Neulich, in einem Café. Auf dem Rückweg von der Toilette stöbere ich in den dort aufgestellten Kulturprospekten und Gratis-Postkarten. (Übrigens, warum diese Kombination von Kultur und Klo besteht, ist mir wirklich unerklärlich…).
Zwischen Werbung für irgendwelche Spektakel, neue kalorien-, fett- und geschmackfreie Softdrinks und männlichkeitsstrotzenden Rauchwaren-Promotions entdecke ich dies:
Mein Blick bleibt sofort hängen. Ganz klar, eine Klappe. Wie hübsch, auch noch als Teekännchen, was an den Spitznamen ‘Teehäuschen’ erinnert, den Klappen bei vielen früher hatten. Oder an ‘Kaffeekännchen’, jene gern karikierte Körperhaltung, die einige homosexuelle Herren doch so wenig männlich wirken lassen kann.Allerdings, „Genau, was ich will“, dieser Aufdruck irritiert mich doch. Klar, Klappen fand ich eine Zeit lang eine ganz spannende Angelegenheit. ‘Genau was ich will’ – das wäre eine nicht unzutreffende Beschreibung für viele meiner Bremerhavener Studientage, die ich mehr auf der Klappe am Deich als in den Hörsälen verbrachte.
Aber dass die jetzt so öffentlich dafür werben? Und überhaupt, wer wirbt denn da für Klappen?
Irgend etwas kann da doch nicht stimmen.
Ich nehme eine der hübschen Karten aus dem Ständer, drehe sie um – und muss schallend lachen. „Drei zwei eins – meins!“ lese ich.
Ich bin auf eine Ebay-Werbung hereingefallen…
Den kleinen Hinweis ‘Souvenirs’ auf dem Haus habe ich übersehen, fühle mich ertappt. Typisch schwul, alles siehst du gleich durch die Sex-Brille. Und doch, ich muss noch lachen als ich an unseren Tisch zurück gehe, meinem Begleiter die Karte zeige.
Klappen – genau was ich will! Drei zwei eins – Meine! Also los meine Herren…
Und für die heterosexuellen Leser von Onda Maris, die mit dem Begriff Klappe vielleicht nichts anfangen können, nicht mehr assoziieren als ein loses Mundwerk: ‘Klappen’ werden jene öffentliche Bedürfnisanstalten genannt, die von manchen Schwulen gerne zur Kontaktaufnahme (und mehr) genutzt werden. Beziehungsweise genutzt wurden, denn die meisten öffentlichen Bedürfnisanstalten sind (offiziell natürlich aus Kostengründen) längst geschlossen oder durch Atom-Klos ersetzt worden, die schwule Klappenkultur ist langsam am Aussterben.
Vergangene Nacht, circa ein Uhr. Etwas müde komme ich aus dem ‘Lab’, bin auf dem Weg zur S-Bahn. Rechterhand der Parkplatz vor dem ‘ND’, früher war doch hier Cruising, geht es mir durch den Kopf.
Tatsächlich, drei, vier Männer unterschiedlichen Alters streifen auffällig unauffällig herum, mustern mich. Einer von ihnen weckt durchaus mein Interesse, wir beäugen uns. Inzwischen sind weitere Herren aus der Unsichtbarkeit von Gebüschen und PKWs in von den grellen Laternen möglichst wenig beleuchtete Ecken getreten.
“Ey, was’n hier los!“ Erst jetzt bemerke ich zwei junge Männer, die, vielleicht auf dem Weg zum ‘Berghain’, über den Parkplatz gehen. Kleidung, Gang, lauter Tonfall verraten sofort, die sind aus irgendeinem anderen Grund hier als die anderen Cruiser, mich eingeschlossen.
Ich sehe die zwei auf einen Mann etwa meinen Alters zugehen, der sich gerade in sein Auto flüchten will. „Ey, was suchst du hier?!“ Wieder die gleiche aggressive Stimme, der in eine Frage gekleidete Vorwurf, als würde er sein Revier verteidigen. Die Arme in die Hüften gestemmt baut er sich ihm auf, hindert ihn daran, seinen Wagen zu öffnen.
‘Ach, lass doch den Scheiß!’, höre ich seinen Kumpel rufen, fast zeitgleich den Autofahrer sagen „Ach, lass mich doch in Ruhe.“
Sekundenbruchteile später geht der Mann zu Boden, liegt zusammengekrümmt neben seinem Wagen. ‘Mann, nu lass doch den Scheiß!’ Der Kumpel des Schlägers versucht diesen an weiteren Schlägen, Tritten zu hindern. Sie sehen sich an. Ich brülle irgendetwas, keine Ahnung mehr heute, dann schreie ich laut „Polizei, Hilfe!“
Beide Typen sehen zu mir herüber. Einen Moment wird mir flau im Magen. Was, wenn die sich jetzt auf mich stürzen? „Polizei, Hilfe!“ schreie ich nochmal. Es ist merkwürdig ruhig geworden auf dem Platz, fast leer, wie von der Dunkelheit verschluckt sind die meisten Cruiser so plötzlich wie sie auftraten wieder von der Bühne verschwunden.
‘Lass uns abhauen, komm!’ Wieder höre ich den Kumpel des Schlägers, sehe, wie er versucht ihn wegzuziehen. Der sieht kurz auf, zu mir herüber, beide laufen weg, Richtung Straße. Ich laufe zu dem Mann, der immer noch zusammengekrümmt vor seinem Wagen liegt.
„Ich kann nichts sehen“ wimmert er immer wieder. Ich sehe im Halbdunkel Blut von seiner Schläfe laufen.
Nur ein junger Mann hat sich zu uns gesellt, ansonsten ist der Parkplatz nun leer, unschuldig fast, als sei hier nie etwas anderes geschehen als Parken. „Hast du ein Handy?“ frage ich ihn. Er nickt. Wir rufen Polizei und Krankenwagen herbei, beide benötigen fast ¼ Stunde. Endlich wird der Zusammengeschlagene, der sich inzwischen wieder etwas erholt hat, von einem Krankenpfleger versorgt. Zwei Polizeibeamte nehmen unsere Daten auf. Die beiden jungen Männer sind längst über alle Berge.
Auch wenn viele es nicht (mehr) wahrhaben wollen, Gewalt gegen Schwule gibt es immer noch, auch im ‘Homo-Paradies Berlin’.
Solltest du selbst betroffen sein oder Zeuge eines Überfalls werden, melde dies, der zuständigen Polizeidienststelle, mindestens aber dem Überfalltelefon (in Berlin: Maneo, täglich 17:00 bis 19:00 Uhr, Tel. 216 33 36).
Blaue Seiten : Gayromeo – das ist wie ein schwuler Mikrokosmos, eine Welt für sich. Eine Welt, in die so mancher Homo auch gerne gleich stundenlang abtaucht, und sie hoffentlich nicht mit der Realität verwechselt.
Für Heteros vorweg: Gayromeo / PlanetRomeo, auch ‚ Blaue Seiten ‚, das ist so etwas wie eine Kennenlern-Plattform für Schwule im Internet. Man legt ein Profil über sich an, in dem man in Text und Bildern über sich erzählt (oder phantasiert), Wünsche und Vorlieben angibt. Und sich dann munter auf die Pirsch nach passenden Partnern für was auch immer macht, oder wartet bis man gefunden wird.
Waren wir früher gegen Rosa Listen, Rasterfahndung und maschinenlesbare Personalausweise oder organisierten Volkszählungsboykotte, so liefern wir die schwulen Datensammlungen heute gleich selbst und freiwillig. Und mit allen nur denkbaren Angaben aus den intimsten Lebensbereichen des schwulen (und bisexuellen) Mannes – ‚blaue Seiten ‚.
Das geht so weit, das inzwischen kaum einer meiner Bekannten nicht auch ein Profil bei Gayromeo (bzw. inzwischen Planetromeo) hat. Und man beim Kennenlernen nicht mehr die Adresse oder Telefonnummer austauscht, sondern nur noch den Namen des Gayromeo-Profils. Weswegen viele Gay romeo auch schlicht „ blaue Seiten “ oder „das schwule Branchenbuch“ nennen, oder ‚das schwule Einwohnermeldeamt‘. Denn hier findet „schwul“ beinahe jeden und alles, fast nichts und niemanden, das und den es hier nicht über kurz oder lang zu entdecken gibt.
Bei diesen Entdeckungsreisen kann man dann allerdings auch auf so manches Spezielle, oft Bizarre stoßen…
Blaue Seiten Entdeckungsreise
Dass Mann mit den Angaben zu eigenen Daten (von Alter bis Gewicht) etwas großzügig umgeht, ist inzwischen schon so selbstverständlich, dass es bei der Suche einkalkuliert wird. „Ach, wenn der 34 schreibt, ist er garantiert 37, immer drei zuzählen“. Neusprech ist Trumpf. „Athletisch“ kann dann die Umschreibung für „dürr“ sein, und die Angabe „Bär“ auf jemanden hindeuten, dessen Bauchumfang Sie sich bisher nicht vorstellen konnten. Dass sich selbst mancher Vierzigjährige noch als „Boy“ bezeichnet, kennen wir ja schon von der Welt der Kontaktanzeigen.
Aber dass jeder dritte Mann inzwischen bei der Größe seines Genitals „XL“ angibt, erstaunt schon. Auch wenn es im Gegensatz zu Konfektionsgrößen für Genitalien noch keine europäische Norm gibt, fällt es nicht irgendwann spätestens beim Sex doch auf, dass nicht alles XXXL ist, was in der Hose ist?
Man kann sich auf Gayromio auch in Fotos darstellen, eine gern und viel genutzte Möglichkeit. Auch wenn vielen dann doch der Mut fehlt, sich auch mit dem Gesicht erkennbar zu machen. Andere reduzieren ihre Selbstdarstellung in Fotos von vornherein auf das anscheinend Wesentliche, auf Vorder- und Rückansichten zwischen Bauchnabel und Oberschenkel, ganz so als hätten sie sonst nichts zu bieten, oder suchten nur diese Körperregionen. Wie gut, dass es einige Profile weiter auch ganz andere Bilder zu bestaunen gibt, die eher in die Kategorie „mein Haus, mein Auto, meine Rolex“ zu fallen scheinen. Immerhin, damit hat man ja doch irgendwie gerechnet. Andere hingegen stellen hier ganze bezaubernde Fotoalben online, in denen längst auf dem Sperrmüll geglaubte Schrankwände zu sehen sind. Bei genauerem Hinsehen sind manchmal sogar Sammeltassen, Häkelbilder oder die zehn unbenutzten Bände eines Lexikons zu entdecken. Charmante, ehrliche, liebenswerte Einblicke in deutsche Wohnlandschaften.
blaue Kerl-Träume
Etwas bizarrer wird es dann schon, wenn es um die Wortwahl für die eigene sexuelle Präferenz und die des gesuchten Partners geht. Da suchen „Stuten“ nach „Hengsten“, als seien wir auf dem Oldenburger Pferdemarkt, andere suchen ein „Bückstück“ oder Ähnliches – gerade als ginge es um irgendwelche Objekte, nicht um menschliche Wesen. Weitere sprachliche Blüten und Exzesse dieser Rubrik erspare ich uns … Die Sprache von Sex und Lust … Na ja, man mag manchmal den Eindruck haben, hier geht es dann eher um Arbeit, um Erbringung körperlicher Leistung, als darum, sich und dem anderen Lust zu bereiten. „Faire l’amour“ klingt irgendwie anders …
Gerne finden sich auch immer wieder deutliche Hinweise, wer denn unerwünscht sei bei den Suchbemühungen des Profilbesitzers, à la „Tunten, Alte und Dicke zwecklos“ (wobei die Reihenfolge des Unerwünschten austauschbar ist). Oder schlicht „kein BBB“, wobei das BBB kein Hinweis auf eine Kreditwürdigkeit ist. Sondern ganz einfach bedeutet, dass eben jeder, der in die Kategorie „Brille Bart Bauch“ fällt, bitte von jeglicher Kontaktaufnahme absehen möge. Wobei ‚BBB‘ ein wenig dem Zeitgeist zum Opfer geworden ist – seit Bart Mode ist, ist ‚kein BBB‚ seltener zu sehen.
Andere hingegen möchten am liebsten selbst gar nicht als schwul durchgehen, betonen ihre „Hetero-Optik“ oder ihr „Hetero-Gehabe“.
“Kerl sucht Kerl”, signalisiert ein Profil, dessen Besitzer mein Profil wohl über’n Tag angeklickt hat. “Tunten bleibt mir vom Hals”, lese ich gleich als eines der ersten Hinweise in seinem Profiltext. Es folgen detaillierte Hinweise, was er denn so sucht. Der Herr des Begehrens möchte doch bitte gehen wie ein Mann, aussehen wie ein Mann, riechen wie ein Mann, usw usw.
“Tunten zwecklos” oder Ähnliches liest man immer wieder (nicht nur) in Gayromeo-Profilen. Und mir kommt das Würgen. Vor lauter Männlichkeits-Ritualen, “Hetero-Optik”, “Straight Acting” und Ähnlichem kommt Homo anscheinend zunehmend weniger zum Nachdenken. Wie war das mit „schwulem Stolz“ und Selbstbewusstsein? Oder sind wir schon so normalisiert, dass wir am liebsten hetero wären?
Club-Leben auf den blauen Seiten
Sicherlich reizvoll für Soziologie-Studenten wäre ein Blick in die Welt der Clubs, in denen man sich elektronisch engagieren kann. Neben allerlei mehr oder weniger vorstellbaren sexuellen Präferenzen existiert hier ein ganzer Kosmos ungeahnter Möglichkeiten, gemeinsam schwul zu sein, von Angeln über Bowling und Dampflok-Fans, schwule Kochclubs und Malgruppen bis zu Zierfisch-Züchtern. Braucht man das alles in schwul? Was passiert da anderes als in ‘normalen’ Zierfisch-Clubs? Fragen über Fragen, nie gestellt und unbeantwortet …
Blaue Seiten Gayromeo – seit der Gründung im Oktober 2002 in Berlin ein Kosmos des schwulen Lebens, unterhaltsam und amüsant, manchmal eine blaue Fata morgana, voller Skurilitäten, und doch das pralle Leben…
blaue Seiten – oder Fata morgana Gayromeo ?
So ab und an findet man dann doch die ein oder andere echte Perle, wie neulich im Profil eines Bekannten: „Natürlichkeit macht schöner als jede Kosmetik„. Was sich als seltene Ausnahme erweist – Natürlichkeit wird auf dem Portal virtueller Sehnsuchts-Jäger wohl eher selten gefragt sein …
Viel mehr frage ich mich langsam, ist das Gayromeo von heute wirklich so viel mehr als der Kino-Besuch der 50er Jahre? Mehr als leicht gemachte Realitäts-Flucht? ‚Ferien auf dem Immenhof‚ für den modernen virtuellen Homo? Nicht doch ganz banal das reale Leben eingetauscht gegen Pseudo-Leben? Pseudo-Leben, dessen Glücks- und Liebesversprechen sich nur allzu leicht als Fata Morgana erweisen? Authentizität oder Versuche selbiger zumindest scheinen eher selten und wenig gefragt zu sein …
Statt dessen wird ein Körperkult propagiert, der sich derzeit immer noch gern als ’straight acting‘ oder ‚Hetero-Optik‘ präsentiert, oder in seiner jüngsten Variante als ‚Berlin gay‘ einen international stereotypisierten weiteren Clone entstehen lässt.
Suche nach flüchtiger Intensität – oder nach intensiver Flüchtigkeit? Ist die ‚blaue Fleischtheke‘ manchmal tatsächlich nicht mehr als eine ‚blaue Fata Morgana‘?
blaue Seiten und die ‚Hemmschwelle‘
Im Oktober 2008 schreibt sogar Spiegel Online über die blauen Seiten. Ganz amüsant und für den unkundigen Leser aufschlussreich.
Ich ärgere mich über pauschale und vermutlich unüberlegte Sätze wie dass das Sex-Angebot (über die blauen Seiten) “die Hemmschwelle gegenüber den gefährlichen Praktiken” senkt, es sind ja auch 30% Positive online (so suggeriert der Zusammenhang). Woher hat der Autor diese Weisheit?
Der Passus “Viele kranke frustrierte und alleinstehende Menschen” bleibt (für Spiegel Online wohl zurecht) an der Oberfläche. Umgangsformen und Ton auf Gayromeo haben sich (bei einigen Usern) in letzter Zeit arg verschärft. Pampigkeit ist da fast schon noch höflich. Mancher ‘Dialog’, einige der Profile haben da schon mal einen Ton, eine Sprache, dass ich mich frage, tobt sich da zu wenig ausgelastete oder fehlgeleitete Männlichkeit aus, oder ist das jetzt schon ‘Profil-Neurose’? Doch dazu in einem späteren Posting mehr …
Sonntag früher Abend. Einer der Momente, für die ich diese Stadt liebe. Nach regnerischem Tag scheint endlich verhalten die Sonne. Leicht verpeilt, ganz leicht nur nach 3 Becks, komme ich aus dem Lab. Guten Sex gehabt, viele Leute da, einige wenige Bekannte, niemand zickig, sie wissen weswegen sie dorthin gehen. Spaß gehabt. An DDR-Hinterlassenschaften, Neuem Deutschland und Plattenbauten vorbei zum Ostbahnhof. S-Bahn zur Warschauer, dort rüber zur U-Bahn. Ein längst abgelegter Bekannter eilt vorbei, erwidere seinen flüchtigen „Hi Hi“ Gruß. In der U-Bahn gut gelaunte Menschen. Ein Uniformierter, aussehend wie was Fliegendes, fühlt sich unberechtigterweise von einem jungen Südeuropäer angerempelt, verzichtet aber mit säuerlicher Mine darauf, etwas zu sagen.
Lacanau, Le Porge. Etwa auf halbem Weg zwischen Gironde-Mündung und dem Becken von Arcachon. Endlose Sandstrände, selbst bei Flut wohl 10 bis 15 Meter breiter Sandstreifen. Eine Dünenkette, die landseitig in niedrige Krüppelkiefer-Landschaften übergeht, bevor nach etwa 30 Metern der Kiefernwald beginnt, der sich kilometerweit ins Landesinnere erstreckt.
Eine erst vor wenig mehr als 100 Jahren künstlich entstandene Landschaft, die Kiefernwälder angelegt zur Sicherung und Befestigung, aber auch Nutzbarmachung der zuvor riesigen, oft weit über 10 km breiten Sand- und Dünenlandschaften. Die wenigen Orte, aus langer Erfahrung um Aggressivität und Rauheit von Meer, salziger Luft und winterlichen Stürmen in der Regel mindestens zehn Kilometer vom Strand entfernt in Richtung Landesinneres gelegen, erst Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts wurden kleine zugehörige Küsten-Bade-Städtchen vorgelagert am Meer angelegt.
Die Künstlichkeit der Landschaft – die Kiefern oft Hunderte von Metern lang in Reih und Glied gesetzt, keinerlei natürliche „Un-“ Ordnung – beeinträchtigt dennoch nicht ihren enormen Reiz auf mich. Drei Wochen hier, und ich wünsche mir manches Mal, die Welt bestünde nur aus Kiefernwäldern mit ihrem kilometerlangen Farbenspiel von grau-braunen und allen möglichen Grün-Schattierungen von frisch, vor Jugend strotzend gelb-grün bis dem Alter sich beugenden Dunkelgrün bis Hellbraun. Der Kontrast zwischen diesen beiden Farben, den nur wenig variierenden Gelbtönen des Sands, der Dünen, dem blau des Himmels, wechselnd von klar leuchtendem hellblau an Sonnentagen über schmutziges graublau an trüben, regnerischen Tagen bis zu allen denkbaren gelb-orange Tönen während der abendlichen, jedes Mal wieder mit Begeisterung bestaunten Sonnenuntergänge.
Dazu, wie ein ständiger, unbeeinflussbar vorhandener Hintergrund, das Rauschen des Meeres, mal in meditativ-friedlicher Gleichmäßigkeit, zu Vollmond oder an stürmischen Tagen auch mit fordernder, manchmal aggressiver Kraft. Immer dabei aber mit der Klarheit, ich (das Meer) bin so unendlich groß, so unendlich viel, so unendlich unfassbar weit, du (Ulli) nur ein kleines winziges Einziges – also nimm dich, deine Sorgen und Probleme nicht so wichtig, sie sind unbedeutend angesichts dieser Größe und Ewigkeit. Meditative Klarheit des Meeres, dazu ruhige, angenehme Farbenspiele von gelb, blau und grün, ohne jegliche Hektik – das wird wohl immer Faszinosum und Reiz dieser Landschaft für mich sein.
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