser Erforschungen des Schwulseins – leichter, und ohne die Sanktionierung per Strafandrohung, schwulen Sex, schwules Leben regulieren, Kontrollinstanzen etablieren.

Ist es purer Zufall, dass viele Orte schwuler Begegnungen, und gerade diejenigen, die nicht-kommerziell waren, und ferner von Normierung, dass Orte wie Klappen und Parks kaum noch existieren? Hingegen diejenigen (i.d.R. kommerziellen) Orte florieren, die auch für Reglementierung, auch für Prävention zugänglich sind?

Statt wie früher Strafandrohungen gibt es für’s schwule Leben heute Regeln und Normen. Du sollst beim Sex Kondome benutzen! Du sollst auf deine Gesundheit achten! Du sollst nicht Bareback Sex machen! Du sollst wissen was du tust! Du sollst dich nicht hemmungslos deinen Lüsten hingeben!

Bewusst gesetzte Normen, die regulierend in unsere Leben als Schwule eingreifen. Sexualität ist hierfür ein mächtiges Thema, das den Zugang zum Individuum erlaubt, Kontrolle ermöglicht. Öffentliches Gesundheitswesen, Public Health – Sexualität wird Angelegenheit von Staat und Gesellschaft. Schwule Sexualität, die früher kaum jemanden interessierte, wird dies vor allem seit, durch Aids. Statt Repression: Thematisierung, Regulierung und Disziplinierung von Sexualitäten (‚Bio-Macht‘, siehe auch Foucault / Dispositive der Macht).

Diese Kontrollinstanzen, diese Reglementierungen – sie stammen nicht nur von außen. Auch von innen, innerhalb unserer Szenen, durch uns funktionieren sie sehr wirksam. „Sät die Prävention die Samen, aus denen die Community Moralinsäure herstellt?“, fragte letztens ein Freund – eine lohnenswerte Frage!

Jahrzehntelang war Aids der Master – Jetzt können wir den Käfig öffnen

Medizinisch betrachtet sind wir ein sehr weites Stück voran gekommen auf dem Weg, die Aids-Krise in den Griff zu bekommen, HIV den Zahn des Schreckens zu ziehen.

Regulierung und Selbst-Regulierung, die einst notwendig, vielleicht überlebensnotwendig war, sind es vielleicht heute so nicht mehr.

Ist es nun an der Zeit, die Aids-Krise auch (schwulen-)politisch zu besiegen? Die Dominanz, die das Thema HIV / Aids für viele von uns hat, einst haben musste, zurück zu drängen? Uns wieder mehr den originär ’schwulen‘ Themen zuzuwenden?

Wir haben als Teil einer kleinen sexuellen Minderheit das Potential einer großen Freiheit. Einer großen Freiheit, jenseits einer heteronormativen Mehrheit zu experimentieren. Einer Freiheit, unsere Formen des Zusammenlebens, unsere Selbst-Definition(en) selbst zu gestalten, statt konformistisch Schubladen und Kategorien der Hetero-Gesellschaft zu übernehmen, zu kopieren und nachzuleben. Welche Form(en) von Beziehung(en) wollen wir leben? Welche Formen von Sex, sexuellem Umgang mit einander wollen wir wie pflegen? Wie gehen wir – gerade auch in größerem Lebensalter – fürsorglich mit einander um?

HIV ist längst nicht mehr der alles dominierende Dämon schwulen Lebens. Die Erfolge von Prävention und Medizin geben neue Freiräume – Freiräume, die wir nutzen sollten. Nutzen wir die Erfahrungen, die wir in Zeiten der Aids-Krise machten (z.B. jene zum Umgang mit Krisen, mit Stigmatisierung) – für neue Freiräume. Mehr Mut, mehr Experimente! Entdecken wir die Lust zu experimentieren, uns zu gestalten, wieder neu!

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(Text verfasst als ‚Standpunkt‘ für queer.de zum Welt-Aids-Tag 2012, dort erschienen am 1.12.2012)

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siehe auch
Ulrich Würdemann 27.01.2014: Aids ist keine düstere Bedrohung mehrAids ist keine düstere Bedrohung mehr

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Homosexualitäten

Sumpffieber (1978)

Bereits 1978 erschien erstmals „Sumpffieber – Medizin für schwule Männer„ im Verlag Rosa Winkel, ein Ratgeber zu schwuler Gesundheit, der schnell sehr beliebt wurde und in den folgenden Jahren mehrere Auflagen erlebte. Herausgeber: die „Autorengruppe schwule Medizinstudenten“,später „Die schwulen Medizinmänner„.

Sumpffieber, mehrere Generationen
Sumpffieber, mehrere Generationen

Bereits ab der zweiten Auflage 1979 empfahlen die „schwulen Medizinmänner“ ein regelmäßiges Checkup der schwulen Gesundheit:

„jedem schwulen Mann, sofern er nicht sexuell enthaltsam lebt, einmal im Quartal, also alle 3 Monate, die ‚Leberwerte‘ und einem Syphilis-Test  machen zu lassen. „

Doch nicht nur das – auch der Arsch, die anale Gesundheit, stand schon damals mit im Fokus unserer schwulen Gesundheit:

„Wer sich öfter bumsen lässt und nun beim Hautarzt zur ‚Vorsorgeuntersuchung‘ ist, sollte auch gleich den Arzt bitten, einen Analabstrich auf Tripper zu untersuchen.“

Wie diese anale Untersuchung im besten Fall erfolgen solle (Proktoskop), wurde gleich in Wort und Bild erläutert – damit der schwule Mann „einen gewissenhaften und sorgfältigen Arzt … erkennen“ konnte.

Schwule Männer achteten auch in Zeiten vor Aids auf ihre Gesundheit – vielleicht mehr noch als heute. Ein „schwuler Gesundheits-Check gehörte damals für viele von uns zur Normalität.

Und bereits im Januar 1984 (!) erschien der „AIDS – Nachtrag zu Sumpffieber“.

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Homosexualitäten

Gar nicht obszön: der schwule Gesundheits-Check

Gar nicht obszön: der schwule Gesundheits-Check

Gesundheit!
Wenn es dabei nicht um das gerade häufige Erkältungswetter geht, um Schnupfen Husten Heiserkeit, dann bedeutet das Thema Gesundheit für die meisten schwule Männer heute: HIV-Test. In Vergessenheit geraten dabei oft andere mögliche Begleiterscheinungen (nicht nur) schwulen Sexes: sexuell übertragbare Krankheiten. Abhilfe schafft: der schwule Gesundheits-Check – der so neu nicht ist, wie es manchen scheint.

Mindestens  genauso wie heute (vielleicht mehr, so scheint mir in der Erinnerung, die aber altersbedingt verklärend sein mag) war schwuler Sex Ende der 1970er Anfang der 1980er Jahre, als ich mein schwules Leben entdeckte, mein Coming Out hatte, leicht und mit Lust auch: die schnelle anonyme Nummer, auf der Klappe, im Park, in der Sauna. Und das „Herumstromern im schwulen Sumpf“ hieß in der Folge manchmal auch (und sicher nicht seltener als heute), dass es gelegentlich hinterher juckte, kratzte, biss. Tripper, Filzläuse, Krätze, Syphilis – sie waren auch damals keine ‚Unbekannten‘ bei sexuell aktiven schwulen Männern.

Auch damals, in Zeiten vor Aids, achteten schwule Männer auf ihre Gesundheit – manchmal scheint mir: mehr als heute. Bei vielen von uns war der gelegentliche oder regelmäßige ’schwule Gesundheits-Check‘ selbstverständlicher Standard. Ein Standard, der nicht von ungefähr kam.

Bereits 1978 erschien „Sumpffieber – Medizin für schwule Männer„, ein Ratgeber zu schwuler Gesundheit, der schnell sehr beliebt wurde und in den folgenden Jahren mehrere Auflagen erlebte. Herausgeber: die „Autorengruppe schwule Medizinstudenten“,später „Die schwulen Medizinmänner„.

Sumpffieber, mehrere Generationen
Sumpffieber, mehrere Generationen

Bereits ab der zweiten Auflage 1979 empfahlen die „schwulen Medizinmänner“ ein regelmäßiges Checkup der schwulen Gesundheit:

„jedem schwulen Mann, sofern er nicht sexuell enthaltsam lebt, einmal im Quartal, also alle 3 Monate, die ‚Leberwerte‘ und einem Syphilis-Test  machen zu lassen. „

Doch nicht nur das – auch der Arsch, die anale Gesundheit, stand schon damals mit im Fokus unserer schwulen Gesundheit:

„Wer sich öfter bumsen lässt und nun beim Hautarzt zur ‚Vorsorgeuntersuchung‘ ist, sollte auch gleich den Arzt bitten, einen Analabstrich auf Tripper zu untersuchen.“

Wie diese anale Untersuchung im besten Fall erfolgen solle (Proktoskop), wurde gleich in Wort und Bild erläutert – damit der schwule Mann „einen gewissenhaften und sorgfältigen Arzt … erkennen“ konnte.

Schwule Männer achteten auch in Zeiten vor Aids auf ihre Gesundheit – vielleicht mehr noch als heute. Ein „schwuler Gesundheits-Check gehörte damals für viele von uns zur Normalität.

Ein schwuler Gesundheits-Check ist so neu also nicht – warum ist er seit Jahren seltener geworden? Warum ist diese Normalität einer regelmäßigen „schwulen Gesundheits-Vorsorge“ weitgehend in Vergessenheit geriet? Lag es an Aids, an der Aids-Krise, die Schwule bald dermaßen beschäftigte, beschäftigen musste, dass kaum noch Luft und Raum für andere Themen blieb?  (Die „Schwulen Medizinmänner“ jedenfalls griffen auch dieses Thema früh und für den Laien verständlich auf: bereits im Januar 1984 erschien der „AIDS – Nachtrag zu Sumpffieber“)

Haben wir uns zu sehr auf HIV und Aids konzentriert, andere sexuell übertragbare Krankheiten dabei (vielleicht nicht ganz ungern) aus dem Blick verloren?

HIV-Positive haben i.d.R. ihren regelmäßigen Check – im Rahmen der vierteljährlichen Routine-Laboruntersuchungen wird ein guter Arzt regelmäßig auch auf Syphilis oder Hepatitis C untersuchen lassen, wenn er sehr gut ist auch an Untersuchungen wie einen analen Abstrich denken.

Schwule Männer aber, die HIV-negativ  sind, oder ungestestet – wie häufig gehen die zum Arzt, um sich um ihre Gesundheit, auch ihre ’schwule Gesundheit‘ zu kümmern? Ist es Desinteresse? Desinteresse an der eigenen Gesundheit wäre bemerkenswert, so wichtig wie Körper und Schönheit für vielen Schwule sind. Ist es Scheu, Angst, sich möglicherweise unangenehmen Gesprächen, Fragen, Untersuchungen aussetzen zu müssen? Oder ist es die Befürchtung, beim Besuch in einer Arzt-Praxis von anderen Patienten möglicherweise für HIV-positiv gehalten zu werden? Denkt der ein oder andere Tom Normalschwul vielleicht, wer nicht HIV hat, wird schon auch nichts ‚anderes‘ haben? Ist es womöglich gar die Scheu, dem Arzt vom eigenen Schwulsein, womöglich von sexuellen Praktiken berichten zu müssen?

In Zeiten vor Aids übrigens ging es Schwulen auch darum, um einen emanzipatorischen Anspruch:

„Die sexuelle Tabuisierung des Arsches ist aber sicher für viele eine Hemmung [sich in Behandlung zu geben]. … Jeder, der es schafft, bei einem beliebigen Arzt zu sagen „ich glaube, ich habe einen Analtripper!“ zeigt, daß er sich und seine Sexualpraktiken nicht als schmutzig und obszön ansieht, und er sich ihrer auch nicht schämt.“ („Sumpffieber“)

Es wäre an der Zeit, den ‚Schwulen Gesundheits-Check‘ wieder zu entdecken, ihn wieder zum Standard werden zu lassen – sich wieder aktiv um seine Gesundheit als schwuler Mann zu kümmern.

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[Artikel verfasst für und zuerst (ohne Foto) erschienen in Siegessäule 12/2012]

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Erinnerungen Homosexualitäten

mein erstes Flugblatt – Schwule Aktion Bremerhaven Herbst 1981

Herbst 1981. Seit 1979 lebte ich in Bremerhaven. Die kurz zuvor gegründete ‚ Schwule Aktion Bremerhaven ‚ tritt erstmals in der Öffentlichkeit auf, auf dem Friedensfest der BIFA (Bremerhavener Initiative für. Frieden und Abrüstung) im ‚Columbus Center‘.

Dafür entstand (jüngst beim ‚Kramen‘ wiedergefunden) „mein erstes Flugblatt„, hier als Dokumentation:

SAB Schwule Aktion Bremerhaven, Flugblatt, Herbst1981
SAB Schwule Aktion Bremerhaven, Flugblatt, Herbst1981

Der Titel des Flugblatts, „Lieber einen warmen Bruder als einen kalten Krieger!„, bezieht sich auf ein Zitat des CSU-Politikers und ehemaligen bayerischen Ministerpräsdidenten Franz Josef Strauss vom 6. März 1970.

„Ich will lieber ein kalter Krieger sein, als ein warmer Bruder“.
(Quelle ‚FJS in Word und Bild‘)

zeitgeschichtliche Einordnung:
Franz Josef Strauss war bei der Bundestagswahl 1980 Kanzler-Kandidat der CDU/CSU. Er unterlag bei der Wahl, gewählt wurde zum Bundeskanzler erneut Helmut Schmidt.
Mitte Dezember 1979 hatte die NATO ihren ‚NATO-Doppelbeschluss‘ verkündet, der u.a. die Stationierung einer neuen Generation von Pershing-II- ‚Marschflugkörpern‘ (Cruise Missiles) in Westeuropa (u.a. auch in der BRD) vorsah. Zu diesem Beschluss trug Helmut Schmidt maßgeblich mit bei. Der Nato-Doppelbeschluss stieß jedoch auf breite Ablehnung (zunehmend auch innerhalb der SPD). Die ‚Friedensbewegung‘ erstarkte. Am 17.9.1982 zerbrach die SPD/FDP-Koalition auf Bundesebene (nicht am Nato-Doppelbeschluss, sondern vornehmlich an Wirtschaftsfragen), am 1. Oktober 1982 wurde Helmuth Kohl (CDU) mit dem ersten erfolgreichen ‚Konstruktiven Misstrauensvotum‘ der BRD-Geschichte zum neuen Bundeskanzler gewählt. Auf dem Kölner Parteitag der SPD 1983 stimmten nur 14 von annähernd 400 Delegierten für den Doppelbeschluss.

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Der Text des damaligen Flugblatts für die Schwule Aktion Bremerhaven vom Herbst 1981 (im Original zweispaltig gesetzt) als Dokumentation (orthographisch leicht korrigiert):

Lieber einen warmen Bruder als einen kalten Krieger!

Eine Schwulengruppe bei der Friedenswoche? Was haben die denn mit Abrüstung, mit Pershing 2 und SS20 zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht wenig. Aber was heißt denn Frieden? Zwei Aspekte sind hier wichtig: zum einen konfliktfreies Zusammenleben verschiedener Staaten bzw. Nationen, zum anderen jedoch auch wirklich demokratische Verhältnisse und die Fähigkeit des gegenseitigen Respektierens, auch von Minderheiten, innerhalb einer Gesellschaft.

Hier und heute ist beides jedoch nicht gegeben. Die Kriegsgefahr ist so groß wie schon lange nicht mehr. Unterdrückung und Intoleranz sind überall zu finden. Die Interessen demokratischer Kräfte werden dauernd mit Füßen getreten und mit Polizeiknüppeln traktiert. Dies betrifft Atomkraftgegner, sowie Frauen die für Gleichberechtigung eintreten, Antifaschisten, usw. Auch und gerade Schwule und Lesben sind hiervon besonders betroffen.

Ein Staat der Kriegsvorbereitungen treibt, bzw. einen Krieg führt, ist gezwungen diese Unterdrückungsmaßnahmenn zu verschärfen damit der Krieg führbar bleibt.

Aber schon heute ist die Unterdrückung von Schwulen und Lesben unerträglich:

  • da gibt es einen §175 StGB, der „sexuelle Handlungen“ mit minderjährigen Männern mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht. (Einen § dieser Art gibt es für Heterosexuelle nicht. Schläft ein Mann mit einer 16jährigen Frau ist das erlaubt.)
  • Berufsverbote für homosexuelle Lehrer und Pfarrer sind an der Tagesordnung. (wie Klaus Brinker der als Pfarrer Berufsverbot bekam.)
  • da erhalten schwule Soldaten der Bundeswehr Beförderungssperre, müssen ihren Dienst also ohne Beförderung bis zum Ende ableisten.
  • Schwule Frauen und Männer, die im 3. Reich verfolgt und in KZs gesteckt wurden, haben bisher immer noch keine Wiedergutmachung erhalten.
  • Im Schulunterricht wird Homosexualität immer noch unter Perversion oder Krankheit abgehandelt und nicht als gleichberechtigte Form der Sexualität.
  • auch in der Presse wird Homosexualität als etwas Perverses dargestellt, und mit Verbrechen in Verbindung gebracht.
  • In ‚Rosa Listen‘ werden von Polizei und Verfassungsschutz Daten über Homosexuelle gesammelt.

Diese Aufzählung ist sicherlich noch nicht vollständig, zeigt aber doch deutlich, wie es um Homosexuelle gestellt ist: von Gleichberechtigung und Respekt kann hier noch lange nicht die Rede sein! Diesen Zustand wollen wir so nicht mehr länger hinnehmen!

Was verlangen wir?
Die Aufhebung aller oben benannten Mißstände.
Das Recht, genauso frei und ungezwungen leben zu können wie jeder andere Mensch auch. Das Recht auf uns selbst, auf unseren Lebensstil, auf homosexuelles Leben.
Und wir wollen die Angst abbauen, die viele vor ihrem Schwulsein und den Reaktiionen ihrer Umwelt haben.

Eine Möglichkeit dazu und Ansatzpunkt zur Erreichung dieser Ziele soll die SCHWULE AKTION BREMERHAVEN sein.

(handgemaltes Logo der Gruppe)

(mein Name und meine damalige Telefonnumer als Kontakt-Möglichkeit)

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Die Reaktionen waren – bemerkenswert. An unserem Stand im ‚Columbus Center‘ trauten sich nur wenige der uns damals bekannten Schwulen Bremerhavens zu einem offenen Gespräch mit uns, wohl aber einige Vertreter von Jusos, SPD und Friedensgruppen. Unsere Gruppe allerdings wurde bekannt, auch die örtliche Presse wurde auf uns aufmerksam. Ich erhielt zahlreiche, großenteils alberne, teils drohende Anrufe – und einige von Schwulen, die Kontakt suchten. Und an der Hochschule war danach überall bekannt, das ich schwul bin (mit teils ebenfalls bemerkenswerten Folgen). Die ‚Schwule Aktion Bremerhaven‚ wurde langsam größer, bekam Zuwachs …

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Nachtrag:
Der Text dieses ersten ‚Flugi‘ spiegelt (neben anderem) auch meine damalige Lektüre. Die Formulierung des „Recht auf uns selbst“ ist z.B. natürlich keine originäre Ulli-Formulierung. Schon 1908 titelte Kurt Hiller seine Dissertation als „Das Recht über sich selbst“. Rolf Italiaander verfasste 1951 ein Theaterstück unter dem Titel „Das Recht auf sich selbst“.Und die NARGS Nationale Arbeitsgruppe Repression gegen Schwule, mit Blick auf das 1978 stattfindende 3. Russel-Tribunal über Menschenrechtsverletzungen in der BRD 1977 gegründet, brachte (so mich meine Erinneurng nicht täuscht) eine Broschüre unter ähnlichem Titel heraus.

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Kulturelles

Mein wunderbarer Waschsalon (Stephen Frears 1985)

Mein wunderbarer Waschsalon – der low budget Film von Stephen Frears (1985) mit Gordon Warnecke und Daniel Day-Lewis nach dem Stück von Hanif Kureshi ist (laut British Film Institute) einer der besten 50 britischen Filme des 20. Jahrhunderts.

Omar kümmert sich um seinen Vater, einen klugen heruntergekommen wirkenden Journalisten. Vor Jahren ist die Familie aus Pakistan nach England emigriert. Omar jobbt bei seinem Onkel Nasser, einem wohlhabenden Geschäftsmann („Ich bin von Beruf Geschäftsmann. Und nur als Staatsangehöriger Pakistani.„). Der ihm eines Tages einen abgewirtschafteten Waschsalon überlässt („eine echte Herausforderung für ihn„).
Omar möbelt den Waschsalon wieder auf, überredet seinen ehemaligen englischen Schulfreund Johnny, den er seit seinem 5. Lebensjahr kennt, mit einzusteigen. Sie verlieben sich ineinander.
Der Waschsalon, früher Churchills Laundrette, nun Powders, oder My beautiful Laundrette, wird ein Erfolg. Doch Johnnys alte Kumpel, viele in der rechtsextremen national front, wittert Verrat, greift den Waschsalon an. Und Omar soll eigentlich Tanja, Nassers Tochter heiraten – die jedoch in Johnny verliebt ist …

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‚Mein wunderbarer Waschsalon‘ ist weit mehr als eine schwule Romanze, ist zugleich Sozialdrama, ein ‚Film über gesellschaftliche Verhältnisse‘ (Roger Ebert in der Chicago Sun).

Der Film zeigt intensiv die Gesellschaft im Großbritannien der Thatcher Ära, erzählt von Rassismus und Homophobie, von Herkunft, Aufsteiger-Träumen und Zerrissenheit, von Haltung, Hoffen und Flucht, von Scheitern und Machtstrukturen.

„In diesem verdammten Land, das wir hassen und doch lieben, kannst du erreichen, was du willst. Du brauchst nur zuzugreifen. Deswegen glaube ich an England. Du musst nur wissen, wie dieses System zu melken ist.“
„Beherzige meinen Rat. Im Dreck liegt das Geld.“
„Und sag Tanja sie soll uns Champagner bringen. Dann stoßen wir auf die Thatcher an.“

Nasser zu Omar

„Dieses verdammte Land hat uns fertig gemacht. Deswegen seh ich auch so aus. Wir sollten gar nicht hier sein.“ (Hussein)
„Verglichen mit der übrigen Welt ist das hier n kleines Paradies.“ (Nasser)

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Die eingängige Titelmusik, blubberig tropfend und sofort wiedererkennbar, war schon damals von – Hans Zimmer (eine der frühesten seiner Filmmusiken; allerdings unter dem Pseudonym Ludus Tonalis).

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„Der heutige Tag ist der beste gewesen.“ (Johnny)
„Ja. Sagen wir der fast beste Tag.“ Omar)

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Mein wunderbarer Waschsalon (My beautiful Laundrette)
Regie Stephen Frears
Premiere am 7. September 1985 (Toronto Film Festival)
Hanif Kureshi war 1987 für das Drehbuch für einen Oscar nominiert.

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Mein wunderbarer Waschsalon – ein Klassiker des schwulen Films. Anklänge von New Wave. Legendär der Eröffnungs-Fick der ‚zwei Burschen‘ …

Keine Ahnung, wie oft ich ihn damals gesehen habe, oft, sehr oft … Und immer noch, wenn ich ihn selten sehe, ist er ein Hilite.