Die Kleinstadt Moulins am Südwest-Rand des Morvan ist eine Stadt der Geschichte, die der Entdeckung lohnt. Einst Residenz der Herzöge von Bourbon, ist sie heute eine Stadt der Kunst und Kultur. Coco Chanel startete hier ihre Karriere …
Am Rand der Kulturregion Morvan liegt nahe Autun, Avallon und Vézélay die Kleinstadt (etwa 20.000 Einwohner_innen) Moulins. Sie liegt auf der Fernverbindung Paris – Lyon – Marseille, die einst (bis zum Bau der Autobahn A6 ab den 1960er Jahren) die Route nationale 7 (besungen u.a. von Charles Trenet) darstellte.
Moulins und die Bourbonen
Bereits 900 wird Moulins erstmals urkundlich erwähnt. Im Jahr 1327 wird sie Hauptstadt des Herzogtums Bourbon. Sie bleibt es bis 1523.
Unter Karl IV. wird 1327 die Herrschaft der Bourbonen im Herzogtum errichtet. Die ersten Herzöge von Bourbon der aus Bourbon-L’Archambault stammenden Familie, Louis I. und sein Nachfolger Pierre I., residierten jedoch kaum in Moulins. Erst unter Louis II. dem Guten wird die Stadt effektiv zur Hauptstadt. Unter ihm und seinen Nachfolgern wird die Stadt herrschaftlich ausgebaut.
Kathedrale von Moulins
Anfang des 15. Jahrhunderts wird statt der zu klein gewordenen romanischen Kirche eine Kathedrale erbaut, Notre Dame de Moulins.
Besonders sehenswert: in der Kathedrale wird in einer Seitenkapelle das Triptychon (ca. 1502) des Meisters von Moulins gezeigt, ein Spitzenwerk der Spätgotik.
Tour Jacquemart
In unmittelbarer Nähe zu Kathedrale und Burg steht die tour Jacquemart, der 30 Meter hohe Uhrturm aus dem Jahr 1445.
Der Wehrturm La Mal Coiffé – Rest des Palais du Bourbon
Die Residenz der Herzöge von Bourbon (Palais du Bourbon) in Moulins ist heute nur noch teilweise erhalten. Nach mehreren Schleifungen ist nur noch einer der ältesten Teile vorhanden, der aus dem 14. Jahrhundert stammende Donjon (Wehr- und Wohnturm), genannt La Mal Coiffé (der schlecht Frisierte).
In der Zeit der NS – Besatzung Frankreichs wurde der Donjon zu einem Gefängnis. Tausende Mitglieder der Résistance sowie Bürger jüdischen Glaubens wurden hier festgehalten und gefoltert. Unter ihnen war auch Maurice Tinland, der Nachfolger von Jean Moulins als Leiter der Resistance und spätere Bürgermeister (1947 – 1959) von Moulins.
Der Turm diente bis 1984 weiterhin als Haftanstalt.
Pavillon Anne de Beaujeu in Moulins
Ein besonderes Beispiel des Ausbaus von Moulins unter den Bourbon ist der Pavillon Anne de Beaujeu, errichtet Ende des 15. Jahrhunderts (1497 bis 1503). Er wurde gebaut für Herzogin Anne de Beuajeu (1461 – 1522, auch Anne de France), Tochter des Königs Ludwig XI. – und war das erste Gebäude Frankreichs, das entsprechend dem Stil der italienischen Renaissance gestaltet wurde.
Der in Moulins geborene Offizier und Wissenschaftler Aimé Laussedat (1819 – 1907) fertigte 1851 topographische Aufnahmen des Pavillon Anne de Beaujeu mithilfe einer von ihm modifizierten camera lucida (chambre claire). Laussedat gilt neben Albrecht Meydenbauer (in Wetzlar) als einer der Begründer der Fotogrammetrie (Lage, Länge, Breite und Tiefe eines Objektes aus Photographien feststellen).
Heute beherbergt das Gebäude das Musée d’Art et d’Archéologie.
Der Tod von Karl III. von Bourbon im Jahr 1527 besiegelt das Ende der Autonomie der Auvergne sowie des Herzogtums Bourbon, das 1531 an die königliche Domäne fällt. Seit 1589 waren die Bourbonen regierende Dynastie Frankreichs.
Moulins – 1940 bis 1942 Grenzpunkt zwischen zwei Frankreich
Moulins lag in der Zeit der Besatzung Frankreichs durch deutsche Truppen auf der französischen Demarkationslinie. Hier verlief die Grenze zwischen dem von NS-Truppen besetzten Frankreich und der ‚zone libre‘ des ‚état francais‘ unter dem rechtsnationalistischen Regime von Pétain.
Der pont Régemortes wurde dabei ein bedeutender Kontrollpunkt, da diese Brücke auf der Route von Vichy (Sitz der Kollaborations-Regierung unter Marschall Pétain) nach Paris liegt.
Bis März 1943 bleibt dieser Kontrollpunkt bestehen. Bereits zuvor, im November 1942, waren die deutschen Truppen in die ‚zone libre‘ eingedrungen.
Ab August 1944 treffen in Moulins deutsche Truppen und Maquisards der Restistance in heftigen Kämpfen auf einander. Erst am 6. September 1944 ziehen die deutschen Truppen ab, die Stadt wird befreit.
Coco Chanel in Moulins
Coco Chanel (geb. Gabriele Chasnel; 19. August 1883 – 10. Januar 1971) verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Moulins. Als Halbwaise in einem Waisenhaus aufgewachsen, kam sie achtzehnjährig als ‚Barmherzigkeitsschülerin‘ hierher in das Pensionat Notre-Dame der Stiftsdamen Saint-Augustin.
Von 1900 bis 1906 lebte sie hier, seit 1902 als Näherin in einem Modegeschäft (Maison Grampayre; nicht mehr existierend). Hier nahm auch ihr Werdegang als Hutmacherin und Designerin ihren Lauf.
Häufig kommt sie auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle am Geschäft Les Palets d’Or vorbei, das für seine Jugendstilfassade bekannt ist (realisiert 1898 von der école des Beaux Arts de Moulins unter Leitung des Malers Louis Galfione.
Hier werden die weit über die Stadt bekannt gewordenen chocolats de ganache fondante (Fondant-Pralinen) von Bernard Sérardy verkauft.
Der wohl wichtigste Ort für die junge Gabriele aber ist das Grand Café (anders als der Name sugggeriert damals eher ein TingelTangel …)´:
Ihren Namen Coco soll sie hier erhalten haben. Sie sang abends bei den Café-Konzerten im Grand Café gerne als pauseuse (Pausenfüllerin zwischen zwei Künstler-Audftritten) das Lied „Qui qu’a vu Coco dans le Trocadéro“. Als Gäste häufig anwesend Offiziere sollen ihr bald den Spitznamen Coco gegeben haben.
Das Grand Café existiert heute noch, wenn auch eher als Brasserie.
Moulins in der Geschichte
1565/66 hält sich Karl IX. in Moulins auf. Der spätere Heinrich III. von Frankreich wird hier zum Herzog von Bourbon ernannt. Das Edikt von Moulins wird erlassen – mit ihm wird das Vermögen des Königs (domaine du roi) für unveräußerlich erklärt. Es wird de facto zum Staatsvermögen, an dem dem König nur noch ein Nutzungsrecht zukommt.
1753 beginnt der Ingenieur der Straßen- und Brückenbauverwaltung Louis de Régemortes mit dem Bau einer Brücke (s.o.) über die Allier. 1762 kann die Brücke eröffnet werden – heute trägt sie seinen Namen. Seit 1946 steht sie auf der Denkmal-Liste.
Am 10. Juni 1793 wird einer der bedeutendsten Girondisten, Jacques Pierre Brissot, in Moulins verhaftet.
1954/55 lehrte der Soziologe Pierre Bourdieu am Lycée in Moulins Philosophie.
Auch (Jules) Maigret, die literatrische Hauptfigur in unzähligen Romanen und erzähklungen des belgischen Schiftstellers Georges Simenon, stammt aus Moulins (bzw. dem nahe gelegenen Schloss Saint-Fiacre, in dessen verwalterhaus er geboren worden sein soll).
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