Zu jung – oder: Die Jugend von heute …
Jugend als Argument – geht das? Als Argument nicht für, sondern gegen? Genauer: ist die Äußerung, jemand sei „zu jung“ tatsächlich ein Argument? Oder nicht viel eher ein Schuss in den Ofen, wenn nicht gar in’s eigene Bein?
Einige persönliche Anmerkungen.
.
Ein Preis wird verliehen. Eine Laudatio wird gehalten. Die Nominierung des Preisträgers gerät schon vorab in die Kritik, heftige Debatten folgen. Nachdem die Entscheidung trotz aller erregten Debatten faktisch steht, wird nun – der Laudator geprügelt. Mit dem ‚qualifizierten Argument‘, er sei zu jung.
Mit 24 Jahren sei man zu jung, eine Laudatio zu halten, wird in öffentlichen Stellungnahmen, in Artikeln vielfach verbreitet, behauptet. Warum? Man sei mit 24 Jahren zu jung, „um die Anfangszeiten des Kampfes gegen Stigmatisierung und Diskriminierung nach Auftreten der ersten Fälle von Aids erlebt zu haben„. Dieser Idee von Kritik nicht genug, wird auch gleich die eigene Teilnahme per offenem Brief abgesagt. Und mit vereinten Kräften (und vereinten medialen Möglichkeiten) das ganze zum „Eklat“ hochstilisiert. Selbstverständlich, ohne das Gespräch zu suchen, dafür aber in breitest möglicher Öffentlichkeit.
.
Mir geht es hier nicht um die Frage, wer 2013 mit der Kompassnadel ausgezeichnet wird (dazu sind zur Genüge spannende Gedanken geäußert worden), oder welche Meinung ich selbst dazu habe. Mir geht es an dieser Stelle darum, wie wir mit einander umgehen.
- Ist „zu jung“ ein valides Argument? Seit wann? Und welchen Inhalts?
Gibt es keine besseren Argumente als das Alter?
Ist das unsere ganz eigene Art der Alters-Diskriminierung?
- Oder geht es eigentlich gar nicht um Laudatio und Laudator, sondern vielmehr eher (weiterhin) um den Laudierten?
Nach dem Motto „wenn schon die Entscheidung, wer den Preis bekommt, unverrückbar feststeht, dann prügeln wir stattdessen auf den Laudator ein„? Werden hier gerade „Stellvertreter-Prügel“ ausgeteilt?
Ich frage mich, müssen wir eigentlich jede/n, der nicht unserer Meinung ist, möglichst gleich mundtot machen? (Denn was ist „zu jung“ anders als ein ‚Totschlag-Argument‚?) Und wenn’s mit Argumenten nicht mehr geht, dann halt diskreditieren?
.
Warum mich das so ärgert?
Nicht wegen des Preises. Das sollen die in NRW unter sich ausmachen – schließlich ist es der Preis eines Netzwerks dieses Bundeslandes.
Sondern weil ich mich frage, wie wir mit jungen Menschen umgehen, die sich engagieren.
- Wollen wir wirklich, dass jüngere Menschen sich engagieren, sich selbst aktiv (und das heißt auch: mit ihrer eigenen Meinung) einbringen?
- Und sind wir dann auch bereit zu akzeptieren, dass sie ihre eigene Meinung haben, ihre eigenen Wege gehen – und das auch äußern?
Auch wenn es unserer Erfahrung und Meinung widerspricht?
- Gewähren wir Rechte, die wir für uns selbst ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen, auch ‚Jüngeren‘?
- Können wir die so oft und gerne geforderte Vielfalt und Diversität selbst auch aushalten und leben?
.
Ist uns eigentlich bewusst, welches Signal wir gerade jüngeren, potentiell sich engagieren wollenden Menschen setzen, wenn wir jeden Versuch eigener Meinung, sofern er hörbar wird, direkt mit welch auch immer (hoffentlich) wohl überlegten Argumenten tot machen?
Ist das unsere Vorstellung von ‚Nachwuchs-Förderung‘?
Sieht so Motivation aus?
Oder schaffen wir es, jungen Menschen Raum und Chance zu geben, sich zu entfalten? Sich auszuprobieren, eigene Wege zu gehen, einschließlich des Risikos sich auch zu verlaufen? (Wer sagt denn, dass wir ‚Alten‘ auf dem richtigen Weg sind?) Geben wir ihnen die Chance eigene Positionen zu finden – auch dann, wenn wir ihre Meinung zunächst nicht teilen?
Ich frage mich, ist es an der Zeit, dass einige ‚ältere Säcke‘ (mich eingeschlossen), die schon seit vielen vielen Jahren dabei sind, die die Aids-Krise von Beginn an mit erlebt haben, sich langsam eher zurück nehmen? Gelegentlich auch einmal bewusst, das Gefühl des vermeintlichen eigenen „Besser-Wissens“ aushaltend, den Mund zu halten? Und Jüngeren den erforderlichen Raum geben?
.
Als die Aids-Krise begann, war ich selbst 23, 24 Jahre alt. Jahre folgten, die mich und meinen Lebensweg sehr beeinflusst, wohl auch geprägt haben. Vielleicht ist es gerade jetzt an der Zeit, dass die heute 24jährigen einen neuen Blick auf manche Dinge werfen. Und auch manchen Ballast über Bord werfen.
.
Jugend, junges Lebensalter ist Chance für eine Stärke. Eine Stärke, Dinge anders sehen zu können als wir Älteren, die schon viele Jahre und Erfahrungen „auf dem Buckel haben“, Erfahrungen die uns manches Mal auch den Blick verstellen, einengen. Jugend beinhaltet die Chance zum frischen, unverbrauchten, ganz eigenen Blick.
Geben wir jungen Menschen mehr Chance. Mehr Freiraum. Halten wir ab und an im richtigen Moment unseren Mund und lassen sie ihren eigenen Weg gehen.
Und benutzen wir nicht ihr junges Lebensalter als Argument. Es ist keines, erst recht keines gegen sie.
Schließlich – es geht nicht nur um unsere Zukunft, die sie (mehr als wir) zukünftig gestalten werden.
Es geht vielmehr noch um ihre eigene Zukunft, die der heute Jungen – und sie haben jedes Recht dazu, diese selbst gestalten zu wollen!
.