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Homosexualitäten

1922: Kurt Hiller „§175 – Die Schmach des Jahrhunderts !“

Kurt Hiller, Schriftsteller und Pazifist,  veröffentlicht 1922 im Paul Steegemann Verlag in einer Auflage von 3.000 Exemplaren seine 132-seitige programmatische Schrift „§175: Die Schmach des Jahrhunderts !“. Die Schrift wird sein Meilenstein der Bemühungen zur Liberalisierung der gegen Homosexuelle gerichteten Strafbestimmungen.

Kurt Hiller: ' §175: Die Schmach des Jahrhunderts ! ' (1922) (public domain)
Kurt Hiller: ‚§175: Die Schmach des Jahrhunderts !‘ (1922) (public domain)

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unterwegs

Unterhose im Wandel der Zeit … 1935, 1945

Die Unterhose im Wandel der Zeit – heute: 1935 und 1945

Die Unterhose, getragen unter Hose, Rock oder Kleid, soll Analbereich und Geschlechtsteile be- (ver-?) decken. Sie zählt begrifflich zur Unterwäsche.

Die Brouche / Bruoch / Bruch – Vorläufer der Unterhose im Mittelalter

Brouche, Vorläufer der Unterhose im Mittelalter (hier: Grafik aus der Maciejowski-Bibel, 13. Jhdt.; public domain)
Brouche / Bruoch, Vorläufer der Unterhose im Mittelalter (hier: Grafik aus der Maciejowski-Bibel, 13. Jhdt.; public domain)
Zwei Männer in Braies / Brouches (Saint Geneviève Bibel, um 1370, gemeinfrei)
Zwei Männer in Braies / Brouches (Saint Geneviève Bibel, um 1370, public domain)

Unterhose 1935

Unterhose 1935, Chemiefaser (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Unterhose um 1935, Chemiefaser (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Unterhose 1945

Unterhose 1945, Leinen / Baumwolle, selbstgenäht (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Unterhose um 1945, Leinen / Baumwolle, selbstgenäht (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

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Hamburg Homosexualitäten

Ludwig Meyer: Jude, schwul, NS-verfolgt – & nicht entschädigt

Ludwig Meyer wird 1903 als Sohn einer jüdischen Familie von Vieh- und Fleischhändlern geboren. Zwar soll auch Ludwig den Familenbetrieb der „en-gros-Schlachterei“ fortführen – doch nach der Lehre geht er 1923 für ein Jahr nach Berlin. Erst 1930 kommt er nach Bielefeld zurück, arbeitet nun im Familienbetrieb und wird bald dessen Mitinhaber.

Am 17. Oktober 1936 wird Ludwig Meyer von der Gestapo verhaftet – im Rahmen der ‚Sonderaktion gegen Homosexuelle in Bielefeld‘. Meyer wird wegen Vergehens nach (dem erst kurz zuvor verschärften) Paragraph 175 angeklagt und zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Dezember 1937 wird der Familie das Ausüben des Schlachterhandwerks verboten – das Aus für den Betrieb. Ludwig Meyer wird arbeitslos – und ist als Jude auch chancenlos auf dem Arbeitsmarkt in Nazi-Deutschland.

Am 2. Juni 1938 wird Ludwig Meyer in ‚Vorbeugehaft‘ genommen. Im September 1938 wird er nach Buchenwald deportiert. Nach fünf Jahren Aufenthalt im KZ Buchenwald wird er im Mai 1943 in das KZ Auschwitz verlegt, später in das KZ Mauthausen.

Ludwig Meyer überlebt jahrelange KZ-Haft und NS-Verfolgung. Nach der Befreiung von Mauthausen am 8. Mai 1945. Er kehrt kurz darauf, völlig mittellos, in seine Heimatstadt Bielefeld zurück. Im Mai 1946 wird Ludwig Meyer als rassisch Verfolgter anerkannt.

1949 steht Ludwig Meyer erneut vor Gericht – nach dem unverändert in der NS-Fassung weiter gültigen Paragraphen 175. Wegen ‚unzüchtiger Handlungen‘ wird er zu 5 Wochen Gefängnis verurteilt. Die Bielefelder Wiedergutmachungsstelle plant daraufhin, seine Anerkennung als rassisch Verfolgter zu widerrufen, diese habe er aufgrund seiner Homosexualität verwirkt. Die jüdische Kultusgemeinde, in der Meier seit der Befreiung 1945 Mitglied ist, interveniert vergeblich. Sein Verfolgten-Status wird zunächst aberkannt. Meyer gewinnt ein Einspruchs-Verfahren, doch die Stadt Bielefeld legt Widerspruch ein. Als er wegen Betrugs und Bestechlichkeit im Amt zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt wird, verliert er den Status als rassisch Verfolgter. Erst 1956/57 „kamen alle Entschädigungs- und Rentenangelegenheiten zu einem positiven Ausgang“, wie Niko Evers in der taz resümiert.

1953 eröffnet Ludwig Meyer gemeinsam mit seinem Freund Günter Heidemann eine der ersten Schwulenkneipen Hannovers, das ‚Wielandseck‚ in der Glockseestrasse. 1960 gibt er die Kneipe ab, zieht später nach Hamburg.

Im April 1975 meldet die Hamburger Lokalpresse „wieder ein Mord auf St. Pauli: Rentner erschlagen“, das Opfer sei „homosexuell veranlagt“ gewesen. Ludwig Meyer wird Opfer eines Raubmords, sein Leben fand im Alter von 71 Jahren ein gewaltsames Ende.

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Berichtet hat die Geschichte von Ludwig Meyer der Journalist Niko Ewers vom ‚Bielefelder Stadtblatt‘ (einer aus der 1970er Protestbewegung entstandenen alternativen Zeitung, die 2001 nach 25 Jahren in Insolvenz ging) in der taz.

Als Theaterstück umgesetzt wurde das Schicksal Ludwig Meyers in dem Stück „Schlachter-Tango“ (2010; Konzept: Michael Grunert) das 2012 in Bielefeld (mit Förderung durch die hms Hannchen Mehrzweck Stiftung) erneut aufgeführt wurde.

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In der Gedenkstätte Buchenwald erinnert seit 2006 ein Gedenkstein an die homosexuellen NS-Opfer.

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Lesezeichen
Niko Ewers: Homosexuell und Jude – Leben und Verfolgung des Bielefelders Ludwig Meyer, dessen Leidensgeschichte nach siebenjähriger KZ-Haft noch nicht zuende war. in: Capri, 13. Jg. 2001 (H. 30), S. 35 – 41
taz 02.09.2000: Nicht verfolgt?
Theater-Labor im Tor 6: Schlachter-Tango

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Nachtrag
26.06.2012
: Das ‚Wielandseck‘ war Anfang der 1960er Jahre, in Zeiten des ‚Tanzverbots‘ für Schwule in Hamburg (1961 hatte das Verwaltungsgericht Hamburg das vom Ordnungsamt angeordnete Tanzverbot in Lokalen für Homosexuelle bestätigt), auch Zufluchtsort für Hamburger Homosexuelle, wie Mico Kaletta (Besitzer der ältesten Schwulensauna Deutschlands, der Vulkan in Hannover) berichtet (pdf):

Im Wielandseck hingen Plakate `heute kommt der Bus aus Hamburg. Wir begrüßen die Hamburger, seid alle pünktlich ́. Gegen 20 Uhr kam der Reisebus um die Ecke und die hannoverschen Tunten begrüßten die Hamburger Tunten, sogar mit Rosen. Es wurde getanzt und gefeiert, bis der Bus am nächsten Tag nur noch halbvoll nach Hamburg zurückfuhr.

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Berlin

Transgenialer CSD 2012 Fotos – Berlin 23.6.2012

Transgenialer CSD 2012 Fotos : “Lasst es glitzern! Antifaschistisch – queerfeministisch – antirassistisch – solidarisch” – unter diesem Motto fand am 23. Juni 2012 in Berlin der ‘Transgeniale CSD 2012’ tCSD ’stay queer and rebel‘ statt.

Berlin Transgenialer CSD 2012 Fotos

tCSD 2012 - stay queer and rebel
Transgenialer CSD 2012 Fotos – tCSD 2012 – stay queer and rebel

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tCSD2012 - POZ
tCSD2012 – POZ

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tCSD2012 - Trans an die Macht
tCSD2012 – Trans an die Macht

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tCSD2012 - Analverkehr statt Kapitalverkehr
tCSD2012 – Analverkehr statt Kapitalverkehr

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tCSD2012 - Rat Bohemia
tCSD2012 – Rat Bohemia

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tCSD2012 - Für mehr Blümchensex
tCSD2012 – Für mehr Blümchensex

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Erinnerungen Oldenburg

Oldenburg möchte 2012 ‚Heimat für Homosexuelle‘ sein

Als Mittel- und Bezugspunkt einer großen ländlichen Region hat Oldenburg den Anspruch und die Aufgabe, eine Heimat für Homosexuelle zu sein„,

sagt – der Oberbürgermeister von Oldenburg.

Nun, „Heimat für Homosexuelle„, die Formulierung klingt für mich befremdlich. Möchte ich das?

Allein, hinter der mir befremdlich klingenden Formulierung steckt für die Provinz immer noch Bemerkenswertes.

Prof.Dr. Gerd Schwandner, der Oberbürgermeister Oldenburgs, begründet:

Zu einer aufgeklärten Gesellschaft gehört ein Toleranzbegriff, der Vielfalt als Normalität begreift. Und wir können nicht genug dafür tun, diesen Gedanken weiterzutragen und mit Leben zu füllen.

Und ergänzt

Der hohe Anteil von Lesben und Schwulen an unserer Bevölkerung verdeutlicht das; wir verstehen ihn als Kompliment. Und zwar als eins, das immer wieder neu verdient sein will.

Ob in Oldenburg Homosexuelle nun besser leben?

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Eine Aussage, die man sich von so manchen Bürgermeister auch größerer Städte wünschen würde.

Schon in Deutschland, umso mehr in einigen Nachbar-Staaten (erinnert sie nur daran, dass andere gerade glauben den CSD für 100 Jahre verbieten zu können).

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Alles außer gewöhnlich.“
Ein schönes Motto für einen CSD – wo sich viele doch gerade danach recken, so gewöhnlich und angepasst wie möglich sein zu ‚dürfen‘.

Wir müssen nicht der Norm entsprechen, um ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein„,

sagt 2012 das Programmheft für den CSD Nordwest. Sein Motto: „Alles außer gewöhnlich!“

Mögen einige über diesen Satz nachdenken . . . und das Potential, das in ihm steckt …

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Ich erinnere mich.
1980 / 81 begann mein schwules Leben – in Oldenburg, in eben jenen Oldenburg.
Gerade frisch zuhause ausgezogen, entdeckte ich hier erstmals, was so alles möglich war.
Dass manch untergründig schlummernde Sehnsucht durchaus erfüllbar war.
Hatte einen ersten Lover. Raphael.
Ein guter, liebevoller Start in’s schwule Leben, an den ich mich noch heute gern erinnere.

Und Erinnerung an eine Zeit, in der (in meinen Freundes- und Bekanntenkreisen) Maxime nicht war „wir wollen sein wie die“ [Heteros], sondern primäre Idee war, die Chancen und Möglichkeiten des Anderssseins kreativ für den eigenen Lebensweg zu nutzen. Wir wollten nicht der Norm entsprechen …

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NWZ online 13.06.2012: Oldenburg möchte Homosexuellen gute Heimat sein
CSD Nordwest, dort Link zum Programmheft (als pdf) mit dem Grußwort des Oberbürgermeisters

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Donna Summer homophob ? Brief an ACT UP: ich war nie gegen Schwule

War Donna Summer homophob ? Die 2012 verstorbene und 2018 in einem Musical portraitierte Disco-Ikone bestritt 1989 in einem erst 2012 komplett bekannt gewordenen Brief an die Aids-Aktionsgruppe ACT UP, dass sie Aids als Strafe Gottes bezeichnet habe.

Hat sie – oder hat sie nicht? Hat Donna Summer, einst Star der Schwulen-Szenen, 1983 Aids als Strafe Gottes für die Schwulen bezeichnet? Nein, sagte Donna Summer einige Jahre später in einem Brief an ACT UP, der 2012 erstmals vollständig bekannt wurde.

Donna Summer soll damals Presseberichten zufolge u.a. geäußert haben, die Schöpfung beginne mit Adam und Eva, nicht Adam und Steve:

“It was Adam and Eve, not Adam and Steve.”

Sie werde für die Schwulen beten. Aids sei eine Strafe Gottes.

“I’ve seen the evil homosexuality come out of you people… AIDS is your sin … Now don’t get me wrong; God loves you. But not the way you are now.”

Donna Summer 1977 (Publicity photo of singer Donna Summer in the recording studio in 1977. gemeinfrei)
Donna Summer 1977 (Publicity photo of singer Donna Summer in the recording studio in 1977. gemeinfrei)

Publicity photo of singer Donna Summer in the recording studio in 1977.Public Domain

Donna Summer homophob ? – ACT UP Proteste und Summers Brief

ACT UP hatte damals Aktionen gegen Summer gestartet und war mit Protesten auf bzw. vor Donna Summer Konzerten präsent. Auch bei einem Auftritt Summers beim Boston Gay Pride 1989 kam es zu Protesten.

Auf die ihr zugeschriebenen Äußerungen und die Proteste ACT UPs bezieht sich Summer in dem Brief, den Peter Staley 2012 auf seinem Blog erstmals vollständig bekannt macht. Staley war ACT UP Aktivist und ist Gründer der Treatment Action Group TAG. In ihrem Brief vom 26. Juli 1989 bezeichnet Donna Summer die Kritik an ihr und Proteste gegen sie als “unjust and unfair

“I did not say God is punishing gays with aids, I did not sit with ill intentions in judgement over your lives. I haven’t stopped talking to my friends who are gay, nor have I ever chosen my friends by their sexual preferences.”

Sie habe sich nie von den Schwulen abgewandt – im Gegenteil, diese hätten ihr den Rücken gekehrt:

“I never denied you or turned away, but in fact you turned away from me.”

War Donna Summer homophob ? Peter Staley selbst meint sich zu erinnern, dass ACT UP damals etwaige Proteste gegen Donna Summer nicht wegen dieses “strange letter” beendet habe – sondern weil die Arbeit von ACT UP andere Prioritäten gehabt habe.

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Donna Summer, geboren am 31. Dezember 1948 in Boston, Massachusetts als LaDonna Adrian Gaines, starb am 17. Mai 2012 in Naples, Florida an Lungenkrebs. Anders als bei Disco-Star Sylvester, dessen Musik posthum Aids-Organisationen unterstützt, ist von Donna Summer ähnliches nicht bekannt.

2018: Donna Summer Musical

2018 hatte in New York am Broadway ein Musical über Donna Summer Premiere. Aus der Perspektive ihres letzten Konzerts wird Summers Leben in zwanzig Liedern erzählt. Choreographie hat Sergio Trujillo, Donna wird gespielt von Ariana DeBose, LaChanze und Storm Lever. Regie führt Des Mc Anuff.

Am 28. März 2018 starteten die Previews für das Musical „Summer: The Donna Summer Musical “ unter der Regie von Des McAnuff. Premiere war am 23. April 2018 am Lunt-Fontanne-Theatre auf dem Broadway. Weltpremiere einer vorläufigen Entwicklungs-Version war bereits Ende 2017 am La Jolla Playhouse. Im Juli 2018 wurden die Musical-Tracks digital veröffentlicht.

Nach der Premiere zeigte sich die New York Times enttäuscht, ein ‚Reinfall‘, „Hot stuff turns cold“. In jedem sorgfältigen Nachruf könne man mehr über die Disco-Sängerin erfahren. Und Variety kommentierte das ‚anämische‚ Musical trocken „a narrow-minded jukebox musical that views its heroine in a vacuum„.

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weitere Informationen:
Peter Staley 12.06.2012: Donna Summer’s Letter to ACT UP
Donna-Tribute: The Advocate (mid 80s): Summer and Smoke, by Adam Block
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Hamburg Italien

etruskischer Analverkehr

Analverkehr im Museum?
Sag mal, siehst du auch, was ich sehe?
Grinsend steht Frank vor einem Tuffstein-Relief im Hamburger ‚Museum für Kunst und Gewerbe‘.
Nun, die Darstellung bietet nicht so arg viele Möglichkeiten der Interpretation,
auch wenn bemerkenswerterweise gerade hier der museale Erläuterungstext fehlt …

Etruskischer Analverkehr ?
Etruskischer Analverkehr ?

Etruskischer Analverkehr ?
Etruskischer Analverkehr ?

(wir haben leider versäumt, im Bestands-Katalog des Museums nähere Angaben nachzuschlagen …)

男同

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Kulturelles

Die Schniedelschnepfe

Die Schniedelschnepfe (Scolopax vermiculis) ist ein erst jüngst in das Licht der Öffentlichkeit getretener Vertreter aus der Gattung der ordinären Schnepfenvögel. Etwa haustaubengroß, gedrungener Körper, zweckmäßige Organe – die Schniedelschnepfe scheint ihrer Umgebung gut angepasst. Dennoch lebte sie lange im Verborgenen, erst eine TV-Sendung machte ihre Existenz jüngst einem größeren Publikum bekannt.

Die Schniedelschnepfe liebt Feuchtgebiete, ist hingegen nur selten im Freiland anzutreffen. Die Schniedelschnepfe ist ihrem Lebensraum hervorragend angepasst. Sie weist einen langen Schnabel auf, kurze Beine und unauffälliges Gefieder.

Die Schniedelschnepfe ist ein Zivilisations-Folger; sie siedelt sich gerne in Gebieten an, die gut vom Menschen erschlossen sind. In der Folge ist sie besonders in dicht besiedelten Arealen Europas und Amerikas anzutreffen, jedoch auf allen Kontinenten nicht fremd.

Neben der häufig vorzufindenden ‚gemeinen Schniedelschnepfe‘  Scolopax vermiculis vulgaris ist auch die Unterart Scolopax vermiculis viridiphiloae beschrieben worden, sie scheint gehäuft im Umfeld von männlichen Homosexuellen aufzutreten. Ihr Verhalten Fremden gegenüber erscheint oft ein wenig ungewohnt, so dass Experten der Materie sie gelegentlich als ‚zickig‘ beschrieben – ohne dass bisher eine Verwandtschaft mit der Zimtzicke belegt werden konnte.
Über die Größe des Bestandes dieser Unterart ist bisher ebenso wenig bekannt wie über ihre Paarungs-Gewohnheiten. Allerdings wurden mehrfach Sichtungen auch in elektronischen Regionen, besonders in blauen Gefilden (der so genannten ‚terra fervidus caeruleus‘, umgangssprachlich auch ‚gayromeo‘ genannt), berichtet, so dass ihr Bestand nicht gefährdet scheint.

Erstmals genannt wurde die Schniedelschnepfe erst jüngst, in einem bekannten TV-Ratespiel, Sonderausgabe für Prominente. Aus diesem Grund wurde bereits mehrfach die Vermutung geäußert, es könne neben den beiden als halbwegs sicher geltenden Erscheinungsformen Scolopax vermiculis vulgaris und Scolopax vermiculis viridiphiloae auch noch eine weitere Unterart geben, die Scolopax vermiculis jauchensis millionariae. Auf die Existenz dieser Unterart ist bisher allerdings erst ein einziger Hinweis bekannt, sie kann bisher nicht als gesichert nachgewiesen gelten.

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Die Schiedelschnepfe ist ein sehr scheues Wesen – entsprechend ist noch nur wenig über sie bekannt.
Photographien sind der Reaktion bisher nicht zur Verfügung gestellt worden, nicht einmal zeichnerische Abbildungen. Auch über ihre Ernährungs- und Lebensgewohnheiten bestehen noch viele Informations-Lücken.
Die Redaktion bittet entsprechend um sachdienliche Hinweise und Ergänzungen zu diesem possierlichen Tierchen, das sicher mehr als bisher unsere Aufmerksamkeit verdient hätte.

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Berlin

transgenialer CSD 2012 Berlin – glitzernd die Normalität verändern

Transgenialer CSD 2012 Berlin „Lasst es glitzern! Antifaschistisch – queerfeministisch – antirassistisch – solidarisch“ – unter diesem Motto findet am 23. Juni 2012 in Berlin der ‚Transgeniale CSD‘ statt.

Transgenialer CSD 2012 Berlin

Er ist „die kleine Schwester“ des ‚großen‘ Berliner CSDs, die beiden haben ein nicht eben geschichts- und spannungsarmes Verhältnis (das sich derzeit gelassen desinteressiert gibt, „wir haben uns bisher gar nicht damit beschäftigt“). Und er hat bereits eine jahrelange Geschichte: der erste ‚Transgeniale CSD‘ fand bereits 1998 statt.

Braucht Berlin zwei CSDs?
Warum braucht es überhaupt einen ‚Transgenialen CSD‘, wo es doch in Berlin schon den ’normalen‘ CSD gibt?

Diese Frage haben die Organisatoren des Transgenialen CSD klar beantwortet:

„Und wir haben ja auch einen ganz anderen Ansatz: Der große CSD will sich anpassen und in der Normalität ankommen dürfen – der Transgeniale CSD will den Normalzustand an sich verändern!“
(„Die Normalität verändern“, in: Siegessäule 06/2012, S. 34)

Der Transgeniale CSD sieht sich bewusst in der Tradition der Stonewall-Aufstände:

„Die Kämpfe um das Stonewall Inn in der Christopher Street in New York im Juni 1969 waren ein Aufstand gegen Repression und homophobe, rassisitische und transphobe Ausgrenzung und der Ursprung der CSD-Bewegung. Der Transgeniale CSD sieht sich in dieser Tradition. Anpassung, Kommerzialisierung, (Homo)nationalismus und Pathologisierung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen sind für uns nach wie vor ein Grund für Widerstand und den Versuch, solidarisch Gegenmacht zu entfalten angesichts institutioneller und alltäglicher Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt hier und weltweit.“

Transgenialer CSD 2012 - 'Lasst es glitzern ...' (Quelle: TCSD)
Transgenialer CSD 2012 – ‚Lasst es glitzern …‘ (Quelle: TCSD)

Transgenialer CSD 2012 – sehen wir uns?

Treffpunkt 13 Uhr, Elsenstr./Am Treptower Park (vorm Treptower Park Center)
18 Uhr: Abschlusskundgebung am Heinrichplatz: Bühne mit Redebeiträgen, Performances, Musik und Infoständen

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braucht Berlin zwei CSDs ? – wie der transgeniale CSD entstand

Die Entstehungsgeschichte des transgenialen CSD reicht zurück in das Jahr 1997. In der Grundsatzdebatte über den Berliner Haushalt 2017 hält der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende und populistischer Scharfmacher der Partei Klaus Landowsky eine Rede, die einen Eklat auslöst. Er polemisiert gegen die Grünen sowie die damalige PDS

„Wo Müll ist, sind Ratten, und wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel.“
 

Die Rede geht als ‚Rattenrede‘ in die Geschichte ein.

Der Berliner CSD stößt zu dieser Zeit zunmehmend auch auf Kritik aus den Szenen. Entpolitisierung und zunehmende Kommerzialisierung sind die wichtigsten Vorwürfe. Hierauf reagierend und das Thema der ‚Rattenrede‘ aufgreifend, wollen sich Aktive mit einem ‚Rattenwagen‚ am CSD 1997 beteiligen. Doch die Organisationsleitung des CSD lehnt dies ab, verbannt den Wagen.

Als Reaktion findet im Folgejahr 1998 erstmals ein eigener CSD in Berlin Kreuzberg statt, der transgeniale CSD (tCSD). Er hat den Anspruch, politischer zu sein, auch soziale, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenhänge zu thematisieren.

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Nachdenkliches

Mein Unwort des Jahres 2012: “Menschenrechtist”

Unwort des Jahres 2012 – mein Kandidat: ‚Menschenrechtist‘.
Der Eurovision Song Contest 2012 ist vorbei. Langsam kehrt wieder Ruhe ein – oder? Wächst jetzt Gras über jede Peinlichkeit der letzten Tage, über jeden Lapsus,  das Gras des Vergessens, eilt die Aufmerksamkeit zum nächsten Hype weiter? Oder erinnern wir uns an sprachliche Entgleisungen der besonderen Art? Eine der in meinen Augen bemerkenswertesten sprachlichen Entgleisungen: Feddersens Wortschöpfung „Menschenrechtist“.

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Feddersen berichtet und kommentiert für taz und NDR aus Baku. In seiner taz-Kolumne „Bitches in Baku #6: Indezent und dabei gut aussehen“ prägt er den Begriff „Menschenrechtist“:

„Sogar das westliche Gerücht, dass in Aserbaidschan Schwule – von Lesben ist nie die Rede – drakonisch unterdrückt werden, darf als Gräuelpropaganda von, nennen wir sie: Menschenrechtisten genommen werden.“

Schwulen- und Lesbenverfolgung und -unterdrückung in Aserbaidschan – einzig ein „Gerücht“? „Gräuelpropaganda“? Zahlreiche Publikationen (nicht nur in schwulen Medien) haben bereits heraus gearbeitet, dass die Unterdrückung Homosexueller in Aserbaidschan weit mehr ist als „ein Gerücht“.
Mir geht es hier um eine andere Formulierung.
„Menschenrechtist“.
Ein Wort, das man sich auf der Zunge zergehen lassen kann.
Wonach schmeckt es?
Welchen Beigeschmack hat es?
Was will es bewirken?

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„Menschenrechtist“ – das erinnert (und soll es wohl auch) an Extremist, Fundamentalist …

„Menschenrechtist“ – ein solcher Mensch wäre wohl ‚Vertreter des Menschenrechtismus‘.
‚-ismus‘-Formulierungen werden auch „verwendet, um sich mental von etwas zu distanzieren“, weiß wikipedia. „Außerdem wird das Suffix verwendet, um jemanden zu charakterisieren oder zu klassifizieren.“

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Gibt es einen Grund, einen neuen Begriff zu prägen?
Menschen, die sich für Menschenrechte einsetzen, nennt man gemeinhin ‚Menschenrechts-Aktivisten‘.
Ein Grund einen neuen Begriff einzuführen für sie ist mir nicht ersichtlich.
Es sei denn, man wolle ihrer Arbeit eine negative Konnotation anhängen, sie diffamieren, verächtlich machen.

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„Menschenrechtisten“ – ist Feddersen einfach, wie der Titel seiner Kolumne suggeriert, bitchy?

Bitchy – das meint etwa: gemein, gehässig, zickig.
Ist es nur einfach bitchy, Menschenrechts-Aktivisten als „Menschenrechtisten“ zu diffamieren? Ist die Entgleisung des Herrn Feddersen damit zu erklären, gar zu entschuldigen?

Stefan Niggemeier betont (in der taz vom 24.5.2012, „ESC-Berichterstattung -Zwischen Heuchelei und Anteilnahme“)

„Jan Feddersen hat die Menschen, die darüber berichten, in vielfacher Weise verunglimpft. Er hat den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung eine „Spaßbremse“ genannt und Kritiker als „Menschenrechtisten“ verspottet.“

Konnte man eigentlich beruhigt nach Baku fahren, über den ESC berichten, trotz der Situation hinsichtlich der Menschenrechte im Land?

Ist doch alles nicht so schlimm. Die Menschenrechtisten übertreiben maßlos„, meint Herr Feddersen.

Auch ansonsten findet Herr Feddersen deutliche Worte für (oder sollte man sagen gegen?) das Engagement für Menschenrechte. So zitiert Stefan Niggemeier Feddersens Antwort auf die Frage einer Springer-Zeitung „Was sagen die Sänger zur politischen Lage?“

„Für Polit-Sperenzchen haben die meisten Künstler gerade keinen Sinn“

Engagement, Äußerungen zur politischen Lage in Aserbaidschan – das sind für Herrn Feddersen nur ‚Polit-Sperenzchen‚?

Und wenn der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Menschenrechtsskandale in Aserbaidschan angreift – ist er dann mit Feddersen „eine Spaßbremse sondergleichen„?

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Der von Feddersen geprägte Begriff „Menschenrechtist“ ist ein übler Missgriff. Er ist weit mehr als „nur“ übliche Ironie oder Spott.

Geht es Feddersen (mit dieser Wort-Schöpfung) darum, Raum für differenzierte Debatten zu eröffnen? Zwischentöne zuzulassen? Neue, andere Blicke auf die Menschenrechts-Situation in Aserbaidschan zu ermöglichen?

Nein – mir scheint nicht. Ein Begriff wie „Menschenrechtist“ macht verächtlich, deklassiert, wertet ab. Diffamiert Menschen, die sich für Menschenrechte einsetzen.

Auch wenn Feddersens Begriffs-‚Schöpfung‘ im Kontext seiner Äußerungen über den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung sowie im Kontext seiner Antwort auf die Frage nach Künstler-Äußerungen zur Menschenrechts-Frage gelesen wird, wird greifbar, was er mit diesen Formulierungen intendieren mag: die Verächtlichmachung des Einsatzes für Menschenrechte.

Zeigt der Autor hier – wenig verborgen – gar seinen Ekel vor diesen Aktivisten, diesem Engagement – das ihm seinen (ESC-) Spaß verdirbt?

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Ginge es allein im sprachliche Missgriffe, könnte man Feddersens Fehltritt(e) als ‚hedonistische Markussiade‚ abtun („Ich will Spaß! Ich will Spaß!“). Aber es geht nicht um irgendwelchen Spaß, es geht um Menschenrechte, und um Menschen, die sich – oftmals unter Eingehen erheblicher Risiken – für deren Einhaltung einsetzen.

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Feddersen arbeitet unter anderem als Journalist für taz und NDR.
Laut ihrem Redaktionsstatut tritt die taz ein „für die Verteidigung und Entwicklung der Menschenrechte und artikuliert insbesondere die Stimmen, die gegenüber den Mächtigen kein Gehör finden.“ (§2(3))
Zu den Programmgrundsätzen des NDR gehört „die Würde des Menschen zu achten und die Verständigung der Menschen untereinander in allen Bereichen des Lebens zu fördern“.
Wie sich Feddersens Äußerungen mit dem Redaktionsstatut der taz oder den Programmgrundsätzen des NDR vertragen – dies wird mir immer schleierhaft bleiben.

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„Die Aktion »Unwort des Jahres« möchte auf öffentliche Sprachgebrauchsweisen aufmerksam machen und dadurch das Sprachbewusstsein und die Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern. Sie lenkt den Blick auf sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen, um damit zu sprachkritischer Reflexion aufzufordern.“
Die Kriterien für das „Unwort des Jahres“ lauten

„weil sie gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen,
weil sie gegen Prinzipien der Demokratie verstoßen,
weil sie einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren,
weil sie euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend sind.“

Herrn Feddersen ‚Wortschöpfung‘ „Menschenrechtist“ käme wohl als Kandidat infrage …

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Und sonst?

Der Ex- taz-Kolumnist und Satiriker Wiglaf Droste spricht (in der ‚Jungen Welt‘ vom 26.5.2012) vom „Menschenfedder“ und stellt fest

„Auch politisch ist das Alt-mao-am Feddersen vollrohr im Niente­capirismus angekommen.“

Christian Scheuß bittet auf queer.de (am 24.5.2012, „ESC in Baku – Jan Feddersen, zero points!„) Jan Feddersen trocken

„Das Mindeste, das du jetzt tun könntest, aus Solidarität zu denjenigen, die ein anderes Verhältnis zu den Realitäten haben: Konzentriere dich auf die schönen Trick-Kleider und den tollen Promo-Tand, schau dir so lang du willst die händchenhaltenden Männer mit den „hautengen T-Shirts“ und den „eingebauten Gemächtbeulen“ an, aber halt in Sachen Menschenrechte doch einfach die Klappe. Danke schön…“

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Deutsche Post: Briefmarke '50 Jahre Erklärung der Menschenrechte' (1998)

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Deutsche Post: Briefmarke ’50 Jahre Erklärung der Menschenrechte‘ (1998)

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Anmerkung:
14.12.2012 Titel geändert von „Unwort: „Menschenrechtist““ in „Mein Unwort des Jahres 2012: “Menschenrechtist”“
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siehe auch
Steven Milverton 31.05.2012: ESC-Nachlese
Elmar Kraushaar „Der homosexuelle Mann …“, in: Männer (online), 04.06.2012
Stefan Niggemeier 04.06.2012: Der homosexuelle Mann… und die Grenze der Toleranz bei der »taz«
queer.de 04.06.2012: Der homosexuelle Mann in Aserbaidschan
aufrechtgehn.de 04.06.2012: Jan Feddersen: der Expertist
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vorwärts 13.06.2012: Der Eurovisions-Frieden in Baku ist vorbei – Blogger Mehman Huseynov verhaftet
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