In der kleinen burgundischen Gemeinde Vézelay liegt mit der Basilika Saint Marie Madeleine eine der bedeutenden romanischen Kirchen Frankreichs. Sie ist seit 1979 UNESCO Weltkulturerbe.
Schon von weitem sind sie zu sehen, das Städtchen Vézelay im Morvan und die Basilika Sainte Marie Madeleine. Nach früheren durch Feuer zerstörten Vorgängerbauten wurde die heutige Basilika im Jahr 1185 begonnen.
1995 / 96 erkrankte ich schwer, war mehrere Male im Krankenhaus. In der Mini-Serie „zweimal Rita und zurück“ erzähle ich aus dieser Zeit. Mit Husten fuhren wir nach Mallorca, zurück ich direkt ins Krankenhaus – Teil 2: „Lovely Rita?„ (Übersicht über alle Teile der Mini-Serie siehe Ende des Textes):
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Ich fahre von der Uniklinik nachhause. Merke selbst wieder wie schwer mir selbst dieser kurze Weg fällt. Packe Waschzeug und ein T-Shirt ein, bestelle mir ein Taxi ins Klösterchen.
Von da an geht alles sehr schnell. An der Anmeldung muss mein Name schon bekannt sein, ich solle direkt den Gang bis zum Ende durch, mich dort melden, ich würde direkt untersucht.
Zwei Stunden später liege ich in einem Zweibett-Zimmer auf der zweiten Etage, Station ‚Rita‘. Mit mehreren Schläuchen die mir u.a. Sauerstoff in die Lungen drücken. Verdacht auf PcP, sagte mir der untersuchende Arzt schon nach wenigen Minuten.
‚Rita‘, seltsamer Name für eine Station in einem Krankenhaus, oder? ‚3A‘ oder ‚Wöchnerinnen-Station‘, ja das klingt nach Krankenhaus. Aber ‚Rita‘?
Hier heißen alle Stationen nach irgend welchen Frauen, das sehen Frank und ich bald. Aber warum? „Heilige, was sonst?“, Franks Mutter, die schon einen Tag später aus Hamburg kommt, hat die nahe und uns doch so fern liegende Erklärung. Und hinter der Glastür zur Station finden wir dann auch ein Bild der Heiligen Rita, und eine kurze Erläuterung. Eine die es in sich hat.
Auf Frank aufgestützt, machen wir einen kleinen Spaziergang von ‚meinem‘ Zimmer aus über den Flur der Station. Bis zur Tür ist es endlos weit, nur mit großer Mühe und sehr langsam schaffe ich die 20 Meter. Da hängt sie, die Erklärung. Erwartungsfroh lesen wir, was die ‚Heilige Rita‘ so alles bewirken, für wen sie da sein soll.
Die heilige Rita
Wer also war diese Rita?
Margherita Lotti, so ihr Geburtsname, trat nach unglücklicher Ehe 1407 in das Kloster der Augustinerinnen ein. Sie führte ein Leben „in strengster Entsagung und Buße“ (Heiligenlexikon). Bereits kurz nach ihren Tod sollen sich an ihrem Grab zahlreiche Wunder ereignet haben, bald habe sie als „Helferin in aussichtslosen Nöten“ gegolten. Rita wurde 1627 seelig und 1900 heilig gesprochen.
Auch im Klösterchen informiert eine kurzer Erläuterungstext über die Namenspatronin der Station: Die Heilige Rita werde verehrt als „Heilige des Unmöglichen“ sowie „Helferin in aussichtslosen Anliegen“, informiert ein kurzer Text unter dem Heiligen-Portrait.
Da liege ich nun. Auf Station ‚Rita‘. Und frage mich, was wollen die mir damit sagen? Was schon. Die wollen mir dezent (wirklich dezent?) etwas sagen. Mir deutlich machen, dass meine Situation aussichtslos war? Dass eine Therapie unmöglich ist? Oder vielleicht doch nicht, wenn ich nur der Entsagung und Buße frönen würde?
So war ich also unfreiwillig in der Obhut von Rita, als einer ihrer aussichtslosen Fälle.
Wie man sich da fühlt?
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(Katholischer) Gedenktag der Heiligen Rita ist der 22. Mai.
Die sieben Todsünden sind ein Begriff aus dem Katechismus der katholischen Kirche. Der christliche Mönch und orthodoxe Mystiker Evagrios Ponticus (355 bis 399) formulierte erstmals eine Aufstellung menschlicher Verfehlungen und gilt als Begründer der ‚Achtlasterlehre‘. Unter Papst Gregor I. (ca. 540 bis 604) wurde die Aufstellung überarbeitet, verdichtet und ergänzt – der bis heute verwendete Katalog der ’sieben Todsünden‘ entstand. Seit dem Mittelalter werden den ’sieben Todsünden‘ oftmals die ‚Kardinaltugenden‘ gegenüber gestellt.
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Die sieben Todsünden sind eigentlich – keine Sünden. Sondern schlechte Charaktereigenschaften, aus denen heraus erst die Sünde entsteht.
An Allerheiligen 1991 protestierte ACT UP Paris mit einer Aktion vor und in Notre Dame gegen die Haltung der katholischen Kirche zu Homosexualität und Kondomen.
Sonntag 29. September 1991. In Fulda findet der Abschlussgottesdienst der Herbsttagung der Deutschen Bischöfe (Deutsche Bischofskonferenz) statt. Nahezu die gesamte Spitze der katholischen Kirche in Deutschland ist versammelt. Mitten während des Gottesdienstes erklingen plötzlich statt süßer Orgelklängen schrille Trillerpfeiffen. Transparente mitten im Kirchenraum. Vor dem Altar liegen Aids-Aktivisten auf dem Boden, ein ‚Die-in‘. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda. ACT UP protestiert lautstark und unübersehbar gegen die Haltung der katholischen Kirche zu HIV und Aids, und besonders gegen Äußerungen und Politik des Fuldaer Bischofs Dyba.
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im Zentrum der Kritik: Johannes Dyba, Bischof von Fulda
Johannes Dyba (* 15.9.1929 Berlin, † 23.7.2000 Fulda) war seit 1983 und bis zu seinem Tod 2000 Bischof von Fulda sowie von 1990 bis 2000 Militärbischof der Bundeswehr. Dyba galt selbst innerhalb der katholischen Kirche als Vertreter äußerst konservativer Positionen. Abtreibung bezeichnete er als „Kinderholocaust“. Im September 1993 veranlasste er, das sein Bistum aus der Schwangerschaftskonfliktberatung ausstieg. Als Militärbischof begrüßte er den Golfkrieg, bezeichnete (in anderem Kontext) Militäreinsätze als „gerechten Krieg“ .
Über Homosexualität und Schwule hatte Dyba klare Vorstellungen: „Das sind wie andere eben widernatürliche Anlagen, die kann man nicht ausleben“ [Quelle]. Während der Debatten über das Lebenspartnerschaftsgesetz (von der Rot-Grünen Koalition am 16. Februar 2001 verabschiedet) sprach Dyba 2000 von „homosexueller Liaison“ und „importierten Lustknaben“, die Lebenspartnerschaft Homosexueller sei „ein weiterer fataler Schritt in die Degeneration“.
Johannes Dyba hatte auch in Sachen HIV und Aids klare Positionen: Aids sei eine Folge des „Abfalls von Gott“, der eben „nicht ungestraft“ bleiben könne – Aids als Strafe Gottes, nicht nur damals eine beliebte Kulisse rechtskonservativer Kirchenkreise.
Nach Abschluss der ACT UP Proteste im Dom zu Fulda stellt Johannes Dyba die Demonstranten in den Kontext von Nazi-Tätern: „Im Dritten Reich ist die SA auch schon auf dem Fuldaer Domplatz erschienen, um Gläubige einzuschüchtern. Aber noch nicht einmal im 3. Reich sind die Nazis in den Dom eingefallen.“ [Quelle 1, 2, 3]
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Warum in den Dom? – Die Vorbereitungen
Begonnen hatte alles ganz ‚ordnungsgemäß‘: Die Frankfurter ACT UP Gruppe hatte für die deutschen Gruppen die Aktion in Fulda ganz ordentlich angemeldet, als Demonstration vor dem Dom. Doch Bischof Dyba hatte enge Verbindungen zur Fuldaer Stadtverwaltung – und diese nutze er. Er drängte die Stadtverwaltung, die Demonstration gerichtlich verbieten zu lassen. Blieb ACT UP da anderes, als den Bischöfen im Dom die Meinung zu sagen?
Begonnen hatte die Aktion – noch ein wenig früher. Sie ‚fiel nicht vom Himmel‘. Sondern war vorbereitet, intensiv vorbereitet sogar. In monatelanger Arbeit hatten wir recherchiert, eine umfangreiche Dokumentation (insbes. für die Medien) verfasst, Kontakte gezogen. Und – wir hatten geprobt. Schließlich, wie bekommt man ein riesiges Transparent an einen Kirchenturm? So dass es hängen bleibt, der Wind es weder zerfetzt noch die Sicht beeinträchtigt? Und überhaupt, wie sieht so eine Kirche von innen aus, wie könnten wir uns wo am besten ‚einbringen‘? Ein ganzes Wochenende ‚probten‘ wir verschiedene Szenarien, um in Fulda auf Eventualitäten vorbereitet zu sein.
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ACT UP Proteste im Dom zu Fulda und die Folgen
Die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda und davor war die wohl spektakulärste Aktion der deutschen ACT UP Gruppen: ‚Stoppt die Kirche‘ im September 1991 in Fulda. Und eine der folgenreichsten, zumindest was sowohl mediale Aufmerksamkeit als auch juristische Auseinandersetzungen betrifft: erstmals berichtete die ‚Tagesschau‘ zur prime time um 20:00 Uhr mehrere Minuten über eine Aktion von Aids-Aktivisten und HIV-Positiven, und deren Anliegen. Und Bischof Dyba kassierte eine Anzeige: er beschimpfte die Teilnehmer der Aktion als „Chaoten“, „hergelaufene Schwule“ und „randalierende Aids-Positive“. Die Reaktion: mehrere Strafanzeigen wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Nachdem Dyba teilweise widerruft, werden die Verfahren eingestellt.
siehe hierzu auch Eugen Januschke, Ulrike Klöppel: ACT UP-Kirchenprotest in Deutschland als translokale Aids-aktivistische Praxis. Hamburger Journal für Kulturanthropologie (HJK), (13), 651–660 (online)
Diese kleine Mini-Serie bildet nur meine persönlichen Erinnerungen an meine ACT UP Zeit ab. Ich freue mich sehr über Anmerkungen, Korrekturen, Ergänzungen – ob per Kommentar oder persönlicher Nachricht!
HIV und Ramadan – HIV-positiv, Medikamente, und die Fastenzeit für Muslime, der Ramadan. Verträgt sich das? Und wie regele ich’s am praktischsten? Ratschläge gibt ein (französischsprachiges) Internetportal.
Am Abend des 23. April 2020 beginnt in Deutschland für gläubige Muslime der Ramadan und endet am Abend des 23. Mai.
Ramadan – das bedeutet bis Sonnenuntergang nicht essen, nicht trinken, nicht rauchen. Auch wenn laut Koran kranke Muslime für die Zeit ihrer Krankheit vom Fasten befreit sind, überlegen manche gläubige Muslime im Ramadan zu fasten.
Als ‘Fastenmonat’ kann der Ramadan somit auch für Menschen mit HIV, die muslimischen Glaubens sind, einige Fragen mit sich bringen.
Aids-Medikamente müssen eingenommen werden, vielleicht nicht nur einmal, sondern zweimal täglich – geht das? Und wie? Und was ist mit Medikamenten, die nicht ohne Nahrung eingenommen werden dürfen? Gibt es Konstellationen als HIV-Positive/r, die sich mit dem Ramadan definitiv nicht vertragen? Und was dann?
Das französichen Sida Info Service hat 2011 und 2016 dazu Seiten mit vielen praktischen Tipps verfasst:
Sida Info Service 2011: Séropositif au VIH, puis-je faire le ramadan ? (HIV-positiv – kann ich am Ramadan teilnehmen?; Übers. UW)
Sida Info Service 2016: Quelques règles à respecter pour les musulman-e-s séropositif-ve-s au VIH qui souhaitent faire le ramadan (Einige Regeln für HIV-positive Muslime die am Ramadan teilnehmen möchten; Übers. UW)
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Text mit aktualisiertem Link 20. Februar 2016 von ondamaris auf 2mecs und zuletzt leicht aktualisiert am 29. Mai 2017
Professor Ratzinger, derzeit als Papst Leiter der römisch-katholischen Kirche, hat -während Tausende unter dem Motto ‚Keine Macht den Dogmen‘ demonstrierten– gestern im Deutschen Bundestag eine Rede gehalten. Eine bemerkenswerte Rede.
Einige Gedanken dazu.
Prof. Ratzinger sprach „über die Grundlagen des Rechts“ – „wie erkennt man was recht ist?“
Prof. Ratzinger möchte – kurzgefasst – zurück zum Naturrecht.
Er wendet sich gegen den Positivismus (vereinfacht: als Basis für wissenschaftliche Erkenntnis (und damit für Theorien, Gesetze, Hypothesen) sind nur beweisbare Tatsachen zugelassen), den er mit einem ‚Betonbau ohne Fenster‘ vergleicht.
„Ein positivistischer Naturbegriff, der die Natur rein funktional versteht, so wie die Naturwissenschaft sie erklärt, kann keine Brücke zu Ethos und Recht herstellen, sondern wiederum nur funktionale Antworten hervorrufen.“
Etwas später fragt er
„Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?“
Folgt man seiner Argumentation, dem Gedanken des Naturrechts, so führt dies zurück. Zurück in eine Zeit, in der es eine andere Instanz als die Vernunft gab, die entschied. Denn das Naturrecht steht ja nicht für sich allein. Im Gegenteil, Ratzinger argumentiert implizit pro domo. Naturrecht – was ist das, was ist im Einklang mit dem Naturrecht? Auch dies bedürfte einer Interpretation. Zuständig wäre – selbstverständlich der selbsternannt unfehlbare oberste Strellvertreter der (seiner Meinung nach) Quelle des Naturrechts, des ‚Creator Spiritus‘. Zuständig wäre der Papst und die katholische Kirche mit ihrer Glaubens-Kongregation (früher: Inquisition).
Nein, Herr Ratzinger.
Ich finde die Rede bemerkenswert – weil sie einen entscheidenden Grundkonflikt offen aufzeigt und dazu beiträgt, Klarheit zu schaffen.
Denn Konflikt darum, was oberste Instanz einer demokratischen Gesellschaft ist.
Eine Gesellschaft, in der letztendlich eine höhere Instanz (das Naturrecht, mit dem Papst als seinem vermeintlichen Ober-Interpreratoren des ‚Spiritus Rector‘) sich anmasst, über mich, über uns, über unsere Lebensbedingungen zu entscheiden, eine solche Gesellschaft möchte ich nicht.
Mir ist es wichtig, dass über die Bedingungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens in Freiheit, in je persönlicher Freiheit, entschieden wird, und mit dem Ziel der (individuellen und gesellschaftlichen) Freiheit. Der Freiheit des mündigen Individuums.
Glaube, auch institutionalisiert, mag es in dieser Gesellschaft gerne geben, für diejenigen, denen er wichtig ist. Aber er ist Privatsache.
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Immanuel Kant 1784
Die Die Erde ist der Mittelpunkt der Welt, alle Körper am Himmel drehen sich um die Erde – dieses Weltbild zeigt eindrucksvoll die Armillarsphäre von Santucci, die im Escorial zu sehen ist. Ein geozentrisches Weltbild, das von der katholischen Kirche noch lange verteidigt wurde …
Armillarsphären sind astronomische Geräte, die entweder der Messung von Koordinaten am Himmel oder der Darstellung der Bewegung von Himmelskörpern dienen.
„Eine Armillarsphäre besteht aus mehreren, gegeneinander drehbaren Metallringen, die insgesamt die Form einer Kugel bilden. Dieses Gebilde ist in der Regel in einem Gestell montiert. Der gedachte Beobachter befindet sich im Mittelpunkt der Kugel.“ (wikipedia)
Santuccis Armillarsphähe von 1582, die im Escorial unweit von Madrid zu sehen ist, war Abbild des geozentrischen Weltbilds der damaligen Zeit, demzufolge die Erde im Mittelpunkt des Universums steht, Mond, Sonne und Planeten umkreisen die Erde.
geozentrisches Weltbild
Das geozentrische Weltbild entstand in der griechischen Antike – festgeschrieben für beinahe 1.500 Jahre von Claudius Ptolemäus in seinem Werk „Mathematices syntaxeos biblia XIII“ (deswegen auch ptolemäisches Weltbild). Es wurde bald von der christlichen Kirche übernommen – und gegen jeglichen Versuch der Änderung erbittert verteidigt. Nachhaltige Zweifel am geozentrischen Weltbild entstanden erst in der Renaissance, mit Giordano Bruno und Galileo Galilei sowie teilweise Tycho Brahe.
Antonio Santucci, in Pomarance geborener italienischer Astronom und Wissenschaftler, lehrte ab 1599 an der Universität zu Pisa Mathematik. Zugleich diente er sowohl Ferdinand I. von Medici wie auch dessen erstem Sohn Cosimo de Medici als Astronom und Kartograph. Im Jahr 1582 stellte Santucci die Pracht – Armillarsphäre für Kardinal Ferdinand von Medici fertig. Dieser schenkte sie im selben Jahr Philipp II. von Spanien – seit 1593 wird sie im Escorial aufbewahrt.
heliozentrisches Weltbild
Das dem geozentrischen Weltbild folgende heliozentrische Weltbild (die Planeten bewegen sich um die Sonne) basiert (zumindest in Europa) auf Arbeiten von Kopernikus und Kepler.
Nikolaus Kopernikus (19. Februar 1473 Thorn – 24. Mai 1543 Frauenburg) veröffentlichte kurz vor seinem Tod „De revolutionibus orbium coelestium“ (Über die Umschwünge der himmlischen Kreise), es gilt als „Musterbeispiel für eine wissenschaftliche Umwälzung“ (Thomas S. Kuhn, Wissenschaftsphilosoph, 1922 – 1996). Darin findet sich u.a. der Satz
„So lenkt die Sonne, gleichsam auf königlichem Thron sitzend, in der Tat die sie umkreisende Familie der Gestirne.„
Der Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen (kopernikanischen) Weltbild wird auch als ‚kopernikanische Wende‘ bezeichnet. Das auf Naturbeobachtungen beruhende und mathematisch exakte Modell kann auch als Ausdruck eines beginnenden säkularen Verständnisses der Welt gesehen werden.
Heute gilt auch das heliozentrische Weltbild als veraltet – ersetzt durch das Relativitätsprinzip, als dessen Begründer letztlich wiederum Galileo Galilei gilt.
Das heliozentrische Weltbild galt lange als ‚antireligiös‘; das geozentrische Weltbild wurde von der katholischen Kirche lange verteidigt. Erst 1757 wurde zumindest ein Bann gegen Werke aufgehoben, die ein heliozentrisches (auch: kopernikanisches) Weltbild vertreten. Und erst am 11. September 1822 entschied die Kongregation der Inquisition, dass die Publikation von Werken, die mit dem damaligen (heliozentrischen) Stand der Astronomie überein stimmten, erlaubt sei. Galileo Galilei wurde von der katholischen Kirche am 31. Oktober 1992 formal rehabilitiert – über 380 Jahre nach seiner Entdeckung, dass die Erde nicht der Mittelpunkt aller Himmelsbewegungen ist.
Bei unseren Spaziergängen 2011 durch das frühlingshafte Lübeck kommen wir an der Synagoge vorbei – die gerade offen ist, eine kleine Informations-Veranstaltung beginnt gerade.
Juden leben in der Region Lübeck seit dem 17. Jahrhundert – lange im Dorf Moisling, damals vor den Toren der Stadt. 1812, während der drei Jahre währenden Napoleonischen Phase (und der damit verbundenen erstmaligen Gleichstellung der Juden), entstand erstmals eine Synagoge in Lübeck. Doch nach der Niederlage Napoleons widerrief der Lübecker Senat die Gleichstellung, 1824 wurden die Juden aus Lübeck vertrieben und zogen zurück nach Moisling.
Geschichte der Synagoge in Lübeck
1848, in Folge der März-Revolution, erlangten die Juden wieder das Recht, sich in Lübeck niederzulassen. 1850 wurde eine Synagoge eingeweiht. 1862 erwarb die jüdische Gemeinde Lübeck ein Grundstück an der St. Annen Straße. 1880 wurde die neue Synagoge an der St.-Annen-Straße eingeweiht. Sie ist noch heute Sitz der Synagoge und jüdischen Gemeinde Lübecks.
1938 wurde die Synagoge Lübeck stark verwüstet. Dennoch ist sie die einzige Synagoge in Schleswig Holstein, die die NS-Zeit überstand und heute noch als Synagoge genutzt wird.
Nur sehr wenige Lübecker Juden überlebten den Holocaust. Nach 1945 entwickelte sich zunächst eine bis zu 250 Mitglieder starke neue jüdische Gemeinde, schon Anfang der 1950er Jahre jedoch sank die Mitgliederzahl stark.
Lange hatte die jüdische Gemeinde Hamburg die Verwaltung der Lübecker Synagoge übernommen – zu gering war die Mitgliederzahl der Lübecker Gemeinde. Seit einigen Jahren, die Mitgliederzahl war stetig gestiegen, ist die (orthodoxe) Lübecker jüdische Gemeinde, die seit Kurzem auch ein kleines Museum unterhält, wieder selbständig. Heute wird die Lübecker jüdische Gemeinde überwiegend getragen von Auswanderern aus den Staaten der früheren Sowjetunion.
Von 2014 bis August 2020 wurde die Synagoge Lübeck umfangreich saniert. Seit 1991 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Am 12. August 2021 wurde die Synagoge im Rahmen eines feierlichen Festakts offiziell wiedereröffnet.
Die 1880 eröffnete Synagoge trägt inzwischen den Namen Carlebach Synagoge. Salomon Carlebach (1845 Heidelsheim – 1919 Lübeck) war ein orthodoxer Rabbiner und konservativer Politiker. Seit 4. Juli 1970 war er Rabbiner von Lübeck.
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Brandanschlag 1994
Die Lübecker Synagoge steht auch für ein weiteres Stück sehr traurige und bestürzende deutsche Geschichte: am 24. März 1994 verüben vier Täter einen Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge. Erstmals seit der Pogrom-Nacht 1938 wurde in Deutschland ein Anschlag auf eine Synagoge verübt. Die Täter des rechtsextremistischen Anschlags wurden gefasst und am 13. April 1995 zu zweieinhalb bis viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
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Eines der bekanntesten Mitglieder der jüdischen Gemeinde Lübecks im 19. Jahrhundert war der Apotheker Siegfried Seligman Mühsam. Mühsam, auch Mitglied der Lübecker Bürgerschaft, führte die ‚Apotheke am Lindenplatz‘ – und ist Vater von Erich Mühsam, später als Autor und Anarchist bekannt geworden, der in Lübeck seine Jugendjahre verbrachte.
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