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Berlin Kulturelles

Gratulation, Komische Oper Berlin

Eine “hippe Adresse” in Berlin wird heute 60 – und mehrfach ausgezeichnet.

An der Ecke ‘Unter den Linden’ und ‘Behrensstraße’ stand seit 1892 ein Theaterbau. Hier spielte zunächst das ‘Theater Unter den Linden’, ab 1898 das ‘Metropol-Theater’, ein weit über die Grenzen Berlins bekanntes Revue- und Operetten-Theater.

Ende 1944 wurde der Theaterbetrieb, der seit 1934 als ‘Staatliches Operettentheater’ und Teil der NS-Organisation ‘Kraft durch Freude’ erfolgte, eingestellt – sinnigerweise nach der Premiere von ‘Wiedersehen macht Freude’.

Im März 1945 wurden große Teile des Theaters durch Bomben zerstört, insbesondere der Zuschauerraum jedoch blieb beinahe unversehrt.
Nach der Befreiung wurde bereits im Februar 1946 mit dem Wiederaufbau begonnen, bis in den Dezember 1947 dauerten die Arbeiten.

Am 23.12.1947 eröffnete die Komische Oper unter Walter Felsenstein mit der Operette “Die Fledermaus” von Johann Strauß. Felsenstein leitete die Komische Oper bis zu seinem Tod 1975.

1956/66 erfolgte eine Neugestaltung der Außenhaut des Gebäudes (Kollektiv Kunz Nierade). 1986 wurde der neobarocke Zuschauerraum des Theaters saniert und unter Denkmalschutz gestellt; 2005/06 das Foyer nach Plänen von Stefan Braunfels umgebaut.

Und im 60. Jahr ihres Bestehens wurde die Komische Oper nun von 50 unabhängigen Musikkritikern zum “Opernhaus des Jahres” gekürt, zusammen mit dem Theater Bremen. Die Komische Oper Berlin sein eine “hippe Adresse für ein frisches Publikum”, heißt es in der Begründung.
Der ehemaliger Generalmusikdirektor der Komischen Oper, Kirill Petrenko, wurde zum “Dirigent des Jahres”. Dritte Trophäe an der Behrensstraße: der Chor der Komische Oper wurde zum “Chor des Jahre” ernannt.

Viel des Lobes für die Komische Oper, herausgetreten aus den langen Schatten ihrer Geschichte, und eine Dame ganz offensichtlich in den besten Jahren.

Der Komischen Oper habe ich einige spannende, anregende und überraschende Vorstellungen zu verdanken – ob ein viel geliebtes Mahagonny, eine Maria aus Buenos Aires, die amüsanten Neujahrskonzerte oder vieles anderes. Inzwischen ist die Komische Oper eines meiner ‘kulturellen Wohnzimmer’ – ein Ort zum Wohlfühlen und Entdecken, und ein Ort, ohne den mir der Zugang zu Oper und E-Musik sicher schwerer gefallen wäre …
Herzlichen Glückwunsch, Komische Oper !

siehe auch:

Lukullus ist tot
Auf nach Mahagonny

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Deutschland

Ein Tag in Lüdenscheid

Haste morgen schon was vor?
Nee, nix Bestimmtes.
Muss morgen nach Lüdenscheid. Will’ste mitkommen?
Oh. Äh. Was? Wo?

Na ja, warum eigentlich nicht. Liegt ja im Sauerland, wird wohl zumindest landschaftlich ganz schön sein.
Also früh morgens auf den Weg gemacht, den Mann begleitend nach Lüdenscheid. Bis Hagen mit dem IC, dort umsteigen. Die Bimmelbahn moderner Bauart schlängelt sich durch das landschaftlich reizvolle Tal der Volme, kämpft sich ab Brügge den Berg hinauf. Rechts und links der Strecke sind die traurig-trostlosen Folgen des weitgehenden Rückzugs der Bahn aus der Fläche zu bestaunen. In Lüdenscheid empfängt uns ein Bahnhof, den ich so höchstens in den Untiefen vorpommerscher Provinznester erwartet hätte.

Lüdenscheid – erste Assoziationen gehen in Richtung Loriot und seines unvergessenen ‘Müller-Lüdenscheid“, in der Wanne streitend mit Herrn Dr. Klöbner, “mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht!”.

Loriot: Müller Lüdenscheid
Loriot: Müller Lüdenscheid

Beide habe ich nicht getroffen, wenn auch einige Knollennasen ihnen recht nahe kamen.

Statt dessen: eine Stadt mit recht ansehnlich herausgeputzter Innenstadt, schönem Altstadt-Viertel und zahlreichen Wunden städtebaulicher Exzesse der Siebziger.

Doch Lüdenscheid hat auch Bedeutendes zu bieten. So meint die Stadt, der wohl größte Autohersteller der Welt zu sein. Alles nur eine Frage des Maßstabs. Denn täglich werden an die 45.000 Siku-Modellautos verkauft – und die kommen aus Lüdenscheid.

Und noch etwas, wo wir schon bei Modellbau sind: die Wilesco-Dampfmaschinen wecken Erinnerungen an die Kindheit (und an einen Film, den mit den drei ‘f’) – und diese Modell-Dampfmaschinen kommen ebenfalls aus … Lüdenscheid.

Einige Jahre früher (von Mitte des 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts) war Lüdenscheid aber auch Hauptstadt der Knopf-Herstellung – ebenfalls eine Errungenschaft, die man ja nun nicht missen möchte …
Und noch ein kleines Detail – exklusiv nur in Lüdenscheid wird seit seiner Stiftung 1951 das Bundesverdienstkreuz hergestellt.

Das alles erfährt man auch bei einem Besuch im erfreulich großzügigen und gut aufbereiteten Stadtmuseum.
Dort findet sich leider auch ein erstaunlicher Kontrast: einerseits in einem eigenen Raum der Versuch, Geschichte und Situation der Stadt in der NS-Zeit darzustellen und ansatzweise aufzuarbeiten.

zerstörte Thora-Rolle, Stadtmuseum Lüdenscheid
zerstörte Thora-Rolle, Stadtmuseum Lüdenscheid

Und andererseits, nur wenige Schritte entfernt, in einem Saal oppulenter Präsentationen städtischer Ordens-Produktionen eine umfassende Sammlung betitelt “Orden in der NS-Zeit”. Einzig teilweise kommentiert durch die Montage auf ein Foto einer kriegszerstörten Stadt.
Orden, die wohl teilweise eher für Untaten als Gute Taten ‘verliehen’ wurden, ausgestellt in einer zeitlichen Kontinuität, präsentiert mit dem Gestus ‘wir haben die Orden ja nur hergestellt – weswegen die verliehen wurden, das ging (und geht?) uns ja nichts an’.

Museale Unschuld, Naivität, die mich erschüttert.

Dabei ist das kleines Städtchen (ca. 80.000 Einwohner) mal ganz seiner Zeit kulturell voraus gewesen – Kurt Weill hatte seit Ende 1919 hier sein erstes Engagement als Kapellmeister am Stadttheater Lüdenscheid, bevor er anschließend 1921 nach Berlin zurück ging und dort später u.a. in der Zusammenarbeit mit Brecht große Erfolge feierte.

Gedenktafel Kurt Weill in Lüdenscheid
Gedenktafel Kurt Weill in Lüdenscheid

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Berlin Kulturelles

Ich schlafe aber mein Herz wacht

Freitag Abend war ich für zweieinhalb Stunden nicht auf diesem Planeten. Sondern im Imperium Messiaen-Symeonidis.

Mit Nick abends ins Eisler, zum Klavierabend. Angekündigt ist Messiaen, von dem ich bisher zwei Stücke im Eisler hörte, mochte.

Wellenflug
Wellenflug

Nur wenige Gäste, obwohl wir (erst mussten wir noch in den Wellenflug auf dem Weihnachtsmarkt) reichlich spät ankommen. Gut dreißig Zuhörer, von denen einige in der Pause gehen.

Ein Komponist, ein Werk. Prodromos Symeonidis spielt auf dem Klavier Olivier Messiaens ‘Vingt regards sur l’Enfant Jesus ‘ (zwanzig Betrachtungen über das Jesus-Kind).

Zunächst bemerke ich bei Nick einige Irritationen, er hatte vermutlich ‘klassischere’ Klaviermusik erwartet. Dann scheint es auch bei ihm zu klicken.
Sitzen nebeneinander.
Augen geschlossen.
Irgendwann ist Pause, gottseidank nur kurz. Weiter.
Mir ist bald, als spiele Symeonidis in meinem Kopf, überall in meinem Kopf. Nein, wenn ich genauer beobachte, da gibt es keinen Kopf, keinen trennenden Schädel drum herum mehr. Meine Wahrnehmung ist überall im Raum, Wahrnehmung und Musik füllen alles aus.
Wie aus einem anderen Universum kehre ich langsam zurück, irgendwann abends kurz vor halb zehn, als der Beifall beginnt.

Prodromos Symeonidis
Prodromos Symeonidis

Manchmal ist Bescherung schon vor dem 24.12. – früher, und völlig unverhofft …

Weitere Informationen über Olivier Messiaen auch auf http://www.oliviermessiaen.org
Informationen zu Prodromos Symeonidis auf http://symeonidis.de/ , u.a. mit MP3-Hörproben, auch von einer Messiaen-Aufnahme.

Nachtrag 17.12. mittags angesichts der Frage eines Lesers, was denn nun der Titel bedeuten solle:
“Je dors, mais mon coeur veille” (Ich schlafe, aber mein Herz wacht) ist für mich die schönste, poetischste der zwanzig Betrachtungen.

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Erinnerungen

Tales of Mystery

Im Zug nach Köln. ‚Tales of Mystery and Imagination’ – nach bestimmt zwanzig Jahren höre ich dieses Album von ‚The Allan Parsons Project’ wieder, und oft in den letzten Tagen. Versinke erneut in dieser Musik meiner Jugend. Stehe wie­der in einer dieser Dorf-Discos, die Rockpalast oder ähnlich hießen. Tanze, wie hypnotisiert, für mich und doch unter Freunden, jeder glück­lich und frei. Die riesige Eiche in der Mitte der Scheune, abwechselnd angestrahlt von blau grün roten Scheinwerfern [ja, war Disco-Licht noch eine einfa­che Sache, nix Lasershow]. The dream is never ending. Wie schön diese Musik wieder zu hören. Wie frappierend immer wieder das Erleben, dass einzelne Gerüche Worte Musikstücke ganze Schwälle von Erinnerungen auslösen können, Bilder die so intensiv so leuchtend vor meinem geistigen Auge stehen, dass ich beinahe glaube in ihnen zu sein, wieder der Ulli von damals, im Rockpalast, tanzend, zu den ‚Tales of Mystery and Imagina­tion’.

Diese sich immer stärker, immer pulsierender aufbauende Spannung, be­gleitet von Regen – Schauer laufen mir den Rücken runter, Spannung steigt immer mehr, beinahe unerträglich werdend, blau grün alles, dann, endlich, Stroboskop, Pulsieren, eine warme Erleichterung in Rot, eine Me­lodie die mich trägt, überströmende Glücksgefühle… könnte euch allen um dern Hals fallen …. (Rise and Fall of the House of Usher – Arrival) Tränen des Glücks stehen mir in den Augen. Endgültiger Klimax und langsame Auflösung in der ‘Pavane’ – komm, jetzt brauch ich ein Ein­becker. If my mind could be set free… Bilder von damals …