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HIV/Aids Paris

Warning : „Wir haben die Schnauze voll von Herablassung und Ignoranz“ – Mr. HIV

„ Mr. HIV 2013 – positivenfreundlich, selbstbewusst positiv, serodifferent, Posi-Queen …“: Unter diesem Motto hat die französisch-belgisch-kanadisch-schwerizerische Aktivistengruppe „Warning“ jüngst in Brüssel eine Kampagne gegen Serophobie (gemeint: unbegründete Angst vor Menschen mit HIV-positivem Serostatus), Vorurteile und die Unsichtbarkeit HIV-Positiver in der Schwulenszene gestartet. Ulli Würdemann sprach mit Laurent Gaissad, Sozio-Anthropologe an der ULB (Université libre de Bruxelles) und Präsident von Warning Brüssel, über die Hintergründe, Ziele und ersten Erfahrungen der Kampagne.

Laurent, viele Leserinnen und Leser in Deutschland kennen „Warning“ noch nicht. Kannst du uns die Gruppe und eure Ziele kurz vorstellen?

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HIV/Aids

Mr HIV 2013 – WARNING präsentiert neue Kampagne

Unter dem Titel Mr HIV 2013 hat die französisch – belgisch – franko-kanadische Positivengruppe The Warning (die sich auch sehr für den HIV-Heimtest in Frankreich einsetzt) eine Kampagne gestartet, mit der sie sich gegen Serophobie und gegen die Unsichtbarkeit HIV-Positiver in der Schwulenszene Brüssels wendet.

Die Kampagne wird durchgeführt von The Warning Brüssel und mit Unterstützung durch das Ministerium für Region Brüssel-Hauptstadt (Chancengleichheit und Diversity).

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WARNING präsentiert: Mr HIV 2013

positivenfreundlich, selbstbewusst positiv, serodifferent, Posi-Queen …

Mr. HIV 2013 (Logo: The Warning Brüssel)
Mr. HIV 2013 (Logo: The Warning Brüssel)

Die Gruppe ‚Warning Brüssel‘ hat „Mr. HIV 2013“ gestartet, eine Serie photopraphischer Portraits, um Serophobie entgegen zu wirken und die Bürgerrechte von Menschen mit HIV in der Brüsseler Schwulenszene zu stärken. Diese positivenfreundliche Kampagne soll in den LGBT-Bars der belgischen Hauptstadt zu sehen sein; realisiert wurde sie mit Unterstützung durch das Ministerium für Region Brüssel-Hauptstadt (Chancengleichheit und Diversity).

Seit der Gründung 2010 hinterfragt ‚Warning Brüssel‘ die Unsichtbarkeit von Menschen mit HIV in Belgien. Öffentliche Stimmen von Menschen mit HIV sind schwierig und zu oft überlagert von pessimistischer Rhetorik: in der Konsequenz hat die Öffentlichkeit nahezu keine Informationen über unsere alltäglichen Erfahrungen; falsche Vorstellungen sind immer noch weit verbreitet, insbesondere was Übertragungswege und Prävention betrifft. In der schwulen Szene ist dies umso überraschender, hätten wir hier doch eine größere Nähe und Sichtbarkeit erwartet. Trotz der engagierten Arbeit der Vereine bleibt eine Menge zu tun, um gegen Vorurteile zu kämpfen. Präventionskampagnen haben ihren Teil beigetragen zu dem Eindruck, eine HIV-Infektion sei das Schlimmste, was einem geschehen kann, und indem sie Menschen mit HIV aus ihren Kampagnen fernhalten, haben sie implizit ein Misstrauen gegen sie bestärkt.

Mr. HIV Kampagnen-Plakat (© The Warning Brüssel)
Mr. HIV Kampagnen-Plakat (© The Warning Brüssel)

Alles begann damit, dass unser guter Nikolaus am 1. Dezember 2010 sein Coming-Out als Schwuler und als HIV-Positiver hatte.Wir wollten die Sichtbarkeit von Positiven in den sie betreffenden öffentlichen, medizinischen, sozialen und politischen Debatten stärken. Ziel ist auch, die Hoheit über unsere Körper, unsere Gesundheit, unsere Identität zurück zu gewinnen.Und wir wollen mit dem Moralismus brechen, der auf uns und unseren Sexualitäten lastet, insbesondere unter Berücksichtigung einer Kultur des Feierns und es Vergnügens. Ein anderes Bild von HIV ist dringend nötig, vor allem unter Schwulen, die in Belgien immer noch die am stärksten von HIV betroffene Gruppe sind, ein Bild von HIV das weniger bevormundet und positiver ist, das die politische Bedeutung unserer Erfahrungen und unserer Stimmen betont, mehr als unsere Verletzbarkeit, oder gar unsere Gefährlichkeit.

Was können wir dieser seit langem bestehenden und weit verbreiteten strukturellen Serophobie im öffentlichen Diskurs in Belgien entgegen stellen?

Mr. HIV bedeutet:

  • gegen Serophobie kämpfen
  • die Bürgerrechte von Menschen mit HIV fördern
  • eine positive Sichtbarkeit in der Schwulen-Szene fördern
  • gegen Vorurteile und Ausgrenzung mobilisieren
  • Scham und Stigma des HIV-Positivseins zurückweisen
  • ein Zeichen von Anerkennung, Respekt und Gleichheit zu setzen
  • Position, Stimme und Erfahrungen HIV-positiver Schwuler verbessern
  • HIV-positives Selbstbewusstsein verteidigen

Mr. HIV bedeutet die Wahl aller Menschen die teilnehmen – ob HIV-positiv oder HIV-negativ.

Die Kampagne „Mr. HIV“ wurde aus Anlass des letzten CSD (Gay Pride) in Belgien 2012 gestartet mit vier Portraits mit Slogans, die die freiwilligen Models selbst vorgeschlagen haben. Sie wurde dann auf einen partizipativen Ansatz gestützt, um alle gleichzeitig zu erreichen, HIV-Positive und HIV-Negative. Eine erste Serie von Plakaten in einigen Bars und Sex-Clubs hat eine andere Form von Sichtbarkeit HIV-positiver Schwuler in Brüssel ermöglicht. Diese Form der Kommunikation, die das Konzept schwuler Community-Ikonen wie Mister Leather oder Mister Bear Belgien ohne eine echte Wahl abwandelt, wurde als Aufruf dazu vorgestellt, teilzunehmen, einen individuellen Slogan zu finden und sich am Projekt zu beteiligen. Jeder ist an jedem Schritt der Kampagne direkt beteiligt und einbezogen, vom Konzept über die Photo-Sitzungen bis zum Verteilen. Auf diesem durch den Community-basierte Ansatz produzierten Schneeball-Effekt, verankert in der alltäglichen schwulen Szene Brüssels, beruht der Ruf und die Wirksamkeit der „immer währenden“ Kampagne.

Auf die Frage „Wann ist die Wahl des Mr. HIV?“ antworten wir „An dem Tag, an dem jeder in Belgien sich so sehr von HIV betroffen fühlt, dass er selbst als Mr. HIV teilnehmen würde.“ Vereine und LGBT-Geschäftswelt sind selbstverständlich Teil des Projekts, sie sind heute eingeladen, privilegierte Partner zu werden. Von heute an und bis zum nächsten CSD (Gay Pride) Belgien im kommenden Mai wird jeden Monat eine neue Serie von Portraits „Mr. HIV“ in der Innenstadt von Brüssel veröffentlicht werden.

Mr HIV 2013 Plakat Serobourgeoisie (© The Warning Brüssel)
Mr HIV 2013 Plakat Serobourgeoisie (© The Warning Brüssel)
Mr. HIV 2013 Plakat serofier [etwa: selbstbewusst positiv] (© The Warning Brüssel)
Mr. HIV 2013 Plakat serofier [etwa: selbstbewusst positiv
Mr. HIV 2013 Plakat sérodifférents (© The Warning Brüssel)
Mr. HIV 2013 Plakat sérodifférents (© The Warning Brüssel)

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Kampagnen-Plakate und Original-Text: The Warning Brüssel mit Unterstützung durch das Ministerium für Region Brüssel-Hauptstadt (Chancengleichheit und Diversity), deutsche Übersetzung des Textes Ulrich Würdemann

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WARNING BRUXELLES présente Mr HIV 2013: Sérofriendly, sérofier, sérodifférent, sérofolle …
WARNING BRUXELLES presenta Mr HIV 2013: Sierofriendly, siero-orgoglioso, sierodifferente, sierochecca…
WARNING präsentiert Mr HIV 2013: Positivenfreundlich, selbstbewusstpositiv, serodifferent, Posi-Queen…
WARNING BRUSSEL presenteert Mr HIV 2013: Serofriendly, serotrots, seroverschillend, serojanet…
WARNING BRUSSELS Presents Mr HIV 2013: Serofriendly, Seroproud, Serodifferent, Seroqueen…
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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Dale Olson überzeugte 1985 Rock Hudson Aids publik zu machen

Dale Olson, Journalist und PR-Experte und früher Homosexuellen-Aktivist, überzeugte 1985 Rock Hudson Aids publik zu machen. Olson starb am 9. August 2012 im Alter von 78 Jahren in Los Angeles.

Dale Olson (20.2.1934 – 9.8.2012)

Dale Olson wurde am 20. Februar 1934 in Fargo geboren. Er lebte in Portland, arbeitet für eine PR-Firma, bevor er 1985 sein eigenes PR-Unternehmen gründete.

Olson engagierte sich u.a. in der frühen Schwulenbewegung der USA, war erster Generalsekretär der Mattachine Society. Er war vermutlich der erste oder einer der ersten Männer, die offen schwul im US-Fernsehen auftraten. 1954 nahm er unter dem Pseudonym Curtis White und mit verdecktem Gesicht an einer TV-Sendung über Homosexualität teil, berichtete er sei homosexuell und ‚betrachte sich nicht als anormal‘. Trotz der Versuche der Anonymisierung wurde er erkannt und am nächsten Tag entlassen.

Der Schriftsteller und Publizist Olson vertrat im Verlauf seiner Karriere u.a. Stars wie Marilyn Monroe, Laurence Olivier und Shirley MacLaine.

Er erlag am 9. August 2012 in Burbank den Folgen eines Leber-Krebs. Olson hinterließ seinen Mann, den Publizisten Eugene Harbin, der seit über 30 Jahren sein Lebenspartner war und den er 2008 heiratete.

Am bekanntesten wurde Olson vermutlich durch seine Funktion als Sprecher von Rock Hudson (geboren am 17. November 1925) zu der Zeit, als der Hollywood-Schauspieler an Aids erkrankte.

die Reagans mit Rock Hudson im Mai 1984, wenige Wochen bevor bei ihm HIV diagnostiziert wurde (Foto: White House / public domain)
die Reagans mit Rock Hudson im Mai 1984, wenige Wochen bevor bei ihm HIV diagnostiziert wurde (Foto: White House / public domain)

President Ronald Reagan and Nancy Reagan posing with Rock Hudson at White House State Dinner for President De La Madrid of Mexico. – White House photo officehttp://www.reagan.utexas.edu/archives/photographs/large/c21878-25.jpg – Public Domain

 

Rock Hudsons Umgang mit Aids und die Rolle von Dale Olson

Rock Hudson wurde von dem Hollywood-Agenten Henry Willson zum Star gemacht, ein „gequälter schwuler Mann, der sich über gequälte schwule Männer hermachte“ (Ryan Murphy, Regisseur, in Variety). Von Willson erhielt er den Künstlernamen, seine Karriere – und das Doppelleben. Schließlich heiratete Hudson 1955 sogar Willsons Sekretärin.

Am 5. Juni 1984 wurde bei Rock Hudson eine HIV-Infektion diagnostiziert, die er geheim hielt. 1985 ließ er sich in Paris behandeln. Am 21. Juli 1985 brach Hudson in seinem Hotel in Paris zusammen. Dale Olson gab ein Presse-Statement heraus, der Filmstar leide an inoperablem Leberkrebs. Eine Aids-Erkrankung leugnete er zunächst.

Dale Olson überzeugte Medienberichten zufolge Hudson, offen mit seiner Aids-Erkrankung umzugehen. Olson machte ihm klar, er habe eine tödliche Erkrankung, die viele Menschen angehe – und er habe die Chance derjenige zu sein, der dies den Menschen bewusst mache:

„I spoke to him and said, ‚You have a terminal disease. This is going to affect a lot of people. And you can be the person who can make people aware of it.'“

Am 25. Juli 1985 teilte Dale Olson mit Einwilligung des Schauspielers mit, dass Rock Hudson Aids habe, und dass HIV bereits Monate vorher diagnostiziert worden sei. Hudson kehrte am 30. Juli 1985 in die USA zurück und hielt sich nach einigen Wochen Krankenhaus-Aufenthalt in seiner Villa in Beverly Hills auf.

Rock Hudson Aids – eine damals aufsehenerregende Mitteilung

Die Nachricht, die Rock Hudson bei einer von der 2011 verstorbenen Schauspielerin Elizabeth Taylor veranstalteten Aids-Benefiz-Gala 1985 von Schauspieler-Kollegen Burt Lancaster verlesen ließ (und die Dale Olson verfasst hatte), sorgte für Aufsehen. Erstmals teilte ein Hollywood-Star mit, an Aids erkrankt zu sein:

„I am not happy that I am sick. I am not happy that I have AIDS, but if that is helping others, I can, at least, know that my own misfortune has had some positive worth.“

Rock Hudson 1985

Rock Hudson starb wenige Wochen später am Morgen des 2. Oktober 1985, nur wenige Wochen vor seinem 60. Geburtstag.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Belgien wählt Mr HIV 2012 – für mehr Sichtbarkeit HIV-Positiver

Während des Belgischen CSD am 12. Mai 2012 wählt Brüssel den “ Mr HIV 2012 ” – als Initiative für mehr Sichtbarkeit HIV-Positiver in der Schwulen-Szene wie auch in öffentlichen Debatten.

Aus der Ankündigung der Veranstalter DUQ und der Positivengruppe ‘The Warning’ unter dem Titel ‘Sero – Was?’ [abgeleitet von séropositif = HIV-positiv]:

Auch dreißig Jahre nach Beginn der Aids-Epidemie gibt es in Brüssel, der Hauptstadt Europas, keinen Ort für Gespräche und Initiativen HIV-Positiver. … Wir bleiben unsichtbar in der Schwulen-Szene, in den Informations-Kampagnen, in den Gruppen. Mit dieser Wahl wollen wir die Sichtbarkeit von Menschen mit HIV in den öffentlichen medizinischen, politischen, sozialen Debatten die uns betreffen verteidigen.” [Übersetzung ondamaris]

Mr HIV 2012 (c) The Warning
Mr HIV 2012 (c) The Warning

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Text 20.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Positiv na und ?

1981 veröffentlichte der Hamburger Schwulen-Aktivist und Autor Thomas Grossmann ein Taschenbuch unter dem programmatischen Titel „Schwul – na und?“. Ein Bändchen, das bald eine gewisse Bekanntheit erreichte, und das mit „Beziehungsweise andersrum“ 1986 eine Fortsetzung fand (darin, nebenbei bemerkt, u.a. auch ein Interview mit mir).

Damals, Mitte der 1980er Jahre, behagte mir der Titel von Grossmanns erstem Band nicht sehr. Ja, ich engagierte ihn direkt für eine Veranstaltung – in der Kleinstadt war das ein guter Weg, das Thema wie auch unsere neu gegründete Schwulengruppe bekannt zu machen. Aber dieses „na und?“, musste das sein? Klang es nicht fast entschuldigend? Mir schien der Titel damals zu defensiv, schien zu wenig eine offensivere Haltung auszudrücken.

„Sing, if you’re glad to be gay„, die Tom Robinson Band (TRB) drückte in ihrem Lied von 1976/78 (einer zu unrecht bei Schwulen in Deutschland in Vergessenheit geratenen Hymne schwulen Lebens zu Beginn der 1980er Jahre) mein Lebensgefühl viel eher aus. Ja, ich war stolz, schwul zu sein, endlich offen schwul. Wollte etwas unternehmen gegen die, die uns weiterhin unterdrücken woll(t)en. Und es machte mir einen Heidenspaß, mein Schwulsein auszuleben, meine mühsam errungene Freiheit in jedem Zug zu genießen. Grossmanns „na und“ – es schien mir damals eher einen verdrucksten, beinahe verklemmten Unterton zu haben.

Erst Jahre später entdeckte ich, dass dieses „na und“ auch anders lesbar ist.
Dass es eine wunderbare Gelassenheit, Unaufgeregtheit ausdrücken kann.
„Na und, stört dich irgendwas daran? Mich nicht …“

Wenige Jahre nach Erscheinen gerieten Grossmanns Bändchen in meinem Bücherschrank ein wenig in Vergessenheit. Die Aids-Krise überrollte uns. Auch ich wurde irgendwann von der (Schwulen-) ‚Bewegungsschwester‘ zum ‚Aids-Aktivisten‘. Jüngst kam Grossmanns „Schwul na und“ wieder zum Vorschein. Und erinnerte mich, an damals, an schwule Bewegungen, an mein Lebensgefühl damals, auch an die Aids-Krise, an die „schlimmen Jahre“.

Was sich alles verändert hat. Auch im Leben mit HIV und mit Aids. Der ‚grosse Horror‘ wie ich ihn Ende der 1980er / Anfang der 90er empfand ist (in den wohlhabenden Industriestaaten) nicht mehr. Das Leben besteht auch für HIV-Positive aus so viel mehr als Helferzellen und Viruslast.

Ist es nun an der Zeit auch zu sagen „Positiv – na und?“

„ positiv na und “ wäre Ausdruck eines Umgangs mit mir selbst, einer Haltung, einer Selbst-Sicht. Einer Sicht, die dabei nicht negiert, dass Positive weiterhin diskriminiert, stigmatisiert, kriminalisiert werden. Einer Sicht die vorher fragt, wie sehe ich mich selbst, wie gehe ich mit mir um – und wie bewege ich mich dann damit in der Gesellschaft

„ positiv na und ? “ – das hieße dann auf einer persönlichen Ebene vielleicht: ‚ja, ich habe HIV. Ich mache mir Gedanken darüber, was das für mich und mein Leben bedeutet. Aber ich mach kein Drama draus. Gehe verantwortlich mit mir und meinem Mitmenschen um. HIV steht nicht im Mittelpunkt meines Menschseins. Und es definiert mich nicht – ich definiere mich nicht darüber, und ich will darüber auch nicht von anderen definiert werden. Ich mach‘ kein Drama draus – mach du es auch nicht.‘

Ist es dann – gerade auch in diesem Sinne – an der Zeit, all jenen, die meinen immer noch Menschen mit HIV diskriminieren und stigmatisieren zu können, ein beherzt selbstbewusstes „positiv – na und?“ zu entgegnen? Und zwar zahlreich?

„ positiv  na und ? “ – das könnte dann in diesem Sinne sagen „Ich bin HIV-positiv. Na und? Hast du ein Problem damit? Dann löse es selbst. Kümmere dich um  dein Problem – und mach es nicht zu meinem. Halse es mir nicht auf. Denn ich komm damit ganz gut klar. Ich bin HIV-positiv – na und?“

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Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Biohazard Tattoo HIV – Zeichen für mehr Akzeptanz?

Tätowierungen, Brandings die den Träger eindeutig als HIV-positiv kennzeichnen – ist ein Biohazard Tattoo ein Zeichen von Selbst-Akzeptanz und HIV-positivem Selbstbewusstsein? Oder ein Akt der Selbst-Stigmatisierung?

In Berlin sieht man sie schon seit einigen Jahren häufiger, auch gelegentlich in Spanien oder Frankreich, und auch in den USA: schwule Männer mit einer auffälligen Tätowierung – einem Tattoo, mit dem sie sich als HIV-positiv zu erkennen geben.

Mehrere Zeichen werden als solche ‚eindeutige‘ Hinweise genutzt, als Tattoos verwendet. So das ‚Red Ribbon‘ (‚Aids-Schleife‘). Das bekannteste Signal unter Positiven jedoch dürfte das Biohazard Tattoo sein.

Biohazard Probenbeutel
Probenbeutel mit Biohazard Piktogramm

Tätowierungen, die den Träger eindeutig als HIV-positiv kennzeichnen – sie bieten aus Sicht vieler, die diese Tätowierung tragen, einen klaren Vorteil: sie sind eindeutig. Signalisieren dem gegenüber, der Umwelt: ich bin HIV-positiv. Coming-out als HIV-Positiver, langwierige unbequeme Gespräche hätten sich damit weitgehend erledigt. Gerade beim Sex weiß jeder, woran er ist, kann sich entsprechend verhalten. Ohne Worte.

Biohazard-Tattoo – Erfahrungen

Du bist kein Opfer. Du bist ein Champion, ein Überlebender – das ist der bedeutendste Teil des Tattoos„, zitiert CNN einen HIV-Positiven. HIV-Positive in den USA sprechen von einer ‚Umwidmung‘ eines Symbols, und vergleichen ihre Verwendung des Biohazard Tattoo mit der Verwendung des Rosa Winkels durch die Schwulenbewegung der 1970er Jahre. Hinzu kommt, viele sehen in dem Biohazard Zeichen auch ein Signal der Verbundenheit mit anderen Positiven, einen „geheimen Identifikations-Code“, der auch gegenseitige Unterstützung signalisiere.

Auch in Deutschland ist das Biohazard-Symbol als Zeichen HIV-Positiver verbreitet. Eine Gruppe HIV-Positiver bezeichnet ihre Parties für Positive als ‚BiohazardMen Parties‘, und erläutert auf ihrer Site

Biohazard ist die Kurzform des englischen Begriffes „biological hazard“ (biologische Gefahren). Laut des amerikanischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention) werden Erreger in unterschiedliche Biohazard-Levels eingestuft. Dabei geht von Organismen des Levels 1 die geringste Gefahr aus. Mit höherem Level steigt das Gefahrenpotential. Der HI-Virus wird mit Biohazard Level 3 gelistet.
Wir, die Biohazardmen, sind alle HIV-positiv. Du bist es auch? Dann bist du bei uns herzlich willkommen.

Auch Jörg (*), der seit zwei Jahren ein Biohazard Tattoo auf dem Arm trägt, und den ich in einem Berliner Club treffe, betont, sein Tattoo mache vieles einfacher: „Ich find’s einfach klar. Jeder weiß Bescheid, woran er ist. Spart viele Worte und Debatten.

Und, hat er keine Angst vor Stigmatisierung? „Nein. Die meisten Schwulen hier kennen das Symbol, und sehen’s auch als Vereinfachung – jeder weiß, woran er ist. Und die Heten, die mich damit vielleicht sehen, erkennen darin meist nur ‚irgend so eine Tätowierung‘. Die meisten kennen das Symbol doch nicht mal, und wenn doch, dann wissen sie nichts mit anzufangen, warum ich das trage.

Biohazard – ein nicht unumstrittenes Tattoo

Doch – auch unter HIV-Positiven sind ‚eindeutige‘ Tätowierungen umstritten. Manche fühlen sich erinnert an die umstrittene Werbekampagne, die der Photograph Oliviero Toscani Anfang der 1990er Jahre für einen italienischen Modekonzern realisierte: ein Plakat mit einem Hinterteil, auf das groß „H.I.V positive“ tätowiert war.

Bernd (*), ein weiterer Bekannter von mir, erinnert zudem daran, dass es gerade zu Beginn der Aids-Krise Politiker gab, die ernsthaft forderten, HIV-Positive sollten – womöglich zwangsweise – tätowiert werden, damit sie für jerdermann/frau als solche erkennbar seien. Schon deswegen käme für ihn persönlich dieses ‚Positiven-Tattoo‘ nicht in Frage.

(*) Name geändert

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Bugchasing – viel neo-Lärm um nichts

‚ Bugchasing ‚ – die erste Folge der neuen Reihe „Wild Germany“ auf ZDF neo befasste sich am 12. Februar 2011 mit Menschen, die behaupten sich absichtlich mit HIV infizieren zu wollen. Und fand keine.

Samstag, 12. Februar 2011, 22:15. Der ZDF-Kanal ’neo‘ startet eine neue Reportage-Reihe „Wild Germany“. Thema der ersten Folge der neuen Reihe: HIV – oder genauer Menschen, die behaupten, sich absichtlich mit HIV infizieren zu wollen (‚ pozzen lassen‘): „Manuel Möglich will wissen, ob dieses Phänomen wirklich existiert und was einen gesunden Mann dazu bringen kann, todkrank sein zu wollen„, hatte ZDF neo seine Sendung über ‚bugchasing‘ angekündigt.

Der journalistische Anspruch war in der Ankündigung hoch gehängt: „Manuel Möglich begegnet seinen Gegenübern auf Augenhöhe, ohne die journalistische Distanz zu verlieren“, hatte ZDF neo angekündigt. „Die Reportagen sind mehr als ein Szeneeinblick, sie sind vielmehr ehrliche Porträts von Deutschlands Städten und Dörfern. Darin werden Menschen und ihre Geschichten so gezeigt, wie sie sind.“ (Quelle)

Die 30-minütige Sendung beginnt mit einem kurzen Interview mit Dr. Uli Marcus (Robert-Koch-Institut). Er bemüht sich, potentielle Motive für ‚Bugchasing‘ zu erläutern, das Phänomen und mögliche Beweggründe verständlicher zu machen.

Dann geht es ab ‚auf die Piste‘ – in schwules Tag- und Nachtleben, auf der Suche nach dem unbekannten Bugchaser. Berichte aus der Schwulen-Szene in Berlin und in Leipzig – mit Kommentaren wie „sie spielen russisches Roulette“ und „es geht um Leben und Tod“.

Claude wird interviewt, ein HIV-positiver schwuler Mann aus Berlin, der offen und reflektiert über sein Sexleben berichtet. Anschließend kommentiert der Reporter, der eben noch so verständnisvoll war, voller Entrüstung „Claude ist aidskrank und veranstaltet trotzdem [!] Sexparties“.

Weiter geht es nach Leipzig. Nach Gesprächen mit zwei Leipziger Schwulen der Versuch, eine schwule Sexparty zu besuchen. Angezogen und mit Kamera wird der Zutritt verwehrt – der Reporter zieht sich aus, um doch auf die  Sexparty zu kommen, ohne Kamera. Wieder heraus, berichtet er der Kamera. Er habe sich „völlig verängstigt“ gefühlt, sei „schockiert“. Er wäre in einem „echt fiesen Keller“ gewesen, dort wären „alle völlig nackt“ und „komplett rasiert, jeder zweite mit nem Cockring“. Ein Gast habe sich „fies einen runtergeholt“ – immerhin, „ich bin nicht direkt angegrabbelt worden“.

Am nächsten Tag besucht der ‚Reporter‘ mit Wirt und Kamera den gleichen Laden tagsüber, ohne Gäste. Die Kamera zeigt einen Gyn-Stuhl, dann einen Sling – mit begleitender Grusel-Musik und einem verzweifelt dreinschauenden Reporter, der von „Geisterbahn-Feeling“ spricht. „Bezahlen um HIV-positiv zu werden“, kolportiert der ‚Bericht‘ via Interview gen Schluss noch Kneipen-Gerüchte über Freier, die Sex mit positiven Sexworkern suchen, verkauft sie unhinterfragt als bare Münze.

Und das Resümee?
„Fakt ist, Bugchaser gibt es“ wird drohend konstatiert. Sexparties werden pauschal als ‚Motor der Infektion‘ bezeichnet und ‚Realtitätsverlust‘ bei Schwulen konstatiert. Auf Basis zweier kurzer und bei weitem nicht repräsentativer kurzer Blicke in Ausschnitte vom schwulem Leben stellt der Reporter entrüstet fest: „HIV und Aids scheinen ihren Schrecken völlig verloren zu haben – Wahnsinn!“

Einen „bugchaser“ allerdings, Thema der Sendung, hat der Reporter letztlich nicht finden können. Kein Wunder, mag der halbwegs Informierte denken – schließlich sind Experten sich seit langem einig, dass es sich hier – wenn überhaupt existierend – aus epidemiologischer Sicht um ein absolutes Rand-Phänomen handelt. Was in der ‚Reportage‘ (trotz interviewtem Epidemiologen) jedoch nicht gesagt wurde. Warum nicht?

Kein ‚bugchaser‘ also. Weil der Film aber nicht ohne Pseudo-Skandal auskommen kann, wurde ein anderer Aufhänger, Aufreger gesucht. Nur wo? Zusammengefasst: der Reporter scheint, den Eindruck kann man als Zuschauer gewinnen, den dann eigentlichen Skandal darin zu sehen, dass HIV-Positive Sex haben. Und dass sie auch Sex mit ungetesteten oder HIV-negativ getesteten Sexpartnern haben.

Nur – worin soll der Skandal liegen, wenn Menschen miteinander einvernehmlich Sex haben? Der Reporter nimmt vorgreifend schon zu Beginn die Gesundheitsökonomie zu Hilfe – die monatlichen Behandlungskosten im Fall einer Infektion. Worin die Konsequenz seines Gedankengangs letztlich liegt, lässt er unausgesprochen. Der Zuschauer kann (soll?) sich seinen Teil denken: soll ‚denen‘ vielleicht doch einfach der Sex verboten werden?

Nach der Sendung standen zwei Experten der Aids-Hilfe Mainz im Chat für Fragen zur Verfügung. Welche Fragen sie wohl gestellt bekamen?

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‚Bugchasing‘ – Menschen, die sich wissentlich, absichtlich mit HIV infizieren (oder als vermeintliche ‚Pozzer‘ andere infizieren) – diese ‚urbane Nachtleben-Legende‘ wird immer wieder gerne von gewissen Medien hervorgeholt.

Mythen zu thematisieren bringt potentiell Aufreger – und Quote. Wie den zu jedem Welt-Aids-Tag fast ritualhaft wieder hervorgekramten Mythos der ’neuen Sorglosigkeit‘ (Sorglosigkeit? Fehlanzeige!)). Oder eben den Mythos von verantwortungslosen Positiven und den Mythos von verantwortungslosen Schwulen. Aber – machen diese Mythen auch seriösen Journalismus aus?

Menschen zu zeigen „so wie sie sind“ und „ohne die journalistische Distanz zu verlieren“- ist die Sendung ihrem selbst gewählten Anspruch gerecht geworden? Oder hat die ‚Reportage‘ eher ein Zerr-Bild von HIV-Positiven und allgemein von schwulen Männern gezeichnet, das mit der Realität äußerst wenig zu tun hat? Sich gar am Stricken von Virus-Mythen beteiligt?

Muss sich die Reportage zudem fragen lassen, ob sie letztlich unterschwellig homophobe Hetze gegen Schwule betreibt?

Der ‚Reporter‘ bemüht sich, auf seine Interviewpartner einzugehen – solange sie ihm gegenüber stehen. Aus dem Off kommen hinterher Kommentare wie ‚Claude ist es egal, ob andere sich infizieren‘ – obwohl Claude sich abwägend, überlegt geäußert hat. Der Reporter geht – in Unterhose, Respekt, mit Einsatz für die Recherche – auf eine Sex-Party. Und ist hinterher entrüstet über nackte Männer – was hat er erwartet, auf einer Sexparty?

Zudem, bei allem Bemühen um den Eindruck von Verständnis, der ‚Reporter‘ vermag sich seiner eigenen Meinung in der konkreten Situation oft nicht zu enthalten –  „totaler Irrsinn“ kommentiert er direkt in der Situation. Dies scheint zum Konzept der Reihe zu gehören. Und wirkt doch nur wie billige Effekthascherei, verbunden mit viel ‚erhobenem Zeigefinger‘.

Werden hier Interviewpartner um Stellungnahme gebeten aus ehrlichem Interesse, um ein Thema zu ergründen – oder werden sie vorgeführt, ‚ausgebeutet‘ als Staffage für eigene schon vorher geplante Aussagen oder Werturteile (‚exploitation‚)? Ist dies tatsächlich investigativer Journalismus? Oder nur eine weitere Form von ‚Provo-Infotainment‘? Letztlich auch auf dem Rücken von Schwulen und von HIV-Positiven?

Serophobie, unreflektierte Angst vor Positiven – dies zu schüren, der Verdacht bleibt nach dieser Sendung.

Serophobie, die zudem noch den Beigeschmack der Homophobie hat – kann (soll?) der Zuschauer doch den Eindruck gewinnen, die jährlich ca. 3.000 Neuinfektionen mit HIV in Deutschland fänden ‚freiwillig‘ statt, wissentlich und gar absichtlich. Diese verantwortungslosen Schwulen … dies suggeriert meines Erachtens der Film nur notdürftig verhüllt. Nicht nur Serophobie, dunkelste Homophobie scheint durch.

Was bleibt als Resümee der ‚Reportage‘? Kein Erkenntnisgewinn. Kein Bugchaser, kein Bugchasing gefunden. Niemand, der sich absichtlich mit HIV infizieren will.

Es bleibt allerdings der Beigeschmack der Sendung – ‚vorgeführte‘ Interviewpartner, und gehäuft Homo- und Serophobie. Gut zumindest, dass diese Sendung nur in einem digitalen Spartenkanal zu sehen war …

Und ansonsten bleibt – viel neo-Lärm um nichts.

Text 19. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Philosoph Daniel Bensaid starb an den Folgen von Aids

Am 12. Januar 2010 starb der französische Philosoph Daniel Bensaid – an den Folgen von Aids, wie ACT UP Paris am 16. Januar 2010 mitteilte.

Es war eine sehr kurze Mitteilung, wohl die kürzeste seit dem Bestehen. ACT UP Paris teilte heute morgen einzig sechs Worte mit “Daniel Bensaïd est mort du sida”, nur gefolgt von dem bekannten Motto Silence = Mort (Schweigen = Tod).

Mit dieser Aktion äußerte sich ACT UP Paris zum Tod des französischen Philosophen Daniel Bensaïd – und dazu, dass in allen wichtigen französischen Medien die Ursache seines Todes verschwiegen wurde.

Daniel Bensaid 2008

Conferencia de Daniel Bensaïd en Barcelona en abril del 2008. – Miaus Public Domain

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HIV/Aids

HIV und Schuld – oder: Die Sehnsucht nach Normalisierung und die untilgbare Schuld

Die HIV-Infektion, einst Anzeichen einer medizinisch hilflosen Situation, eines drohenden körperlichen Desasters, wird zunehmend behandelbar. Die Erfolge der medizinischen Forschung sind unübersehbar. Medikamente gegen das HI-Virus werden zunehmend stärker wirksam, Nebenwirkungen treten in ihrer Bedeutung immer mehr in den Hintergrund. Die Lebenserwartung eines und einer HIV-Infizierten nähert sich immer mehr der einer nicht infizierten Person an, und die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Nebenwirkungen der Therapie werden immer mehr minimiert. HIV wird zu einer chronischen Erkrankung, zu einer ‚manageable disease‘. Mit ein wenig Glück werden zudem wirksame Therapien (vielleicht sogar nicht nur in den Industriestaaten) einst auch zu gesundheitspolitisch beherrschbaren Kosten zur Verfügung stehen. Zeichen einer zunehmenden medizinischen und gesundheitspolitischen ‚Normalität‘.

Die Folge: es ist ein Zukunftsszenario denkbar -und nicht in allzu weiter Ferne-, in der die Frage, ob ich HIV-infiziert bin, aus medizinischer und Public Health – Sicht nicht nur ihre Dramatik verliert, sondern zunehmend weniger relevant wird. Ob ich HIV habe oder nicht – eine Frage des Zugangs zum Medizinsystem, eine Frage guter Ärzte und wirksamer Pillen.

Die Folgen für Aids-Hilfe? Zweierlei Szenario wäre etwas vereinfacht denkbar:
Für diejenigen, die der Ansicht sind, Ziel von Aids-Hilfe sei es, die Zahl der Neuninfektionen zu reduzieren, womöglich gar auf Null zu bringen, wird ein Problem entstehen. Die Grundhypothese ihrer Arbeit wird ihnen auf die Füße fallen: wenn die HIV-Infektion eine ‚manageable disease‘ sein sollte, eine mit wenigen und eher (biomedizinisch, gesundheitsökonomisch) konsequenzenarmen Folgen behandelbare chronische Infektion – dann ist eine höhere Zahl an Neuinfektionen kein Skandal mehr, dann wird das Ziel der drastischen Senkung der Neuinfektionszahlen unbedeutender. Niemand finanziert mit hohen Millionenbeträgen eine Organisation, die sich der Reduzierung der Neuansteckungen mit Husten und Schnupfen widmet.
Für die Vertreter der anderen, Gesundheits-orientierten Haltung wäre die Konsequenz eine andere: Aids-Hilfe wird zu einer Organisation, die sich der Frage widmet, welchen Begriff ich von Gesundheit habe, welche Bedeutung Gesundheit für mein Leben hat, und wie ich ich sie erhalte, fördere oder wieder herstelle.
Aids-Hilfe verliert das Skandalon des „Aids“ in ihrem Namen. Aids-Hilfe wird in dieser Konstellation zu ‚Gesundheits-Hilfe‘ für bestimmte (vielleicht: marginalisierte?) gesellschaftliche Gruppen.

Alles in Butter also, und die Frage lautet angesichts der ‚Normalisierung‘ nur, ob Aids-Hilfe, egal ob als Bundes-Verband oder vor-Ort-Organisation, untergehen, sprich bedeutungslos werden oder sich selbst auflösen wird, oder ob sie sich an Veränderungen anpassen will?

Nicht ganz.
Ein kleines Problem bleibt.
Einige kleine Fragen.

Wenn HIV eine recht unkompliziert behandelbare und vergleichsweise konsequenzenarme Erkrankung werden sollte (oder, im Empfinden einiger HIV-Infizierter, heute schon ist), warum machen wir uns dann solche einen Kopf darum?
Warum überlegen wir so intensiv, jeder HIV-Positive für sich, wem erzähle ich von meiner Infektion, wem vertraue ich es, mich an – und wem lieber nicht?
Warum wird für uns die Frage immer wieder essentiell, wie offen lebe ich mit HIV?
Warum klagen viele HIV-Positive, seit ihrem positiven HIV-Status, so sie ihn nicht völlig für sich behalten, zunehmend Probleme haben Sex-Partner zu finden, guten, ihren Wünschen und Sehnsüchten entsprechenden Sex zu haben?
Und warum machen sich immer wieder Menschen Gedanken, wie sie mit HIV am Arbeitsplatz umgehen sollen (ersatzweise: bei der Suche nach Arbeit)?
Die Liste der Fragen nach dem ‚warum‘ ließe sich fortsetzen …

Und die Liste der Fragen zeigt: So normal ist es scheinbar doch nicht, mit HIV infiziert zu sein – selbst nicht bei wirksamsten Pillen.
Irgend etwas an HIV ist anders als bei Schnupfen, Mundgeruch und Fußpilz.
Irgend etwas ist an HIV, das nicht nur mit der Medizin zu tun hat.
Irgend etwas, das weitreichende persönliche Konsequenzen hat – und durch Pillen nicht bekämpft wird.
Es ist ein Makel an HIV, genauer daran, HIV-infiziert zu sein.
Die Tatsache, HIV-infiziert zu sein, zeigt etwas an.
Sie zeigt an: Abweichung von der Norm. Männerliebe, Drogengebrauch, Dreck, Blut, Sex, Scheisse, Drogen. Einen Ausstieg aus einem gesellschaftlichen Normsystem. Einen Ausstieg, der längst vor dem Offenbaren des HIV-Status vollzogen wurde. Ich bin HIV-infiziert, weil (in Folge)  ich diesen Normen-Ausstieg längst vollzogen habe, den Ausstieg aus der Norm gesellschaftlichen Zusammenlebens, die sich bewegt irgendwo im Nebel zwischen „du sollst nicht mit Männern ficken“, „du sollst Kinder zeugen und dich fortpflanzen“, „du sollst nicht den Rausch genießen“, „du sollst nicht hemmungslos sein“.
Ein Normenausstieg, nebenbei, der nicht nur von Menschen mit HIV ‚begangen‘ wird, sondern von vielen anderen. Weswegen die Frage nach der Bedeutung dieses Normausstiegs, nach dem Umgehen, nach den Konsequenzen eben auch nicht nur Menschen mit HIV angeht.
Nur ist dieser Normenausstieg zunächst weniger sichtbar. HIV allerdings macht diesen Normenaussteig sichtbar, zeigt an – HIV wird zum Indikator. Zum Stigma [Stigma – Brandzeichen].
Und: dieTatsache dieses Normenausstiegs ist unwiderrufbar, untilgbar – und auch durch wirksamste Medikamente, tollste Therapien und bunteste Pillen nicht behandelbar.

So sehr die HIV-Infektion auch ’normal‘ werden mag im biomedizinischen, im Public Health – Sinn – der Makel der Schuld, der Schuld dieses Norm-Verstoßes, der Status der eigenen HIV-Infektion als Indikator für einen Normenverstoß bleibt untilgbar.

HIV mag unter medizinischen Aspekten ’normal‘ werden können. Diese Sehnsucht nach Normalität mag erfüllbar sein. Allein, der Skandal bleibt, der Skandal des -durch HIV sichtbar gemachten- Normenausstiegs, des Makels, der Schuld.

Einige Gedanken dieses Kommentars sind inspiriert durch den Workshop „Die Schuldfrage knacken“ von Dr. Stefan Nagel und Alexander Pastoors – danke!

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Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Virus-Mythen : die neue Sorglosigkeit

Neue Sorglosigkeit ? Die Menschen (ersatzweise: die Schwulen, ersatzweise: verantwortungslose Positive) sind wieder so sorglos im Umgang mit HIV und Aids – so wird immer wieder behauptet, besonders gerne um Schock-Kampagnen wie jüngst die ‚Massenmörder-Kampagne‚  zu ‚legitimieren‘.

Die neue Sorglosigkeit im Umgang mit HIV – gibt es sie?
Wie sieht die Realität aus?
Sind die Menschen in Deutschland sorgloser geworden?

„Nein. Die sinkende Gefahreneinschätzung geht mit der realistischen Erkenntnis einher, dass Aids nur dann gefährlich ist, wenn man sich nicht schützt. Aber das tun die Menschen immer besser“,

sagt Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Und ergänzt

„Die große Mehrzahl der Menschen verhält sich verantwortungsbewusst.“

Zu den HIV-Neuinfektionsraten betont Pott ebenso wie jüngst Dr. Dirk Sander (DAH):

„Nirgendwo sonst [in Europa, d.Verf.] sind die Infektionsraten so niedrig.“

weitere Informationen:
SZ 24.09.2009: Interview Elisabeth Pott: „Deutsche sind nicht sorgloser“
DAH-Blog 11.09.2009: Interview Dr. Dirk Sander: Laien beurteilen Schock-Kampagnen als wirksamer

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was ist eigentlich so ’schlimm‘ an Sorglosigkeit? -> Sorglosigkeit und die Rettung der Lüste

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