Leichte französische Sommer- Komödie, ein Film um Sex, coming Out, Befriedigung und kleine Geheimnisse – und um seltsame Eltern.
„Man kann nicht zu tolerant sein. Man ist tolerant, oder eben nicht. Basta.“ (Beatrix)
Die Handlung spielt in Ensuès-la-Redonne (Nähe Marseille), im Ferienhaus der Familie und am nahegelgenen Strand.
„Es bringt im Grunde gar nichts, wenn alles sauber ist, quadratisch, ordentlich. Du hast Recht, lassen wir der Natur ihren Lauf.“ (Marc)
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Eine nicht unwesentliche Rolle spielen in dem Film Violet – eine in Deutschland kaum bekannte Delikatesse aus dem Meer (die nicht die Synapsen verkleben):
Violet (auch: figue de mer, Meeresfeige) aus dem Mittelmeer werden i.d.R. roh gegessen, Saison ist zwischen April und Herbst. Sie haben einen hohen Jod- Gehalt und einen intensiven Geschmack.
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Meeresfrüchte (Crustacés et coquillages) Drehbuch und Regie Olivier Ducastel (auch: Theo & hugo, 2016) Frankreich 2004 Uraufführung 30. März 2005
Salo oder Die 120 Tage von Sodom (Salò o le 120 giornate di Sodoma) ist der letzte Spielfilm des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini.
Salo spielt im Jahr 1944 – und in Andeutungen den 70er Jahren, der Entstehungs- Gegenwart (zB die Möbel des Hinterzimmers in dem die ‚Herren‘ sich zusammensetzen).
Salo ist ein Film in faschistischem und kapitalistischem Kontext. De Sades Stoff wird verlegt in die faschistische ‚Republik‘ von Salo, ein letztes Regime Mussolinis von Gnaden der Nazis.
Ein Film über Kapitalismus, Faschismus und das Bürgertum. Der Mensch als Ware (die zuvor auf Makellosigkeit kontrolliert wird) am ‘Nullpunkt der Freiheit’. Entmenschtlichte kalte Rationalität (vgl. Horkheimer 1939: „wer aber nicht vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“).
Salo ist zugleich auch Pasolinis eigener Widerruf seiner ‘Trilogie des Lebens’, die freizügig das Leben und die Sexualität feiert (1970/72/74). Salo hingegen ist ein geradezu von Lust-Losigkeit durchzogener Film. Es gibt keine lustvolle Sexualität, sondern nur industrialisierten Sex. Nicht mehr befreite orgiastische Sexualität, sondern Folter und Unterdrückung, immer weiter gesteigert. Pasolini stellt letztlich infrage ob grenzenlose Grenzüberschreitung gut ist – der Film beginnt mit den Worten “alles was maßlos ist, ist gut”.
Einer der Grundgedanken Pasolinis in Salo: Faschismus ist seiner Ansicht nach auch Exzess (‘wir Faschisten sind die eigentlichen Anarchisten’), die Unterdrücker können mit den Unterdrücken machen, was auch immer sie wollen. Die Unterdrücker schaffen sozusagen einen faschistisch definierten Ordnungsrahmen (dem der Formalismus des Films entspricht), ein Rahmen innerhalb dessen alles möglich ist.
Salo oder Die 120 Tage von Sodom – fehlendes Original, gestohlene Szenen ?
Roman Herzogs Lettre-Artikel ‚Pasolini, der Senator, das Buch‘ über Pasolini, Petrolio und die Ermordung Pasolinis (in LI 092, Frühjahr 2011, Auszug) wartet in einer Fußnote mit einer Information auf, die mir bisher nicht bekannt war: der Film „Salo“ sei aus von Pasolini ursprünglich aussortierten B-Sequenzen (doppelt gedrehten Szenen) erneut zusammengeschnitten worden.
Die Originale, von Pasolini ausgewählt, seien verloren und fehlten bis heute.
Ende 2022 melden italienische Medien, die Ermordung Pasolinis stehe möglicherweise in Verbindung mit dem Diebstahl einiger Original-Szenen des Films Salo. Pasolini sei eventuell bei dem Versuch ermordet worden, diese gestohlenen Szenen wiederzubeschaffen.
Die us-amerikanisch – britische Filmschauspielerin Elizabeth Taylor starb am 23. März 2011 in Los Angeles. Taylor engagierte sich umfassend auch gesellschaftlich und politisch, besonders bekannt wurde ihr Aids-Engagement.
Nach langer Krankheit ist die in London am 27. Februar 1932 geborene Schauspielerin Elizabeth Taylor am 23. März 2011 im Alter von 79 Jahren in Los Angeles gestorben. Aufgrund eines Herzfehlers hatte sie sich bereits seit mehreren Wochen in einem Krankenhaus aufgehalten. Taylor wurde am 24. März entsprechend traditionellen jüdischen Zeremonien auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale (Kalifornien) beigesetzt worden. Sie war 1959 zum jüdischen Glauben übergetreten.
Taylor spielte in nahezu 50 Filmen und erhielt drei Oscars, zwei für ihre Filme „Telefon Butterfield 8“ (1961) und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1967) sowie einen Ehren-Oscar 1993 für ihre humanitären Verdienste, insbesondere auch ihr Engagement für die Aids-Hilfe.
Elizabeth Taylor after landing at Schiphol – Anefo / Mieremet, R. – [1] Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989, Nummer toegang 2.24.01.05 Bestanddeelnummer 924-3581 – CC BY-SA 3.0 nl
Anfang der 1980er Jahre, ganz zu Beginn der Aids-Epidemie, war Elizabeth Taylor die erste Prominente, die ihren Status dazu nutzte, um auf die Situation der an Aids Erkrankten aufmerksam zu machen. Taylor war Vorsitzende einer der ersten großen Aids-Benefiz-Veranstaltungen der USA, des „Commitment of Life“ 1985.
Elizabeth Taylor war ebenfalls 1985 – nach dem Tod ihres Schauspiel-Kollegen und Freundes Rock Hudson an den Folgen von Aids – gemeinsam mit Dr. Mathilde Krim und einigen wenigen weiteren Ärzten und Wissenschaftlern beteiligt an der Gründung der „American Foundation for AIDS Research“ (AmfAR), die sie immer wieder unterstützte. Zudem gründete sie 1991 die „Elizabeth Taylor AIDS Foundation“ (ETAF).
Schätzungen zufolge soll Elizabeth Taylor Spenden in Höhe von über 100 Millionen US-$ für den Kampf gegen Aids eingeworben haben (1).
Christophe Martet erinnert sich in einem Nachruf auf Elizabeth Taylor an ihr Auftreten bei der Welt-Aids-Konferenz in Vancouver 1996:
„Die Dreier-Kombinationstherapie wurde gerade eingeführt. Die kanadische Regierung weigerte sich damals, diese bereit zu stellen. Taylor kommentierte dies, in der Intonation der ‚Katze auf dem heißen Blechdach‘, unter dem Applaus des Publikums mit den Worten „Ehrlich gesagt hatte ich besseres erwartet von einem reichen Industriestaat“.
Michel Sidibé, Generaldirektor von UNAIDS, bezeichnete Elizabeth Taylor in einer Presseerklärung anläßlich ihres Todes als „erste Aids-Aktivistin“:
„Elizabeth Taylor was one of the first AIDS activists and one of the first celebrities to use her influence and public persona to help educate people about HIV and remove the fear and stigma surrounding the disease.“
Elizabeth Taylor selbst begründete ihr Engagement gegen Aids früh – in Zeiten einer ignoranten Haltung gegenüber Aids durch die US-Politik unter Ronald Reagan – mit folgenden Worten:
„I have to show up because it galvanizes people. [They] know . . . I’m not there to sell or gain anything. I’m there for the same reason they are: to get something done.“
The industry knew homosexuals were being hit hard, but instead of extending a loving hand and saying, ‘You helped me get to where I am today, without you I wouldn’t have made it,’ they turned their backs. … I remember complaining, ‘Why isn’t anybody doing anything? Why isn’t anyone raising money?’ … And it struck me like lightning: ‘Wait a second, I’m not doing anything.’”
Dann wurde sie aktiv.
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POZ November 1997: Elizabeth Taylor Tells the Truth
DAH-Blog 24.03.2011: Saint Elizabeth
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(1) Von 50 Millionen US-Dollar sprechen die englischsprachigen Wikipedia sowie Websters online Dictionary. Die New York Times nennt in ihrem Nachruf vom 23.3.2011 die Summe von über 100 Millionen Dollar.
„Pornographie und Holocaust“, geht das zusammen? Ja – im Israel der 1960er Jahre, in pornographischen Heftchen, in denen weibliche KZ-Aufseher alliierte männliche Soldaten quälen und vergewaltigen. Ein israelischer Dokumentarfilm, der jetzt in Deutschland in die Kinos kommt, gibt verstörende Blicke frei auf einen manchmal schockierend wirkenden Versuch, mit dem Schrecken des Holocaust umzugehen.
Vollbusige weibliche SS-Soldaten, Sadismus, Folter und Vergewaltigung – es ging derb und anzüglich her in den ‚Stalag‘-Heften im Israel der 1960er Jahre. Im damals sehr puritanistischen und konservativen Israel wurden die pornographischen Hefte offen verkauft – z.B. am Busbahnhof von Tel Aviv. Ihre Geschichte erzählt der Film „Pornographie und Holocaust“ des israelischen Dokumentarfilmers Ari Libsker, der nun in Kinos in Deutschland kommt.
Der Film „Pornographie und Holocaust“ behandelt das Thema der „sexuellen Ausbeutung des Holocaust“ an zwei Medien: einerseits den ‚Stalag‘-Heftchen der 1960er Jahre, andererseits bereits in den 1940er und 1950er Jahren erschienenen Büchern des Autors ‚K. Zetnik‘, die der als eine Art frühen ‚Vorläufer‘ der Stalag-Hefte sieht. Beide fanden ihre jeweils eigene, dennoch verwandte Art, die Themen Holocaust und Pornographie mit einander zu verknüpfen.
Unter den Namen „K. Zetnik“ berichtete der in Polen geborene israelische Autor und Holocaust-Überlebende Yehiel Dinur u.a. im Prozess gegen Adolf Eichmann über die Verbrechen der Nazis in KZs. Er verfasste -ebenfalls unter dem Pseudonym ‚K. Zetnik‘- mehrere Bücher über den Holocaust, bekannt u.a. „Das Haus der Puppen“ (1953) und „Salamandra“ (1946). Dinur berichtete darin nicht nur, er schrieb statt Reportagen über das Erlebte oft Passagen, die von Lesern als pornographisch oder gar sexuell stimulierend empfunden werden konnten.
Dinurs Bücher, insbesondere „Das Haus der Puppen“, sind noch im heutigen Israel aktuell, haben „das israelische Bewusstsein durchdrungen“. Gehören seit den 1990er Jahren zum Lehrstoff höherer Schulklassen und sind Prüfungsstoff im Abitur.
Offener pornographisch griffen das Thema einige Jahre später die ‚Stalag‘-Hefte auf. Sie waren -nach den Büchern Dinurs- mit die ersten Formen öffentlicher Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Israel – zu einer Zeit, in der gerade der Prozess gegen den ‚Architekten des Holocaust‘ Adolf Eichmann in Israel stattfand.
Der erste der drei Autoren der ‚Stalags‘ war „Mike Baden“ (i.e. Eli Keidar), ihm folgten „Ralph Butcher“ und „Mike Longshot“. Das erste Stalag unter dem Titel „Stalag 13″ wurde direkt zum Verkaufserfolg – über 80.000 Exemplare wurden verkauft. Schnell folgten weitere Ausgaben, bald auch von weiteren Autoren (unter ihnen Miram Uriel), viele verlegt von Isaac Gutmann. Geworben wurde für die Hefte in Zeitungsanzeigen – oft mit Anzeigen, die direkt neben Berichten platziert waren, die über den gerade stattfindenden Eichmann-Prozess informierten.
Der große Erfolg führte bald zu Nachahmern. Die Zahl der Stalag-Bändchen wuchs schnell, wechselnde Cover über der von Grundmuster her immer gleichen Geschichte. Nach gut zwei Jahren, einem Prozess und einer Übersättigung des Marktes verschwanden die Stalag-Heftchen wieder – und sind heute Objekt einer kleinen Gruppe Sammler.
Der Film“Pornographie und Holocaust“ behandelt ausführlich beides – die Bücher Dinurs wie auch die Stalag-Hefte der 1960er. Er lässt damalige Autoren, Leser, aber auch Wissenschaftler zu Wort kommen – und den Zuschauer immer wieder irritiert, bestürzt zurück. Eine Sexualisierung des unfassbaren Grauens, die selbst wieder kaum fassbar scheint – und doch ein Versuch ist, einen Weg des Umgangs mit eben jenem Grauen zu finden.
Sie bemühe sich, über den Holocaust „nur in kleinen Worten“ zu sprechen, denn eigentlich gebe es dafür überhaupt keine Worte, bemerkt eine der befragten Expertinnen gegen Ende des Films. Ein eigentümlicher Kontrast, wohltuender Abstand zu Worten und Bildern sowohl der Dinur’schen Bücher als auch der Stalag-Heftchen, in einer insgesamt wohltuend distanziert – ruhigen und sehr sehenswerten Dokumentation.
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„Pornographie und Holocaust“ (Original-Titel: ‚Stalags‘)
Dokumentarfilm, Israel 2008, 63 min.
Regie und Drehbuch: Ari Libsker
Verleih: Movimiento, Berlin
derzeit (seit 30.12.2010) zu sehen im Kino ‚Movimiento‘ Berlin
In Frankreich kam am 22. September 2010 ein Dokumentar-Film über Yves Saint Laurent und Pierre Bergé in die Kinos: “Yves Saint Laurent – Pierre Bergé, L’Amour fou”.
1958 – Pierre Bergé und Yves Saint Laurent lernen sich kennen – während des Begräbnisses von Christian Dior, für den der junge Designer Saint Laurent arbeitete. Für beide die Liebe des Lebens. Der Geschäftsmann und der Modeschöpfer, eine private und geschäftliche Erfolgs-Geschichte.
Bergé und Saint Laurent “haben nie ihre Liebe verleugnet”, lebten offen in einer schwulen Beziehung. Sie unterstützten über viele Jahre immer wieder schwule Projekte, später auch Projekte im Aids-Bereich, von der Zeitschrift Gai Pied über die schwullesbische Radiostation Fréquence Gaie bis zum Magazin Tetu und der Aids-Organisation sidaction.
2008. Fünfzig bewegte Jahre nach ihrer ersten Begegnung, und nach dem Tod von Yves Saint Laurent, entschließt sich Pierre Bergé, über ihre Liebe und Beziehung zu sprechen, in einem Dokumentarfilm zu berichten.
Einen Vorgeschmack auf den Film gibt die (französische) Preview:
Gedreht ist der Film weitgehend an Original-Schauplätzen, wie dem Garten ‘Majorelle’, den beide bei ihrer Villa in Marrakesch anlegen ließen, oder im Château Gabriel in der Normandie.
Der Film kam am 22. September in Frankreich in die Kinos und wird 2011 in britische Kinos kommen. Über Pläne für Deutschland ist bisher nichts bekannt. Auf dem ‘Zürich Film Festival’ (23.9. bis 3.10.2010) ist der Film mit deutschen Untertiteln zu sehen.
Yves Saint Laurent – Pierre Bergé, L’Amour fou Dokumentarfilm, 98 Minuten Frankreich 2009 Regie Pierre Thoretton
The Ghostwriter. Strand, Sand, See – viel Weite hat dieser Strand auf Usedom zu bieten. Und eine Attraktion, seit 2009: Roman Polanskis Film “The Ghostwriter” wurde großenteils hier gedreht, im Frühjahr 2009.
Frühjahr 2009. Roman Polanski dreht Ende März die Außenaufnahmen für seinen Film “The Ghostwriter”. Martha’s Vineyard, die Insel mit dem Feriendomizil des ehemaligen britischen (Film-) Premierministers Adam Lang (Pierce Brosnan), wurde nicht in den USA gedreht, sondern – vor allem auf Usedom.
Das Jahr 2007 hat also begonnen, ist inzwischen schon gut drei Tage alt. Das ‚alte‘ Jahr verabschiedete sich bei mir u.a. mit „Grünkohl afrikanische Art“ [dazu vielleicht später einmal mehr], das ’neue‘ begann mit leckerem polnischem Bier.
Kalle weist mich bloggend darauf hin, dass 2007 (ab dem 18. Februar) nach chinesischem Kalender das Jahr des Schweins sei. Was soll mir das sagen? Ich sehe es als gutes Zeichen – schließlich bin ich auch in einem Jahr des Schweins geboren…
2007 ist aber auch das Jahr, in dem sich der Herbst zum 30. Mal jährt, der ‚Deutsche Herbst‘. Welch seltsamer Zufall, dass eines meiner Weihnachtsgeschenke (ungewünscht, aber sehr begrüßt) „Die Dritte Generation“ (Fassbinder) ist.
Vor 30 Jahren: Deutschland im Herbst‚ Deutschland im Herbst‘, eigentlich war es der Titel eines Films von 1978 – und wurde auch zum Synonym für einen ganzen Abschnitt jüngerer BRD-Geschichte.
Deutschland im Herbst – ich war gerade 18 geworden, begann mich aktiv für Politik zu interessieren. Die Jahre vor diesem Herbst waren eh schon nicht mehr von Visionen und Aufbruch der ersten Brandt-Jahre gekennzeichnet, vielmehr von ökonomischen Problemen, Ölkrisen und Schmidt’schem Krisenmanagement geprägt. Dann dieser Herbst 1977 und die folgenden Monate. Wie viele andere auch bekam ich das Gefühl, jetzt kippt dieses Land, jetzt geht es wieder los mit Repression, mit „auf welcher Seite stehst du“, mit schwarz-weiß-Malerei statt (gerade erst beginnender) bunter Vielfalt.
Terroristen der (u.a. von Andreas Baader und Ulrike Meinhof gegründeten) Rote Armee Fraktion (RAF) hatten am 5.9.1977 in Köln den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführt, um ihn gegen die inhaftierte ‚erste Generation’ der RAF auszutauschen. Die Bundesregierung unter Helmut Schmidt etablierte eine Politik des Nicht-Nachgebens (‚Mit Terroristen ist nicht zu verhandeln’). Mit der RAF verbündete Kämpfer der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) entführten daraufhin, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, die Lufthansa-Maschine ‚Landshut’. Am 18.10.1977 stürmte eine Spezialeinheit des BGS, die GSG9, die Maschine, befreite alle Geiseln. Drei der vier Terroristen wurden dabei getötet. Als Reaktion erschossen die RAF-Entführer Hanns-Martin Schleyer. Zur gleichen Zeit starben die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Vielfach wurde behauptet, bei den Todesfällen habe es sich um Exekutionen seitens des Staates gehandelt. Offizielle Untersuchungs- Kommissionen kamen zu einem gegenteiligen Schluss, Zweifel blieben bestehen.
Die Zeit dieser Vorgänge und die Jahre danach waren in der BRD gekennzeichnet von einer politischen Hysterie, die besonders von Presseorganen des Springer-Verlags kontinuierlich geschürt wurde. Der Staat reagierte mit bisher unbekannter Aufrüstung, mit Rasterfahndung, unerbittlicher Härte. Der CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß bezeichnete die Schriftsteller Heinrich Böll und Günther Grass als ‚Ratten und Schmeißfliegen’. Sobald sie auch nur einen besonnenen Umgang mit der Situation forderten, wurden viele Linke, aber auch Liberale als Sympathisanten oder Unterstützer von Terroristen verunglimpft, beschimpft, verfolgt. Kaum zehn Jahre nach Willy Brandts ‚mehr Demokratie wagen’ schon wieder ein neues Klima der Repression, Hysterie – selbst im Kleinen, ein laut gerufener Spruch, der mit „Buback Ponto Schleyer …“ begann, konnte schon ungeahnte Konsequenzen bis zum Rauswurf von der Schule haben.
Dieses Klima der Hysterie, Repression und Verfolgung haben Regisseure wie Alexander Kluge, Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder in ihrem Film ‚Deutschland im Herbst’ beschrieben und damit einer Zeit ihren Namen gegeben. Einer Zeit, die immer noch der Aufarbeitung, der Bewältigung harrt. Eine Zeit, die nun in diesem Jahr schon dreißig Jahre her ist … Und, um das nicht zu vergessen, immer noch sitzen einige der RAF-Terroristen in Gefängnissen, nach vielen vielen Jahren Knast …
Am 12. August 1994 starb der Berlinale-Kurator und Erfinder des ‚Teddy Award‘ Manfred Salzgeber im Alter von 51 Jahren in Berlin an den Folgen von Aids.
“Salzgeber gehört zu den Identifikations- und Gründungsfiguren der deutschen Schwulenbewegung des 20. Jahrhunderts. Er war zusammen mit Wieland Speck ein Streiter für die schwul-lesbische Filmkunst. Diesen Begriff hat er maßgeblich mitgeprägt”, würdigt wikipedia Manfred Salzgeber (geb. 10. Januar 1943 in Łódź, Polen).
Berlinale.de beschreibt Salzgebers Engagement
“Er gehörte zu den Gründungs- und Identifikationsfiguren der neueren Schwulenbewegung in Deutschland. 1969 wirkte er als Schauspieler in Rosa von Praunheims Film Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt mit, der zum Auslöser einer neuen politischen Schwulenbewegung wurde und immer noch eine Perle des schwulen Films ist. Seither war Manfred Salzgeber ein unermüdlicher Arbeiter für die schwule und lesbische Filmkunst und hat eine solche Begrifflichkeit überhaupt mit geprägt und etabliert.”
Manfred Salzgeber wurde geboren am 10. Januar 1943 in Lodz, wuchs in Stuttgart auf. Er war Leiter der 1986 von ihm neu geschaffenen Sektion ‘Panorama’ (früher ‘Info-Schau’) der Berlinale, schuf gemeinsam mit seinem Assistenten Wieland Speck den ‘Teddy Award’. Mit ihm werden seit 1987 in der Sektion ‘Panorama’ gezeigte schwul-lesbische Filme ausgezeichnet.
1985 gründet Salzgeber die ‘edition manfred salzgeber’ (auch Edition Salzgeber , inzwischen umbenannt in Salzgeber & Co. Medien GmbH) – unter anderem, weil sich kein Verleih für einem ihm wichtig scheinenden Aids-Film fand:
“Im Spätherbst 1984 wurde Manfred Salzgeber auf den ersten Spielfilm zum Thema AIDS aufmerksam. Damals wollte kein anderer Verleiher und kein Sender das heiße Eisen anpacken, und so beschloss er spontan, sich um BUDDIES zu ‚kümmern’. Sich auch abseits des Mainstreams um ungewöhnliche und wichtige Themen zu bemühen, war die Geburtsstunde und ist immer noch Programm unserer EDITION SALZGEBER .” (Edition Salzgeber)
Manfred Salzgeber starb am 12. August 1994 in Berlin an den Folgen von Aids. Salzgebers Grab befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin.
1999 würdigte die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin Salzgeber im Rahmen ihrer Ausstellungsreihe ‘Unterbrochene Karrieren’ mit einer Ausstellung und Filmreihe.
Hieraus ging u.a. der Manfred Salzgeber Preis hervor, der seit 2000 jährlich für einen innovativen Filmbeitrag auf der Berlinale verliehen wird.
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Situation Grab Manfred Salzgeber nach der Umbettung
Liquid Sky – der New Wave Film von Slava Tsukerman aus dem Jahr 1982 wird in New York längst als legendärer Kultfilm betrachtet – in Deutschland ist er inzwischen nahezu unbekannt. 2018 wurde eine restaurierte Fassung in 4K Abtastung auf BluRay veröffentlicht.
Director Slava Tsukerman and actor Anne Carlisle at a screening of Liquid Sky at the Quad Cinema, New York City, May 28, 2017 – Pburka – CC BY-SA 4.0
Liquid Sky
In einem Apartment mit Dachterrasse in Manhatten lebt ein lesbisches Paar. Margaret, aus Conneticut stammend, ist enttäuscht von New York. Ihre mit Heroin (im US-Slang: Liquid Sky) dealende Freundin Adrian ist Musikerin und Performance Künstlerin, spielt auf einer Rhythm Box, die sie sich umgehängt hat.
Auf Margarets Balkon landet ein tellergroßes Ufo. Nicht weiter besorgniserregend, doch … die Außerirdischen, denen Johann, ein deutscher Wissenschaftler schon auf der Spur ist, haben ein seltsames Bedürfnis. Sie ernähren sich von Endorphinen, genauer sie verschlingen Margarets männliche Sex-Partner im Moment von deren Orgasmus. Margaret selbst überlebt – sie kommt nie zum Organmus mit Sexpartner_innen, an denen sie nicht wirklich interessiert zu sein scheint. Und das bisexuelle Modell ist bereit den Aliens reichlich Nahrung zuzuführen … während unterdessen der asexuell erscheinende deutsche UFO-Forscher versucht, die Aliens einzufangen und zu untersuchen.
Tsukerman selbst sagt über Liquid Sky
„My basic idea behind Liquid Sky was creating a parable which would include most of the hot mythical topics of the period: sex, drugs, rock ’n’ roll, violence, aliens from the outer space. The story of Cinderella was the basic … This story was very often used in traditional Hollywood, as the embodiment of the American dream: the American Cinderella always finds her Prince Charming. I thought that the post-punk Cinderella of the ‘80s wouldn’t be able to find her prince among the men surrounding her. Her Prince Charming, ironically, would come in a small flying saucer from outer space.“
Liquid Sky – ein queerer Science Fiction ?
Ein Avantgarde – Science Fiction in fast Warhol-artigem Stil. Post Punk gemischt mit New Yorks New Wave – Szene der frühen 1980er Jahre. Gedreht überwiegend tatsächlich in Neon-Beleuchtung. Eine Filmmusik, die die Club-Szene und den baldigen ElectroClash beeinflusste. Ein Aufeinandertreffen von Sexualitäten jenseits starrer Geschlechterrollen, Drogenkonsum und Cybertech. Ein ‚science fiction queer movie‚ ?
„Whether or not I like someone doesn’t depend on what kind of genitals they have.” (Margaret zu Paul, der sie fragt ob sie auch mit Frauen Sex habe)
„who we are is a cretive act„
(Anne Carlisle in einem Interview 2017)
Anne Carlisle spielt in beeindruckender Weise in Doppelrolle sowohl das bisexuelle biologisch weibliche Modell Margaret als auch den drogengebrauchenden biologisch männlichen androgynen Jimmy.
Liquid Sky – ein ‚Film vor Aids‘ ?
Orgiastische Sexualität, Drogen und Tod. Ein Film über ‚orgamsms killing people‚ – auch eine Metapher auf die sehr frühen Jahre der Aids-Krise?
Sätze wie „doesn’t that mean orgasms are dangerous“ oder „I’m killing all the people that I fuck“ können – von später, vonn den Aids-Jahren aus betrachtet – auch anders als ’nur‘ queeerer Science Fiction gelesen werden. Der Schluß des Films, wenn nach und nach immer mehr Neon-Lichter verlöschen, wird so auch zu einem Abgesang auf eine Zeit vor Aids.
Slava Tsukerman wurde 1940 in Moskau geboren. Die einzige Filmschule des Landes nahm jährlich nur 15 neue Schüler auf – er war nicht dabei. Stattdessen studierte er Technik, näherte sich dem Film von dieser Seite. Begann mit Wissenschafts-Dokumentationen. 1961 erster Film I Believe in Spring.
1973 emigieren Tsukerman und seine Ehefrau Nina Kerova, ausgebildete Schauspielerin, nach Israel. Mit einem der dort realisierten Dokumentarfilme nimmt er an einem Filmfestival in den USA teil – und entdeckt New York als ‚Zentrum der kulturellen Freiheit‚.
1976 ziehen beide nach New York. Zunächst dreht er zahlreiche Dokumentarfilme, oft über die Zeit des Endes der Sowjetunion.
Anne Carlisle
Anne Carlisle studierte in New York Fine Arts. Bei einem Casting lernte sie Slava Tsukerman kennen.
2017 kommentierte sie Liquid Sky, in dem Film seien viele Personen darmaturgisch verdichtet, so auch ein Bekannter, der sie immer ‚chicken woman‚ nannte. Zu möglichen Bezügen zur baldigen Aids-Krise bemerkte sie „they were dying of Aids, but nobody knew what it was yet.“
Nach Liquid Sky und einigen kleineren rollen machte Carlisle ihren Master in Art Therapy. Sie arbeitete mit Aids-Patienten, später Obdachlosen.
Liquid Sky – Produktionsnotizen
Der Film hatte ein sehr begrenztes Budget von etwa einer halben Million US-Dollar bei 28 Drehtagen. Teile des Films wurden in Tsukermans damaligem Apartment in Manhatten gedreht. Nahezu die Hälfte des Materials wurde unter Neon-Licht gedreht (was sich bei der Restaurierung als Herausforderung erwies).
Anekdote am Rand: während des Putsches im August 1991 soll dem unter Arrest gestellten Gorbatschow und seiner Frau Raisa ein wenig Unterhaltung gestattet worden sein – der Film Liquid Sky.
In New York und anderen Städten der USA lief der Film vier Jahre in einzelnen Kinos. Auch international war der Film ein großer Erfolg, besonders in Japan und West-Deutschland.
Liquid Sky war lange Zeit nahezu nicht zu sehen. Eine VHS, später Laser Disc Version und DVD waren m.W. nur in den USA erschienen und längst vergriffen. Im Streaming ist er nicht verfügbar. Im Kino waren keine Kopien mehr, einzig Tsukermans private Kopie wurde sehr selten in New York gezeigt.
Bis 2018. Der Film erschien im März 2018 in restaurierter Fassung in Kinos (in den USA) sowie im April 2018 als BluRay (USA, Region 0). Dafür wurde der Film nicht nur restauriert, sondern neu abgetastet in 4K – Auflösung vom 35mm-Negativ und farbkorrigiert.
Tsukerman und Carlisle arbeiten zudem an einem Konzept für ein Sequel.
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Liquid Sky
USA 1982, 112 Minuten
Regie Slava Tsuzkerman
Kamera & sepcial effects Yuri Neyman
Buch Slava Tsukerman, Anne Carlisle, Nina V. Kerova
Produktion Nina V. Kerova
Darsteller_innen Anne Carlisle, Paula E. Sheppard, Susan Doukas, Otto von Wernherr, Bob Brad
Musik Slava Tsukerman, Brenda I. Hutchinson, Clive A. Smith
Uraufführung August 1982 Montreal World Film Festival Kinostart USA 15. April 1983 Kinostart West-Deutschland 14. Oktober 1983
1982 Special Jury Price, Montreal World Film Festival
Special Jury Prize for Visual Impact, Cartagena Film Festival
Audience Award, Sydney International Film Festival
Special Prize of the Jury, Brussels International Film Festival
Special Jury Prize, Manila International Film Festival
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