Für diese Veranstaltung verfasste ich damals in Abstimmung mit der Politgruppe den folgenden Text für einen ‚Reader‘ (für den ich auch ViSdP zeichnete):
Herbst 1981. Seit 1979 lebte ich in Bremerhaven. Die kurz zuvor gegründete ‚ Schwule Aktion Bremerhaven ‚ tritt erstmals in der Öffentlichkeit auf, auf dem Friedensfest der BIFA (Bremerhavener Initiative für. Frieden und Abrüstung) im ‚Columbus Center‘.
Dafür entstand (jüngst beim ‚Kramen‘ wiedergefunden) „mein erstes Flugblatt„, hier als Dokumentation:
Der Titel des Flugblatts, „Lieber einen warmen Bruder als einen kalten Krieger!„, bezieht sich auf ein Zitat des CSU-Politikers und ehemaligen bayerischen Ministerpräsdidenten Franz Josef Strauss vom 6. März 1970.
„Ich will lieber ein kalter Krieger sein, als ein warmer Bruder“.
(Quelle ‚FJS in Word und Bild‘)
zeitgeschichtliche Einordnung:
Franz Josef Strauss war bei der Bundestagswahl 1980 Kanzler-Kandidat der CDU/CSU. Er unterlag bei der Wahl, gewählt wurde zum Bundeskanzler erneut Helmut Schmidt.
Mitte Dezember 1979 hatte die NATO ihren ‚NATO-Doppelbeschluss‘ verkündet, der u.a. die Stationierung einer neuen Generation von Pershing-II- ‚Marschflugkörpern‘ (Cruise Missiles) in Westeuropa (u.a. auch in der BRD) vorsah. Zu diesem Beschluss trug Helmut Schmidt maßgeblich mit bei. Der Nato-Doppelbeschluss stieß jedoch auf breite Ablehnung (zunehmend auch innerhalb der SPD). Die ‚Friedensbewegung‘ erstarkte. Am 17.9.1982 zerbrach die SPD/FDP-Koalition auf Bundesebene (nicht am Nato-Doppelbeschluss, sondern vornehmlich an Wirtschaftsfragen), am 1. Oktober 1982 wurde Helmuth Kohl (CDU) mit dem ersten erfolgreichen ‚Konstruktiven Misstrauensvotum‘ der BRD-Geschichte zum neuen Bundeskanzler gewählt. Auf dem Kölner Parteitag der SPD 1983 stimmten nur 14 von annähernd 400 Delegierten für den Doppelbeschluss.
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Der Text des damaligen Flugblatts für die Schwule Aktion Bremerhaven vom Herbst 1981 (im Original zweispaltig gesetzt) als Dokumentation (orthographisch leicht korrigiert):
Lieber einen warmen Bruder als einen kalten Krieger!
Eine Schwulengruppe bei der Friedenswoche? Was haben die denn mit Abrüstung, mit Pershing 2 und SS20 zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht wenig. Aber was heißt denn Frieden? Zwei Aspekte sind hier wichtig: zum einen konfliktfreies Zusammenleben verschiedener Staaten bzw. Nationen, zum anderen jedoch auch wirklich demokratische Verhältnisse und die Fähigkeit des gegenseitigen Respektierens, auch von Minderheiten, innerhalb einer Gesellschaft.
Hier und heute ist beides jedoch nicht gegeben. Die Kriegsgefahr ist so groß wie schon lange nicht mehr. Unterdrückung und Intoleranz sind überall zu finden. Die Interessen demokratischer Kräfte werden dauernd mit Füßen getreten und mit Polizeiknüppeln traktiert. Dies betrifft Atomkraftgegner, sowie Frauen die für Gleichberechtigung eintreten, Antifaschisten, usw. Auch und gerade Schwule und Lesben sind hiervon besonders betroffen.
Ein Staat der Kriegsvorbereitungen treibt, bzw. einen Krieg führt, ist gezwungen diese Unterdrückungsmaßnahmenn zu verschärfen damit der Krieg führbar bleibt.
Aber schon heute ist die Unterdrückung von Schwulen und Lesben unerträglich:
da gibt es einen §175 StGB, der „sexuelle Handlungen“ mit minderjährigen Männern mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht. (Einen § dieser Art gibt es für Heterosexuelle nicht. Schläft ein Mann mit einer 16jährigen Frau ist das erlaubt.)
Berufsverbote für homosexuelle Lehrer und Pfarrer sind an der Tagesordnung. (wie Klaus Brinker der als Pfarrer Berufsverbot bekam.)
da erhalten schwule Soldaten der Bundeswehr Beförderungssperre, müssen ihren Dienst also ohne Beförderung bis zum Ende ableisten.
Schwule Frauen und Männer, die im 3. Reich verfolgt und in KZs gesteckt wurden, haben bisher immer noch keine Wiedergutmachung erhalten.
Im Schulunterricht wird Homosexualität immer noch unter Perversion oder Krankheit abgehandelt und nicht als gleichberechtigte Form der Sexualität.
auch in der Presse wird Homosexualität als etwas Perverses dargestellt, und mit Verbrechen in Verbindung gebracht.
In ‚Rosa Listen‘ werden von Polizei und Verfassungsschutz Daten über Homosexuelle gesammelt.
Diese Aufzählung ist sicherlich noch nicht vollständig, zeigt aber doch deutlich, wie es um Homosexuelle gestellt ist: von Gleichberechtigung und Respekt kann hier noch lange nicht die Rede sein! Diesen Zustand wollen wir so nicht mehr länger hinnehmen!
Was verlangen wir?
Die Aufhebung aller oben benannten Mißstände.
Das Recht, genauso frei und ungezwungen leben zu können wie jeder andere Mensch auch. Das Recht auf uns selbst, auf unseren Lebensstil, auf homosexuelles Leben.
Und wir wollen die Angst abbauen, die viele vor ihrem Schwulsein und den Reaktiionen ihrer Umwelt haben.
Eine Möglichkeit dazu und Ansatzpunkt zur Erreichung dieser Ziele soll die SCHWULE AKTION BREMERHAVEN sein.
(handgemaltes Logo der Gruppe)
(mein Name und meine damalige Telefonnumer als Kontakt-Möglichkeit)
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Die Reaktionen waren – bemerkenswert. An unserem Stand im ‚Columbus Center‘ trauten sich nur wenige der uns damals bekannten Schwulen Bremerhavens zu einem offenen Gespräch mit uns, wohl aber einige Vertreter von Jusos, SPD und Friedensgruppen. Unsere Gruppe allerdings wurde bekannt, auch die örtliche Presse wurde auf uns aufmerksam. Ich erhielt zahlreiche, großenteils alberne, teils drohende Anrufe – und einige von Schwulen, die Kontakt suchten. Und an der Hochschule war danach überall bekannt, das ich schwul bin (mit teils ebenfalls bemerkenswerten Folgen). Die ‚Schwule Aktion Bremerhaven‚ wurde langsam größer, bekam Zuwachs …
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Nachtrag:
Der Text dieses ersten ‚Flugi‘ spiegelt (neben anderem) auch meine damalige Lektüre. Die Formulierung des „Recht auf uns selbst“ ist z.B. natürlich keine originäre Ulli-Formulierung. Schon 1908 titelte Kurt Hiller seine Dissertation als „Das Recht über sich selbst“. Rolf Italiaander verfasste 1951 ein Theaterstück unter dem Titel „Das Recht auf sich selbst“.Und die NARGS Nationale Arbeitsgruppe Repression gegen Schwule, mit Blick auf das 1978 stattfindende 3. Russel-Tribunal über Menschenrechtsverletzungen in der BRD 1977 gegründet, brachte (so mich meine Erinneurng nicht täuscht) eine Broschüre unter ähnlichem Titel heraus.
Ludwig Meyer wird 1903 als Sohn einer jüdischen Familie von Vieh- und Fleischhändlern geboren. Zwar soll auch Ludwig den Familenbetrieb der „en-gros-Schlachterei“ fortführen – doch nach der Lehre geht er 1923 für ein Jahr nach Berlin. Erst 1930 kommt er nach Bielefeld zurück, arbeitet nun im Familienbetrieb und wird bald dessen Mitinhaber.
Am 17. Oktober 1936 wird Ludwig Meyer von der Gestapo verhaftet – im Rahmen der ‚Sonderaktion gegen Homosexuelle in Bielefeld‘. Meyer wird wegen Vergehens nach (dem erst kurz zuvor verschärften) Paragraph 175 angeklagt und zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt.
Im Dezember 1937 wird der Familie das Ausüben des Schlachterhandwerks verboten – das Aus für den Betrieb. Ludwig Meyer wird arbeitslos – und ist als Jude auch chancenlos auf dem Arbeitsmarkt in Nazi-Deutschland.
Am 2. Juni 1938 wird Ludwig Meyer in ‚Vorbeugehaft‘ genommen. Im September 1938 wird er nach Buchenwald deportiert. Nach fünf Jahren Aufenthalt im KZ Buchenwald wird er im Mai 1943 in das KZ Auschwitz verlegt, später in das KZ Mauthausen.
Ludwig Meyer überlebt jahrelange KZ-Haft und NS-Verfolgung. Nach der Befreiung von Mauthausen am 8. Mai 1945. Er kehrt kurz darauf, völlig mittellos, in seine Heimatstadt Bielefeld zurück. Im Mai 1946 wird Ludwig Meyer als rassisch Verfolgter anerkannt.
1949 steht Ludwig Meyer erneut vor Gericht – nach dem unverändert in der NS-Fassung weiter gültigen Paragraphen 175. Wegen ‚unzüchtiger Handlungen‘ wird er zu 5 Wochen Gefängnis verurteilt. Die Bielefelder Wiedergutmachungsstelle plant daraufhin, seine Anerkennung als rassisch Verfolgter zu widerrufen, diese habe er aufgrund seiner Homosexualität verwirkt. Die jüdische Kultusgemeinde, in der Meier seit der Befreiung 1945 Mitglied ist, interveniert vergeblich. Sein Verfolgten-Status wird zunächst aberkannt. Meyer gewinnt ein Einspruchs-Verfahren, doch die Stadt Bielefeld legt Widerspruch ein. Als er wegen Betrugs und Bestechlichkeit im Amt zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt wird, verliert er den Status als rassisch Verfolgter. Erst 1956/57 „kamen alle Entschädigungs- und Rentenangelegenheiten zu einem positiven Ausgang“, wie Niko Evers in der taz resümiert.
1953 eröffnet Ludwig Meyer gemeinsam mit seinem Freund Günter Heidemann eine der ersten Schwulenkneipen Hannovers, das ‚Wielandseck‚ in der Glockseestrasse. 1960 gibt er die Kneipe ab, zieht später nach Hamburg.
Im April 1975 meldet die Hamburger Lokalpresse „wieder ein Mord auf St. Pauli: Rentner erschlagen“, das Opfer sei „homosexuell veranlagt“ gewesen. Ludwig Meyer wird Opfer eines Raubmords, sein Leben fand im Alter von 71 Jahren ein gewaltsames Ende.
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Berichtet hat die Geschichte von Ludwig Meyer der Journalist Niko Ewers vom ‚Bielefelder Stadtblatt‘ (einer aus der 1970er Protestbewegung entstandenen alternativen Zeitung, die 2001 nach 25 Jahren in Insolvenz ging) in der taz.
Als Theaterstück umgesetzt wurde das Schicksal Ludwig Meyers in dem Stück „Schlachter-Tango“ (2010; Konzept: Michael Grunert) das 2012 in Bielefeld (mit Förderung durch die hms Hannchen Mehrzweck Stiftung) erneut aufgeführt wurde.
Lesezeichen Niko Ewers: Homosexuell und Jude – Leben und Verfolgung des Bielefelders Ludwig Meyer, dessen Leidensgeschichte nach siebenjähriger KZ-Haft noch nicht zuende war. in: Capri, 13. Jg. 2001 (H. 30), S. 35 – 41 taz 02.09.2000: Nicht verfolgt? Theater-Labor im Tor 6: Schlachter-Tango
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Nachtrag 26.06.2012: Das ‚Wielandseck‘ war Anfang der 1960er Jahre, in Zeiten des ‚Tanzverbots‘ für Schwule in Hamburg (1961 hatte das Verwaltungsgericht Hamburg das vom Ordnungsamt angeordnete Tanzverbot in Lokalen für Homosexuelle bestätigt), auch Zufluchtsort für Hamburger Homosexuelle, wie Mico Kaletta (Besitzer der ältesten Schwulensauna Deutschlands, der Vulkan in Hannover) berichtet (pdf):
„Im Wielandseck hingen Plakate `heute kommt der Bus aus Hamburg. Wir begrüßen die Hamburger, seid alle pünktlich ́. Gegen 20 Uhr kam der Reisebus um die Ecke und die hannoverschen Tunten begrüßten die Hamburger Tunten, sogar mit Rosen. Es wurde getanzt und gefeiert, bis der Bus am nächsten Tag nur noch halbvoll nach Hamburg zurückfuhr.“
Häftlingsart Homo : Die im KZ Neuengamme Inhaftierten wurden größtenteils auf Karteikarten erfasst.
1944 plante die SS, die Ausbeutung der KZ-Häftlinge weiter zu ‚optimieren‘ – durch eine zentrale Erfassung und Auswertungen mittels elektronischer Datenverarbeitung (Hollerith-Karten) sollte z.B. er Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen noch besser an deren berufliche Qualifikation und den Bedarf der NS-Kriegswirtschaft angepasst werden. Hierzu wurden die erforderlichen Daten der Häftlinge in so genannten ‚Vorkarteien‘ erhoben, die später auf Lochkarten übertragen werden sollten.
Aus dem KZ Neuengamme sind über 20.000 dieser Vorkarten erhalten geblieben – und so auch die Schicksale einiger Homosexueller bis heute dokumentiert:
Häftlingsart Homo – Beispiele aus der Vorkartei Neuengamme
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Das Konzentrationslager in Hamburg Neuengamme wurde 1938 als Außenlager des KZ Sachsenhausen (Oranienburg) errichtet. Ab 1940 war es selbständiges Konzentrationslager. Ungefähr 100.000 Menschen wurden hier inhaftiert, mindestens 50.000 von ihnen starben. Ab 20. April 1945 räumte die KZ das Lager (Todesmärsche); am 4. mai 1945 errreichten britische Truppen das geräumte Lager.
Zahlreiche Mitglieder des Personals des KZ Neuengamme wurden juristisch zur Verantwortung gezogen (Curiohaus-Prozesse).
Auf dem Gelände betrieb die Stadt Hamburg ab 1948 ein Männergefängnis. Seit 2005 existiert eine KZ-Gedenkstätte.
Und Stefan Micheler betont (in ‚Der Fall Heinrich Erich Starke ‚):
„Zählt man zu den Denunziationen Dritter jene Anzeigen von Männern hinzu, die von gleichgeschlechtlich orientierten Männern gefragt wurden, ob sie nicht mit ihnen schlafen wollten, und die nicht wirklich als deren ‚Opfer‘ anzusehen sind, scheint fast die Hälfte aller Ermittlungen auf Denunziationen zurückgegangen zu sein.“
Viele Hamburger Homosexuelle wurden nach ihrer Verhaftung in das KZ Neuengamme eingewiesen – auch sie oft aufgrund von Denunziation durch Nachbarn oder Kollegen:
„An die Geheime Staatspolitzei Hamburg Stadthaus Wir machen Sie hiermit, auf das homosexuelle Treiben und das Zusammen-leben mit seinem freunde, wie Mann und Frau, des Herren Ladislaus Kaspersky aufmerksam. Wohnhaft in Hamm Sorbenstr. 14, arbeitet im Kurbad Esplanade. Wie wir erfuhren, wollen beide ins Ausland. Es liegt uns daran, dass selbe aus der Wohung und aus dem haus heraus kommen. einige Anwohner“
Der Brief wurde am 13.10.1937 an die Gestapo Hamburg gesandt
und hatte prompte Folgen: „vorläufige Festnahme am 4.12.37 11 Uhr“ vermerkt lakonisch ein Aufkleber auf dem Schreiben:
Das Emsland, das sich lange Zeit erfolgreich in Verdrängen und Vergessen übte, hat endlich eine offizielle Gedenkstätte für „die Hölle im Moor“ – die ‚Gedenk- und Dokumentationsstätte Esterwegen‘.
Das KZ Esterwegen, schon im Sommer 1933 eingerichtet, war neben dem KZ Börgermoor und dem KZ Neusustrum eines der ersten KZ überhaupt, die die Nazis errichten ließen. Auch Homosexuelle waren Insassen im KZ Esterwegen. Besonders viele Homosexuelle waren im (ebenfalls zu den Emslandlagern gehörenden) Lager V in Neusustrum inhaftiert.
Im August 2008 war ich nach vielen Jahren wieder im Emsland, und ich kann mich gut erinnern – an das Gefühl der Erschütterung, wie mit dem Gedenken an die Emslandlager umgegangen wurde, selbst 2008 noch, über 60 Jahre nach Ende der NS-Herrschaft.
Ja, es hatte sich etwas verändert gegenüber Ende der 1970er / Anfang der 1980er Jahre, als es nahezu nichts gab an Gedenken, außer einer kleinen um Studenten der Oldenburger Universität herum entstandenen Initiative. Aber die Veränderung schien mir nur graduell. Weiterhin Vergessen und Verdrängen.
Börgermoor – das Lager, in dem das „Lied der Moorsoldaten“ entstand, war (und ist, wenn ich Fernsehberichte der letzten Tage sehe, immer noch) ein wilder Platz, eine ehemalige Gärtnerei. An das Lager Börgermoor erinnern einzig eine verschämte kleine Tafel, ein Findling.
In Neusustrum, dem vergessenen Lager der Homosexuellen, sah (und sieht) das Gedenken noch bizarrer aus: ein Fußball-Platz befindet sich (unkommentiert) auf den Gelände der früheren Häftlings-Baracken; an das Lager erinnern eine Tafel und – der Lager-Park, angelegt von den Häftlingen und (zumindest 1998) immer noch mit einem 1934 von der SA errichteten ‚Denkmal‘.
“Ich gehe davon aus (und anders kann es eigentlich nicht sein), dass für eine neue Ausstellung in der Gedenkstätte Esterwegen, die unter Trägerschaft der vom Landkreis Emsland eingerichteten Gedenkstätte Stiftung Esterwegen und in Zusammenarbeit mit uns konzipiert werden soll, Recherchen zu allen in den Emslandlagern inhaftierten Opfergruppen stattfinden und diese Gruppen auch anders als bisher eine breitere Erwähnung/Darstellung finden müssen. Durch mehrere Arbeiten, die Sie auch erwähnen, gibt es hierfür einige Grundlagen. Bisher haben allerdings noch keine Diskussionen über eine Ausstellungskonzeption stattgefunden.”
Dieses Dokumentationszentrum ist nun aufgegangen in der jetzt endlich eingeweihten ‚Gedenk- und Dokumentationsstätte Esterwegen‘.
Und es ist zu hoffen, dass zukünftig an allen ehemaligen Lager-Orten würdige Formen des Gedenkens gefunden werden. Dass Verdrängen und vergessen in der Region endlich ein Ende haben. Und dass an alle Opfer-Gruppen, auch an die Homosexuellen, erinnert wird.
Der so adrett passende kleine tuffige rosa Bagger ist leider weg vom Homo-Mahnmal … aber hinter (Bau-) Gittern ist es immer noch, nach der Sanierung des Wegenetzes …
Tatsächlich – wirklich aufmerksam von der Berliner Senats-Bauverwaltung (oder wer immer auch dafür zuständig ist), für die Sanierung der Wege rund um das Berliner ‚Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen‚ einen kleinen tuffigen rosa (oder ist es lila?) Bagger bereit zu stellen …
Lacanau und Le Porge sind heute gerade auch bei deutschen Touristen beliebte Reiseziele, für einige auch dauerhafter Wohnsitz geworden. Nur wenige jedoch wissen um die Geschichte von Lacanau in der NS Zeit .
Lacanau lag nach der Besetzung Frankreichs durch NS-Truppen in der ‚Zone occupée‘, dem von NS-Truppen besetzten Teil Frankreichs, vom Vichy-Frankreich des Marschall Petain getrennt durch eine Demarkationslinie.
Die Nazi-Führung beschloss, die französische Atlantik-Küste zu sichern – sie befürchtete hier einen Angriff der Alliierten. 1942 erging der Befehl zum Bau der „Festung Europa„, Verteidigungsanlagen, die von Norwegen bis Frankreich reichen sollten. Entlang der Atlantik-Küste, auch in der Region Lacanau, entstanden – errichtet von der ‚Organisation Todt‘ – zahlreiche Bunkeranlagen: der „Atlantik-Wall„. Die Atlantik-Küste selbst wurde durch Minen gesichert, auch vor Lacanau Océan (vom 20.2. bis 3.3.1944 durch den auf der Marinewerft Toulon gebauten Minenleger ‚Rubis‘).
Tag der Befreiung – oder Gedenktag? Der 8. Mai 1945 markiert ein besonderes Ereignis – das in Frankreich und Deutschland immer noch sehr unterschiedlich gewürdigt wird.
8. Mai 1945
Berlin – Karlshorst, 8. Mai 1945. In der Nacht zum 9. Mai unterzeichnen Generalfeldmarschall Keitel, Generaladmiral von Friedeburg und Generaloberst Stumpff im Gebäude des ehemaligen Offizierskasinos der Pionierschule 1 der Wehrmacht (dem heutigen ‘Deutsch-russischen Museum Karlshorst’) die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Damit endet in Europa der Zweite Weltkrieg und in Deutschland kurz darauf die NS-Diktatur.
Bei der Reimser Kapitulation war bereits die erneute Unterzeichnung der Kapitulation auch durch Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht sowie der Oberbefehlshaber von Luftwaffe, Heer und Marine für einen späteren Zeitpunkt verbindlich vereinbart worden.
Der 8. Mai – ein Tag der Befreiung, und doch, mit unterschiedlicher Gedenk-Kultur. In vielen europäischen Staaten ist der 8. Mai Gedenk- und Feiertag, oft als Tag der Befreiung oder V-E-Day (Victoy in Europe). In Frankreich, Tschechien sowie der Slowakei ist der 8. Mai zudem offizieller Feiertag.
Nicht alle Staaten feiern am 8. Mai. In den Niederlanden ist der Bevrijdingsdag bereits am 5. Mai (Tag der Teilkapitulation der deutschen Wehrmacht im Nordwesten).
Russland gedenkt am 9. Mai
Und in Russland wird nicht der 8. Mai, sondern der 9. Mai als offizielles Datum der Kapitulation Nazi-Deutschlands begangen.
Der Grund: die Zeitverschiebung. Die Ratifikationsurkunde wurde in Karlshorst um 23:15 westeuropäischer Zeit unterzeichnet – nach Moskauer Zeit war es da bereits 02:15 Uhr und einen Tag weiter – 9. Mai.
Und Deutschland? Und in Frankreich?
8. Mai in Frankreich – Tag der Befreiung
Geschichte des 8. Mai als Feier- und Gedenktag in Frankreich
Der 8. Mai hat als Gedenk- und Feiertag in Frankreich eine wechselvolle Geschichte:
Bereits seit 1946 ist der 8. Mai in Frankreich ein Tag öffentlicher Feiern.
1975 entscheidet Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing, den 8. Mai nicht mehr als Feiertag zu begehen, und auch nicht mehr (wie bisher) als Tag des Sieges über Nazi-Deutschland zu feiern – auch um die deutsch-französische Freundschaft zu würdigen, und die Europäer anzuregen, über ihre gemeinsame Zukunft nachzudenken.
Seit Amtsantritt von François Mitterrand 1981 ist der 8. Mai in Frankreich arbeitsfrei – und Mitterrand macht ihn wieder zu einem nationalen Feiertag. Allerdings wird nun nicht mehr des Siegs über Nazi-Deutschland gedacht, sondern um Freiheit und Demokratie zu feiern.
An die Verkündung des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 erinnern an vielen Orten Frankreichs Plätze, die nach dem 8. Mai benannt sind, sowie Plaketten mit dem Text der Rede de Gaulles:
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8. Mai in Deutschland – Tag des Gedenkens
Und der 8. Mai in Deutschland?
Geschichte des 8. Mai als Feier- und Gedenktag in Deutschland
Am 8. Mai 1945 unterzeichneten Vertreter der deutschen Regierung in Berlin-Karlshorst gegenüber den Alliierten die Kapitulationsurkunde. Der Tag wurde in großen Teilen der deutschen Gesellschaft lange statt als Tag der Befreiung eher als Tag der Kapitulation oder Niederlage empfunden.
Gedenkkultur an den 8. Mai? Auch die ist in Deutschland nach dem Krieg (mindestens) zweigeteilt:
Die DDR beging seit 1950 den 8. Mai als ‘Tag der Befreiung‘ (bis 1967 auch als gesetzlicher Feiertag).
Die BRD feiert den 8. Mai nicht.
In der Bundesrepublik wurde der 8. Mai lange Jahre als Tag der Kapitulation oder Tag der Niederlage verstanden. Befreiung von Krieg und Diktatur waren in Nachkriegs-Westdeutschland keine prägenden Merkmale des Gedenkens am 8. Mai.
Erst der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker spricht in seiner bewegenden Rede anlässlich des 40. Jahrestags des Kriegsendes 1985 erstmals deutlich vom 8. Mai als “Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus” (und erwähnt in seiner Rede erstmals auch Homosexuelle, bisher ‚vergessene NS-Opfer‘). Doch auch Weizsäcker betonte:
“Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft.”
Es brauchte weitere 15 Jahre, bis der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 8. Mai 2000 feststellte:
“Niemand bestreitet heute mehr ernsthaft, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen ist – der Befreiung von nationalsozialistischer Herrschaft, von Völkermord und dem Grauen des Krieges.”
Ein Feiertag, ein Tag des Feierns der Befreiung von Faschismus und NS-Diktatur, ist der 8. Mai in Deutschland immer noch nicht.
Die große Ausnahme: im Jahr 2020 ist der 8. Mai aus Anlass des 75. Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus ein Feiertag – nur in Berlin, und nur einmalig in diesem Jahr. Dies beschloß das Abgeordnetenhaus von Berlin am 24. Januar 2019. In Brandenburg ist eine ähnliche Initiative in der Diskussion.
Der 8. Mai 2025, Tag an dem sich das Ende des 2. Weltkriegs in Europa zum 80. Mal jährt, soll in Berlin ein Feiertag sein. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den der Senat von Berlin dem Landesparlament im Dezember 2023 vorlegen will.
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„Es gab noch nie einen guten Krieg oder einen schlechten Frieden.” Benjamin Franklin (1706 – 1790)
“Den ungerechtesten Frieden finde ich immer noch besser als den gerechtesten Krieg.” Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v.Chr.)
“Wir, die Bürger der erweiterten Bundesrepublik, können den 8. Mai als ‘Tag der Befreiung’ nur dann aufrichtig zum Ausgangspunkt einer politischen Selbstverständigung machen, wenn wir uns dieser retrospektiven Deutung zu gleich als des Ergebnisses eines Jahrzehnte währenden Lernprozesses vergewissern.” (Jürgen Habermas, Rede zur 50. Wiederkehr des 8. Mai 1945 in der Frankfurter Paulskirche)
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Homosexuelle in Frankreich und Deutschland nach 1945 – Befreiung und Kontuinuität
Für Homosexuelle war der 8. Mai 1945 in Frankreich wie in Deutschland ein Tag der Befreiung – und doch die Zeit danach auch geprägt von bitterer Kontinuität.
Der 8. Mai 1945 steht in Frankreich nicht nur für die Befreiung vom Faschismus.
Ab dem 8. Mai 1945 wurden Tausende Algerier von französischen Soldaten ermordet – das Massaker von Sétif. Ihr ‚Verbrechen‘: sie forderten die Befreiung von der Besatzung (Algeriens durch die Franzosen). Am Tag der Feier der eigenen Befreiung wurde die anderer niedergeschossen …
In Algerien wird des Massakers regelmäßig gedacht – erst 2015 nahm erstmals offiziell ein Staatssekretär Frankreichs (Jean-Marc Todeschine, Staatssekretär für Veteranen) daran teil.
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weitere Informationen: Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst Richard von Weizsäcker: Ansprache zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 8. Mai 1985 in der Gedenkstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages (online u.a. beim DHM) Gerhard Schröder: Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung “Juden in Berlin 1938 – 1945″ im Centrum Judaicum Berlin am 8. Mai 2000 (online) Kapitulations-Urkunde, Karlshorst 8.Mai 1945 (Seite 1, Seite 2) The German Surrender Documents
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