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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

HIV und Ramadan – was geht, und wie?

HIV und Ramadan – HIV-positiv, Medikamente, und die Fastenzeit für Muslime, der Ramadan. Verträgt sich das? Und wie regele ich’s am praktischsten? Ratschläge gibt ein (französischsprachiges) Internetportal.

Am Abend des 23. April 2020 beginnt in Deutschland für gläubige Muslime der Ramadan und endet am Abend des 23. Mai.

Ramadan – das bedeutet bis Sonnenuntergang nicht essen, nicht trinken, nicht rauchen. Auch wenn laut Koran kranke Muslime für die Zeit ihrer Krankheit vom Fasten befreit sind, überlegen manche gläubige Muslime im Ramadan zu fasten.

Als ‘Fastenmonat’ kann der Ramadan somit auch für Menschen mit HIV, die muslimischen Glaubens sind, einige Fragen mit sich bringen.

Aids-Medikamente müssen eingenommen werden, vielleicht nicht nur einmal, sondern zweimal täglich – geht das? Und wie? Und was ist mit Medikamenten, die nicht ohne Nahrung eingenommen werden dürfen? Gibt es Konstellationen als HIV-Positive/r, die sich mit dem Ramadan definitiv nicht vertragen? Und was dann?

Das französichen Sida Info Service hat 2011 und 2016 dazu Seiten mit vielen praktischen Tipps verfasst:

Sida Info Service 2011: Séropositif au VIH, puis-je faire le ramadan ? (HIV-positiv – kann ich am Ramadan teilnehmen?; Übers. UW)

Sida Info Service 2016: Quelques règles à respecter pour les musulman-e-s séropositif-ve-s au VIH qui souhaitent faire le ramadan (Einige Regeln für HIV-positive Muslime die am Ramadan teilnehmen möchten; Übers. UW)

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Text mit aktualisiertem Link 20. Februar 2016 von ondamaris auf 2mecs und zuletzt leicht aktualisiert am 29. Mai 2017

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Homosexualitäten

Vito Russo (1946 – 1990)

Vito Russo war ein us-amerikanischer Filmhistoriker, Autor und LGBT-Aktivist. Besonders bekannt wurde Russo durch The Celluloid Closet (1981).

Vito Russo (1946 - 1990) am 28. Juni 1989 (Foto: Massimo Consoli)
Vito Russo (1946 – 1990) am 28. Juni 1989 (Foto: Massimo Consoli, Lizenz cc by-sa 2.5)

Vito Russo (1946-1990) on June 28 1989. – Massimo ConsoliCC BY-SA 2.5

Russo wurde am 11. Juli 1946 in New York geboren. Bekannt wurde er insbesondere durch sein Buch „The Celluloid Closet“ (1981), in dem er untersuchte wie Schwule und Lesben in (insbesondere Hollywood-) Filmen dargestellt werden. Das Buch wurde die Basis für den Dokumentarfilm „The Celluloid Closet – gefangen in der Traumfabrik“ (1995) von Rob Epstein und Jeffrey Friedman.

Russo war Mit-Gründer der ‚Gay and Lesbian Alliance Against Defamation‚ (GLAAD), einer Organisation, die die Darstellung von Lesben und Schwulen in Mainstream-Medien beobachtet und jährlich die ‚GLAAD Media Awards‘ (darunter auch den ‚Vito Russo Award‘) verleiht. Russo engagierte sich zudem bei der Aids-Aktionsgruppe ACT UP.

https://www.youtube.com/watch?v=C0Q8p0HCQEs

Russo starb am 7. November 1990 in New York City an den Folgen von Aids. Sein Nachlass befindet sich in der New York Public Library.

Russo wurde in einer HBO-Dokumentation portraitiert, die am 23. Juli 2012 (in den USA) erstausgestrahlt wurde (Uraufführung beim 50. New York Film Festival am 23. Juni 2012).

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Homosexualitäten

Man’s Country New York – Werbespot der 1970er Jahre

1973 eröffnete in New York ein ‚Bathhouse‘ – das „Man’s Country“. Die beiden Besitzer Chuck Renslow und Charles Fleck hatten die Räumlichkeiten in einem alten Büro-Gebäude bereits 1972 erworben, nach umfangreichen Renovierungsarbeiten eröffnete ‚Man’s Country‘ in 28 W. Fifteenth Street (zwischen 6th und 7th Avenue) in New York 1973.

Das ‚Mans Country‘ in New York wurde bald legendär, wenn auch nicht so bekannt und populär wie das ‚St. Marks Bath‘. Besonders bekannt wurde das ‚Man’s Country‘ für sein ‚Orgien-Zimmer‘. Die Wände der Sauna waren teils dekoriert mit Zeichnungen von ‚Etienne‘ (Dom Orejudos), neben Tom of Finland damals einer der in den USA bekanntesten Vertreter der ‚Leather Art‘.

Eine weitere in Chicago eröffnete Filiale existiert noch heute, die New Yorker Dependance hingegen wurde in den 1980er Jahren geschlossen.

Dieser Werbespot von Mitte der 1970er Jahre (Musik: ‚The Salsoul Orchestra‘) gibt einen Eindruck: leider nicht mehr online 🙁

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Lesezeichen:
Leather Archives and Museum: Durk Dehner (1999): Dom Orejudos aka Etienne
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Homosexualitäten

Picano The Lure – Zeugnis schwulen Selbstbewusstseins in den 1970ern

Wie stellt man Schwule in Literatur, in Film dar? Gibt es Mittel und Wege, Schwule unprätentiös, unaufgeregt, ‚echt‘ – und mit Perspektive darzustellen? Finde ich mich da irgendwo wieder? Diese Fragen beschäftigten mich (frisch mein Schwulsein entdeckt, auf der Suche nach meinem Weg), damals Anfang der 1980er Jahre. In deutschsprachiger Literatur und im deutschsprachigen Film kannte ich damals nicht vieles über Schwule. Noch weniger etwas, das ich für mich als beispielgebend empfand.

Fast schon ein Highlight im Vergleich zu den mir damals bekannten, abfälligen Darstellungen Schwuler war zur damaligen Zeit „Die Konsequenz“ (Buch Alexander Ziegler 1975, Film Wolfgang Petersen 1977). Ich kann allerdings kaum sagen, welches von beiden ich (meinen Tagebüchern zufolge schon damals) als weinerlicher empfunden habe, als weiter weg von meiner eigenen Realität.

Dann kamen, kurz aufeinander, der Film ‚Cruising‘ (1979 gedreht, Uraufführung 1980) und der Roman ‚The Lure‘ (1979, deutsch: ‚Gefangen in Babel‘ 1981), auf den mich mein damaliger Lieblings-Buchhändler Dieter vom (inzwischen leider nicht mehr existierenden) schwulen Buchladen ‚Männerschwarm‘ aufmerksam machte. Beide waren auf ihre Weise für mich bedeutend.

Cruising‚ und ‚The Lure‘, beide befassen sich mit der Schwulenszene der USA Ende der 1970er Jahre. Beide behandeln u.a. das ‚Cruising‚, jenes Herumstromern auf der Suche nach schwulem Sex. Eine Insider-Formulierung, die damals noch weit davon entfernt war, ein wie heute umgangssprachlich gebräuchlicher und auch Heteros geläufiger Begriff zu sein. Und beide thematisieren  eine Reihe von Morden an Homosexuellen – allerdings mit grundsätzlich unterschiedlichen, oft konträren Haltungen und Darstellungsweisen.

Felice Picano ‚ The Lure ‚

Noel Cummings ist wie so oft früh morgens mit seinem Fahrrad unterwegs. Ein Geräusch, ungewohnt so früh am  Morgen, weckt seine Aufmerksamkeit. Wird er gerade Zeuge eines Mordes? Von einem etwas zwielichtigen, undurchschaubaren Agenten der New Yorker Polizei lässt er sich überreden, als verdeckter Ermittler in die Schwulenszene der Stadt einzutauchen. Er wird zum ‚Köder‘ (engl. lure) für den Mörder. Noel wird bald zum Objekt der Begierde – und mehr als das. Er wird Subjekt, beginnt seine eigene Homosexualität zu entdecken und, zunächst vorsichtig tastend, zu leben. Taucht dabei tief ein in die New Yorker Schwulenszene, Bars und Bar-Betreiber, wohlhabende Schwule und Männer, die sich engagieren – engagieren wofür? Immer bleibt er dabei auf der Suche – nach dem Mörder, im Auftrag der Polizei. Oder?

The Lure“ war der erste Roman des am 22. Februar 1944 in New York geborenen Felice Picano. Ein Thriller, 1979 veröffentlicht (Lawrence / Delacorte, New York) – und einer der ersten Bestseller mit schwulem Thema überhaupt.
Auf deutsch erschien ‚The Lure‚ erstmals 1981 (m.W. kurz vor der Frankfurter Buchmesse im Oktober 1981) unter dem Titel ‚Gefangen in Babel‚ (Schweizer Verlagshaus Zürich / Droemer Knaur, 1981; Übersetzung Kurt Wagenseil und Heinrich Zweifel). Eine zweite deutsche Ausgabe erschien Jahre später unter dem Titel ‚Der Köder‚ (Albino Verlag Berlin 1993, 2. Aufl. 1996). Zudem gab es kurzzeitig (zum Zeitpunkt des Erscheinens der ersten, damals sehr hochpreisigen deutschsprachigen Ausgabe) einen deutschsprachigen Raubdruckdruck, der in USA gedruckt worden war.

The lure – ein schwuler Thriller ?

Picano selbst beschreibt ‚The Lure‚ 1996 in einem Interview als „the first and only gay mystery thriller“ – ein Thriller, der zudem erzählte, wie die Schwulenszene der 1970er Jahre entstand (und indirekt an in Vergessenheit geratende Errungenschaften und Heldinnen und Helden erinnert):

„Those who formed gay culture in the 70s did so despite overwhelming opposition and indifference. They didn’t know what they were doing, only that they had to do it. Many, many of them, men and women, are dead of AIDS and cancer. They were heroes. If we stand tall today it’s because we’re standing on the shoulders of giants, princes, queens, and butches. I think we should honor and salute them.“

Felice Picano, Autor von The Lure , 2008 (Foto: wikimedia)
Felice Picano 2008 (Foto: Felice Picanoi, Lizenz cc by 3.0)

Portrait photograph of author Felice Picano.Felice PicanoCC BY 3.0

‚The Lure‘ wirkte bei seinem Erschienen beinahe wie ein Gegen-Entwurf zum kurz zuvor 1980 herausgekommenen (von vielen Schwulen als homophob empfundenen) Film ‚Cruising‘ von William Friedkin. Der (zunächst heterosexuelle) Protagonist entwickelt sich hier nicht wie in ‚Cruising‘ degeneriert  zum mordenden schwulen Zombie, sondern ‚in Richtung eines vollwertigen Schwulseins‘ („in favor of a fully fledged gayness“, Davidson 2005).

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„The Lure“ hat mich damals gefesselt, sehr beeindruckt, ähnlich wie kurz darauf 1982 der Film „Querelle“ von Rainer Werrner Fassbinder.

„The Lure“ war lange Zeit einer meiner schwulen ‚Lieblings-Romans‘ – und ich lese ihn heute noch gerne. Und immer noch empfinde ich ‚The Lure‘ als eine Art Schlüsselroman. Nicht nur als Schlüssel zu einer untergegangenen Zeit (schwulen Lebens vor der Aids-Krise), sondern auch zu einem ‚unschuldige(re)n‘ und zugleich engagierten schwulen Leben.

Und immer noch frage mich, wann wird dieser wegweisende Roman, dieser spannende Thriller endlich verfilmt …

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Lesezeichen
Brian Ray Fruth 2007: „Media Reception, sexual identity, and public space“
Owen Keehnen 1996: „The Best is yet to come: A Talk with Felice Picano“
Guy R. Davidson 2005: Contagious Relations: Simulation, Paranoia, and the Postmodern Condition in William Friedkin’s ‚Cruising‘ and Felice Picano’s ‚The Lure‘

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

HIV hetero : „HIV ist eher nebensächlich für uns“ – Interview mit Isabel und Rene, der „ersten hetero PoBe-Beziehung“

Positiv, hetero – und eine glückliche Beziehung, die zudem eine bemerkenswerte Geschichte hat. In zwei parallelen Interviews erzählen 2012 Isabel und Rene über sich und ihre ‚PoBe-Beziehung‘:

Isabel, Rene, ihr seid seit 4 Monaten fest zusammen. Mögt ihr euch zunächst kurz vorstellen?

Isabel: Ich bin gebürtige Sächsin, lebe aber schon seit 1985 im Großraum Düsseldorf, zähle inzwischen 36 Jahre und bin seit Ende 2000 positiv – infiziert von meinem Ex-Mann, der mir seinen HIV-Status verschwiegen hat. Seit 2002 nehme ich HIV-Medikamente und hab eigentlich keine größeren Einschränkungen dadurch. Habe aber auch das große Glück, eine Kombination zu nehmen, die nur einmal täglich verabreicht wird. Ich habe zwei Kinder – mein Sohn wurde 2003 geboren – durch ihn auch der frühe Therapiebeginn. Beruflich komme ich aus der Bank – ich habe vor 20 Jahren dort gelernt und bin bis heute im Konzern tätig.

Rene: Ich wurde 1972 in Quedlinburg geboren und lebe heute in Erfurt. Seit 1996 bin ich positiv getestet und seitdem in Therapie, die ich allerdings anfangs durch meine Suchterkrankung nicht regelmäßig eingenommen habe. Seit 2002 nehme ich die Medikamente allerdings durchgehend – meine Therapie besteht aus Kaletra und Truvada. Ich bin seit Jahren unter der Nachweisgrenze bei ca. 700 Helferzellen. Bis auf kleine Nebenwirkungen (Migräne) vertrage ich die Therapie ganz gut. Beruflich schlägt mein Herz grün (Garten- und Landschaftsbau) und nachdem ich nun körperlich und seelisch wieder hergestellt bin, hoffe ich, auch in diesem Bereich wieder voll durchstarten zu können.
Seit 4 Jahren bin ich komplett trocken – da hab ich gleich Nägel mit Köpfen gemacht und auch das Rauchen aufgehört.

Ihr seid euch nicht ganz zufällig begegnet – die Geschichte eurer Beziehung ist eng mit den ‚Positiven Begegnungen‘ verbunden?

Isabel: Für mich war es die 3. PoBe und ich freute mich darauf, wieder neue Leute kennenzulernen und alte Bekanntschaften aufzufrischen. Schnell hatte ich vertraute Gesichter wiederentdeckt und gesellte mich zu diesen. Dabei war neben vielen neuen Gesichtern eben auch das von René. Wir warfen uns schon mal den ein oder anderen verstohlenen Blick zu und wenn ich mich zum Rauchen nach draußen schlich, tauchte er meist auch auf und wir unterhielten uns. Auf der Abschlussveranstaltung wurde „sein“ Video ausgestrahlt, welches im Workshop entstanden ist und ich zog den Hut vor seinem Weg. So tief hatte er mich natürlich in den vorangegangenen Tagen noch nicht in sein Leben blicken lassen und ich lernte einen ganz anderen René kennen. Kurz vor meiner Abfahrt kam er dann auf mich zu und fragte ganz höflich, ob er mir seine Telefonnummer geben dürfe. Es folgten dann Telefonate, Briefe und kleine persönliche Geschenkpäckchen über einen Zeitraum von 1,5 Jahren – wobei ich gestehen muss, dass ich mich schon teilweise ziemlich rar gemacht habe und René manches mal mehrere Wochen auf ein Lebenszeichen von mir warten musste. Allerdings war es toll für mich, trotzdem immer die wahre und echte Freude in seiner Stimme zu hören, wenn ich endlich mal wieder zum Hörer griff. Wir lernten uns, ohne es richtig zu bemerken, immer intensiver kennen und nachdem ich dann verschiedene Dinge in meinem Privatleben geregelt hatte, schrieb ich ihm kurz vor seinem 40. Geburtstag eine Nachricht, in der ich fragte, ob er an seinem Geburtstag den ganzen Tag auf Festnetz zu erreichen sei. Er hat recht schnell geahnt, worauf ich hinaus wollte und fragte ganz ungläubig an, ob ich eventuell vor habe, ihn besuchen zu kommen. Ja und bei diesem Besuch hat es dann ganz heftig gefunkt – seitdem verdienen die Mineralölkonzerne richtig gutes Geld an uns.

Rene: Ich war das erste Mal bei den Positiven Begegnungen und war überrascht von der Menge der Teilnehmer. Ich kam mir anfangs ein wenig verloren vor, stellte dann aber schnell fest, dass ich schon ein paar Leute durch die Positiv & Hetero Gruppe kannte. Mit dem Verlauf dieses Treffens taute ich nach und nach immer mehr auf und bemerkte interessante Menschen um mich herum. Im Gegensatz zu Situationen aus meinem früheren Leben erfuhr ich hier nicht Ablehnung und Diskriminierung, sondern mir wurde ehrliche Sympathie, Respekt und Anerkennung entgegen gebracht. Für mich war auf diesem Treffen klar, dass ich etwas bewegen möchte, dass heißt Gesicht zeigen. Deswegen habe ich auch beim Videoworkshop mitgemacht, bei dem ich glaube, recht authentisch rüber zu kommen.
Zu den Mahlzeiten fiel mir Isabel schon positiv auf und unsere Blicke trafen sich in der nächsten Zeit recht häufig. Das erste Grinsen war schon mit dabei. Nach den 4 Jahren meiner Abstinenz hatte ich wohl den Kopf frei, um das Projekt „zwischenmenschliche Beziehungen“ zu beginnen. Da ich noch nie in meinem Leben über einen längeren Zeitraum liiert war – sozusagen ein Langzeitsingle – aber immerhin nicht mehr bei Mutti wohnend – wollte ich hier einen ganz neuen Weg gehen. Das Treffen neigte sich am Sonntag dem Ende zu, als ich nach der Frühstückszigarette raus ging. Mit meiner Telefonnummer in der Hand und klopfendem Herzen in der Brust ging ich auf Isabel zu und gab ihr das Zettelchen. In den Satz: „Darf ich Dir meine Telefonnummer geben?“ legte ich all meine Hoffnung. Die Angst vor einem Korb war aber schon ganz schön groß.
Damals wusste ich noch nicht, wie verrückt diese Frau ist und dass sie keine Spielerin ist. Der Grundstein war gelegt…

Ihr beide seid also die erste hetero- „PoBe-Beziehung“, von der wir wissen, oder?
Weswegen seid ihr zu den ‚Positiven Begegnungen‘ gefahren?

Isabel: Klasse, so habe ich das noch gar nicht gesehen – aber es stimmt schon, ich habe bisher noch von keiner anderen hetero PoBe-Beziehung gehört.
Die Positiven Begegnungen sind für mich schon immer ein toller Ort gewesen, um neues Wissen zu erlangen, Wissen zu vermitteln und eben andere Betroffene kennenzulernen. Ich wurde für Bielefeld als Referentin angefragt, wäre aber auch als rein private Teilnehmerin gekommen. Im weitesten Sinne wollte ich also schon neue Menschen kennenlernen, aber keinesfalls einen neuen Partner. In Bielefeld war ich selbst noch gebunden, wenn auch nicht glücklich, so aber doch in einer Beziehung.
Ich hatte da erstmal einiges in meinem Leben auf die Reihe zu bekommen und war vom Thema Partnerschaft so bedient, dass ich ganz sicher erstmal nichts neues wollte.

Rene: In erster Linie ging es mir darum, positive Energie zu tanken. Eine mögliche Partnersuche stand keinesfalls im Vordergrund. Es war mir aber von vorneherein auch klar, dass es nicht tragisch wäre, wenn sich in diese Richtung etwas entwickeln würde.

Wie wichtig ist euer HIV-Status für euch in eurer Beziehung?

Isabel: Wir achten sehr aufeinander, können nachempfinden, wenn der Partner sich nicht wohl fühlt – ohne dass er sich großartig erklären muss.
Ansonsten nimmt der HIV-Status eher einen kleinen Raum in der Beziehung ein – es tut gut, sich vor dem Partner nicht verstecken oder verstellen zu müssen und natürlich ist es auch toll, spontan und unkompliziert Sex haben zu können.

Rene: Eigentlich ist der HIV-Status eher nebensächlich für uns.

Nach der ‚PoBe Bielefeld‘, dem Beginn eurer Beziehung – wie geht’s weiter?
Seid ihr auf Positiventreffen, oder auf den nächsten ‚Positiven Begegnungen‘ in Wolfsburg?

Isabel: Wir sind auf jeden Fall in Wolfsburg dabei und hoffen inständig, dass die gemeinsame Zimmerreservierung auch wirklich klappt! Und auch sonst sind wir gerade in der Phase, in der wir unser Glück mit anderen teilen möchten, ihnen davon erzählen möchten – so habe ich kürzlich Renés „Positiv & Hetero“ Gruppe bei einem Treffen besucht und auch in unseren örtlichen AIDS-Hilfen sind wir beide zusammen zu finden, wenn gerade Veranstaltungen auf die Tage fallen, an denen wir zusammen sein können. Für 2013 haben wir geplant, an einem Partnertreffen im Waldschlösschen teilzunehmen. Ich hoffe also sehr, dass wir zukünftig öfter mal als Pärchen auf Treffen zu finden sind.

Rene: Ich denke, hier hat Isabel die Frage komplett für uns beantwortet <lacht>

Heterosexuelle HIV-Positive haben es, scheint mir, oft schwerer, Beziehungs-Partner zu finden als Schwule, oder täusche ich mich da? Habt ihr einen Tipp für positive Heteros?

Isabel: Nun, es ist wohl generell schwer, den passenden Partner zu finden – noch dazu habe ich das Gefühl, dass viele Heteros doch dazu neigen, keine „gemischten“ Beziehungen eingehen zu wollen, was die Partnersuche nicht wirklich einfacher macht.
Ich habe aber erlebt, dass es durchaus legitim und auch möglich ist, sich in einen „negativen“ Partner zu verlieben und mit ihm zusammen zu sein. Die Hürden waren bei mir gar nicht so groß, wie ich es im Voraus immer befürchtet habe und der Umgang mit HIV wurde im Alltag ein ganz normaler.
Von daher kann ich nur den Tipp geben, auf das Herz zu hören und mit dem Selbstbewusstsein in eine neue Situation hineinzugehen, dass uns zusteht. Wir brauchen uns wegen nichts zu schämen oder zu verstecken.
In René habe ich mich nicht verliebt, weil er positiv ist, sondern weil er René ist.

Rene: Ich denke auch, dass man sich keinesfalls verstecken sollte, sondern sich einfach öffnen und in die Welt rausgehen muss. Frei nach dem Motto „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Dank EKAF wird meiner Meinung nach auch vieles leichter. Ich denke, auch mit HIV sind wir vollwertige Menschen.

Isabel, Rene, ganz herzlichen Dank für das Interview!

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Text 21. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Nachdenkliches

liebende Existenz in Freiheit – nicht im Seitensprung – Zimmer

Seitensprung -Zimmer? Was nur ist ein Seitensprungzimmer? Und was überhaupt ein Seitensprung?
Beim Herumstromern in der großen Stadt entdecke ich im Schaufenster eines Pornokinos einen merkwürdigen Begriff:

Seitensprung - Zimmer (Hinweistafel an einem Pornokino in Berlin)
Seitensprungzimmer (Hinweistafel an einem Pornokino in Berlin)

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HIV/Aids Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Erinnerungen an Ernst Meibeck (1950 – 1995)

Ernst Meibeck, Schauspieler, Musiker, Sänger, Kabarettist und ACT UP Aktivist, wurde am 14. April 1950 in Essen geboren. Ernst Meibeck starb am 10. Oktober 1995 im Alter von 45 Jahren in Hamburg.

Ernst Meibeck 1991 © Florian Wüst
Ernst Meibeck, Januar 1991 © Florian Wüst

Ernst Meibeck lernte ich kennen, kurz nachdem er sein HIV-positives Testergebnis bekommen hatte, Ende der 1980er oder ganz zu Beginn des Jahres 1990 muss das gewesen sein. Wir waren zu einem Koordinierungs-Treffen der ACT UP – Gruppen in Deutschland, und Ernst war einer der aktivsten Hamburger ACT UP Aktivisten.

Der Präsident des Deutschen Aids-Kongresses, der bald in Hamburg stattfinden sollte, wollte uns nicht teilnehmen lassen?Da machen wir ne Aktion draus!‚, Ernst hatte gleich eine Idee, ein Bild im Kopf, ‚die sollen schon mal sehen, ob sie uns draußen halten können‘. Bald waren Krankenhaus-Klamotten, ein Krankenbett und allerlei medizinisches Zubehör organisiert, eine Gruppe HIV-Positiver, teils als Patient im Krankenbett, teils als ‚Professor‘ (‚Dr. Meibeck-Makarowsky‚) vorneweg, steuerte direkt auf den Eingang des Kongresses zu – und war bald drin. ‚Nicht über uns, mit uns‘, ‚Wir sind nicht das Problem, wir sind Teil der Lösung‘.

Auch in den folgenden Jahren war Ernst (oft gemeinsam mit Klaus Knust) engagierter Mitstreiter, Strippenzieher, Organisator, so z.B. beim damals recht erfolgreichen ‚Marlboro Boykott‘, bei dem ACT UP weltweit dagegen protestierte, dass der Marlboro herstellende Zigarettenkonzern den ultrarechten und inzwischen längst verstorbenen US-Politiker Jesse Helms unterstützte – eben jenen Helms, dem wir das erst Anfang 2010 wieder abgeschaffte Einreiseverbot für HIV-Positive in die USA zu ‚verdanken‘ hatten.

Irgendwann konzentrierte sich Ernst mehr auf die Fragen Hospiz und Pflegedienst – er hatte bei einem Besuch in London (wieder: mit Klaus Knust) das ‚London Lighthouse‘ besucht, brachte die Idee mit nach Hamburg – und wurde einer der aktiven Mitstreiter für ein ähnliches Hamburger Projekt. ‚Hamburg Leuchtfeuer‚ wurde 1994 gegründet – und Ernst konnte als er selbst schwer erkrankte längere Zeit von Ehrenamtlichen von ‚Leuchtfeuer‘ zuhause in seiner Wohnung auf der ‚Langen Reihe‘ gepflegt und betreut werden.

Multitalent Ernst Meibeck

Ernst Meibeck wurde am 14. April 1950 in Essen geboren. Nach einem BWL-Studium wurde er Leiter eines Jugendzentrums in Duisburg. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war er Mitglied der 1976 gegründeten schwulen Theatergruppe Brühwarm (Corny Littmann, Danny Lewis, Ralph Mohnhaupt, Ernst Meibeck, Lutz Ulbrich, Claus Plänkers und Götz Barner). Ernst ist u.a. der Sänger des wunderbaren Liedes „Sie ham mir ein Gefühl geklaut …“ auf der ‚Brühwarm‘-LP ‚entartet‚.

1979 trennte sich die Gruppe Brühwarm. Ernst machte Solo-Programme, sang mit im Hamburger Tuntenchor, jobbte als Modell. Er war Herausgeber der ersten beiden Ausgaben von ‚Hamburg von hinten‚ (1982, 1984/85).

HIV-positiv getestet, engagierte sich Ernst ab 1989 in der Aids-Bekämpfung.

Ernst Meibeck starb am 10. Oktober 1995 in Hamburg – nicht zuhause, wie er es sich gewünscht hatte, sondern im UKE (Universitäts-Krankenhaus Eppendorf). Beigesetzt ist er auf dem Friedhof Hamburg Ohlsdorf in der Gemeinschaftsgrabstätte ‚Memento 1‚ (Lageplan K10, 13-22).

Das ‚virtuelle Kulturhaus‘ auf der (längst eingestellten, aber seit 2013 wieder online als Archiv verfügbaren) schwulen Platform etuxx wurde ihm zu Ehren am 12. Dezember 2001 „Kulturhaus Ernst Meibeck“ benannt.

Ernst Meibeck – Grab

Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1, Grabplatte u.a. mit dem Namen von Ernst Meibeck
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1, Grabplatte u.a. mit dem Namen Ernst Meibecks

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Memento 1 – Ruhezeit Ende 2022 abgelaufen

Am 24. Oktober 2022 teilte Memento e.V. mit

„Ende dieses Jahres wird die 25-jährige Ruhezeit nach der letzten Beisetzung auf der ersten Grabstätte unseres Vereines:MEMENTO I ablaufen.
Somit wird der Patenschaftsvertrag dieser Grabstätte mit zugehörigem historischem Grabmal zum 31. Dezember enden. Das Grabmal wird dauerhaft an seinem jetzigen Standort verbleiben, da es vom Friedhof als erhaltenswert eingestuft wurde und unter Denkmalschutz steht.
Auch unsere Vereinsbeschriftung, die ersten 10 in den Sockel eingravierten Namen der Verstorbenen, sowie die Namenstafel mit den übrigen 22 Namen verbleiben vorerst an ihrem Standort. Sollte sich eines Tages eine Person, Familie oder Verein finden, welche einen neuen Patenschaftsvertrag mit dem Friedhof für diese Grabstätte abschließt, könnten diese dann natürlich ihre eigenen Namen am Grabmal anbringen. In diesem Falle würde unsere Namenstafel auf der Grabstätte MEMENTO II integriert werden. Auch die ersten 10 Namen aus dem Sockel des Grabmals würden dann, sobald dies finanziell machbar wäre, in irgendeiner Weise auf MEMENTO II eingefügt werden.
Am Totensonntag dieses Jahres wird also das letzte gemeinsame Grabbegängnis des Vereines am Grabmal MEMENTO I stattfinden und wir wollen die Grabstätte dabei mit einer kleinen Zeremonie verabschieden.“

Memento e.V., 24.10.2022

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Ernst war eine Inspiration.
Ernst war anstrengend.
Ernst war liebenswert.
Ernst war eine Bereicherung.
Ernst – ich vermisse dich.

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Ernst Meibeck hören?

Das geht noch – sich um die Brühwarm-LP ‚entartet‘ bemühen, und das wirklich wunderbare Lied ‚Sie ham mir ein Gefühl geklaut‘ anhören.

Oder bei radioaton anhören, wie Ernst Meibeck und Onan Onair Weihnachten 1987 von der Talstrasse zur Hafenstraße pilgern, in der Heiligen Nacht auf der Suche nach dem wahrhaft Heiligen.

Oder bei Monty Arnold Songs gesungen von Ernst Meibeck hören: Paris Bar hierLetztes Geleit hier, Cocteaus letzter Einkaufszettel hier, Steife Brise hier, Geiles Gerücht hier; (Komponist jeweils Erwin Spinger, außer ‚Paris Bar (dort Nach-Mischung)).

Onan Onair erinnert sich auf etuxx an Ernst Meibeck: Erinnerung an schwule Cliquenbildung

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Homosexualitäten

Cruising (Film) – ‚homophobes Machwerk‘ & ‘Teil der queeren Geschichte’

Er führte zu heftigen Kontroversen und Debatten um Homophobie, und geriet schnell wieder in Vergessenheit: der Film ‚Cruising‘ von William Friedkin aus dem Jahr 1979/1980 mit Al Pacino in der Hauptrolle. Der Film „Cruising“ – ein ‚homophobes Machwerk‘ ? und zugleich ‘Teil der queeren Geschichte’.

‚Cruising‘

Ein heißer Sommer in New York zur Zeit des Langzeit- Bürgermeisters Ed Koch (1924 – 2013). Eine Mordserie wühlt die schwulen Lederszene des ‚West Village‘ auf. Leichenteile schwimmen im Hudson River – die Polizei vermutet einen Serien-Killer, der seine Opfer in Schwulen-Bars kennen lernt. Undercover wird ein den Opfern ähnlich aussehender Polizist (Al Pacino als Steve Burns; Pacino soll sehr um diese Rolle gekämpft haben) in die Szene eingeschleust (ebenfalls ein ‚Lockvogel‚, wie im Plot des meisterhaften Romans The Lure von Felice Picano), dem sadistischen Täter auf der Spur.

Der (nota bene heterosexuelle) Polizist entdeckt in den Bars des Village eine Szene (unterlegt von Punk und Musik u.a. von Willy de Ville und den Germs (mit ihrem nicht offen schwulen Sänger Draby Crash)) der Drogen und des hemmungslosen Sex – und sieht sich mit seinen eigenen homosexuellen Anteilen konfrontiert. Er verdächtigt bald einen Barkeeper als Täter, von dem die Polizei mit Gewalt ein Geständnis  zu bekommen versucht. Doch die Spur erweist sich als falsch. Ist der wahre Täter unter den Schwulen zu suchen? Oder an ganz anderer Stelle?

‚Cruising‘, 1980:

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Hamburg

Mispel-Probleme

Unsere geliebte Mispel macht Probleme … schon das zweite Jahr … 🙁

Im Frühjahr ganz normales Austreiben, oppulente Blüte. Doch die Blätter werden nicht satt dunkelgrün wie früher, bleiben bei einem hellen grün … und bekommen bald teilweise rote Zeichnungen. Derzeit sieht sie so aus:

Im Herbst letzten Jahres hat die Mispel ihre Blätter viel zu früh verloren, kaum Früchte bis zur Reife getragen.

Die bisherigen Ratschläge von Gartenfreunden und Gärtner/innen waren erfolglos:

  • das trockene Frühjahr / der nasse Sommer letztes Jahr (dieses Jahr war’s anders – der Mispel gehts nicht ebsser)
  • das sind Wühlmäuse (Befund: negativ)
  • zu karger Boden (Mispel ist nicht sher anspruchsvoll; Düngen; keine Änderung)
  • das ist ein Pilz (komplett Laub letztes Jahr entfernt, verrbannt, keine Änderung).

Weiß jemand Rat?

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

3. Juli 1981 – erster Bericht über Aids

Erster Bericht über Aids – “Rare cancer seen in 41 homosexuals”, unter diesem Titel berichtete die New York Times am 3. Juli 1981 erstmals in der breiten Öffentlichkeit über das, was später als Aids bezeichnet wurde.

Eine ungewöhnliche Häufung von Fällen des ansonsten seltenen Kaposi Sarkoms unter jungen Homosexuellen war Fachleuten aufgefallen. Wenige Wochen zuvor, im Juni 1981 erschien ein erster Bericht über das, was später ‘Aids’ genannt wird, in der Fachpresse (dem ‘MMWR’).

Anfang Juli 1981, erster Bericht über Aids in der Publikumspresse, in der New York Times. Noch war nichts über Ursache, Erreger und Verbreitungswege bekannt.

“The cause of the outbreak is unknown, and there is as yet no evidence of contagion”

Doch Ärzte beschrieben die Situation bereits als “rather devastating“. Zwar sei Krebs nicht übertragbar. Aber für den Ausbruch könne auch ein Virus oder Umweltfaktoren verantwortlich sein, spekulierte der Autor bereits. Es gebe erste Hinweise auf einen Verursacher.

“Cancer is not believed to be contagious, but conditions that might precipitate it, such as particular viruses or environmental factors, might account for an outbreak among a single group.”
Und “The medical investigators say some indirect evidence actually points away from contagion as a cause.”

Die Fälle beträfen überwiegend Homosexuelle mit vielen Sexpartnern:

“most cases had involved homosexual men who have had multiple and frequent sexual encounters with different partners, as many as 10 sexual encounters each night up to four times a week”.

Dies bedeute auch Entwarnung – für Heterosexuelle bestehe voraussichtlich keine Gefahr:

“Dr. Curran said there was no apparent danger to nonhomosexuals from contagion. ”The best evidence against contagion,” he said, ”is that no cases have been reported to date outside the homosexual community or in women.””

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New York Times 03.07.1981: RARE CANCER SEEN IN 41 HOMOSEXUALS

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