Der französische Philosoph Michel Foucault hielt sich in Hamburg 1959 / 1960 auf und war dort Direktor des Institut francais. Seit 2019 erinnert daran eine Gedenktafel.
Ab Ende September 1959, sein Vater war kurz zuvor (14.9.1959) gestorben, lebte Michel Foucault in Hamburg. Gerade erst 33 Jahre alt, wurde er vom 1. Oktober 1959 bis 30. September 1960 Direktor des im März 1951 gegründeten Institut francais in Hamburg.
Foucault lehrte in dieser Zeit an der Universität Hamburg am Romanischen Seminar und arbeitete an seiner Kant– Übersetzung (‚Anthropologie in pragmatischer Hinsicht‘, später Thèse complémentaire der Promotion und 1964 veröffentlicht). Und er schloß hier seine Doktorarbeit (Thèse principale der Promotion in Philosophie) ab, bald darauf publiziert unter dem Titel ‚Histoire de la Folie‘ (deutsch: Wahnsinn und Gesellschaft; publiziert mit der Vorwort- Datierung ‚Hamburg, 5. Februar 1960‘).
Bereits nach kurzer Zeit verließ Michel Foucault Hamburg wieder – die Universität von Clermont-Ferrand hatte ihm eine Stelle mit Aussicht auf eine Professur angeboten (die er am 1. Oktober 1960 auch antrat) … Foucaults Durchbruch als Philosoph nahm in Frankreich seinen Anfang … und er lernt Daniel Defert kennen, seinen Partner bis zu seinem Lebensende.
Seit 12. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel am Eingang des Institut francais in Hamburg an Foucaults Zeit dort:
Foucault in Hamburg
Foucault brachte bedeutende französische Intellektuelle seiner Zeit am Institut francais nach Hamburg – und trat in zum Teil engen Dialog mit deutschen Intellektuellen und Denkern.
Alain Robbe-Grillet lud er Ende 1959 zu einem Vortrag ein, ebenso den Schriftsteller Pierre Gascard.
Foucault ließ im Juni 1960 das Stück ‚L’ecole des veuves‚ von Jean Cocteau am Institut aufführen.
Foucault selbst hielt im Mai 1960 im Institut eine Vortrag ‚Apollinaire et l’art moderne‚.
Er traf mehrfach den Schriftsteller Rolf Italiaander, der sich auch für die Rechte Homosexueller einsetzte, und dessen Partner Hans-Ludwig Spegg. Gemeinsame ‚St. Pauli Bummel‘ folgten. Italiaander (der Foucault 1959 bei einem Vortrag im Institut kenenn lernte) war damals ‚Ständiger Sekretär‘ der Freien Akademie der Künste‘. Foucault regte Italiaander zu einer Ausstellung über afrikanische Kunst an, zeigte Kupferstiche junger Afrikaner im Institut. Auch nach seiner Zeit in Hamburg hielt Foucault Kontakt mit Rolf Italiaander. „Unsere Begegnung, die erste, stand unter dem Zeichen von H. H. Jahnn.“
„Hamburg sollte stolz sein, daß ein so resoluter Denker wie Foucault hier gewirkt hat.“
Rolf Italiaander, Besinnung auf Werte – Persönlichkeiten in Hamburg nach dem Krieg (Hamburg 1984)
Der deutsch-schweizerische Psychiater, Mediziner und Philosoph Karl Jaspers gilt als bedeutender Vertreter der Existenzphilosophie. Mit allgemeinverständlichen Werken aber auch Aussagen zu aktuellen politischen Fragen hatte er eine breite Wirkung in der Öffentlichkeit.
Karl Theodor Jaspers wurde am 23. Februar 1883 in Oldenburg geboren. Sein Vater war der wohlhabender Bankdirektor und Landtagsabgeordneter Carl Wilhelm Jaspers, seine Mutter Henriette Tantzen, Tochter des oldenburgischen Landtags-Präsidenten Theodor Tantzen d.Ä.
1968 nahm Jaspers, reagierend auf die Ernennung des früheren NSDAP- Mitglieds Kiesinger zum Bundeskanzler wie auch auf die Notstandsgesetze, die Staatsbürgerschaft der Schweiz an.
Karl Jaspers starb am 26. Februar 1969 in Brüssel.
Jaspers vertrat eine Philosophie des Eintretens für die Freiheit.
Er thematisierte immer wieder Grenzsituationen (Schuld, Kampf, Tod, Zufall).
“Grenzsituationen sind Grundsituationen unseres Daseins, über die wir nicht hinaus können, die wir nicht ändern können.”
Karl Jaspers
Grenzsituationen können wir nicht vermeiden – es kommt nach jaspers darauf an, wie wir mit ihnen umgehen.
Jaspers prägte den Begriff der ‚Achsenzeit‚ (8. – 5. Jhdt. v. Chr.).
„Der Augenblick ist die einzige Realität, die Realität überhaupt im seelischen Leben. Der gelebte Augenblick ist das Letzte, Blutwarme, Unmittelbare, Lebendige, das leibhaftig Gegenwärtige, die Totalität des Realen, das allein Konkrete. Statt von der Gegenwart sich in Vergangenheit und Zukunft zu verlieren, findet der Mensch Existenz und Absolutes zuletzt nur im Augenblick. Vergangenheit und Zukunft sind dunkle, ungewisse Abgründe, sind die endlose Zeit, während der Augenblick die Aufhebung der Zeit, die Gegenwart des Ewigen sein kann.“
(Jaspers in Psychologie der Weltanschauungen, 1919)
Jaspers hatte bedeutende Schüler_innen wie Golo Mann (der ihn als ‚Lebenskompass‘ bezeichnete) oder Hannah Arendt (die lebenslange Freundin wurde).
Anders als Heidegger äußerte sich Jaspers auch immer wieder zu aktuellen politischen Fragen.
Jaspers äußerte sich auch zu Fragen der Homosexualität. So unterstützte er die von Magnus Hirschfeld initiierte Petition gegen den Paragraphen 175. In den 1960er Jahren veröffentlichte Jaspers auch im Blatt der Schweizer Homosexuellen-Organisation ‚club68‘ „Zur generellen Strafbarkeit der Homosexualität“[club68, Nr. 3/1969, Seite 4].
„In der Freiheit ist zwar das Verderben groß, das völlige Verderben möglich. Ohne Freiheit aber ist das Verderben gewiß.“
(Jaspers in Kleine Schule des Philosophischen Denkens, 1965)
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Wir sind sterblich, wo wir lieblos sind; unsterblich, wo wir lieben.
Hingabe – sich einem Menschen rückhaltlos hingeben, sich ihm aus eigenem freien Entschlussöffnen und vorbehaltlos zuwenden.
Hingabe ist ein Begriff, der oft Unbehagen auslöst. Assoziationen von Fremdbestimmung, Ausgeliefertsein, Selbstverlust weckt. Der Begriff berührt Hoffnungen, aber auch Ängste und Tabus.
Was bedeutet Hingabe? Und in welcher Beziehung steht sie zu Liebe, zu Sexualität, und zu Freiheit?
Versuch einer Eingrenzung
Hingabe meint sich jemandem zu öffnen und zuzuwenden. Mehr als ’nur‘ Zugewandtheit. Sich einem Menschen hingeben. Sich ihm widmen. Meint Offenheit. Den eigenen Schutzpanzer ablegen. Sie scheint ein wenig jenseits des Verstandes zu liegen. Freiwillige Abgabe von Kontrolle. Freiwillige Nacktheit [vgl. Liebe und Verletzlichkeit].
Hingabe setzt einen Partner voraus. Zu ihr gehört immer auch ein Hinnehmen.
Hingabe meint, dass ich den anderen annehme so wie er ist. Sie macht sich nicht an Äußerlichkeiten fest. Sie hat als Voraussetzung für mein eigenes Hingeben an den anderen, dass ich mich selbst annehme
Hingabe ist ihrem Wesen nach freiwillig. Erfolgt aus eigenem Willen nach eigener überlegte Entscheidung in Freiheit [vgl. Freiheitsbegriff bei Hannah Arendt]. Sie kann dabei auch eigene Befreiung sein
Sie entsteht aus freien Stücken, aus in einem in der Person selbst ruhenden Bedürfnis heraus. Sie muss nicht explizit erfolgen. Auch unausgesprochene Hingabe ist möglich.
Hingabe ist das Gegenteil jener kruderweise auf die Ebene menschliche Begegnung übertragenen neoliberalen Markt-Denkweise, derzufolge ich mich „rar machen“ sollte, damit der andere mich mehr begehrt (wie ein Produkt, dessen Preis mit sinkender Verfügbarkeit steigt). Die Hingabe sagt ’siehe, hier bin ich, mit Haut und Haaren – nimm‘ mich, ich gebe mich dir hin, nimm‘ mich wie du begehrst‘.
Hingabe kann wechselseitig sein. So wie ich mich hingebe, völlig öffne, kann ich auch das sich Hingeben des Partners annehmen.
Hingeben beinhaltet ein Geben und Erfüllen ohne Erwartung, ohne Forderung. Bedeutet Loslassen bzw. Überwinden eigener Ängste, Erwartungen, Begierden. Ohne Erwartung? Vielleicht doch die eine Hoffnung: im sich Hingeben aufgefangen zu werden.
Hingabe Liebe Beziehung
Hingabe hat etwas beidseitiges – sie setzt immer den anderen voraus, der Hingeben annimmt. Sie ist eine mögliche Dimension einer Beziehung zwischen Menschen. Sie setzt emotionale Bindung voraus.
Als Grundlagen hat Hingabe Dankbarkeit und Vertrauen, in den anderen, aber auch in sich selbst.
Hingeben im Kontext von Liebe meint: der Liebende, der sich schenkt.
Hingabe kann ein Schritt sein. Zu mehr Nähe, mehr Intensität, mehr Wahrhaftigkeit. Wie eine Verwandlung.
Hingabe und Dominanz
Hingabe bedeutet nicht die Aufgabe des Selbst. Hingeben ist per se nicht Unterwerfung. Kann aber in Fortführung oder Umdeutung zu deren freiwilliger Form führen. [vgl. hierzu auch ‚Im Reich der Sinne‘, Nagisa Oshima 1976]
Hingabe und Dominanz – in welchem Verhältnis stehen sie? Und wie verträgt sich dies mit dem Ideal einer gleichberechtigten Partnerschaft?
Im Kontext von Dominanz kann ’sich hingeben‘ auch meinen ’sich jemandem ergeben‘. Einvernehmlich Asymetrie statt Gleichberechtigung. Ein Partner ist dominant, ein Partner unterwirft sich, ist devot, submissiv – aus Lust sich hinzugeben. Dem Partner Macht zu geben. Aus Vertrauen. Aus Liebe. Aus Freiheit.
Verletzlichkeit und Stärke
Ein naher und doch ungeliebter Verwandter der Hingabe ist die Verletzlichkeit. Wenn ich Angst habe verletzt zu werden, wird Hingabe schwerer bis unmöglich. Wenn ich mich hingebe, mich schenke, mache ich mich verletzlich. Freiwillige Verletzbarkeit. Vertrauen, in den anderen wie in mich selbst, mindert Angst, macht Angst beherrschbar – oder ganz entbehrlich. Vertrauen ist eine Grundlage von Hingabe. Hingeben ohne begründetes Vertrauen, gar ins völlig Ungewisse wäre wohl nahe an Torheit. Die Hingabe wird möglich im Vertrauen darauf, liebevoll aufgefangen zu werden. Sie findet im Rahmen eines vertrauensvollen „wir“ statt
So wie sie Verletzlichkeit mit sich bringen mag, baut Hingeben gleichzeitig auf Stärke auf. Eigene Stärke als Basis der Hingabe. Selbstablehnung würde die Fähigkeit dazu beinträchtigen. Vertrauen, Erfahrung eigener Möglichkeiten und Stärke machen es umgekehrt leichter, Schutzmechanismen vertrauensvoll abzulegen, Risiken einzugehen, und sich hinzugeben. Das ‚ich‘ überwinden – und dabei ganz selbst sein. Nahe am Wesentlichen
Antagonisten der Hingabe sind zum Beispiel Routine, Langeweile, Desinteresse. Was geschieht wenn Hingabe fehlt, wenn eine Liebesbeziehung ambitionslos wird, wenn Bemühen fehlt und Routine einkehrt, hat Ian Curtis (Joy Division) in ‚Love will tear us apart‚ eindrücklich besungen.
Glück ist Liebe. Nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.
Hermann Hesse, Über die Liebe
Hingabe und Geschlechterrolle
Wie steht es um das Verhältnis – ist Hingabe weiblich? Ist sie unmännlich?
Historisch wurde Hingeben lange als eine weibliche Eigenschaft betrachtet. Besonders deutlich brachte dies Fichte (s.u. Hingabe und Freiheit) zum Ausdruck, der damit vermutlich den gängigen Geschlechterrollen-Verständnis seiner Zeit gerecht wurde.
Die Zuschreibung der weiblichen Rolle an diese Verhaltensweise mag resultieren aus einem dichotomen Verständnis von Penetration als aktiv und passiv sowie dem Reduzieren weiblicher Sexualität auf ein vermeintlich passives Verhalten
Der Mensch, egal welchen biologischen Geschlechts, der sich einem anderen hingibt, kann sich körperlich weitgehend oder völlig passiv verhalten. Er kann aber auch selbst in seiner Hingabe, zu der er sich aktiv entschlossen hat, selbst körperlich aktiv verhalten.
Hingeben ist eine Möglichkeit, wie zwei Menschen mit einander agieren. Hingabe ist nicht weiblich. Sie ist nicht männlich. Sie ist menschlich.
Hingabe und Sexualität
In welchem Verhältnis stehen Sexualität und Hingabe? Sex ohne Hingeben sei ‚reiner Matratzensport‘, sagen die einen. Hingabe, womöglich sich verlieren geht nicht einher mit ‚Sex auf Augenhöhe‘, entgegnen andere.
Sich fallen lassen, den Kopf abschalten, Hemmungen ablegen, Leidenschaft statt Vernunft, ist das allein schon Hingabe (in sexuellem Kontext)?
Oder kommt zumindest das Fokussieren auf den anderen hinzu? Das weitgehende Außerachtlassen eigener Begierden und Gelüste? Die Auflösung der Ich-Bezogenheit zugunsten des ‚du‘ und eines ‚wir‘. Das Ausrichten der eigenen Aufmerksamkeit auf den anderen, seinen Körper, sein Agieren? Ohne Nachdenken, ohne eigene Kontrollinstanzen? Und ohne ‚Gegenleistung‘? Eine auf den anderen gerichtete Selbstvergessenheit?
„Es gibt eine männliche Passivität die so ausgeprägt ist, dass sie sich in … der absolut entspannten Erwartung des Körpers [ausdrückt], seine Rolle zu erfüllen, seinen Sinn, Lust zu geben und zu empfangen.„
Hingabe ist asymetrisch. Ein Mensch gibt sich dem anderen Menschen hin. Wie kann Hingabe, wie kann diese Asymetrie passen in eine Zeit, in der die (auch sexuell) ausgewogene gleichberechtigte, ebenbürtige Beziehung das proklamierte Ideal ist
Ein Widerspruch, der nur vermeintlich existiert. Hingabe findet in einer Konstellation statt, die einvernehmlich ist. Sie findet freiwillig statt. Sie drückt das Verhältnis zweier Menschen aus, sei es im konkreten sexuellen Akt, sei es in ihrer Beziehung mit einander.
Sich hingeben wie auch Hingabe annehmen kann der Ausdruck der Autonomie zweier frei von Fremdbestimmung handelnder Menschen sein.
Sexualität und Hingabe stehen in einem engen Verhältnis. Hingabe ermöglicht die Überwindung von Ich-Bezogenheit. Und kann ein möglicher Ausdruck von Autonomie, der Eigengesetzlichkeit in Freiheit handelnder Menschen sein.
In welchem Verhältnis stehen Hingabe und Freiheit? In keinem guten, denken Philosophen wie Fichte und Immanuel Kant. Der sich hingebende Mensch gebe seine Freiheit auf, denken Fichte wie auch Kant, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten.
Johann Gottlieb Fichte denkt, die Frau werde mit ihrer geschlechtlichen Hingabe Mittel zum Zweck des Mannes. Der Frau sei der Trieb angeboren, durch Hingabe an den Mann ein eigenes natürliches Bedürfnis zu erfüllen. Dem der Mann mit Großmut begegne.
Hingabe sei ein passives Verhalten, betont Immanuel Kant. Genuß, angewiesen auf das Genießbare und damit in einer Abhängigkeit, sei generell ein passives Verhalten. Hingeben sei Passivität. Sei eine Abgabe menschlicher Freiheit.
Der lebenslange Junggeselle Kant ist der Ansicht, der Mensch der sich einseitig einem anderen hingibt, verliere Persönlichkeit und Menschenwürde. Er mache sich selbst [kantianisch ein schweres Vergehen] vom Subjekt zum Objekt. Hingabe widerspricht nach Kant der Menschenwürde.
Anders als Fichte, der den Freiheitsverlust ’nur‘ beim sich hingebenden Menschen (i.e. bei Fichte die Frau) sieht, betont Kant zudem, nicht nur der sich Hingebende, sondern beide Partner verlören ihre Freiheit, ihre Würde. Machten sich zum ‚Genußobjekt‘ für den jeweils anderen. Einzig unter der Bedingung, dass dieser ‚Erwerb als Sache wechselseitig‘ ist, werde ihrer beider Persönlichkeit wieder hergestellt. Nehmen beide Partner wechselseitig die hingebende Rolle ein (die Fichte noch einzig bei der Frau sieht), nur dann könne Hingabe unter Wahrung der Menschenwürde möglich sein.
Kant und Fichte zum Trotz bleibt die Frage ist offen: ist Hingabe in Freiheit möglich?
Einzig und allein durch Hingabe kann man die absolute Wahrheit erkennen.
Buddha, Tibetisches Buch vom Leben und Sterben (Sogyal Rinpoche)
Ja, es kann Hingabe in Freiheit geben.
Und wenn Hingabe mit Kant notwendig Selbstaufgabe, Objekt-Werden bedeuten sollte – ist dann eine Beziehung, in der einer der Liebenden sich dem anderen schenkt, überhaupt als Sich-Begegnen zweier freier Menschen denkbar, möglich?
Ja. Denn Hingabe ist Freiheit – oder: Hingabe kann Freiheit sein.
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„Die große Herausforderung des Lebens liegt letztlich darin, die Grenzen in dir selbst zu überwinden und soweit zu gehen, wie Du Dir niemals hättest träumen lassen.„
(Paul Gauguin, 1848 – 1903)
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Für Jan
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Der französische Soziologe und Linguist Roland Barthes (1915 – 1980) entwickelte die Methoden des Strukturalismus weiter und wurde zum Begründer des Poststrukturalismus. Sein Schwulsein thematisierte er nahezu nie. Roland Barthes und die Homosexualität – ein eigenwilliges Verhältnis, oftmals wenig bedacht.
Sketched portrait of French linguist Roland Barthes – Jahan98 – CC BY-SA 4.0
„Ich bin kein Philosoph. Ich bewege mich vom Gedanken zum Satz und umgekehrt“
Roland Barthes
Roland Barthes wird am 12. November 1915 in Cherbourg geboren. Während des 1. Weltkriegs stirbt sein Vater. 1924 zieht seine Mutter mit Roland nach Paris. Sie leben in St. Germain des Près, Roland besucht das Lycée Montaigne. Die Schulferien verbringt er oft mit Großmutter und Tante in Bayonne. Über diese Zeit verfasst er er später den Text ‚La lumière du sudouest‚ (persee). Im April 1927 kommt sein Halbbruder Michel Salzedo zur Welt. Dessen Vater ist ein Keramik-Künstler aus der Gegend um Bayonne.
Der aus Schottland stammende Johannes Duns Scotus (1266 – 8.11.1308) gilt neben Thomas von Aquin und Albertus Magnus als bedeutendster Theologe und Philosoph des Hochmittelalters (11. – 13. Jhdt.).
Ob Duns eine Herkunftsbezeichnung ist (Duns ist ein Ort im Süden Schottlands), oder ein Familienname, ist unbekannt.
Auch über Duns Scotus‘ Leben ist nicht viel bekannt. Über sein Leben berichtet das Grab des Duns Scotus kurz „Schottland hat mich geboren, England nahm mich auf, Frankreich lehrte mich, und Köln behält mich“ (Inschrift am Fußende des Sarkophags).
Eine der wesentlichen Fragen, mit denen Duns Scotus sich beschäftigte: in welchem Verhältnis stehen der universalistische Anspruch des christlichen Glaubens und das (ebenfalls universalistische) Wissenschaftsdenken der Antike? Können beide unter Wahrung ihrer jeweiligen Eigenheiten mit einander existieren? In welchem Verhältnis stehen Glaube und Vernunft?
Duns Scotus‘ Ergebnis: die Trennung von Vernunft und Glauben. Das Seiende (Ens) ist der einfachste Begriff überhaupt und in allen anderen Begriffen enthalten. Eine Unterscheidung in Kategorien sei nur bei dem endlich Seienden denkbar, Gott hingegen sei das unendlich Seiende. Die Vernunft beschäftige sich mit dem endlich Seienden, der Glaube hingegen mit dem unendlich Seienden. (Univozität des Seienden
Johannes Duns Scotus starb am 8. November 1308 in Köln. Sein Grab befindet sich in der Minoritenkirche in der Kölner Innenstadt.
Am 6. Juli 1991 wurde Johannes Duns Scotus (nach mehreren erfolglosen Anläufen zuvor, und auf massives Drängen des Franziskanerordens) seliggesprochen; in der Minoritenkirche erinnert daran eine Gedenktafel:
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Martin Heidegger, Philosoph (1889 – 1976), habilitierte 1915 bei Finke/Rickert mit der Arbeit „Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus„.
Heidegger befand sich ab 1925 in einer Liebesbeziehung mit Hannah Arendt, die sich ebenfalls mit Duns Scotus beschäftigte, so z.B. „Bei Augustinus und Scotus, aber nicht bei Thomas, ist der Wille das geistige Organ, das diese Individualität verwirklicht; er ist das principium individuationis.“
„Nicht zuletzt deshalb bleibt Duns Scotus in der Geschichte der Philosophie beinahe der einzige, der bereit ist, wirklich den Preis der Freiheit zu zahlen, der Kontingenz heißt. Nur unter den Bedingungen der Kontingenz eröffnet sich die Chance, etwas Neues zu beginnen, das man auch sein lassen könnte, das also keineswegs absolut notwendig in der Wirklichkeit auftauchen muß. Nur unter den Bedingungen der Kontingenz besteht die Willensfreiheit, letztlich auch die politische Freiheit des Individuums.“
In Schifferstadt erinnert eine Gedenktafel an ein letztes Lebenszeichen von Edith Stein am 7. August 1942 – zwei Tage später wurde sie in Auschwitz ermordet.
Die Philosophin (Doktorvater: Edmund Husserl) und Frauenrechtlerin Edith Stein (geb. 12. Oktober 1891 in Breslau) konvertierte 1922 von Judentum zur katholischen Konfession.
Der französische Philosoph Michel Foucault (1926 – 1984) starb 1984 an den Folgen von Aids. Zu Lebzeiten soll Foucault Aids als ‚erfundene Krankheit‘ bezeichnet haben. Seine eigene Infektion und Erkrankung erwähnte er zu Lebzeiten öffentlich nie. Das ‚Schweigen eines Intellektuellen‘ – oder Verbergen aus Scham, wie ein früherer enger Freund und Zeitgenosse meint?
Der französische Philosoph Michel Foucault zählt zu den bedeutendsten Denkern Frankreichs im 20. Jahrhundert. Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er starb am 25. Juni 1984 in Paris. Sein Grab befindet sich in einem kleinen Dorf nördlich von Poitiers.
Paul Michel Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er war das zweite Kind seiner Eltern Paul-André Foucault aus Fontainebleau (1893 – 1959) und Anne-Marie, geb. Malapert, Tochter des örtlichen ChirurgenDr. Prosper Malapert. Michel Foucaults Vater war Chirurg, Professor für Anatomie an der örtlichen Universität und übernahm die Praxis seines Schwiegervaters.
Im Dezember 1955 lernt er Roland Barthes kennen, der Beginn einer lebenslangen Freundschaft – auch wenn er sich gelegentlich als ‚anti – Barthes‘ sah.
Pascal Bruckner, der seine Doktorarbeit bei Barthes machte, erinnerte sich 2017, Foucault habe bei einem gemeinsamen Essen mit Daniel Defertin seiner Wohnung (rue Vaugirard) geäußert, er habe nie diesen Don Juan Mythos verstanden. Er können in einer Disco-Nacht Sex mit zehn Männern haben, ohne daraus einen Mythos zu machen.
Im Oktober 1960 lernt er den frisch zur École normale superieur zugelassenen Daniel Defertkennen. Ab 1963 leben beide in einer engen Partnerschaft.
1968 nimmt er auf Veranlassung von Hélène Cixous an der Gründung der revolutionären Universität von Vincennes teil, leitet den Bereich Philosophie.
Foucault schätzt Schriften und Filme von Pier Paolo Pasolini (1922 – 1975) sehr.
„Der Filmemacher Pasolini beobachtet mit all seinen Ohren“,
angesichts einer Gesellschaft, die im Begriff sei Worte zu finden um sich selbst zu definieren, bemerkt er angesichts des Films Comizi d’amore (in Frankreich gezeigt unter dem Titel Enquête sur la sexualité). Zu Salo merkt er an, er sei erstaunt über die Abwesenheit von Sadismus und von de Sade in dem Film. Es sei nicht möglich, de Sade, diesen akribischen Anatom in präszisen Bildern zu beschreiben. Entweder verschwinde de Sade, ob man mache cinéma de Papa.
1978 nimmt Foucault am Tunix-Kongreß in Berlin teil, ebenso Gilles Deleuze und Felix Guattari.
Eines von Foucaults Hauptwerken ist ‚histoire de la sexualité‚ (Sexualität und Wahrheit), ursprünglich auf sechs Bände angelegt. Drei Bände erschienen zu Lebzeiten, der erste ‚la volonté de savoir‚ (Der Wille zum Wissen) im Dezember 1976. Ein vierter Band erschien posthum 2018.
Der frühere Justizminister Robert Badinter, mit Foucault seit den 1970er Jahren bekannt, bezeichnete Foucaults Vorlesungen am Collège de France 2010 als weitsichtig. Foucault habe hier bereits damals zwei wesentliche Probleme von heute beschrieben, die Verfielfachung von Kontrolle sowie die Sicherheitsverwahrung.
Präsident Valery Giscard d’Estaing lud Foucault zu Beginn seiner Amtszeit zu einem Essen in den Elysée-Palast. Foucault soll geantwortet haben, er käme, sofern er den Präsidenten zur Affäre pull-over rouge (erste unter Giscard verhängte Todesstrafe) befragen dürfe. Giscard verweigerte eine Begnadigung, Foucault kam nicht zum Empfang.
Die Familie, katholisch, gehörte zur gehobene Mittelklasse des bürgerlichen Städtchens mit etwa 80.000 Einwohner. Sie lebte in einem über 400 m² großen Bürgerhaus nahe dem Stadtzentrum in der 10 rue Arthur-Ranc (damals rue de la visitation).
Geburtshaus von / maison natale de / maison de naissance de / birthplace of Michel Foucault in Poitiers
Bis zum Alter von neunzehn Jahren lebte Michel Foucault in Poitiers. Hier besuchte er die Schule, zunächst die Lycée Henri-IV, ab 1940 bis 1945 das Jesuiten-Kolleg Saint- Stanislas.
Zu Poitiers hatte Foucault immer ein zwiespältiges Verhältnis.
Michel Foucault Geburtshaus – inzwischen mit Gedenktafeln
Michel Foucaults Geburtshaus trägt seit Mai 2003 (!, nahezu 20 Jahre nach seinem Tod) eine Erinnerungs-Tafel.
Zuvor wurde in Poitiers lange kaum an ihn gedacht. Bis heute sind in Poitiers kaum Erinnerungen an ihn zu finden. Einzig ein internationales Studentenwohnheim ist nach ihm benannt, sowie eine Straße.
„Maison Natale de Michel Foucault (1926–1984), Historien et Philosophe, Professeur au College de France“
Foucault und Vendeuvre
Michel Foucault verbrachte mit seinen Eltern viele Urlaube auf ihrem – von seinen Großeltern 1875 erbauten – Landsitz ‚Le Piroir‚ in dem Ort Vendeuvre im Poitou.
Hierhin zog sich die Familie auch 1944 bis 1945 zurück, nachdem das Wohnhaus der Familie in Poitiers von den Nazi-Truppen requiriert worden war (sein Vater lehnte die Vichy-Regierung von Pétain ab, engagierte sich jedoch nicht in der Résistance).
Immer wieder kehrte Michel Foucoult später nach Vendeuvre zurück. Das Haus befindet sich inzwischen nicht mehr in Familienbesitz. Eine Straße im Ort ist nach ihm benannt.
Foucaults Tod 1984
Bis April 1984 hielt Fucault noch Vorlesungen am Collège de France. Am 9. Juni 1984 wurde er in Paris mit neurologischen Komplikationen ins Krankenhaus ‚Hôpital de la Pitié Salpétrière‘ eingeliefert und starb dort am 25. Juni 1984 an den Folgen einer opportunistischen Infektion (Aids). Foucaults Umgang mit seiner Aids-Erkrankung ist bis heute umstritten.
Etwa 50 Personen Personen nahmen in der Pitié Salpétrière an einer Trauerfeier und Aussegnung für Michel Foucault teil.Darunter Yves Montand, Simone Signoret, Élisabeth und Robert Badinter, Bernard Kouchner, Pierre Boulez, Claude Mauriac, Thierry Voeltzel, Hervé Guibert, Jean Le Bitoux und natürlich Daniel Defert.
Anschließend wurde er am 29. Juni 1984 in Vendeuvre-du-Poitou auf dem örtlichen Friedhof im privaten Kreis beigesetzt.
Michel Foucault wurde in der Grabstätte seiner Mutter beigesetzt. Die Zeile „Professeur au Collège de France“ auf seinem Grabstein geht auf seine Mutter zurück – zum Entsetzen seines Partners Daniel Defert, wie dieser 2015 berichtete.
Michel Foucault Nachlass
Foucaults Nachlass beschäftigt viele Jahre später die französische Kulturpolitik.
Daniel Defert, damals 75jähriger französischer Soziologe und Aids-Aktivist und sein Lebensgefährte, entschied sich 2012 (auch anlässlich einer bevorstehenden Herz-Operation), sich von einem Teil des Nachlasses des Philosophen zu trennen.
Der über 37.000 Stücke umfassende Michel Foucault Nachlass wurde inzwischen als ‚trésor national‘ (Nationales Erbe‘) eingestuft.
Seit 2015 hat die Bibliothèque nationale de France das Foucault-Archiv Paris für 3,8 Mio. € von Defert übernommen.
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Michel Foucaults Grab – Fotos
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„Je suis un artificier (…). Je ne suis pas pour la destruction mais je suis pour qu’on puisse avancer, pour qu’on puisse faire tomber les murs (…). Je considère mes livres comme des mines, des paquets d’explosifs.“ („Ich bin ein Handwerker. Ich bin nicht für Zerstörung, aber ich bin dafür, dass wir vorwärts schreiten, dass wir die Mauern einreißen können … Meine Bücher betrachte ich als Minen, als Sprengstoff-Pakete.“ [Übersetzung UW]
„Ne me demandez pas qui je suis et ne me dites pas de rester le même : c’est une morale d’état civil ; elle régit nos papiers. Qu’elle nous laisse libre quand il s’agit d’écrire.“ („Fragt mich nicht wer ich bin, und sagt mir nicht ich solle der selbe bleiben: das ist Sache der Behörden, unsere Papiere in Ordnung zu halten. Mögen sie uns davon verschonen, wenn wir schreiben.“ in: L’Archéologie du Savoir, 1969 [Übers. UW])
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Michel Foucault Namen und Steine, Bonn
Stein für Michel Foucault, Namen und Steine – Kaltes Quadrat, Tom Fecht 1993 / Bonn Bundeskunsthalle
Erkenne dich selbst. Gnôthi seautón (Γνῶθι σεαυτόν). Einer der Kern-Gedanken griechischen Denkens.
Zurückgeführt wird ‚gnôthi seautón‚ ( Erkenne dich selbst ) als Urheber auf den griechischen Gott Apollon (Gott der sittlichen Reinheit und Mäßigung). Bekannt geworden durch das Orakel von Delphi (dort stand ‚gnôthi seautón‘ auf einer der Säulen der Vorhalle). Später im Lateinischen übernommen als ‚nosce te ipsum‚.
Erkenne dich selbst – Aufforderung zur Selbsterkenntnis, und doch so viel mehr.
Gedanke, der mich seit frühester Zeit begleitet, zunächst ganz im persönlichen, im Entwicklungs- Sinn (die philosophische(n) Bedeutung(en), Fragen und Chancen noch gar nicht erfassen könnend). Motiv, an das ich mich erinnern kann, seit ich begann, mich als eigenes Wesen wahrzunehmen, nicht nur als ‚Klon meiner Eltern‘.
“ Erkenne dich selbst „. Sei du selbst. Kopiere nicht, eifere nicht nach. Finde heraus, was ‚du selbst sein‘ bedeutet, probiere es, dich, dein Leben aus, deine Möglichkeiten, deine Grenzen. Sei, werde. Werde Mensch.
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„In diesem Spruch ist nicht etwa die Selbsterkenntnis der Partikularität seiner Schwächen und Fehler gemeint, sondern der Mensch überhaupt soll sich selbst erkennen.“ (Hans-Georg Pott, ‚Kurze Geschichte der Europäischen Kultur‘)
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Es gibt (ganz für mich persönlich) Orte, an denen ich Aspekte dieses ‚gnôthi seauthón‘ sehr intensiv erlebe. Wie einst bei der ersten Begegnung mit dem großen steinernen Buddha im Wat Mahathat von Sukhotai. Oder immer wieder am Strand von Lacanau oder Le Porge.
Orte, an denen ich tief zu mir finden kann, zu Momenten großer innerer Ruhe. In denen klar wird, was bedeutend ist in meinem Leben, für mich.
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Delphi liegt am Süd-Fuß des Parnass. Wohnsitz des Apollon wie auch seines ‚Widersachers‘ Dionysos Apollon – Gott des Lichts, der Heilung, der sittlichen Reinheit, der Mäßigung. Und Gott der Weissagung. Ihm ist das Heiligtum von Delphi gewidmet. Dionysos – Sohn des Zeus, Vater des Priapos. Gott der einfachen Leute, des Weines, der Fruchtbarkeit, des Rausches, der Exstase. Hingabe. Im Gefolge des Dionysos oft: Dämonen, die Satyrn (nicht unähnlich den römischen Faunen). Dargestellt (als Fruchtbarkeitssymbole) oft mit übergroßem Phallus (siehe Darstellungen in ‚Das ‚Geheime Kabinett‘ von Neapel‚).
In Dionys und Apoll kehren Seth und Horus wieder. Im alt-ägyptischen Mythos von Seth und Horus steht Seth, symbolisiert durch Hoden, für Gewalt, verbunden mit Sexualität, Zeugungskraft. Ihm gegenüber steht der Lichtgott Horus als Verkörperung des Gesetzes. Seth und Horus sind Gefährten – und geraten in Streit mit einander um den ägyptischen Thron (Osiris-Mythos). Eine versuchte Versöhnung scheitert. Mit allen Mitteln versucht Seth, Horus zu besiegen. Letztlich obsiegt Horus, der Lichtgott.
Bemerkenswert: in der alt-ägyptischen Kultur wird Seth nicht etwa (wie in unserem oft schwarz-weißen, bipolar geprägten Denken zu erwarten) verteufelt und abgelehnt, ausgegrenzt. Vielmehr wird er ambivalent dargestellt, letztlich wird er integriert.
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„Man frage mich nicht, wer ich bin, und man sage mir nicht, ich solle der Gleiche bleiben: das ist eine Moral des Personenstandes; sie beherrscht unsere Papiere. Sie soll uns frei lassen, wenn es sich darum handelt zu schreiben.“ Michel Foucault, Archäologie des Wissens
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Rausch und Wollust. Hingabe. Mäßigung und Reinheit. Gegensätze? Versöhnen? Eine Utopie? Rausch, Sexualität, Lust sind Bestandteile des Menschen. Versöhnbar mit Mäßigung, Schönheit, höherer Wahrheit.
Apollon und Dionysos. Seth und Horus. ‚Gnôthi seautón‘ kann nicht verabsolutiert gelten, immer hat es den Satyr an die Seite gestellt …
Professor Ratzinger, derzeit als Papst Leiter der römisch-katholischen Kirche, hat -während Tausende unter dem Motto ‚Keine Macht den Dogmen‘ demonstrierten– gestern im Deutschen Bundestag eine Rede gehalten. Eine bemerkenswerte Rede.
Einige Gedanken dazu.
Prof. Ratzinger sprach „über die Grundlagen des Rechts“ – „wie erkennt man was recht ist?“
Prof. Ratzinger möchte – kurzgefasst – zurück zum Naturrecht.
Er wendet sich gegen den Positivismus (vereinfacht: als Basis für wissenschaftliche Erkenntnis (und damit für Theorien, Gesetze, Hypothesen) sind nur beweisbare Tatsachen zugelassen), den er mit einem ‚Betonbau ohne Fenster‘ vergleicht.
„Ein positivistischer Naturbegriff, der die Natur rein funktional versteht, so wie die Naturwissenschaft sie erklärt, kann keine Brücke zu Ethos und Recht herstellen, sondern wiederum nur funktionale Antworten hervorrufen.“
Etwas später fragt er
„Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?“
Folgt man seiner Argumentation, dem Gedanken des Naturrechts, so führt dies zurück. Zurück in eine Zeit, in der es eine andere Instanz als die Vernunft gab, die entschied. Denn das Naturrecht steht ja nicht für sich allein. Im Gegenteil, Ratzinger argumentiert implizit pro domo. Naturrecht – was ist das, was ist im Einklang mit dem Naturrecht? Auch dies bedürfte einer Interpretation. Zuständig wäre – selbstverständlich der selbsternannt unfehlbare oberste Strellvertreter der (seiner Meinung nach) Quelle des Naturrechts, des ‚Creator Spiritus‘. Zuständig wäre der Papst und die katholische Kirche mit ihrer Glaubens-Kongregation (früher: Inquisition).
Nein, Herr Ratzinger.
Ich finde die Rede bemerkenswert – weil sie einen entscheidenden Grundkonflikt offen aufzeigt und dazu beiträgt, Klarheit zu schaffen.
Denn Konflikt darum, was oberste Instanz einer demokratischen Gesellschaft ist.
Eine Gesellschaft, in der letztendlich eine höhere Instanz (das Naturrecht, mit dem Papst als seinem vermeintlichen Ober-Interpreratoren des ‚Spiritus Rector‘) sich anmasst, über mich, über uns, über unsere Lebensbedingungen zu entscheiden, eine solche Gesellschaft möchte ich nicht.
Mir ist es wichtig, dass über die Bedingungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens in Freiheit, in je persönlicher Freiheit, entschieden wird, und mit dem Ziel der (individuellen und gesellschaftlichen) Freiheit. Der Freiheit des mündigen Individuums.
Glaube, auch institutionalisiert, mag es in dieser Gesellschaft gerne geben, für diejenigen, denen er wichtig ist. Aber er ist Privatsache.
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Immanuel Kant 1784
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