Antisemitismus in queeren und feministischen Bewegungen
Vortrag Merle Stöver
29. Oktober 2024, 19:30 bis 21:00 Uhr
Alhambra, Oldenburg
eine Veranstaltung der DIG Oldenburg
Schlagwort: Antiziganismus
Vortrag ‚Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma‘ – Dr. Frank Reuter, Forschungsstelle Antiziganismus am Historischen Seminar der Universität Heidelberg
Katharinenkirche Lübeck, 24. Mai 2023
Veranstaltet von Initiative Stolpersteine für Lübeck
Europa Passage (Andrei Schwartz 2022)
Der Dokumentarfilm Europa Passage (Andrei Schwartz 2022) zeigt auf eindrucksvolle Weise das Leben einer Gruppe rumänischer Roma zwischen Hamburg und ihrer Heimat Namaesti.
5 Jahre hat Andrei Schwartz (Regie und Drehbuch) eine Gruppe rumänischer Roma begleitet, die in Hamburg leben und immer wieder in ihre Heimat in das Dorf Namaesti in Rumänien reisen.
Carl-Heinz Rodenberg (Schreibweisen auch: Karl-Heinrich oder Karl-Heinz) wurde am 19.11.1904 in Heide geboren und starb 1995 im Odenwald. Carl-Heinz Rodenberg war ab 1943 wissenschaftlicher Leiter der Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung – und damit eine der zentralen Figuren der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit.
Carl-Heinz Rodenberg studierte Medizin und promovierte 1930 an der Universität Marburg (Dissertation). Im April 1932 trat er der NSDAP sowie der SA bei und wurde 1933 Mitarbeiter des ‚Rassenpolitischen Amtes‚ der NSDAP. Bei der SS erreichte er später den Rang des ‚Obersturmbannführer‘ (Offiziersrang, vergleichbar etwa einem heutigen Oberstleutnant).
2010 jährt sich zum 65. Mal die Befreiung vom Faschismus. Ein weniger bekanntes Kapitel im System der NS-Herrschaft und des Terrors ist die Beteiligung von Medizinern an Verfolgung und Vernichtung. Ihre zumindest ansatzweise juristische Aufarbeitung führte zu einem der wesentlichen Grundlagen des Schutzes von Patienteninteressen, dem Nürnberger Codex.
Ärzte spielten eine bedeutende Rolle im Verfolgungs- und Vernichtungs-Apparat der NS-Diktatur, so auch bei der Vernichtung von Juden, Roma und Sinti, psychisch Kranken oder der Verfolgung und Unterdrückung von Homosexuellen.
Die Bedeutung von Ärzten in der NS-Rasse- und Vernichtungspolitik wird durch Zitate wie dieses deutlich:
“Ratten, Wanzen und Flöhe sind auch Naturerscheinungen, ebenso wie die Zigeuner und Juden. Sie sind daher gleichfalls gottgewollte Wesen, aber man kann sie ebensowenig durch rücksichtsvolle Behandlung bessern oder beim zusammenleben von uns fernhalten wie entartete Asoziale und unnormal ichsüchtige, kriminell-hemmungslose Menschen. Alles Leben ist Kampf. Wir müssen deshalb alle diese Schädlinge biologisch allmählich ausmerzen.”
Dr. Kurt Hannemann, in “Ziel und Weg” Nr. 9 / 1939, Organ des Nationalsozialistischen Ärztebundes; zitiert nach Bastian / Homosexuelle im Dritten Reich
Zwei der bedeutendsten Ärzte bei der Verfolgung Homosexueller:
Dr. med. Carl-Heinz Rodenberg (Reichsicherheitshauptamt Amt III b 3 sowie ‘sexualpsychologischer Berater’ der Abteilung V; u.a. Gutachter bei der ‘Mordaktion T4‘ sowie ab 1943 ‘wissenschaftlicher Leiter’ der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung‘)
sowie der dänische Mediziner Dr. Carl Vaernet (bekannt und gefürchtet für seine Experimente an Homosexuellen in Buchenwald).(In der Gedenkstätte Buchenwald erinnert seit 2006 ein Gedenkstein an die homosexuellen NS-Opfer).
Eines der wichtigsten Zentren der NS-Ideologie im Medizin-Betrieb: die am 1. Juni 1935 eingeweihte “NS-Ärzteschule” (“Führerschule der deutschen Ärzteschaft”) in Alt Rehse, heute zur Stadt Penzlin in Mecklenburg-Vorpommern gehörend. Etwa 40.000 Ärzte und medizinisches Personal wurden hier in einem ehemaligen Rittergut von 1935 bis 1943 (ab 1941 überwiegend Reserve-Lazarett) entsprechend der NS-Ideologie medizinisch ‘weitergebildet’. Darunter auch Ärzte, die später in Konzentrationslager Menschenversuche vornahmen, Ärzte die in Behörden über “lebensunwertes Leben” urteilten, Ärzte die Menschen in die Vernichtung schickten.
Auf dem Gelände und in Gebäuden der ehemaligen “NS-Ärzteschule” befindet sich nach langem Leerstand seit 2006 der “Tollense Lebenspark”. Im Gutshaus Alt-Rehse erinnert die Ausstellung “Alt Rehse und der gebrochene Eid des Hippokrates” des ‘Vereins für die Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e. V.’ an die Geschichte des Orts.
Village-Place Alt Rehse –
Nach 1945 hatten viele Mediziner eine einfache Begründung für ihr kritikloses, teils bedingungs- und gnadenloses Engagement im und für das NS-System. Klar zum Ausdruck brachte dies zum Beispiel Karl Gebhardt, Oberster SS-Arzt, 1946 im Nürnberger Ärzte-Prozess [vgl. Memorium Nürnberger Prozesse] :
“So hat mir… das Dritte Reich … auf ärztlichem Gebiet eine große Chance gegeben. Ich habe sie genutzt.”
Gebhardt wurde in dem Prozess zum Tod verurteilt und hingerichtet. Viele Ärzte hingegen, die in KZs, Kliniken und Heilanstalten arbeiteten und gegen das Gebot der Menschlichkeit verstießen, an Verfolgung, Unterdrückung, Vernichtung beteiligt waren, wurden juristisch nicht belangt. Die meisten arbeiteten nach 1945 unbehelligt weiter, so auch Carl-Heinz Rodenberg und Carl Vaernet.
Der Nürnberger Ärzteprozess, in dem zwischen dem 9. Dezember 1946 und dem 20. August 1947 zumindest 20 KZ-Ärzte vor Gericht standen, brachte einen bedeutenden Fortschritt, nicht nur juristisch, sondern auch für Patient/innenrechte: Dem Urteil des Nürnberger Ärzte-Prozesses voran gestellt war der “Nürnberger Codex” (“Stellungnahme des I. Amerikanischen Militärgerichtshofes über “zulässige medizinische Versuche”), der u.a. zu medizinischen Versuchen an Menschen festlegt:
„Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich. Das heißt, dass die betreffende Person im juristischen Sinne fähig sein muss, ihre Einwilligung zu geben; dass sie in der Lage sein muss, unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges, von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen; dass sie das betreffende Gebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen muss, um eine verständige und informierte Entscheidung treffen zu können.“.
Der Nürnberger Kodex gehört seitdem zu den ethischen Grundlagen der Ausbildung von Medizinern – und ist eine der wesentlichen Grundlagen des Schutzes von Patienten.
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Der Tollense Lebenspark musste 2015 das Gelände nach einem Gerichturteil verlassen. Erneut müssen Investoren gesucht werden.
2017 hieß es, auf dem 2016 erworbenen Gelände sei ein Hotel mit Meditationszentrum in Planung. 2021 war von der Schaffung eines Luxushotels die Rede.
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weitere Informationen:
wikipedia: Liste von NS-Ärzten und Beteiligten an NS-Medizin
IPPNW Nürnberg – Erlangen Fürth: Nünberger Kodex 1997
Evelyn Hauenstein: Ärzte im Dritten Reich – Weiße Kittel mit braunen Kragen
Tollense Lebenspark: Die Geschichte des Tollense Lebensparks
ns-eugenik.de (dort -> Die Führerschule in Alt Rehse)
Politische Memoriale Mecklenburg-Vorpommern e.V.: Alt Rehse/ Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse
Peter Tatchell 05.05.2015: The Nazi doctor who experimented on gay people – and Britain helped to escape justice
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Erich-Mühsam-Preis für Gunter Demnig
Der Künstler Gunter Demnig wurde am 26. April 2009 in Lübeck mit dem Erich-Mühsam-Preis ausgezeichnet, verliehen für das Projekt Stolpersteine.
Der in Lübeck aufgewachsene Publizist, Schriftsteller und politische Aktivist Erich Mühsam wurde am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg nahe Berlin von Nationalsozialisten ermordet. Die 1989 in Lübeck gegründete Erich-Mühsam-Gesellschaft verleiht seit 1993 den Erich-Mühsam-Preis.
Die Erich-Mühsam-Gesellschaft schreibt dazu:
“Alle zwei Jahre wird auf der Tagung der Erich-Mühsam-Preis verliehen. Ein gewähltes Gremium schlägt Personen und Gruppen zur Auszeichnung vor, die sich mit Zivilcourage und Idealismus für soziale Gerechtigkeit und verfolgte Minderheiten einsetzen.”
Der Erich-Mühsam-Preis wird am 26. April 2006 dem Künstler Gunter Demnig (geb. 27. Oktober 1947) verliehen, Schöpfer des Projekts Stolpersteine. Am Vortag hat Demnig in Lübeck erneut Stolpersteine verlegt.
Projekt Stolpersteine begann 1993 mit Konzepten, 1995 wurden erste Stolpersteine (damals noch ungenehmigt) probeweise in Köln und 1997 in Berlin-Kreuzberg verlegt. Zuvor waren bereits 1994 250 Stolpersteine in der Kölner Antoniterkirche ausgestellt worden. Voran gegangen war dem Projekt eine Aktion 1990, mit der an die Deportation von Sinti und Roma aus Köln erinnert wurde.
Gunter Demnig beschreibt die Stolpersteine als
“ein Projekt, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus wach hält.”
Stolperstein für Hans Hirschberg, Hamburg
Die Stolpersteine verlegt Demnig jeweils bündig in den Bürgersteig, vor dem letzten freiwillig gewählten Wohnort des jeweiligen Opfers. Bis Ende 2008 sind gut 17.000 Stolpersteine gesetzt worden.
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