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Politisches

Erich-Mühsam-Preis für Gunter Demnig

Der Künstler Gunter Demnig wurde am 26. April 2009 in Lübeck mit dem Erich-Mühsam-Preis ausgezeichnet, verliehen für das Projekt Stolpersteine.

Der in Lübeck aufgewachsene Publizist, Schriftsteller und politische Aktivist Erich Mühsam wurde am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg nahe Berlin von Nationalsozialisten ermordet. Die 1989 in Lübeck gegründete Erich-Mühsam-Gesellschaft verleiht seit 1993 den Erich-Mühsam-Preis.

Die Erich-Mühsam-Gesellschaft schreibt dazu:

“Alle zwei Jahre wird auf der Tagung der Erich-Mühsam-Preis verliehen. Ein gewähltes Gremium schlägt Personen und Gruppen zur Auszeichnung vor, die sich mit Zivilcourage und Idealismus für soziale Gerechtigkeit und verfolgte Minderheiten einsetzen.”

Der Erich-Mühsam-Preis wird am 26. April 2006 dem Künstler Gunter Demnig (geb. 27. Oktober 1947) verliehen, Schöpfer des Projekts Stolpersteine. Am Vortag hat Demnig in Lübeck erneut Stolpersteine verlegt.

Stolperstein zum Gedenken an Erich Mühsam vor dem Buddenbrookhaus
Stolperstein zum Gedenken an Erich Mühsam vor dem Buddenbrookhaus

Projekt Stolpersteine begann 1993 mit Konzepten, 1995 wurden erste Stolpersteine (damals noch ungenehmigt) probeweise in Köln und 1997 in Berlin-Kreuzberg verlegt. Zuvor waren bereits 1994 250 Stolpersteine in der Kölner Antoniterkirche ausgestellt worden. Voran gegangen war dem Projekt eine Aktion 1990, mit der an die Deportation von Sinti und Roma aus Köln erinnert wurde.

Gunter Demnig beschreibt die Stolpersteine als

“ein Projekt, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus wach hält.”

Stolperstein für Hans Hirschberg
Stolperstein für Hans Hirschberg

Stolperstein für Hans Hirschberg, Hamburg

Die Stolpersteine verlegt Demnig jeweils bündig in den Bürgersteig, vor dem letzten freiwillig gewählten Wohnort des jeweiligen Opfers. Bis Ende 2008 sind gut 17.000 Stolpersteine gesetzt worden.

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Berlin

Bürokraten? Täter? – Reichsbahn Holocaust

Reichsbahn Holocaust – noch heute ein schwieriges Thema? Nach zahlreichen Wirren und erst auf ministeriellen Druck hin wurde am heutigen Mittwoch 23.1.2008 in Berlin die Ausstellung “Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn” in Anwesenheit von Beate Klarsfeld und Verkehrsminister Tiefensee eröffnet.

Beate Klarsfeld am 23.1.2008 bei der Eröffnung der Ausstellung “Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn” Reichsbahn Holocaust
Beate Klarsfeld am 23.1.2008 bei der Eröffnung der Ausstellung “Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn”

Die Reichsbahn beförderte Zehntausende Menschen in der NS-Zeit in den sicheren Tod. Ihre Rolle bei der Deportation sowie das Schicksal deportierter jüdischer Kinder stehen im Mittelpunkt der zweiteiligen Ausstellung.

Die “Sonderzüge in den Tod” fuhren nicht nur mit Hilfe anonym wirkender Organisation wie ‘die Reichsbahn’ oder ‘das Verkehrsministerium’. Da waren Menschen beteiligt, die handelten – nicht nur ‘ganz oben’ die bekannten ‘Eichmanns’, sondern auf allen Ebenen. Waren sie Bürokraten? Waren sie Täter?

Gedenkbücher
Gedenkbücher

Eine Ausstellung auch mit viel Bezug zu Berlin – weswegen dem Ausstellungsort Berlin besondere Bedeutung zukommt. Etwa ein Drittel aller aus Deutschland stammenden in den KZs der Nazis ermordeten Personen jüdischen Glaubens stammte allein aus Berlin. Die Zahlen der in Berlin lebenden Menschen jüdischen Glaubens sprechen für sich:
1925: 172.672
Mai 1939: 82.788
1.10.1941 : 72.972
Ende des 2. Weltkriegs ca. 2.500
Gleichzeitig war Berlin auch einer der bedeutendsten Abfahr-Bahnhöfe der Züge in die Vernichtung – Transporte starteten von Berlin-Wannsee (wo heute die Gedenkstätte ‘Gleis 17‘ daran erinnert), aber auch vom Anhalter Bahnhof sowie (gern vergessen) vom Güterbahnhof Moabit.

Verkehrsminister Tiefensee am 23.1.2008 bei der Eröffnung der Ausstellung “Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn”
Verkehrsminister Tiefensee am 23.1.2008 bei der Eröffnung der Ausstellung “Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn”

Eine Ausstellung, die schon lange geplant war. Eine Ausstellung über die Rolle der Reichsbahn im Holocaust. Eine Ausstellung, die Bahnchef Mehdorn massiv ablehnte (offiziell aus ‘Sicherheitsgründen’), und die erst auf Druck von Verkehrsminister Tiefensee doch noch in Bahnhöfen und in Berlin im Bahnhof ‘Potsdamer Platz’ stattfinden kann – in der ‘Schamecke‘, die SpON titelt.

Neben der ministeriellen Anordnung ermöglichte dabei erst ein Kompromiss zwischen Bahn und Beate und Serge Klarsfeld die Ausstellung. Sie besteht nun aus einem DB-Teil aus Beständen aus dem Bahn-Museum Nürnberg sowie einer ‘Klarsfeld-Ausstellung’ zum Schicksal jüdischer Kinder, die auf von den Klarsfelds bereits in Frankreich organisierten Ausstellungen basiert. Die beiden Teile der Ausstellung sind auch optisch fein voneinander getrennt -die DB-Tafeln auf schwarzem Grund, die Klarsfeld-Tafeln auf hellgrau.

Nur ein Teil der DB-Tafeln der Ausstellung thematisiert direkt die Rolle der Deutschen Reichsbahn – viele auch allgemein das Thema KZs und Vernichtungslager.

Reichsbahn Holocaust Ausstellungstafel
Ausstellungstafel
Reichsbahn Holocaust Ausstellungstafel
Ausstellungstafel
Reichsbahn Holocaust Ausstellungstafel
Ausstellungstafel
Ausstellungstafel
Ausstellungstafel

Bei den Tafeln zur Beteiligung der Reichsbahn fällt auf, dass zwar von Gleichschaltung, Anpassung, Erlassen, Zusammenarbeit gesprochen wird – das Wort ‘Täter’ hingegen kommt im Sprachgebrauch nicht vor.
Ähnliches gilt für die Rolle des Verkehrsministeriums und seiner Mitarbeiter.

Da wurde geplant, berechnet, befördert, abgerechnet – Bürokraten? Täter?
Und – was haben all die beteiligten Menschen nach 1945 gemacht, was wurde aus ihnen?
Wie Herr Ganzenmüller, Staatssekretär im Verkehrsministerium und Stellvertretender Generaldirektor der Reichsbahn, der an der Koordination der Transporte Zehntausender nach Treblinka maßgeblich beteiligt war und 1996 starb. Was machte er nach 1945? War er weiter im Ministerium? Oder bei der Bahn? Kategorisch schweigt die Ausstellung über das Schicksal beteiligter Personen nach 1945.
Ganzenmüller arbeitete nach 1945 u.a. als Planungsingenieur für Hoesch; ein 1973 doch noch begonnener Prozess wurde schon 1973 vorläufig, 1977 endgültig eingestellt wegen Verhandlungsunfähigkeit)

Die Ausstellung “Sonderzüge in den Tod” ist noch bis zum 11.Februar in Berlin (Zwischengeschoss Bahnhof Potsdamer Platz) zu sehen. Weitere Stationen sollen u.a. Münster und Schwerin sein.

An die eine Million Kinder, die während der NS-Zeit deportiert wurden, erinnert auch der “zug der erinnerung”, der aus dem Klarsfeld-Projekt hervorgegangen ist. Er wird im April nach Berlin kommen … allen Widrigkeiten seitens der Bahn zum Trotz.

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Berlin

ein-Frau-Musical mit Lola

Georg Kreisler ist leider seltener zu hören – derzeit bietet sich in Berlin die Gelegenheit. Das jüdische Theater Bimah zeigt seine ‘Lola Blau’.

Theater Bimah
Theater Bimah

“Lola Blau ist Jüdin und lebt im Österreich der 30er Jahre. Als der Einmarsch Hitlers ihre Schauspielpläne durchkreuzt, muss sie flüchten … ‘Lola Blau’ ist eine musikalisch umgesetzte Lektion aus Geschichte und Unterhaltung – unsentimental, ernst, heiter und satirisch …” [aus der Programmankündigung]

Georg Kreisler ist vielen vielleicht am ehesten bekannt durch sein Chanson ‘Taubenvergiften im Park”. Sein ‘ein-Frau-Musical’ “Heute Abend: Lola Blau”, uraufgeführt am 17. November 1971, zeigt das Jüdische Theater Bimah in Berlin-Neukölln.

Wer Kreislers bitteren Humor, seine satirische Schärfe mag, wird hier einen unterhaltsamen Abend verbringen können – vielleicht entdecken auch Sie, dass Sie im verkehrten Szenenbild spielen? Oder finden den ein oder anderen Herrn oder Frau Schmidt in oder neben sich?

Theater Bimah
Theater Bimah

“Heute Abend: Lola Blau”
an zahlreichen Abenden im März und April 2007 im “Jüdischen Theater Deutsch-Jüdisches Theater (Bimah)
Jonasstr. 22, 12053 Berlin

Nachträge: einen schönen Text Kreislers über ‘Judentum leicht gemacht’ gibt’s hier. Und den Text seines netten Lieds ‘Zwei alte Tanten tanzen Tango’ gibt’s (neben anderen Texten) hier.