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Politisches

Frankfurt: Kommerz statt NS-Gedenken – “ Frankfurter Engel ” im Partyzelt (akt.)

Strandkörbe, ein Partyzelt, Longe-Möbel – der Frankfurter Engel einen Gedenkort für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erfuhr in Frankfurt am Main eine beschämende “Um-Nutzung”.

Frankfurt hat sein Jahren ein beeindruckendes Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Seit 1994 erinnert auf dem unbenannten Platz Schäfergasse / Alte Gasse in der Frankfurter Innenstadt ein bronzener Engel an die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus. Der von der Künstlerin Rosemarie Trockel gestaltete Engel war in Deutschland das erste vollplastische Mahnmal des Gedenkens an das Schicksal von Schwulen und Lesben in der Nazizeit.

CSD Frankfurt, am vergangenen Wochenende. Tausende Schwule und Lesben sind auf den Straßen, feiern. Zahlreiche Gastronomen beteiligen sich, auch mit Ständen. Eine besondere Idee hatte die Schwulen-Bar ‘Lucky’s’.

Das ‘Lucky’s’ liegt direkt an dem Platz, auf dem das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen steht, der ‘Frankfurter Engel’. Der Wirt des ‘Lucky’s’ hat selbst mit Spenden zum Denkmal beigetragen, pflegt bisher den Platz. Jetzt ist CSD, man möchte feiern und Geld verdienen, Umsatz machen. Was tun?

Nichts einfacher als das – ein großes blau-gelb-rotes Party-Zelt wird auf den Platz gebaut, gesponsert von einem großen Brause-Hersteller. Strandkörbe dazu, Lounge-Möbel, gesponsert von einer Zigaretten-Marke.

In dem Zelt, mitten in der Party-Atmosphäre, verschämt mit einem Strauß Rosen “geschmückt”, der ‘Frankfurter Engel’, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.

Vielen Gästen schien die Party zu gefallen – anderen weniger. “Geschmacklos”, so lautete eines der leiseren Urteile, andere “dafür haben wir nicht gekämpft”.
Deutlicher wird einer der Initiatoren des Denkmals, der Buchhändler und Soziologe Dieter Schiefelbein, in der FR: “Es ist dreist und schamlos, diesen Platz für ein Reklame-Event zu nutzen.”

Der Wirt des ‘Lucky’s’ betont, er habe für das Party-Zelt eine erweiterte Genehmigung des CSD-Organisators gehabt, mit Einwilligung der Stadt.

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Kann mann achtloser, respektloser mit dem Gedenken an diejenigen Homosexuellen umgehen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden?
Und mit unserer eigenen Geschichte?

Dieser Wirt hat ein beschämendes Kapitel in der Geschichte der CSDs geschrieben – und auf bestürzende Weise deutlich gemacht, wie weit CSDs inzwischen vom Inhalt zum reinen Kommerz-Anlass verkommen sind.

Das Motto des Frankfurter CSDs lautete bezeichnenderweise “Schon angekommen?“ …

Anmerkung: Zwar trägt der Platzt, auf dem der ‘Frankfurter Engel’ steht, heute den Namen “Klaus Mann Platz”. Diese Benennung erfolgte allerdings nach Aufstellung des Denkmals, und eine Hausnummer Klaus Mann Platz gibt es nicht.

weitere Informationen:
Frankfurter Engel
FR 20.07.2009: Radikaler Kommerz
samstagisteingutertag 20.07.2009: “Kommerzieller Anschlag” – Partyzelt für Frankfurts Homo-Mahnmal
FR 20.07.2009: Streit ums Homo-Denkmal – Wirt bedauert Zelt-Aufbau
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Berlin Köln

CSD : Respekt mit einander, oder Charta und Pranger-Drohungen? – “wie Gäste verhalten”

CSD : Feiernde Schwule, Lesben, Fetisch-Freuden – und Nachbarn, Anwohner. Eine nicht immer unkomplizierte, problemfreie Mischung. Drohungen mit dem Pranger oder Appell an gegenseitigen Respekt – welcher Weg führt zu einem harmonischeren Miteinander?

Wie stolz und mit Spaß schwul-lesbisch feiern, ohne dass es den lieben Nachbarn missfällt? Diese Frage beschäftigt Organisatoren und Teilnehmer schwul-lesbischer Open-Air-Veranstaltungen gelegentlich. Berlin und Köln versuchen sich dieses Jahr mit etwas unterschiedlichen Lösungs-Ansätzen:

Köln:
Für Irritationen hatte jüngst ein Versuch des Kölner CSD-Veranstalters KLuST gesorgt, mittels einer Charta für “Ordnung” und “Anstand” beim Kölner CSD zu sorgen. Die Kölner CSD-Charta brillierte mit “verbindlichen Erwartungen”, der Ankündigung einer “engen Zusammenarbeit mit der Polizei”, dem Titulieren von CSD-Teilnehmern als “Störenfriede” sowie Aufforderungen, ‘Provokateure an den Pranger’ zu stellen. Dies brachte dem KLuST ironische Forderungen nach “Freiheit für Schottenröcke” und dem Kölner CSD den Verdacht “CSD prüde” oder “CSD als Fronleichnamsprozession” ein.

Berlin:
Mit Reaktionen von Anwohnern hatte im vergangenen Jahr der “Folsom Europe” Probleme. Anwohner fühlten sich gestört, organisierten eine Protest-Versammlung, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Es musste, auch um den Fortbestand des Folsom Europe zu sichern, ein Weg eines harmonischeren Miteinanders gefunden werden.

Und die Veranstalter des Folsom Europe haben einen etwas anderen Weg als der Kölner CSD gesucht und eventuell gefunden, mit der Frage des Umgangs und des Miteinanders umzugehen.
Im Programmheft zum Folsom Europe 2009 heißt es u.a.

“Wer Respekt fordert muss aber selbst auch respektvoll mit anderen umgehen, um Akzeptanz zu erfahren.”

Respektvoll umgehen – was heißt das?

“Ein verantwortungsvoller Umgang in Bezug auf Safe (sic!) Sex und Drogen muss genauso selbstverständlich sein wie auch ein respektvoller Umgang mit allen Besuchern und Anwohnern im Schöneberger Kiez.
Wir erwarten, dass uns die Anwohner willkommen heißen an diesem, unserem Tag. Aber auch die Anwohner können erwarten, dass wir uns wie Gäste verhalten.”

Wie das praktisch aussehen könnte, dazu vermittelt das Programmheft drei “Grundregeln”:

“* Schön verpackt erhöht die Vorfreude – Die Geschlechtsteile sind zu bedecken!
* Sex macht Spaß – Vor allem in den Darkrooms und bei unseren Partys. Die Straßen sind hierfür tabu!
* Und unsere Toiletten auf den Straßen sind kostenlos. Gärten und Hinterhöfe brauchen keinen Extra-Dünger!”

Grundregeln und Appell an gegenseitige Akzeptanz und respektvollen Umgang mit einander, oder Charta, als verbindlich titulierte regeln und Pranger-Drohung – der schwul-lesbische Sommer wird zeigen, welcher Weg eher zu einem friedvollen und Party-tauglichen Miteinander führt …

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Köln

CSD Charta Köln: CSD prüde? – “Provokateure sollen an den Pranger”

CSD Charta Köln: Neuer Weg eines Miteinanders oder prüde Provinz-Posse? In Köln sollten 2009 verbindliche Regeln vorgeben, wie man sich beim CSD verhalten darf.

Der ‘Kölner Lesben- und Schwulen-Tag’ (KLuST), 1991 gegründet, ist u.a. Veranstalter des Kölner CSDs. Am 19. Januar 2009 verabschiedete die Mitgliederversammlung des Vereins “nach langem und sorgfältigem Diskussionsprozess” eine “Kölner CSD Charta“.

Man wolle die “Integrations- und Strahlkraft der [Kölner] CSD-Parade nicht in Gefahr bringen lassen”, so die Begründung für das, was laut Charta “Regeln” für den CSD sind, deren “Beachtung von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der CSD-Parade verbindlich” erwartet wird.

Nach Ausführungen zum ‚Wertfundament‘ des CSD Köln (§2) und zu „verbotenem Verhalten“ (§3) heißt es in Paragraph 4 zum ‚äußeren Erscheinungsbild‘ der CSD-Teilnehmer/innen z.B.:

„Beim äußeren Erscheinungsbild und beim Verhalten während der CSD-Parade sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Taktgefühl beweisen und Rücksicht nehmen auf die anderen Teilnehmenden der Parade und auf die Menschen am Straßenrand. Die Toleranz, welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der CSD-Parade für sich einfordern, soll nicht durch maßlose Provokation überstrapaziert werden.“

In der Kölner Lokalpresse stößt die “Kölner CSD Charta” bereits auf Begeisterung:

Zudem soll härter gegen – ohnehin strafbare Tatbestände – wie Entblößen oder sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit vorgegangen werden. Andere Teilnehmer und Zuschauer werden aufgefordert, derart provozierendes Verhalten nicht nur zu beobachten, sondern ihr Missfallen laut kund zu tun und die Polizei zu alarmieren”,

berichtet der Kölner Stadtanzeiger.

Die neue Charta solle dem besseren Verhältnis von Lesben und Schwulen einerseits und Heteros andererseits dienen, betont KLuST-Vorstand Markus Danuser:

Aber Danuser ist sicher, dass dies für das Verhältnis zwischen Schwulen, Lesben und Heterosexuellen heilsam und überfällig war. Nun habe man eine gemeinsame Basis.

Der KLuST selbst bezeichnet die Charta auf seiner Site als Ausdruck von Taktgefühl:

Bei der Parade zeigen wir selbstbewusst Lebensfreude und Vielfalt. Dazu gehört für mache [sic] auch ein gewisses Maß an Freizügigkeit. Für uns gehört dazu, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Taktgefühl beweisen.

Wie das aussehen soll, weiß der Kölner Stadtanzeiger:

Eines ist klar: Peitschenhiebe und Menschen an Hundeleinen gehören nicht in den Christopher Street Day. … Das sollte eigentlich jeder im Elternhaus gelernt haben: Sich öffentlich zu entblößen und andere zu erniedrigen oder zu beleidigen gehört sich nicht. Vor allem und erst recht nicht, wenn man für die eigene Gleichberechtigung kämpft. … In der Sado-Maso-Abteilung des Zuges sind überdies längst nicht mehr nur Homosexuelle zu sehen.

Darüber, wie z.B. Betreiber von CSD-Party-Wagen oder so mancher Fetisch-Gruppe auf das Verbot von zu viel Fleisch oder Party-Drogen reagieren wollen, ist nichts bekannt. Auch wie das Taktgefühl der Teilnehmer zukünftig konkret kontrolliert werden soll, wird vermutlich noch zu erarbeiten sein.

Allerdings sollte bei Nicht-Akzeptieren-Wollen der Charta durch Parade-Teilnehmer/innen „in geeigneten Fällen die Öffentlichkeit informiert“ werden, so die CSD Charta in Paragraph 7 …

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2010 heißt es von Seiten des KLuST, die Unterzeichnung der – weiterhin bestehenden – CSD Charta durch Paradeteilneher/innen sei „freiwillig“ und „keine Voraussetzung für eine Teilnahme an der Parade“.

Noch 2013 – anläßlich der Debatten um den Versuch einer als rechtsextrem geltenden Gruppierung am CSD teilzunehmen beruft sich der KLuST Köln auf die CSD Charta aus dem Jahr 2009 …

2014 dann ist die CSD Charta still und leise von den Internetseiten des Cologne Pride bzw. KLuST verschwunden …

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siehe auch
CSD : Respekt mit einander, oder Charta und Pranger-Drohungen? – “wie Gäste verhalten”
CSD Köln 2008 – „just another event“
“The big news here is Gay Power” – Edmund White 1969 über Stonewall

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weitere Informationen:
Kölner CSD-Charta als pdf (leider seit Ende Mai 2014 nicht mehr an originaler Stelle online, aber hier (Cologne Pride) als pdf – auch nicht mehr seit 4.6.14) aber noch zitiert hier
CSD Cologne jetzt Cologne Pride
Kölner Stadtanzeiger 10.02.2009: Provokateure sollen an den Pranger
Kölner Stadtanzeiger 10.02.2009: Demo oder Karneval?
queer.de 11.02.2009: Benimmregeln beim CSD Köln
Steven Milverton 11.02.2009: Der Kölner CSD als Fronleichnamsprozession
samstagisteingutertag 11.02.2009: Kölner CSD mit Zucht und Ordnung
queer.de 12.02.2009: Homo-Gurke für den KLuST
chriskoeln 12.02.2009: CSD Köln soll ‘sauber’ werden
samstagisteingutertag 12.02.2009: Trainingslager für Kölns Schwule
gaywest 13.02.2009: Linksruck beim Cologne Pride?
DerTagesspiegel 13.02.2009: Alles Provokation – Kölner CSD wird reglementiert
queer.de 16.02.2009: CSD-Charta: Berlin gegen ‘Sittenpolizei’
Kölner Stadtanzeiger 17.02.2009: ‘Die Paradiesvögel nicht verleugnen’
NRhZ online : Volkswartbund reloaded – Schwule Anstandswauwaus
Steven Milverton 17.05.2009: Kölner CSD: Von der “suspendierten” Charta zur CDU-Wahlkampfshow

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Homosexualitäten

Oscar Wilde Bookshop: 2009 Aus nach 41 Jahren für ältesten schwulen Buchladen der Welt

Der Buchladen “ Oscar Wilde Bookshop ” schloss am 29. März 2009 für immer seine Pforten – nach 41 Jahren . Eben nur das Ende eines weiteren Buchladens? Oder Zeichen des schleichenden Sterbens schwul-lesbischer Strukturen?

Der “ Oscar Wilde Bookshop ”, eine ‘Institution’ nicht nur im Greenwich Village, schloss am 29. März 2009 endgültig.

Oscar Wilde Bookshop

Der Oscar Wilde Bookshop war 1967 in New York von Craig Rodwell (1940 – 1993, s.u.) gegründet worden. Zunächst befand sich die Buchhandlung auf der Mercer Street, und trug den Namen ‚Oscar Wilde Memorial Bookshop‘, ab 1973 zog sie um auf die Christopher Street.

Schnell wurde der Oscar Wilde Bookshop nach den Stonewall Aufständen (siehe dazu „The big news here is gay power“ – Edmund White 1969 über Stonewall) zu einem der Zentren der Diskussionen und Aktionen von Schwulen und Lesben in New York.

Oscar Wilde Bookshop, Christopher Street Ecke Gay Street, 2007
Oscar Wilde Bookshop, Christopher Street Ecke Gay Street, 2007 (Foto GK tramrunner229, Lizenz cc by-sa 3.0)

Oscar Wilde memorial bookstore at the T-junction of Gay Street and Christopher Street.GK tramrunner229 assumedCC BY-SA 3.0

Ein Buchladen, der sich selbst (wohl nicht ganz unbegründet) als “the world’s oldest gay and lesbian bookshop” bezeichnete. An der legendären Christopher Street gelegen, war dieser bereits 1967 gegründete schwule Buchladen lange Zeit der einzige, später (in Zeiten wachsender schwuler Strukturen) oftmals der ambitionierteste Buchladen mit einem Sortiment, das auch über Hochglanzprodukte und ‘easy reading’ hinaus ging. Die erste schwul-lesbische Parade New Yorks entstand aus diesem Buchladen heraus (s.u.).

Nach 41 Jahren war am 29. März 2009 Schluß. Man habe nicht die ökonomischen Ressourcen, der derzeitigen Finanzkrise die Stirn zu bieten, ließen die Eigentümerinnen zur Schließung des ältesten schwulen Buchladens der Welt verlauten.

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Craig Rodwell

Craig Rodwell wurde am 31. Oktober 1940 in Chicago geboren. 1958 zog er nach New York, engagierte sich ab 1964 in der ‚Mattachine Society‚ (der ersten Homosexuellen-Organisation der USA).

1962 lernte er Harvey Milk kennen (mit dem er eine Affäre hatte); Milk wurde später einer der ersten offen schwulen Politiker der USA. Milks Kamera-Geschäft in San Francisco, das – ebenso wie der Oscar Wilde-Bookshop – ebenso ein schwul-lesbischer Community-Treffpunkt war, soll inspiriert sein von Milks und Rodwells Begegnung sowie Rodwells Buchladen.

Im November 1969 war es Rodwell, der in Reaktion auf die Stonewall Riots (an denen er selbst teilgenommen hatte) die erste Demonstration von Lesben und Schwulen vorschlug, damals genannt ‚Christopher Street Liberation Day‘. Dieser ‚erste CSD‚ wurde in Rodwells Appartment geplant und organisiert.

„We propose that a demonstration be held annually on the last Saturday in June in New York City to commemorate the 1969 spontaneous demonstrations on Christopher Street and this demonstration be called CHRISTOPHER STREET LIBERATION DAY. No dress or age regulations shall be made for this demonstration.“

Rodwell gilt auch als derjenige, der schon 1971 den Begriff ‚Heterosexismus‘ erstmals prägte:

„After a few years of this kind of ‚liberated‘ existence such people become oblivious and completely unseeing of straight predjudice and – to coin a phrase – the ‚hetero-sexism‘ surrounding them virtually 24 hours a day.“
(Craig Rodwell, The Tarnished Golden Rule. in: QQ Queens Quarterly Magazine Januar/Februar 1971)

Drei Monate vor seinem Tod verkaufte Rodwell den Oscar Wilde Bookshop im März 1993 an Bill Offenbaker. In der Folgezeit wechselte die Buchhandlung 2003 und 2006 erneut den Besitzer/ die Besitzerin.

Craig Rodwell starb am 18. Juni 1993 im Alter von 52 Jahren in New York an den Folgen von Magenkrebs.

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Der älteste schwule Buchladen der Welt macht dicht.

Eine Meldung, na und?
Eine Schließung, nichts Ungewöhnliches?

Die Luft scheint enger zu werden für ambitionierte Projekte schwuler und lesbischer Emanzipation. In Deutschland haben bereits viele der ursprünglich im Umfeld von Schwulenbewegungen entstandenen schwulen Buchläden schließen müssen. Mit Rosa Winkel ist ein Verlag geschlossen worden, der einst im Zentrum der Schwulenbewegung stand, ohne dessen engagiertes Verlagsprogramm viele Diskussionen anders, ärmer verlaufen wären. Ähnlich Anfang 2015 – der schwule Buchladen Männerschwarm in Hamburg schliesst nach 34 Jahren.

Die schleichende Welle an Schließungen von Projekten, die versuchen mehr als ‘nur’ Kommerz zu bieten – ist sie ‘normales’ Zeichen der Zeit?

Oder sind es -aus Sicht der Communities- kurzsichtige Schritte, die wir später möglicherweise bedauern, bereuen?

Erinnert sei nur daran, dass im Aids-Bereich einst zahlreiche HIV-Pflegeprojekte sich um Aids-Kranke kümmerten – weil andere es nicht oder zu untragbaren Bedingungen machten. Die meisten dieser Projekte existieren inzwischen nicht mehr.
Nur wenige Jahre nach dem Sterben dieser Spezial-Pflegedienste ergibt sich angesichts der steigenden Zahl an Menschen, die mit HIV/Aids ein größeres Lebensalter erleben, angesichts steigender Zahlen von emanzipierten, offen lebenden schwulen Männern und lesbischen Frauen mit Krebs oder anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen, die sich nicht ‘klassischen’ Pflegediensten anvertrauen mögen, angesichts steigender Zahlen von Demenz bei HIV-Positiven das Gefühl – eigentlich müssten wir hier ‘eigene’ Projekte haben.
Mancher erinnert sich … früher, vor einigen Jahren, da hatten wir mal …
Und so manches Mal hört man den Gedanken “wir hätten die schwulen / Aids-Pflegedienste nicht so einfach den Bach runter gehen lassen dürfen, jetzt fehlen sie uns” …

Es ist zu hoffen, dass das Sterben  von Projekten (von Buchläden bis Schwulen- und Lesbenzentren), die mehr sein wollen als ‘nur’ gewinnorientierte kommerzielle Unternehmen, dass das zunehmende Ausdünnen von schwulen und lesbischen Infrastrukturen uns nicht irgendwann ‘auf die Füße fällt’, und wir eines Abends denken “hätten wir doch” …

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Homosexualitäten Köln

CSD Köln 2008 – „just another event“

Der ‘Cologne Pride 2008‘ vom 21.6. bis 6.7.2008 fand seinen Abschluss in der großen CSD-Parade am Sonntag, 6. Juli. Das Motto: “Null Toleranz”. ‘

Der CSD 2008 in Köln – nur ein weiterer Event der lokalen Spaß- und Kommerz-Gesellschaft?

 

 

CSD Köln in der Eventstadt Köln
CSD Köln in der Eventstadt Köln

 

 

Der CSD Köln – ‘just another event’ …

Seltsame Gefühle vermittelt dieser CSD, insgesamt bleibt ein sehr befremdlicher Eindruck.

– Eine Parade, der irgendwie das Herz verloren gegangen ist. Da fahren immer mehr Wagen von Parteien, Großunternehmen (von Autokonzernen bis Möbelhäusern nebst Küchenfront und Inneneinrichtung) an einem vorbei, dazu Internetapotheken … so wird die Parade immer mehr zu einer einzigen Werbefläche.

– Eine Parade zudem, seltsam sinnentleert, die ihren Zweck erst zu suchen scheint. Nur geringfügig ‘um-dekorierte’ Karnevals-Wagen verstärken nicht nur bei so manchem heterosexuellen Parade-Besucher den Eindruck, hier ziehe doch ein netter spaßiger Sommer-Karneval vorbei. Kamelle, Strüsscher [‚Bonbons, Blumensträuße‘ – für die Auswärtigen], nur im Sommer halt …

– Ein schwullesbisches Straßenfest, bei dem ein Großteil der Stände schwule Handtaschen, lesbische Portemonnaies und homoerotische Bratwurst verkauft. Hingen rechts und links Tannen-Girlanden, könnte es auch der Weihnachtsmarkt sein.
Die Aufzählung der Seltsamheiten und Peinlichkeiten (das Bühnenprogramm mit seinen Schlager-Highlights erwähnen wir lieber nicht…) ließe sich fortsetzen …

“Belanglose Routine“, meint TheGayDissenter, und “mit Stolz hatte die Parade relativ wenig zu tun” bemerkt Clamix. Gay Dating Tricks fragt irritiert “Was ist nur aus dem CSD geworden?”
Und mich erinnert das Ganze zunehmend an die “homosexuelle Folklore” und ihre Gefahren …

Dazu dann dieses Motto. ”
Null Toleranz!” scheint mir ein eigenwilliges Motto für einen CSD.
Die Veranstalter selbst sagen dazu auf ihrer Site: “„Null Toleranz!” ist für eine Veranstaltung, die seit vielen Jahren für gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz gegenüber Schwulen, Lesben und Transgender kämpft, sicherlich ein ungewöhnliches und hartes Motto. Wir haben das Thema des diesjährigen CSD Köln / ColognePride jedoch ganz bewusst provozierend und kämpferisch gewählt, weil wir das Gefühl haben, dass in einigen Teilen der Gesellschaft auch nicht gerade zimperlich mit unserer Minderheit umgegangen wird. Das Motto „Null Toleranz!”, verbunden mit der offensiven Stopp-Hand in einem auffallenden Logo, drückt aus, dass wir nicht länger dulden wollen, dass unsere Rechte verletzt und unsere Würde von Teilen der Gesellschaft mit Füßen getreten werden.”

Nun ja, eine auf den ersten Blick vernünftig klingende Begründung für das Motto.
Dennoch – die “Nulltoleranzstrategie“, Namensgeber im Hintergrund, scheint mir ein zweifelhaftes, nicht unbedingt anstrebenswertes gesellschaftliches Modell. Malaysia oder Singapur sind zumindest für mich nicht gerade Traum-Modelle vom Zusammenleben.

Dieser CSD scheint sich weit von dem entfernt zu haben, was einst mit Stonewall-Aufständen und politischen Demonstrationen der 1980er Jahre begonnen hat. Sinnentleerte Spaßparade der Event-Beliebigkeit – kann das tatsächlich Ziel einer schwullesbischen Demonstration sein?

Der CSD 2008 in Köln – nur ein weiterer Event der lokalen Spaß- und Kommerz-Gesellschaft?

Und dass gerade Schwule und Lesben eine ‘Law and Order’ – Strategie als ihr freiwilliges Motto wählen … irgendwie liegt mir da ibne Kreuzberg ja doch näher …

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Berlin Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

transgenialer CSD 2008 Berlin – Ibne Kreuzberg

Transgenialer CSD 2008 Berlin-Neukölln / Kreuzberg, Samstag 28. Juni 2008

Impressionen unter dem Motto “es gibt noch CSDs mit Inhalt” …

transgenialer CSD Berlin 2008 - Ibne Kreuzberg
transgenialer CSD Berlin 2008 – Ibne Kreuzberg

transgenialer CSD Berlin - Ibne Kreuzberg
transgenialer CSD Berlin – Ibne Kreuzberg

stay queer and rebel
stay queer and rebel

Du Bist Nicht Allein
Du Bist Nicht Allein

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Homosexualitäten

Regenbogenfahne 1978 entworfen von Gilbert Baker

Die Regenbogenfahne, inzwischen längst zum Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung geworden, wurde 1978 vom Künstler Gilbert Baker geschaffen.

Regenbogenfahne Berlin Nollendorfstr.
Regenbogenflagge, Berlin Nollendorfstr.

Gilbert Baker, am 2. Juni 1951 in Kansas geborener Künstler, entwarf 1978 in San Francisco eine Fahne mit ursprünglich 8 Streifen: pink, rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, lila als Symbole für Sexualität, Leben, Heilung, Sonne, Natur, Kunst, Harmonie und Seele.

1978 verwandte er die Regenbogenfahne erstmals beim San Francisco Gay Freedom Day,  am 25. Juni 1978.

 regenbogenfahne Berlin
Regenbogenflagge, Berlin

Im Jahr darauf, 1979, bekam Gilbert dann den Auftrag, die Market Street zum San Francisco Pride (Gay Freedom Day) 1979 farbenfroh zu schmücken – nach der Ermordung von Harvey Milk, offen schwulem Supervisor von San Francisco, sollte der Gewalt und dem Entsetzen in den Communities farbenfrohe Zuversicht entgegen gesetzt werden.

Gilbert Baker starb am 31. März 2017 im Alter von 65 Jahren in New York, wie ein langjähriger Freund auf Twitter mitteilte:

Seit dem 19. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel in Paris an Gilbert Baker, auf der square Sainte-Croix de la Bretonnerie.

Die Farben der Regenbogenfahne

Entgegen Gilberts erstem 8-farbigen Entwurf kam schon hier nur die sechsfarbige, heute noch verwendete Version zum Tragen – pink wurde aus produktionstechnischen Gründen entfernt, indigo aus Gründen der Symmetrie (man wollte drei Farben auf jeder Straßenseite flaggen).

Seitdem besteht die Regenbogenflagge aus den Farben rot, orange, gelb, grün, blau und lila. Heute werden die Farben meist weniger symbolträchtig erklärt. Oft wird einzig angemerkt, die Farben der Flagge sollen die Vielfalt der schwullesbischen Communities darstellen.

Aus US-Communities heraus und vom Pride Philadelphia entstand 2017 der Vorschlag, die Regenbogenfahne um schwarz und braun zu erweitern. Hiermit sollten people of color (poc) und deren Situation thematisiert werden, lautete die Begründung für den umstrittenen Vorschlag.

Rosa Winkel - Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin Nollendorfplatz
Rosa Winkel – Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin Nollendorfplatz

Längst ist die Regenbogenflagge (Regenbogenfahne, auch genannt CSD-Fahne, Schwulenfahne, Gayfahne) zu dem Symbol schwullesbischen Stolzes geworden – und löste den bis dahin weit verbreiteten ‘Rosa Winkel‘ als Symbol ab (siehe Foto oben: Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen am Nollendorfplatz in Berlin).

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Regenbogenfahne im Museum

Am 17. Juni 2015 teilte das MoMa mit, die Regenbogenfahne in die Design-Sammlung des Museums aufgenommen zu haben.

Aus Anlass der Aufnahme in die Kolletion des Museums berichtete Gilbert Baker in einem Interview noch einmal, wie die Regenbogenfahne entstanden ist.

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Berlin

Werbung CSD – CSD vom Weg abgekommen …

Werbung CSD – der CSD verkommt immer mehr zum Spaß-Event und Vehikel für Werbung – nicht nur in Köln, auch in Berlin. Manchmal geht das daneben … wie derzeit am Kurfürstendamm.

“Hier bloggt der Chef noch selbst …” heißt es auf der Blog-Seite des ‘Berlin Plaza Hotels’. ” Dieser Weblog öffnet einen Blick hinter die Kulissen des täglichen Geschehens im und rund um das Hotel”, verkündet das Impressum.

Eine spannende Idee – ein Blog aus dem Hotel. Nun, nicht ganz so innovativ, aber immerhin. Und eigentlich , ja eigentlich dient er ja auch der Werbung. Wie der heutige Beitrag zeigt. Dort findet der geneigte Leser den “Plaza Tipp” – ‘Christopher Street Day’. Erfährt -wie es das Klischee will- vom “jährlichen bunten, schrillen und schrägen Straßenumzug”, immerhin auch von dessen eigentlicher Idee, dem Eintreten “für die zentralen politischen Forderungen gegen Diskriminierung von Lesben und Schwulen”.

Nach einer kurzen Beschreibung des CSD Berlin folgt sozusagen ‘in eigener Sache’ der Hinweis, der die Aufgabe des ‘Artikels’ zeigt … schnöde Werbung. Dort heißt es “Parade vom Kurfürstendamm (Berlin Plaza Hotel) zur Siegessäule”.

Wie schade, dass der bloggende Hotel-Chef noch nicht mitbekommen hat, dass der CSD Berlin dieses Jahr eine neue Route nimmt:

“Der Demonstrationszug startet dieses Jahr im östlichen Teil der Stadt und schlängelt sich durch Berlins Innenstadt. Vorbei am Kronprinzessinnenpalais, der Humboldt Universität (HU), Bebelplatz, Komische Oper, Holocaust Mahnmal, Potsdamer Platz, Bülow Str., Nollendorf Platz, An der Urania hoch zur Siegessäule.”

Am Berlin Plaza Hotel werden die Hotel-Gäste wohl vergeblich stehen und warten, dass schrille Paradiesvögel zu ihrer Unterhaltung vorbeiflattern und komische lustige Dinge machen …
Oder ist das Motto “spielt doch keine Rolle“?

So ist das halt manchmal mit Insidertipps und Werbung ….

Nachtrag 2.6.: “der neue werbefreie Tipp” heißt es jetzt im Hotelblog ;-) )

PS.:
wenn Sie einen Tipp wollen -ist auch kein Insider-: viel mehr mit politischen Forderungen, mit Diskriminierung von Lesben und Schwulen und Transgender hat ein anderer CSD zu tun, der ‘transgeniale CSD’. Am 28. Juni 2008 um 14:00 Uhr ab Herrmannplatz unter dem Motto “Des Wahnsinns fette Beute” …

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Köln

Nix lamentieren in der Provinz

Köln, gerade Hochburg der Feierei, des gestern zu ende gegangenen Straßenkarnevals, feiert Probleme gerne weg. Eine Strategie, die scheinbar eher den Weg abwärts weist …

Köln war einst eine spannende Stadt.

Köln erscheint mir leider heute, wenn ich (regelmäßig) zu Besuch bin, klein und eng.

Eng weniger im räumlichen Sinn, eng eher in Sachen Horizonte. Das Spektrum an neuen, fremden, ungewöhnlichen Ideen, dem man sich in Köln aussetzen, mit dem man sich auseinandersetzen kann, ist seit Jahren immer kleiner geworden.

Vor vielen Jahren konnte Köln tatsächlich Grund haben, stolz auf sich zu sein. Eine innovative, aufregende Kunstszene, eine Schwulen-und Lesbenszene die sich entwickelte, sich zunehmend gut organisierte, eine florierende Galeristenszene, spannende Clubs und Gruppen, boomende Medienunternehmen …

Heute aber scheint die Stadt leider eher von einem antimodernen Lebensgefühl geprägt. Innovationen, neue Ideen, Denkanstöße gehen von der Stadt kaum noch aus. Keine Experimente.
Hier wird inzwischen viel Politik gemacht, die der Zukunft der Stadt eher schadet als nutzt. Kommt dann gar noch Kritik von außen, wird eher abqualifiziert als nachgedacht und analysiert. Einigeln, ignorieren, wegsehen. Lokalpatriotismus und gute Stimmung. Uns geht’s doch gut. „Mir all sin Kölle“ (wir alle sind Köln), das diesjährige Motto des Rosenmontagszugs, brachte diese Art Lokalpatriotismus gut auf den Punkt.

Dabei ist Köln in vielen Kategorien in den letzten Jahren im Vergleich mit anderen Städten (Hamburg, Berlin, München) abgefallen, hat an Substanz und Bedeutung verloren, droht in Provinzialität zu sinken – und tut sich dennoch schwer, das wahrzunehmen, geschweige denn nach möglichen Ursachen zu fahnden, Veränderungen anzugehen.

Ganz treffend hat diese Einstellung auch die Kölner Gruppe „De Höhner“ in ihrem Song zur Handball-WM beschrieben: „Kumm, loss mer fiere, nit lamentiere“ – komm lass uns feiern nicht reden, mit dieser Mentalität kommt man in Köln gut zurecht. Alles schön unter den Teppich kehren, noch ein Kölsch oben drauf (oder zwei oder …). Probleme ignorieren, lieber feiern und die Welt schön trinken, am liebsten in einer größeren Gruppe. Und wenn gerade kein Anlass da ist, erfinden wir uns einen.

Aber auch die Schwulenszene(n) der Stadt scheinen diese Art, die Realität aus einem ganz eigenen Winkel zu sehen, gut verinnerlicht zu haben. Einer der immer noch beliebtesten schwulen Karnevals- und CSD-Hits z.B. ist das Lied vom „geilsten Arsch der Welt“, der natürlich auf den Namen Köln hört. Wenn man diese ‘Nabel der schwulen-Welt’ – Sicht einmal ernst nimmt, und dann außerhalb toller Tage mitten in der Woche schwul ausgehen möchte, kann man/frau sich wundern. Wird oft nicht gerade eine großstädtische Szene antreffen, sich so manches Mal vielleicht eher an eine Provinzstadt erinnert fühlen. Großstadt-Flair? Innovative Ideen? Mutige Experimente? Fehlanzeige.
In diesem Sinne scheint auch die Schwulen- und Lesbenszene ganz Kind der Stadt …

Aber Ursachen, Probleme? Nein, keine Spur. Die Stimmung ist klasse, wir feiern doch.

Und – am (heutigen) Aschermittwoch ist zwar alles vorbei. Aber „das macht doch nix, das merkt doch keiner“. Und irgendwann ist ja spätestens wieder der nächste CSD …

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Hamburg

Egal oder anders – CSD: Spielt doch keine Rolle …

Anfang August. Die Zeit der (aufgrund der Fußball- Weltmeisterschaft eh schon zahlreich verschobenen) schwul-lesbischen Hochämter geht dem Ende entgegen, am vergangenen Wochenende mit dem Hamburger CSD.

CSD Hamburg 2006: "Schwuchtel - Spielt doch keine Rolle"
CSD Hamburg 2006: „Schwuchtel – Spielt doch keine Rolle“

Ein CSD, auf den überall in der Stadt mit Plakaten aufmerksam gemacht wurde. In der schwulen Version: ein junger Mann Anfang 20 grinst uns nett an, grüne Jacke über dem T-Shirt, quer darüber in großem Lettern „Schwuchtel?“. ‘Na hoffentlich’, denkt der homophile Betrachter, nur um etwas weiter gen unterem Plakatrand zu erfahren „Spielt doch keine Rolle – Christopher Street Day Hamburg 2006“.
In der weiblichen Version lacht uns ein junges Mädchen unter weißem Brautschleier an, vor ihr groß „Kampflesbe?“, darunter die schon bekannte Antwort „Spielt doch keine Rolle“. Immerhin, ich muss grinsen, zwischen Brautschleier und Kampflesbe ein schönes Spiel mit (nicht nur heterosexuellen) Vorurteilen.

Nun hat der CSD in den vergangenen Jahren viel von seinen politischen Inhalten verloren; angesichts so manchen Homo-Spektakels fühle ich mich bald eher an Schützenfest oder Love Parade erinnert.
Und jetzt „Spielt doch keine Rolle“?

Schön wär’s, denke ich. Wäre es nicht toll, wenn Menschen nicht (mehr) nach ihrer Haut- oder Haarfarbe bewertet werden, danach wen sie lieben oder mit wem sie Sex haben? Sondern nach ihrem Selbst, nach ihrer Persönlichkeit? Klar, das wäre schön, denke ich.
Und stolpere gedanklich. Wie war das damals, Hamburg Anfang der 80er Jahre? Meine ersten CSDs? Schwulsein, mein Schwulsein, das hat damals eine Rolle gespielt. Hat vor allem auch für mich selbst eine Rolle gespielt.
Die CSDs, die ich besuchte, hießen noch Stonewall, hatten Inhalte (von Piratenradio über Coming-Out- und Selbsterfahrungs-Workshops bis zu gut besuchten Diskussionsveranstaltungen) und wurden von Demonstrationen begleitet. Schwulsein, das war (und in Teilen: ist) für mich auch eine Möglichkeit, Dinge im Leben anders zu gestalten, anders leben zu können als der bürgerlich-heterosexuelle Mainstream.

Nun gut, durchgesetzt hat sich heute anscheinend eine andere Denke, die weniger ausprobiert, Freiheiten nimmt und nutzt, vielmehr eine Denke, die -so scheint mir- bestrebt ist, so ähnlich, so angeglichen wie möglich zu sein.
Verloren gegangen ist dabei weitgehend die Idee, das Potential zu nutzen, das in Andersartigkeit liegen könnte, das Potential zu experimentieren, Neues zu versuchen, andere als die bereits breit ausgetretenen Wege zu gehen.
Das Hamburger Motto „Spielt doch keine Rolle“ bringt das für mich vielleicht ganz gut auf den Punkt. Sind wir schon so normal, so angeglichen, dass schwul, lesbisch oder hetero keine Rolle mehr spielt? Eine Frage der Kategorie „ist doch egal“ ist?

Da bleibt mir dann fast nur noch die erstaunte Frage, wenn’s doch eh’ keine Rolle spielt, wozu brauch ich dann überhaupt noch ‘nen CSD?