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HIV/Aids

NAPWA – Aufstieg und Niedergang einer HIV-Selbsthilfe-Organisation

Die 1983 gegründete US-Positiven-Organisation NAPWA National Association of People With AIDS war einst die bedeutendste Positiven-Selbsthilfe-Organisation der USA. Am 14. Februar 2013 erklärte die NAPWA nach knapp 30 Jahren Bestehen ihre Insolvenz. Die Geschichte einer Selbsthilfe-Organisation und ihres Niedergangs:

Schulden von über 750.000 US-$ – knapp 30 Jahre nach ihrer Gründung in Denver musste die US-Positivenorganisation NAPWA 2013 ihren Bankrott erklären. Die Gruppe habe bereits bei den Behörden die entsprechenden Erklärungen abgegeben und werde liquidiert, erklärte Tyler TerMeer, Leiter des Kuratoriums. Schon seit mehreren Monaten soll die Oerganisation sowohl Löhne und Gehälter als auch Mieten schuldig geblieben sein. Der bisherge Chef Frank Oldham war im November mit Wirkung zum Ende 2012 ausgeschieden.

Wie kam es zur Gründung dieser einst bedeutendsten Selbsthilfe-Organisation von Menschen mit HIV und Aids in den USA, und wie zu ihrem Niedergang und Konkurs?

Gründung der NAPWA 1983

Die NAPWA wurde im Sommer 1983 zur Umsetzung der ‚Denver-Prinzipien‚ gegründet:

Fighting for our Lives„, dieses Transparent trugen einige Männer am 2. Mai 1983 beim ersten ‚Aids Candlelight March‘ in San Francisco. Kurze Zeit später nahmen einige dieses Transparent mit zum zweiten ‚National AIDS Forum‘ in Denver, das dort zeitgleich mit der jährlichen lesbisch-schwulen Gesundheits-Konferenz abgehalten wurde. Ein Dutzend Menschen mit Aids traf sich, entschied das Motto des Transparents zu ihrem Slogan zu machen, und verabschiedete ein Manifest, die ‚Denver Prinzipien‚.

Diese Denver Prinzipien gelten als erstes kraftvolles Statement einer Selbsthilfe-Bewegung von Menschen mit HIV und Aids. Die NAPWA bezeichnete sich selbst als die größte Organisation von Menschen mit HIV in den USA.

National Association of People With AIDS, Logo (NAPWA)
National Association of People With AIDS, Logo (©NAPWA)

In der Präambel der Denver-Prinzipien wurde 1983 formuliert

We condemn attempts to label us as ‘victims,’ a term which implies defeat, and we are only occasionally ‘patients,’ a term which implies passivity, helplessness, and dependence upon the care of others. We are ‘People With AIDS.’”
(„Wir verurteilen alle Versuche, uns als Opfer zu bezeichnen, ein Begriff der Niederlage beinhaltet. Und wir sind nur gelegentlich Patienten, ein Begriff, der Passivität, Hilflosigkeit und Abhängigkeit von der Hilfe anderer beinhaltet. Wir sind ‚Menschen mit AIDS.„)

Kurz nach dem Treffen in Denver gründeten einige schwule und an Aids erkrankte Männer, unter ihnen der Sänger und Aktivist Michael Callen, die National Association of People with AIDS.

Die ‚Denver Prinzipien‘ wurden zu NAPWAs Gründungs-Dokument – und der New Yorker Aktivist Peter Staley bezeichnete NAPWA 2013 als ‚Hüterin der Denver Prinzipien‘,  „die letzte Organisation, die die Flamme der Denver Prinzipien bewahrte„.

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NAPWA – Abstieg einer Selbsthilfe-Organisation

Die NAPWA ist bei US-Aktivisten seit längerer Zeit in der Kritik. 1998 rief die Organisation den ‚National HIV Testing Day‘ (NHTD) ins Leben und konzentriert sich seitdem stark auf HIV-Tests.

Bereits Anfang Dezember 2012 hatte der US-Aids-Aktivist Michael Petrelis spekuliert, ob die Organisatzion „am Zusammenbrechen“ sei. Petrelis bemerkte bereits damals, sie sei de facto keine Community-basierte Organisation mehr. Er kritisierte deren enge Zusammenarbeit mit der US-Gesundheitsbehörde CDC sowie der Pharmaindustrie und ihre starke Fokussierung auf HIV-Tests.  Zudem drohten, so Petrelis, Ermittlungen gegen die Gruppierung wegen steuerlicher Probleme. Petrelis äußerte damals die Hoffnung, ein Zusammenbruch der NAPWA werde Raum eröffnen für eine wirklich von US-Positiven getragene nationale Positiven-Organisation.

Sean Strub, US-Aktivist und Gründer von ‚POZ‘, hatte noch im Oktober angesichts der Ankündigung des Abgangs des bisherigen Chefs von der Chance für einen Neuanfang für die auch von ihm kritisierte Organisation gesprochen. Strub hatte Geschäftsmodell und Leitung der Organisation als „unerfahren oder unzureichend und in einigen Fällen kompromittiert oder mit mangelnder Integrität“ kritisiert. Transparenz habe in den letzten Jahren weitestgehend gefehlt. Schon Tom Kujawski, Vize-Präsident der Organisation von 2004 bis 2010, hatte auf „ein laxes internes Finanzsystem und Kontrollen“ hingewiesen.

Strub wies auch darauf hin, NAPWA habe in den vergangenen Jahren die breite Unterstützung der Community gefehlt, die erforderlich gewesen wäre um ein machtvoller Akteur in der nationalen Aids-Politik zu sein. Die veränderten Realitäten erforderten auch eine Neu-Justierung bei den Positiven-Organisationen.

NAPWA – Niedergang, eine Analyse

Ende 2014 erhielt der US-Aktivist Michael Petrelis auf Basis einer ‚Freedom of Information‘-Anfrage von den CDC den 516-seitigen Untersuchungsbericht über NAPWA, den er auf seiner Internetseite öffentlich machte und gemeinsam mit dem Journalisten Duncan Osborne analysierte.

Die Hälfte der Finanzmittel seien 2008 Bundesmittel gewesen, diese hohe Abhängigkeit habe die Organisation anfällig bei Kürzungen gemacht – die ab 2009 deutlich erfolgten. Bereits 2009 sei die Organisation in Schwierigkeiten gewesen, eine Kürzung des Budgets um 300.000 US-$ sei damals beschlossen worden. Bereits 2010 habe sie umfangreich Schulden refinanzieren müssen.

Zudem äußerte Petrelis sich kritisch zur Verschiebung der Schwerpunkte von NAPWA, insbesondere in Richtung Prävention. Sei es darum gegangen, „die Präventions-Dollars der CDC weiterhin fliessen zu lassen„?

Zudem verwies er darauf, dass sie in den letzten Jahren des Bestehens Mittel vom Hersteller eines HIV-Schnelltests erhalten habe – um in einer gemeinsamen Kampagne das Testen auf HIV zu propagieren.

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Im Mai 2013 gründete sich in Washington eine neue Organisation mit dem Ziel, USA-weit für die Interessen der Communities von HIV-Positiven einzutreten. Pozitively Healthy ist Teil der Aids-Organisation HealthHIV. Aids-Aktivisten wie Michael Petrelis mahnten angesichts personeller Nähe zur früheren NAPWA zur Vorsicht.

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Sean Strub 11.10.2012: NAPWA at a Crossroads: What’s Next?
Michael Petrelis 02.12.2012: NAPWA Collapsing? – People With AIDS Need New Group
NAPWA 14.02.2013: NAPWA Announces Suspension of Operations and Bankruptcy Filing
Washington Blade 15.02.2013: AIDS group NAPWA declares bankruptcy
poz 21.02.2013: Thoughts on the Ende of NAPWA
John-Manuel Andriote / poz 21.02.2013: NAPWA’s Closure Leaves Many Questions
Michael Petrelis 18.11.2014: CDC’sNAPWA Audit Released; Ex-ED’s New Job at the NMA
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Der Text ist ursprünglich erschienen als Meldung der Deutschen Aids-Hilfe am 20.2.2013: USA: Nationale HIV-Positiven-Organisation bankrott. Nach Erscheinen dort wurde er hier deutlich überarbeitet, ergänzt und aktualisiert.

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Erinnerungen Hamburg HIV/Aids

ACT UP Aids Kongress Hamburg 1990: ‘Nicht über uns, mit uns’ – HIV-Positive und Aids-Kranke verschaffen sich Zutritt

Aktion ACT UP Aids Kongress Hamburg 1990 wird zum Meilenstein der Positivenbeteiligung an Aids-Kongressen – was heute Normalität ist, war 1990 für manche ein Skandal (siehe auch Artikel 2mecs 17.01.2013: Positiven-Beteiligung an Aids-Kongressen – vor 20 Jahren ein Skandal, heute Normalität ).

ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker

1990: ‚Nicht über uns, mit uns‘ – 3. Deutscher Aids Kongress Hamburg 1990: HIV-Positive und Aids-Kranke verschaffen sich Zutritt

Vom 24. bis 27. November 1990 fand in Hamburg der 3. Deutsche Aids-Kongress statt. Es waren die Früh-Jahre der Aids-Krise, auch die Anfänge der Konferenzen zu HIV und Aids. Ich kann mich gut an die Zeit damals erinnern: es wurde im Medizinsystem zwar viel über uns gesprochen, aber nur selten mit uns.

Doch wir wollten mitsprechen – Teilnehmer, nicht nur ‚Gegenstand‘ sein. Vom Objekt zum Subjekt werden. Nicht über uns – mit uns! Die Aktionen wurden zu einem Meilenstein des Aids-Aktivismus:

'Gegen eine AIDS-Politik der LEHRen Taschen - ACT UP Proteste gegen die Aidspolitik der damaligen Bundesgesundheitsministerin Lehr (Foto © Florian Wüst, 1990 )
‚Gegen eine AIDS-Politik der LEHRen Taschen – ACT UP Proteste gegen die Aidspolitik der damaligen Bundesgesundheitsministerin Lehr (Foto © Florian Wüst, 1990 )

Einen guten Anlass bot der 3. Deutsche Aids Kongress in Hamburg 1990. Wir (d.i. insbesondere Mitglieder verschiedener ACT UP – Gruppen sowie Vertreter der Aids-Hilfe Hamburg) bemühten uns, Zugang zum Kongress zu erhalten, suchten den Dialog mit dem damaligen Kongress-Präsidenten.

Professor Manfred Dietrich, damals Vorsitzender der Deutschen Aids-Gesellschaft DAIG und in dieser Funktion Kongress-Präsident (und 2002 in den Ruhestand verabschiedet, späterer Honorarkonsul der Republik Uganda), reagierte kühl und abweisend. „Dies ist ein Kongress für Experten“ und „dies ist ein wissenschaftlicher Kongress„. Das waren stereotyp immer wieder Antworten die wir zu hören bekamen, wenn es um die Möglichkeit der Teilnahme für HIV-Positive und Vertreter aus dem Aidshilfe-Bereich ging. Der Arzt, der seit 1983 am Hamburger Tropen-Institut HIV-Positive behandelte, grenzte diese von einem Kongress, bei dem es um eben sie ging, schlicht aus.

Doch dieses mal nahmen wir diese Ausgrenzung nicht mehr hin. Schließlich waren wir es, die mit HIV infiziert waren, die an Aids erkrankten, die keine Medikamente hatten, die Angst hatten zu sterben, die ihre Freunde und Lover sterben sahen. Wir wollten endlich mitreden.

Wir (insbesondere ACT UP Hamburg, Ernst Meibeck und Klaus Knust sind mir auch hier in besonderer Erinnerung) besorgten Krankenhaus-Betten sowie ‚medizinisch‘ aussehende Kleidung (Kittel etc.). Und am Tag der Kongresseröffnung standen wir plötzlich und unangekündigt vor dem Eingang des Hamburger Kongresszentrums CCH. Die überrumpelten Einlass-Kontrollen ließen uns verdutzt passieren – wir waren drin, einige Medien-Vertreter mit uns im Schlepptau.

Schnell war nicht nur die ‚Krankenhaus-Betten-Installation‘ vor dem Eingang des Kongresses aufgebaut, mit der wir auf die schwierige Situation bei der Pflege Aids-Kranker aufmerksam machen wollten. Ein Krankenbett schaffte es auch in den Kongress, darin ACT UP Aktivisten, als ‚Aids-Kranke‘ geschminkt und mit Infusionsschläuchen ‚verkabelt‘, anklagend stand nahe der Teilnehmer-Registrierung. Im Konferenzgebäude war ein improvisierter Stand von ACT UP, mit vorbereiteten Info-Tafeln, die neben dem Pflege- und Versorgungsnotstand u.a. den damaligen ‚Marlboro-Boykott‘ thematisierten, mit einer Geldsack-Aktion (siehe Fotos unten) die Preispolitik bei AZT angriffen, oder von uns als verharmlosend empfundene Aids-Kampagnen kritisierten.

Wir sind nicht das Problem, wir sind Teil der Lösung“, war unsere Maxime. Zwar nahmen wir noch nicht aktiv an den Veranstaltungen und Diskussionen teil, erst recht nicht an der Planung des Kongress-Programms – aber der erste Schritt war demonstrativ getan, wir waren ‚drin‘.

In der Nullnummer der bundesweiten Positivenzeitung ‚Virulent‚ (Februar 1991) berichtet Michael Fischer †, Partner von Andreas Salmen:

So genügte es auch den Veranstaltern des 3. AIDS-Kongresses in Hamburg im November vergangenen Jahres, in ihrer Einladung „auf die Nöte infizierter Menschen und ihrer Umgebung“ hinzuweisen. Auf die Idee, Positive oder Vertreter ihrer Organisationen aktiv am Kongress zu beteiligen, kam den Verantwortlichen [sic] mit ganz wenigen Ausnahmen nicht – wozu auch, wahrscheinlich hätten sie nur gestört.
Das haben sie denn auch wirklich. Vertreter aller zur Zeit in Deutschland existierenden ACT UP – Gruppen aus Berlin, Bonn, Hamburg, Köln und München organisierten während der gesamten Kongressdauer einen Stand und versuchten mit einigen „direkten Aktionen“ Kritik zu üben. …
Der spektakuläre Höhepunkt fand am Montagmorgen statt, als sich die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Lehr anschickte, eine Rede zu halten. Ungefähr zwanzig ACT UP – Aktivisten stürmten mit Trillerpfeiffen und Transparenten das Podium und erzwangen so eine kurze Rede, in der die AIDS-Politik der Bundesregierung kritisiert wurde. …
Auf einem sonst eher langweiligen Kongreß ist es so den Mitgliedern von ACT UP gelungen, berechtigte Forderungen von Positiven vorzutragen und ihnen auf diesem Weg Öffentlichkeit zu sichern. Denn, so lautet das Motto der Gruppe: SCHWEIGEN = TOD.“

Mehr zu den ACT UP – Aktionen beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in dem Buch Schweigen = Tod, Aktion = Leben – ACT UP in Deutschland 1989 bis 1993

Fotos der ACT UP Aktionen beim 3. Deutscher Aids-Kongress Hamburg 1990

ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP Proteste 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP  protestiert gegen Pflegenotstand, 1990 Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
Protest gegen Pflegenotstand,  1990 Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg, Bildmitte Andreas Salmen (neben mir) © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
ACT UP beim 3. Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg © Foto U.K. Bäcker
Stand von ACT UP, rechts Andreas Salmen (Foto © Florian Wüst, 1990 )
Stand von ACT UP, rechts Andreas Salmen (Foto © Florian Wüst, 1990 )
 Stand von ACT UP beim Aids-Kongress 1990 in Hamburg (Foto © Florian Wüst, 1990 )
Stand von ACT UP beim Aids-Kongress 1990 in Hamburg (Foto © Florian Wüst, 1990 )
Geldsack-Aktion gegen die AZT Preispolitik. ACT UP 1990 in Hamburg (Foto © Florian Wüst, 1990 )
Geldsack-Aktion gegen die AZT Preispolitik. ACT UP 1990 in Hamburg (Foto © Florian Wüst, 1990 )
'Gegen eine AIDS-Politik der LEHRen Taschen - ACT UP Proteste gegen die Aidspolitik der damaligen Bundesgesundheitsministerin Lehr (Foto © Florian Wüst, 1990 )
‚Gegen eine AIDS-Politik der LEHRen Taschen – ACT UP Proteste gegen die Aidspolitik der damaligen Bundesgesundheitsministerin Lehr (Foto © Florian Wüst, 1990 )
Foto © Florian Wüst, 1990
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Erinnerungen HIV/Aids

Community Beteiligung an Aids-Kongressen – 1990 noch Skandal, heute Normalität

Community Beteiligung – HIV-Positive nehmen am Aids-Kongress teil, diese Nachricht wäre heute kaum noch eine. Die Teilnahme HIV-Positiver an Aids-Kongressen, und zwar nicht ’nur‘ als Teilnehmer, sondern auch in der Planung und Vorbereitung, ist inzwischen selbstverständlich. Doch was heute Normalität ist, war vor wenig mehr als 25 Jahren noch Skandal.

Community Beteiligung an Aids-Kongressen – 1990 noch Skandal, heute Normalität

Die Community Beteiligung an Aids-Kongressen in Deutschland hat eine längere und wechselvolle Geschichte. Sie beginnt 1990:

3. Deutscher Aids-Kongress Hamburg 1990

Am 24. November 1990 begann in Hamburg der 3. Deutsche Aids-Kongress. Es waren die Früh-Jahre von Aids, von Konferenzen zu HIV und Aids. HIV-Positive und Aids-Kranke auch nur als Teilnehmer zuzulassen, dies schien den meisten Ärzten ein absurder Gedanke.

„Dies ist ein Kongress für Experten“ und „dies ist ein wissenschaftlicher Kongress“, das waren stereotyp immer wieder Antworten, die wir zu hören bekamen auf unser Begehren, auch nur als Teilnehmer zugelassen zu werden.

Doch dieses mal nahmen wir diese Ausgrenzung nicht mehr hin. Wir verschafften uns im Rahmen einer ACT UP – Aktion Zugang: wir waren drin, erstmals nahmen HIV-Positive und Aids-Kranke an einem Aids-Kongress in Deutschland teil.

Ein Bericht darüber in den getrennten Artikeln: 2mecs 17.01.2013: 1990: ‚Nicht über uns, mit uns‘ – HIV-Positive und Aids-Kranke verschaffen sich Zutritt zum 3. Deutscher Aids-Kongress Hamburg 1990 und 2mecs 21.01.2013: „Fotos: ACT UP Aktion beim Deutscher Aids-Kongress Hamburg 1990“.

In den Folgejahren erhielten HIV-Positive die Möglichkeit, an Deutschen Aids-Kongressen teilzunehmen. Doch was wurde dort vorgestellt, beraten, präsentiert – und wie wirkten wir daran mit?

4. Deutscher Aids-Kongress Wiesbaden 1992

Vom 25. bis 28. März 1992 fand in Wiesbaden der 4. Deutsche Aids-Kongress statt. Noch immer gab es kaum Medikamente (mit ddI war kurz zuvor nach AZT und ddC erst das dritte Medikament in den USA zugelasen worden). Studien dauerten, der bisherige Fortschritt erschien zäh und zu langsam, die bisherigen Medikamente hatten enorme Nebenwirkungen und wirken nicht lange.

Wir wollten nicht weiter „zusehen“, wollten „rein“ – nicht nur rein in den Kongress, sondern auch rein in Plaung und Vorbereitung, in HIV-Studien und Aids-Forschung. Forderten ‚echte‘ Community Beteiligung. ACT UP protestierte erneut, dieses mal während einer Plenar-Veranstaltung vor allen Teilnehmern während der Eröffnung des Kongresses: ACT UP Deutscher Aids-Kongress Wiesbaden 1992.

Am 1.12.1994 verabschiedeten die Staats- und Regierungs-Chefs von 42 Staaten eine Erklärung zu HIV / Aids, die ‚Paris Declaration‘. Sie gilt als das zentrale Grundlagen-Dokument der Community Beteiligung, zur Beteiligung von HIV-Positiven an sie betreffenden Entscheidungen (GIPA – greater involvement of people with HIV / Aids).

1998 wurde die Community Beteiligung in Aids-Kongressen international erstmals konsequent umgesetzt, bei der Welt-Aids-Konferenz in Genf. Der Ort prägte auch den Namen – fortan sprach man vom ‚Genfer Prinzip‚.

7. Deutscher Aids-Kongress Essen 1999

Bei deutschsprachigen Aids-Kongressen wurde das Genfer Prinzip erstmals 1999 umgesetzt, beim 7. Deutschen Aids-Kongress, der vom 2. bis 6. Juni 1999 in Essen stattfand (Präsident Prof. Norbert Brockmeyer).

Zum ersten mal waren HIV-Positive und Community-Vertreter nicht nur als Teilnehmer/innen im Kongress, sondern von Beginn an bei Planung und Organisation beteiligt, und zwar auf allen Ebenen des Kongresses – vom eigenen Community Board bis zu Community-Vertretern im Steering Committee des Kongresses (bei beidem war ich auch selbst aktiv, sowohl im Community Board wie auch als Community-Vertreter im Steering Committee). Das ‚Essener Prinzip‘ war geboren.

Dieses ‚Essener Prinzip‘ wurde unverändert auch beim folgenden Kongress umgesetzt, dem 8. Deutschen Aids-Kongress 2001 in Berlin. Wieder gab es ein Community Board, und Community Vertreter im Kongress-Präsidium.

SÖDAK St. Gallen 2009

Der Schweizerisch-Österreichisch-Deutsche Aids-Kongress in St. Gallen 2009 wurde zu einem Rückschlag für die Community Beteiligung – oder er machte bereits zuvor schleichend eingetretene Veränderungen deutlich sichtbar.

Im Vergleich zu medizinischen und Grundlagen-Fragen wurden ganze Bereiche vernachlässigt. Bereiche, die für Menschen mit HIV und von HIV bedrohte Communities von besonderer Bedeutung sind, wie zum Beispiel sozialwissenschaftliche Fragen, aber auch Zahnheilkunde oder Psychiatrie. Im Auswahl-Prozess des Kongresses schien die Relevanz der Themen für das Leben von Menschen mit HIV nahezu keine Rolle gespielt zu haben. Hinzu kam, dass von Anfang an keine breite Teilnahme von Positiven erwünscht schien, sondern eher eine gezielte Einladung ausgewählter Berichterstatter. Aus diesen Gründen zog das Community-Board dieses Kongresses geschlossen seine Mitarbeit zurück. Sowohl die AIDS-Hilfe NRW  als auch die Deutsche AIDS-Hilfe schlossen sich diesem Rückzug aus dem SÖDAK an.

Doch der Kongress in St. Gallen war nicht nur Rückschlag, er war auch Anlass für einen neuen Auftakt in Sachen Community-Beteiligung im Rahmen deutschsprachiger Aids-Kongresse:

Gemeinsame Erklärung 2010

Nach intensiven und in der Schlussphase öffentlichen Diskussionen unterzeichneten Deutsche Aids-Gesellschaft DAIG sowie Deutsche Aids-Hilfe (DAH), LHIVE (für die Schweiz) und Positiver Dialog (für Österreich) am 22. Juli 2010 die „Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Hilfe und der Deutschen AIDS-Gesellschaft zur Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress„. Erstmals ist Community Beteiligung schriftlich fixiert.

Diese ‚Gemeinsame Erklärung‘ legt „Eckpunkte zur aktiven Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress“ fest. Sie ist seitdem Basis der Zusammenarbeit, auch im Rahmen des 6. Deutsch-Österreichischen Aids-Kongresses DÖAK  2013 in Insbruck – und seines Nachfolgers 2015 in Düsseldorf.

Community Beteiligung: Logo des Community Boards des Deutsch-Österreichischen Aids-Kongresses (Logo: Community Board, www.http://www.cbdoeak.net)
Logo des Community Boards des Deutsch-Österreichischen Aids-Kongresses (Logo: Community Board, www.http://www.cbdoeak.net)

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Homosexualitäten

Chancen, selbstbewusst andere Wege zu suchen – Ulli Würdemann im Gespräch mit Josch Hoenes

Ab 2013 möchte ich im Newsletter der Hannchen Mehrzweck Stiftung hms über von der hms geförderte Projekte berichten. Hierzu hat Josch Hoenes von der hms das folgende Interview mit mir geführt, das im aktuellen Newsletter (4/2012, pdf) der hms veröffentlicht ist:

Chancen, selbstbewusst andere Wege zu suchen – Ulli Würdemann im Gespräch mit Josch Hoenes

Hoenes: Wie bist Du auf die Stiftung aufmerksam geworden? Und was findest Du an ihr so gut, dass Du angeboten hast, uns durch ehrenamtliches Engagement zu unterstützen?
Würdemann: Die hms kenne ich seit langem „aus der Ferne“. In ihrem Leitbild formuliert die hms als Ziel ihres Stiftungshandelns „Freiräume für subversive Praktiken zu schaffen bzw. zu erhalten“ – das ist z.B. einer der Punkte, die ich an der Arbeit der hms schätze.
Ich habe oft das Gefühl, wir sind auf dem Weg, viel zu „mainstreamig“ zu werden, viel zu angepasst. Emanzipation ist in meinen Augen mehr als ‘nur’ Anpassung an bestehende Verhältnisse. Ich habe in meinem Schwulsein oft auch eine Chance gesehen, nicht von vornherein alles so zu machen, wie es der ‘heterosexuelle Standardweg’ vorzuzeichnen scheint, sondern Anderes auszuprobieren. Ich wünsche mir, dass neben dem Fordern nach gleichen Rechten auch heute wieder mehr experimentiert wird mit den Chancen „anders“ zu sein, zu leben, andere als die etablierten Wege zu gehen.
Dies braucht natürlich auch entsprechende Strukturen, Wissen, Konzepte, Projekte. Dass die hms hier fördert, finde ich wichtig. Und mit ihrer Förderung ermöglicht sie ja gerade unabhängigeres Agieren, unabhängig z.B. von staatlichen Geldern und Auflagen – und ist damit auch dem Gedanken der Selbsthilfe sehr nahe.

Hoenes: Ich finde sehr wichtig und einleuchtend, was Du zu Mainstreaming sagst und zur Notwendigkeit, auch die Chancen zu sehen, die andere Wege und Arten und Weisen zu leben bieten. Kannst Du das – vielleicht an ein oder zwei konkreten Beispielen – noch etwas ausführen? Gibt es aus Deiner Sicht aktuell bestimmte Themen, Probleme oder Bereiche, in denen es besonders wichtig wäre, nach anderen Wegen zu suchen?
Würdemann: Nun, zum Beispiel die Frage, wie wir zusammen leben. Seit vielen Jahren dominiert hier die ‘Homo-Ehe’ fast alle Debatten. Die Möglichkeit fordern, dass auch Schwule und Lesben eine Ehe schließen können mit allen Rechten und Pflichten, wie sie auch Heteros haben, kann ich nachvollziehen. Allerdings scheint mir, dass sich die Debatte sehr auf die Frage der Ehe verengt hat bis hin zur Forderung nach Ehegatten-Splitting. Die Debatten um die Homo-Ehe wirken auf mich so, als sei die Homo-Ehe die einzig denkbare Form des Zusammenlebens zweier oder mehrerer nicht-heterosexueller Menschen. Diese freiwillige Reduzierung unserer Möglichkeiten wundert mich schon. Dabei gäbe es so viele andere Möglichkeiten oder Freiräume zum Erkunden und Experimentieren.
Ähnlich empfinde ich die allgemeinpolitische (nicht parteigebundene) überregionale Interessenvertretung von LGBTIQ als sehr eingeengt. Seit dem Ende des BVH gibt es nur einen Verband. Kann ein einziger Verband die gesamte Bandbreite der Interessen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Queer abdecken? Und wie sieht die Realität aus? Eine größere Vielfalt z.B. an Ideen und Konzepten, besonders in der politischen Interessenvertretung und auch abseits eingetretener Pfade, scheint mir hier wünschenswert.
Ich habe zudem den Eindruck, wir schmoren immer wieder gern „im eigenen Saft“. Der eine oder andere „Blick über den Gartenzaun“, ein weiterer Horizont täte uns ganz gut. In Frankreich, Großbritannien, den USA und sicher auch vielen anderen Staaten tut sich einiges an spannenden Ideen – mehr Austausch, z.B. auch mehr europäische Blicke, Debatten, könnten bestimmt auch die LGBTIQ-Gruppen hier befruchten.

Hoenes: Die hms fördert Projekte aus einem breiten Spektrum von LGBTIQ-Bewegungen. Fühlst Du Dich diesen oder Teilen dieser Bewegungen verbunden und bist Du selbst dort aktiv oder aktiv gewesen?
Während und nach meinem Studium war ich in Schwulengruppen aktiv. Ich habe z.B. in Bremerhaven damals die erste Schwulengruppe mit gegründet, war dann in Hamburg bei der schwullesbischen Schüler- und Jugendgruppe. Später habe ich mich bei der Gründung des Kölner Lesben- und Schwulenzentrums SCHULZ engagiert und dort auch Veranstaltungsreihen organisiert (wie in Köln zum Thema Antifaschismus).
Ende der 1980er Jahre bin ich aufgrund der Aids-Krise (wie viele schwule Männer damals) von der Schwulenbewegung zum Aids-Aktivismus gewechselt. Zunächst bei ACT UP (einer Aids-Aktionsgruppe), später dann im Therapie-Aktivismus, um Therapien gegen HIV und Aids und Informationen darüber schneller verfügbar zu machen und die Interessen von Menschen mit HIV in Forschung und Studiengestaltung einzubringen. Daraus haben sich dann verschiedene Informations-Angebote zu HIV und zum Leben mit HIV ergeben, wie die ‘HIV Nachrichten’ oder in den letzten Jahren ondamaris.

Hoenes: Du wirst für uns in unserem Newsletter über die Stiftungsarbeit berichten und bist auch sonst journalistisch tätig. Gibt es bestimmte Dinge, die Du mit Deiner Arbeit erreichen möchtest und/oder, die Dir daran sehr wichtig sind?
Würdemann: Meine eigenen Projekte, wie ondamaris, sind auch aus der Idee heraus entstanden, Autonomie zu stärken – Menschen (bei ondamaris eben: Menschen mit HIV) möglichst umfassende und breite Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu ermöglichen, damit sie für sich und ihr Leben selbst eigene informierte Entscheidungen treffen können.
Ähnlich könnte ich mir vorstellen, dass es auch für Projekte und Initiativen im LGBTIQ-Bereich sinnvoll sein könnte, mehr darüber zu erfahren, an welchen Ideen und Projekten andere arbeiten – eben auch durch größere Öffentlichkeit und Informationen über diejenigen Projekte, die die hms gefördert hat (und vielleicht auch zukünftig da, wo es passt, was z.B. im Sinne eines ‘nachgefragt’ aus ihnen geworden ist).

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HIV/Aids

Der alte Dämon Aids verliert seinen Schrecken – was nun?

Aids hat in den vergangenen 30 Jahren Schwule, das Leben von Schwulen und den schwulen Sex beeinträchtigt, unterdrückt, dämonisiert. Seit einigen Jahren allerdings verliert der alte Dämon Aids bei uns an Kraft. Immer weniger Menschen sterben in Deutschland an den Folgen von Aids. HIV-Positive, die erfolgreiche Therapien machen, sind so gut wie nicht infektiös. Die ‚Kombi‘ ist hinsichtlich des Schutzes vor HIV-Übertragung wirksamer als die Benutzung von Kondomen.

Dies spricht sich langsam herum. Mit Positiven unter erfolgreicher Therapie Sex zu haben wird attraktiver – auch der vermeintlichen Sicherheit wegen. Jake Sobo (Pseudonym) schreibt in seinem Blog von der ’schwer zu schluckenden Wahrheit, dass es … sicherer ist mit HIV-Positiven mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze zu ficken, als mit Typen, die denken sie seien HIV-negativ‘ („The hard-to-swallow truth is that, for guys with a lot of partners (like me), fucking poz guys with undetectable viral loads is actually safer than fucking raw with guys who think they’re negative“). Und selbst auf Gayromeo sind inzwischen Hinweise der Art zu finden „Suche Positiven unter der Nachweisgrenze“ oder „Ekaf-Sex bevorzugt“.

Lustvoller Sex, Sex ohne die Kondom- und anderen Scheren im Kopf, Sex ohne Sorgen wird für viele Schwule, ob HIV-positiv oder nicht, wieder möglich. HIV-Positive sind keine Parias mehr. Von der einstigen Panik wegen der ganz konkreten Todesbedrohung hin zu einem entspannten Management einer chronischen Erkrankung haben wir einiges unserer bunten Federn lassen und an Veränderungen akzeptieren müssen.

HIV-positive schwule Männer schlucken Pillen – und schluckten Kröten…

Nie wusste der Staat mehr über Schwule, über schwules Begehren, über schwulen Sex als in den vergangenen Jahren. Unzählige Befragungen, Meinungsbilder, Verhaltensanalysen. Kartonweise Fragebögen, Megabytes an Auswertungen – über schwulen Sex, schwules Leben.

Nie konnten Staat und Gesellschaft – auch auf Basis dieser Erforschungen des Schwulseins – leichter, und ohne die Sanktionierung per Strafandrohung, schwulen Sex, schwules Leben regulieren, Kontrollinstanzen etablieren.

Ist es purer Zufall, dass viele Orte schwuler Begegnungen, und gerade diejenigen, die nicht-kommerziell waren, und ferner von Normierung, dass Orte wie Klappen und Parks kaum noch existieren? Hingegen diejenigen (i.d.R. kommerziellen) Orte florieren, die auch für Reglementierung, auch für Prävention zugänglich sind?

Statt wie früher Strafandrohungen gibt es für’s schwule Leben heute Regeln und Normen. Du sollst beim Sex Kondome benutzen! Du sollst auf deine Gesundheit achten! Du sollst nicht Bareback Sex machen! Du sollst wissen was du tust! Du sollst dich nicht hemmungslos deinen Lüsten hingeben!

Bewusst gesetzte Normen, die regulierend in unsere Leben als Schwule eingreifen. Sexualität ist hierfür ein mächtiges Thema, das den Zugang zum Individuum erlaubt, Kontrolle ermöglicht. Öffentliches Gesundheitswesen, Public Health – Sexualität wird Angelegenheit von Staat und Gesellschaft. Schwule Sexualität, die früher kaum jemanden interessierte, wird dies vor allem seit, durch Aids. Statt Repression: Thematisierung, Regulierung und Disziplinierung von Sexualitäten (‚Bio-Macht‘, siehe auch Foucault / Dispositive der Macht).

Diese Kontrollinstanzen, diese Reglementierungen – sie stammen nicht nur von außen. Auch von innen, innerhalb unserer Szenen, durch uns funktionieren sie sehr wirksam. „Sät die Prävention die Samen, aus denen die Community Moralinsäure herstellt?“, fragte letztens ein Freund – eine lohnenswerte Frage!

Jahrzehntelang war Aids der Master – Jetzt können wir den Käfig öffnen

Medizinisch betrachtet sind wir ein sehr weites Stück voran gekommen auf dem Weg, die Aids-Krise in den Griff zu bekommen, HIV den Zahn des Schreckens zu ziehen.

Regulierung und Selbst-Regulierung, die einst notwendig, vielleicht überlebensnotwendig war, sind es vielleicht heute so nicht mehr.

Ist es nun an der Zeit, die Aids-Krise auch (schwulen-)politisch zu besiegen? Die Dominanz, die das Thema HIV / Aids für viele von uns hat, einst haben musste, zurück zu drängen? Uns wieder mehr den originär ’schwulen‘ Themen zuzuwenden?

Wir haben als Teil einer kleinen sexuellen Minderheit das Potential einer großen Freiheit. Einer großen Freiheit, jenseits einer heteronormativen Mehrheit zu experimentieren. Einer Freiheit, unsere Formen des Zusammenlebens, unsere Selbst-Definition(en) selbst zu gestalten, statt konformistisch Schubladen und Kategorien der Hetero-Gesellschaft zu übernehmen, zu kopieren und nachzuleben. Welche Form(en) von Beziehung(en) wollen wir leben? Welche Formen von Sex, sexuellem Umgang mit einander wollen wir wie pflegen? Wie gehen wir – gerade auch in größerem Lebensalter – fürsorglich mit einander um?

HIV ist längst nicht mehr der alles dominierende Dämon schwulen Lebens. Die Erfolge von Prävention und Medizin geben neue Freiräume – Freiräume, die wir nutzen sollten. Nutzen wir die Erfahrungen, die wir in Zeiten der Aids-Krise machten (z.B. jene zum Umgang mit Krisen, mit Stigmatisierung) – für neue Freiräume. Mehr Mut, mehr Experimente! Entdecken wir die Lust zu experimentieren, uns zu gestalten, wieder neu!

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(Text verfasst als ‚Standpunkt‘ für queer.de zum Welt-Aids-Tag 2012, dort erschienen am 1.12.2012)

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siehe auch
Ulrich Würdemann 27.01.2014: Aids ist keine düstere Bedrohung mehrAids ist keine düstere Bedrohung mehr

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Hamburg Homosexualitäten

MHC Magnus Hirschfeld Centrum Hamburg Eröffnung 14. Mai 1983

Am 14. Mai 1983 wurde das MHC „Magnus Hirschfeld Centrum“ in Hamburg eröffnet. Im Herbst 1982, vor 30 Jahren, wurde es geplant und seine Förderung beim Hamburger Senat beantragt.

Das Magnus Hirschfeld Centrum (MHC) in Hamburg wurde am 14. Mai 1983 (in den Räumen einer früheren Bäckerei am Borgweg) eröffnet. Heute ist es eines der wenigen noch existierenden Schwulen- und Lesben-Zentren.

Am 30. Mai 2013 feierte das Magnus Hirschfeld Centrum in Hamburg sein 30jähriges Jubiläum unter dem Motto „30 Jahre Einsatz für queere Emanzipation“.

MHC Magnus Hirschfeld Centrum : Förderungs-Antrag an den Hamburger Senat

Der von der UHA (Unabhängige Homosexuelle Alternative) sowie Intervention gestellte Antrag (60 Seiten plus Anhang) auf Anlauf- und Folgefinanzierung erläutert die Notwendigkeit eines Schwulen- und Lesbenzentrums folgendermaßen:

„Bedingt durch die fortbestehende Diskriminierung sind Homosexuelle Frauen und Männer in besonderem Maße auf umfassende Kontakte untereinander und auf gegenseitige Hilfer angewiesen. …
Die traditionellen ‚Treffpunkte‘ für Homosexuelle, die sich urwüchsig als ‚Nachtkultur‘ aus der gesellschaftlichen Stigmatisierung gleichgeschlechtlich liebender Menschen ergeben haben (Kneipen, Parks, Klappen) können diesem Bedürfnis nur in sehr eingeschränktem Maß Rechnung tragen, da sich hier verständlicherweise einseitige Umgangsformen ergeben, die lediglich bestimmte Aspekte des homosexuellen Menschen ansprechen können. Besonders deutlich treten diese Umgangsformen an jenen ‚Treffpunkten‘ hervor, die mehr oder weniger häufig Kontrollen der Polizei unterliegen (Parks, Klappen). In Folge der begonnenen Emanzipation homosexueller Bürgerinnen und Bürger hat sich das Bedürfnis nach einer Veränderung dieser Situation zunehmend entwickelt.“

In dem von Horst Parow (UHA) und Dieter Jarzombek (Intervention) unterzeichneten Antrag vom Oktober 1982 wird eine Kombination aus Kommunikations- und Beratungs-Zentrum skizziert. Wesentliche Mitstreiter waren damals auch Hans-Georg Stümke (1941 – 2002) und Hans-Georg Floß (1951 – 1993).

Magnus-Hirschfeld-Zentrum (MHC) Antrag UHA & Intervention, Hamburg 1982, Seite 1
Magnus Hirschfeld Centrum (MHC) Antrag UHA & Intervention, Hamburg 1982, Seite 1

Magnus-Hirschfeld-Zentrum (MHC) Antrag UHA & Intervention, Hamburg 1982, Inhaltsverzeichnis
Magnus Hirschfeld Centrum (MHC) Antrag UHA & Intervention, Hamburg 1982, Inhaltsverzeichnis

Wesentlicher Teil des Antrags war ein von Hans-Georg Floß (*1952, † 7.1.1993 an den Folgen von Aids) erstellter Bericht über den damaligen ‚Stand des Beratungsangebots für homosexuelle Männer in Hamburg‚, der wesentlich auf (s)einer 1981 an der Universität Hamburg (Fachbereich Psychologie) erstellten Diplomarbeit beruhte.

MHC : Namenspatron Magnus Hirschfeld

Bereits von Beginn an war vorgesehen, das Zentrum nach Magnus Hirschfeld zu benennen:

„Um seine Verdienste und seinen großen persönlichen Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte der Homosexuellen vor 1933 zu ehren wird vorgeschlagen, der Einrichtung den Namen ‚Dr. Magnus Hirschfeld – Zentrum‘ zu geben.“

Das Magnus Hirschfeld Centrum besteht seit 1983 und bis heute, mit der UHA (Unabhängige Homosexuelle Alternative e. V.) als alleinigem Trägerverein. Es bezeichnet sich heute als ‚Hamburgs lesbisch-schwules Zentrum für Beratung, Kommunikation, Kultur und Jugend‘.
Der Verein Intervention e.V., im September 1982 von Lesben und Schwulen gemeinsam mit dem Ziel einer Beratungsstelle gegründet, war an der Gründung des MHC mit beteiligt, arbeitete jedoch bereits ab 1983 (dem Jahr der Eröffnung des MHC) eigenständig in St. Georg. Intervention e.V. „unterstützt seit 1993 fast ausschließlich und exklusiv lesbenspezifische Angebote“ (Selbstdarstellung) und ist Träger des JungLesbenZentrums und des Lesbentreffs in Hamburg.

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An den Gesprächen im Vorfeld der Planung und Beantragung des Magnus Hirschfeld Centrums nahmen auch Vertreter anderer Hamburger Lesben- und Schwulengruppen zeitweise teil. Alle scheiterten, zogen sich zurück. Die Mitarbeit von Schwusel (Selbsthilfegruppe schwuler und lesbischer Jugendlicher im Alter bis ca. 25 Jahre) im MHC scheiterte letztlich, in meiner Erinnerung, vor allem daran, dass die UHA von ihrer dominierenden und allein entscheidenden Position nicht abweichen wollte.

Der Namens-Patron Magnus Hirschfeld war schon damals nicht unumstritten. Die Debatten um Magnus Hirschfeld führten u.a. mit dazu, dass sich das im März 1985 eröffnete (und seit Mitte 2003 nicht mehr existierende)  Kölner Lesben- und Schwulen-Zentrum nach langen Debatten nicht nach Magnus Hirschfeld benannte, sondern nach einem öffentlichen Namens-Wettbewerb schlicht den Namen ‚SCHULZ‚ (für Schwulen- und Lesben-Zentrum) erhielt.

Das Magnus Hirschfeld Centrum wurde von einer einzigen dominierenden Gruppe geplant und gestaltet. Es hätte Möglichkeiten zur Einbeziehung eines breiteren Spektrums von Hamburger Lesben- und Schwulengruppen gegeben (zum Beispiel in Form des damals existierenden ‚Forum Hamburger Lesben und Schwule‘ (FHLS). Das Kölner Lesben- und Schwulen-Zentrum SCHULZ schaffte es einige Jahre später, trotz einer starken Stellung der ‚gay liberation front‘ (glf) eine Trägerstruktur zu finden (Emanzipation e.V.), die eine Einbeziehung breiter Kreise der Kölner Lesben- und Schwulenszenen ermöglichte.

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Erinnerungen

Schwule Aktion Bremerhaven SAB – 1981 / 82

Schwule Aktion Bremerhaven  – wie kam es dazu? Das schwule Leben in Bremerhaven Anfang der 1980er Jahre war … nun ja, überschaubar, sehr beengt (um nicht zu sagen verklemmt), kurz gesagt für einen jungen Mann, der sein Schwulsein gerade entdeckt und zu akzeptieren gelernt hat, schwul leben will: deprimierend.

Seit 1979 lebte ich in Bremerhaven. Es gab dort drei Kneipen, besucht überwiegend von älteren Herren. Zwei Klappen am Deich. Sonst (an ‚Infrastruktur‘ für männerliebende Männer) nichts, außer – wegfahren, nach Bremen, Oldenburg und in das (bald mein ’schwules Paradies‘ werdende) Hamburg. Und dann: ein Pornokino, zwar überwiegend hetero, aber auch mit schwulen Filmen.

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Erinnerungen Homosexualitäten

Schwusel – 1982/ 83

Seit 1981 gab es in Hamburg eine Gruppe für junge Lesben und Schwule: SCHWUSEL. Ich erinnere mich an schöne Zeiten bei Schwusel in den Jahren 1982 und 1983 – die Gruppe war eine Zeit lang einer der Mittelpunkte meines schwulen Lebens damals – von politischem Engagement bis zu Gruppentreffen, privaten Feiern und schönen Freundschaften.

Im schwulen Stadtführer Hamburg ahoi! (1. Auflage, 1981) stellt Schwusel sich u.a. folgendermaßen vor:

„Wir, Schüler, Studenten und Azubis im Alter bis ca. Mitte 20, haben uns seit Mitte 1980 zusammengefunden. Als junge Homoexuelle haben wir uns bewußt von den bestehenden Gruppen abgesetzt und als eigene Gruppe gegründet, weil wir meinen, daß unsere Situation sich von der ‚erwachsener‘ Schwuler und Lesben noch unterscheidet.“

Schwusel Aufkleber ca. 1981
Schwusel Aufkleber ca. 1981 (Dank an A.R.!)

Schwusel hatte auch eine eigene (kleine) Zeitung „SCHWUSEL – unabhängige Zeitung der schwul-lesbischen Jugend Hamburgs“ . In der erste Ausgabe 1983 wurde die Gruppe so vorgestellt:

„SCHWUSEL – aus SCHWU von SCHWUl und SEL von LESbisch – ist eine Selbsthilfegruppe schwuler und lesbischer Jugendlicher im Alter bis ca. 25 Jahre, die es seit Mai 1981 gibt. … SCHWUSEL hat im Januar 1983 ca. 50 Mitglieder. Einige von uns arbeiten im Forum Hamburger Lesben und Schwule mit.“

Koordiniert wurde Schwusel von einem ‚Kollektiv‘ (in dem ich zeitweise Mitglied war). Die Gruppe traf sich im JuZ St. Georg (Stiftstr.), später dann in den Räumen in der ersten Etage über dem ‚Tuc Tuc‘ in der Oelkersallee 5, wie auch das Titelbild der „SCHWUSEL-Zeitung Nr. 2/83“ zeigt:

Schwusel trifft sich über'm Tuc Tuc (Schwusel Nachrichten 2/1983, Grafik Martin D.)
Schwusel trifft sich über’m Tuc Tuc (Schwusel Nachrichten 2/1983, Grafik Martin D.)

Schwusel bestand vor allem auch aus zahlreichen Unter-Gruppen. So vermeldet die Schwusel-Zeitung 2/83 neben dem Kollektiv eine Coming-Out-Gruppe, eine Kennenlern-Gruppe, eine Provinz-Gruppe, die Freizeitgruppe, hinzu kam später z.B. eine Schul-Gruppe, eine Lesbengruppe, verschiedene Geprächskreise. Schwusel unterhielt zudem ein zwei Stunden pro Woche erreichbares „Schwusel Telefon“ – und war somit eine der ersten regelmäßig für junge Lesben und Schwule erreichbaren Anlaufstellen.

Eines der am leidenschaftlichsten innerhalb von Schwusel diskutierten Themen war übrigens … die Altersgrenze (ja, diese Debatte gab es ‚damals‘ auch schon …). Eigentlich war Schwusel ja für Menschen bis 25 Jahre gedacht. Je mehr sich einige Mitglieder jedoch dieser Grenze näherten, desto mehr kamen einige ins Nachdenken … und Debattieren, um die Altersgrenze.

SCHWUSEL und das Magnus-Hirschfeld-Zentrum MHC

Schwusel plante, sich auch aktiv am (damals noch in Planung befindlichen) MHC Magnus-Hirschfeld-Centrum zu beteiligen. Vertreter/innen der Gruppe nahmen an entsprechenden Gesprächen teil (hier lernte ich erstmals Hans-Georg Stümke kennen, damals einer der sehr aktiven Menschen in der UHA)  – die Mitarbeit von Schwusel im MHC scheiterte letztlich, in meiner Erinnerung vor allem daran, dass die UHA von ihrer dominierenden und allein-entscheidenden Position nicht abweichen wollte.

Die Beschäftigung mit und Auseinandersetzungen um das Magnus-Hirschfeld-Zentrum und die UHA kosteten Schwusel viel Energie – sehr zum Leidwesen einiger Mitglieder, die der Ansicht waren, diese Energien seien besser für die Gruppe eingesetzt.

Die Schwusel-Zeitung Nr. 4 vermeldet schließlich (in einem Beitrag von ‚Intervention‘ angesichts des Auszugs des Beratungs-Vereins ‚Intervention‘ aus dem MHC):

„Wieder geht eine Illusion kaputt. Zwar gibt es weiter ein schwull-lesbisches Zentrum in Hamburg, und der UHA wird es sicher auch gelingen, in Kürze das Beratungs-Angebot des MHC zu gewährleisten. Aber der Traum, in diesem Zentrum auch die verschiedenen Strömungen der Szene zu einigen, ist wohl endgültig dahin. Eher haben sich die Gräben noch weiter vertieft, hat sich die UHA noch weiter isoliert.
Und viele engagierte Menschen haben im Laufe der 1 ½ Jahre Auseinandersetzungen viel Kraft verschleudert und Mut verloren. Von der verschwendeten Kraft an unserer gemeinsamen Sache selbst mal ganz zu schweigen.“

Willi Klinker, damals UHA, zog im gleichen Heft Bilanz:

„Der Sinn und Zweck des MHC ist es, sozusagen ein Forum für alle denkbaren schwulen, lesbischen und sexualpolitischen Aktivitäten zu sein. …
Klar gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise zwischen der UHA und anderen Gruppen; dazu gehören auch Mentalitäts- und Stilunterschiede. Die UHA hat in ihrer Arbeit das Hauptaugenmerk auf dem „G.H.“, wie Bea T[…] vor kurzem ironisch formulierte – auf dem gewöhnlichen Homosexuellen.“

Vielleicht waren wir, waren einge Hamburger Lesben und Schwule, damals einfach „nicht gewöhnlich genug“ …

Das MHC, die UHA und die anderen Hamburger Lesben- und Schwulengruppen – es war eine leidige Geschichte, aber auch eine, die Erfahrungen lehrte.
Froh war ich einige Jahre später, dass es in Köln gelang, das dortige neu entstehende Schwulen- und Lesbenzentrum SchULZ um einen Trägerverein (‚Emanzipation e.V.) herum entstehen zu lassen, in dem nahezu alle damals in Köln aktiven Schwulen- und Lesbengruppen und -strömugen vertreten waren.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Die Denver Prinzipien 1983

Denver Prinzipien 1983

Vom 9. bis 12. Juni 1983 traf sich in Denver eine Gruppe AIDS-Kranker (diesen Namen hatte die Krankheit die sie hatten damals allerdings noch nicht) während des Jahrestreffens der US-amerikanischen ‚National Gay and Lesbian Health Conference‘. Erstmals waren damit Aids-Kranke nicht nur Gegenstand von Diskussionen, sondern direkt selbst beteiligt.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Paris Declaration 1994 – Zeitzeuge Guido Vael: das ungenügend eingehaltene Versprechen

Am 1.12.1994 verabschiedeten die die Staats- und Regierungs-Chefs von 42 Staaten eine Erklärung zu HIV / Aids. Für die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer das Dokument. Diese ‚Paris Declaration‘ (als Dokumentation deutschsprachiger Text hier:  „Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG“) gilt als das zentrale Grundlagen-Dokument auch zur Beteiligung von HIV-Positiven an sie betreffenden Entscheidungen (GIPA – greater involvement of people with HIV / Aids).

Guido Vael war bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei – als Mitglied der deutschen Delegation. Im Interview berichtet er, wie es dazu kam.

Guido Vael, Zeitzeuge der Unterzeichnung der Paris Declaration (Foto: privat)
Guido Vael, Zeitzeuge der Unterzeichnung der Paris Declaration (Foto: privat)

Guido Vael engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in Schwulen- und Aids-Bewegungen, war u.a. Mit-Organisator des ersten CSD in München 1980 und engagierte sich Ende der 1980er Jahre gegen den ‚Bayrischen Maßnahmen-Katalog‘. Von 1990 bis 1999 war Guido Vael Mitglied des Vorstands der Deutschen Aids-Hilfe. Der gebürtige Belgier ist seit 15 Jahren Leiter des Projekts Prävention im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum SUB e.V. in München. Vael wurde für sein langjähriges Engagement u.a. mit der Medaille ‚München leuchtet!“ ausgezeichnet.

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Guido, wie kam es dazu, dass du bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei warst?

Der damalige Bundesgesundheitsminister Seehofer hat einige Leute, die im AIDS-Bereich tätig sind dazu eingeladen. Es waren Mitarbeiter/-innen aus staatlichen Beratungsstellen und NGOs. Wenn ich mich richtig erinnere ging auch eine Einladung an die DAH und ich bin dann als damaliges Mitglied des Vorstands mitgefahren. Meine Vorstandskollegen haben mir wohl den Vortritt gelassen weil ich auch in Bayern aktiv war und Herrn Seehofer bereits kannte von den Ministergesprächen und den Münchner AIDS-Tagen.

Wie kam es zur Entstehung der Erklärung, in welchem Umfeld entstand sie?

Die Erklärung wurde auf die sog. unteren Arbeitsebenen vorbereitet und auch fertig gestellt. Die Regierungsvertreter haben sich in Paris getroffen, „nur“ zum Unterzeichnen. Am Vormittag gab es eine Reihe von Ansprachen u.a vom UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, vom damaligen Leiter von UNAIDS und Regierungsvertretern der sog. Dritten Welt. Ich glaube mich auch an eine bewegende Rede einer HIV-positiven Frau aus Afrika erinnern zu können, die die Notwendigkeit einer globalen, konzertierten Aktion betonte. Die Delegationen saßen dabei wie in einer großen Hörsaal. Mittags gab es ein nobles Essen. Das gehört wohl bei solchen Veranstaltungen dazu. Nachmittags hat Seehofer die Delegation verlassen, um die feierliche Unterschrift zu leisten.

Ich habe einige gute und angenehme Gespräche mit Seehofer führen können, z.B. zum Gesundheitssystem in Deutschland, und ihn als problembewusster Fachmann geschätzt.

Und wie siehst du die Bedeutung der ‚Paris Declaration‘ heute? Welche Bedeutung hat sie, welche könnte sie haben?

Ich denke, dass die Erklärung ein wichtiger und notwendiger Schritt war. Gerade weil auch Diskriminierung und Ausgrenzung darin angesprochen wurde und das Recht auf medizinische Versorgung betont wurde.

Die Geschichte zeigt aber, dass gerade die westlichen Länder ihr Versprechen in meinen Augen ungenügend eingehalten habe. Es stünde auch die Bundesregierung gut an, sich auf die Erklärung zu besinnen. Es soll nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Es gibt in vielen Ländern immer noch die Diskriminierung und Ächtung/Ausgrenzung. In vielen Ländern wird HIV/AIDS zu wenig ernst genommen. Eine flächendeckende medizinische und soziale Versorgung ist auch 16 Jahren nach der Pariser Erklärung immer noch nicht erreicht worden.

Lieber Guido, vielen Dank für das Interview!

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Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG

Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

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