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HIV/Aids

Operation Denver – Aids-Desinformation von KGB und Stasi – Jakob Segals Fort-Detrick-These

Operation Denver – Aids sei ursprünglich in geheimen Labors des US-Militärs entwickelt und als Biowaffe eingesetzt worden – diese Desinformation brachten KGB und Stasi im Verbund mit ostdeutschen Forschern ab Mitte der 1980er Jahre in Umlauf. Mit welcher Wirkung? Mit welcher Relevanz? Eine Studie der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) befasst sich mit der “ AIDS-Verschwörung “ und der ‚Fort-Detrick-These‘ von Jakob Segal.

„Die Amis waren’s“ – das US-Militär habe HIV insgeheim als Biowaffe entwickelt und deren Wirkung an Häftlingen getestet. Dann sei das Experiment außer Kontrolle geraten. Diese Verschwörungstheorie zum ‚wahren‘ Ursprung von HIV setzten KGB und Stasi ab 1985 in der Operation Denver zu Propagandazwecken in die Welt – tatkräftig unterstützt vom Biologie-Profesor Jakob Segal.

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Homosexualitäten

Giovanni’s Room – ältester schwuler Buchladen der USA

Giovanni’s Room, der älteste schwule Buchladen der USA, wird unter neuer Leitung weiter betrieben. Nach Rückzug des Gründers wurde ein neuer Betreiber gefunden, Giovanni’s Room nach Schließung im Mai 2014 schon im Herbst 2014 wieder eröffnet.

Giovanni’s Room wurde 1973 in Philadelphia von Tom Wilson Weinberg, Dan Sherbo und Bern Boylethe gegründet. Er befand sich ursprünglich in der South Street, musste dort jedoch wegen eines homophoben Vermieters schon bald wieder schliessen.

Ed Hermance und Arleen Oshan (letzterer bis 1986) übernahmen 1976 das Geschäft, und nach einem weiteren Umzug aufgrund Vermieter-Problemen befindet sich der älteste schwule Buchladen der USA seit Jahren mitten im Schwulen-Viertel von Philadelphia (Ecke 12th und Pine Street).

Seit 15. Oktober 2011 weist eine Tafel der ‚Pennsylvania Historical and Museum Commission‘ (PHMC) auf den (seit der Schließung des Oscar Wilde Bookshop in New York, s.u.) ältesten schwulen Buchladen der USA hin.

Giovanni's Room in Philadelphia, Februar 2014 (Foto: Smallbones)
Giovanni’s Room in Philadelphia, Februar 2014 (Foto: Smallbones, public domain)

Giovannis Room LGBT/Feminist Bookstore in Philadelphia. PHMC historic marker in front of building. building constructed 1820 according to the Rolling Stone [1] – SmallbonesCC0

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HIV/Aids

RENT Hamburg – „Robin Hood zu spielen hilft nicht für immer …“

RENT Hamburg : das Broadway-Erfolgs-Musical Rent von Jonathan Larson wurde seit Dezember 2013 in Hamburg gezeigt – und bot viele aktuelle Bezugspunkte, gerade in Hamburg selbst.

Junge Künstler, viele Ideen, wenig Geld, Wohnungsnot und Aids – Jonathan Larsons Erfolgs-Musical Rent (1996 bis 2008 ununterbrochen am Broadway aufgeführt) erzählt in einer Rock-Version die Geschichte der Bohème neu. Es war seit Dezember 2013 in Hamburg zu sehen.

RENT Hamburg
RENT Hamburg

Auch wenn Rent in New Yorks Lower East Side und Anfang der 1990er Jahre spielt, das Stück hat viele aktuelle Bezüge. Gerade auch in Hamburg, gerade auch in St. Pauli (wo Mitsteigerungen, Gentrifizierung, Vernichtung günstigen Wohnraums aktuelle Themen, die kurz vor ihrem Abriss stehenden ‚Esso Häuser‚ gleich um die Ecke sind) – Themen, die sich in Spielort St. Pauli und in der Spielstätte Grünspan bezugsreich spiegeln.

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Homosexualitäten

Our Time (Vito Russo 1983) – bahnbrechende TV-Serie jetzt im Internet

Our Time , die bahnbrechende TV-Serie des US- Autors, Historikers und Schwulenaktivisten Vito Russo aus dem Jahr 1983, ist 30 Jahre nach ihrer Erstausstrahlung nun digitalisiert und im Internet zu sehen.

1983 produzierte Vito Russo eine TV-Serie (für die er auch das Drehbuch schrieb) über die Schwulenszene: Our Time. Die Serie  wurde auf dem damals noch öffentlichen (1995 privatisierten) TV-Sender WPXN-TV ausgestrahlt.

Vito Russo, Autor und Produzent von Our Times , (1946 - 1990) am 28. Juni 1989 (Foto: Massimo Consoli)
Vito Russo, Autor und Produzent von Our Times ,  (1946 – 1990) am 28. Juni 1989 (Foto: Massimo Consoli, cc by-sa 2.5)

Vito Russo (1946-1990) on June 28 1989.Massimo ConsoliCC BY-SA 2.5

Our Time war die erste Sendereihe in den USA überhaupt, die Nachrichten und dokumentarisches Material über Schwule und Lesben zeigte – unter dem Motto „die Vielfalt lesbischen und schwulen Lebens aus unserer eigenen Perspektive“. 13 Episoden entstanden und behandelten Themen wie Geschichte von Lesben und Schwulen, Alkohol- und Drogenkonsum oder auch Aids – darunter auch ein früher Beitrag mit dem US-Autor Larry Kramer, der später u.a. Mitgründer von ACT UP wurde.

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Our Time – neu digitalisiert 2013

Vito Russo: Our Time (1983 / 2003)
(Episoden auf dieser Übersichtsseite verlinkt)

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Die Digitalisierung von Our Time, die die Verfügbarkeit im Internet erst möglich machten, wurde durch ein Crowdfunding-Projekt des US-Regisseurs und Produzenten Jeffrey Schwartz ermöglicht. 52 Unterstützer brachten insgesamt 3.670 US-$ auf, um die Digitalisierung zu ermöglichen.

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Vito Russo war Mit-Gründer der ‘Gay and Lesbian Alliance Against Defamation’ (GLAAD), die die Darstellung von Lesben und Schwulen in Mainstream-Medien beobachtet und jährlich die ‘GLAAD Media Awards’ (darunter auch den ‘Vito Russo Award’) verleiht. Bekannt wurde er insbesondere durch sein Buch “The Celluloid Closet” (1981). Russo engagierte sich zudem bei der Aids-Aktionsgruppe ACT UP. Er starb am 11. November 1990 in New York City an den Folgen von Aids.

Jeffrey Schwartz (geb. 1969 in New York) realisierte für einen US-amerikanischen Pay-TV-Kanal die Dokumentation ‚Vito‘ über Werk und Leben von Vito Russo, die 2011 uraufgeführt wurde. Schwartz jüngste Kino-Produktion ist ‚I am Divine‘ über den 1988 verstorbenen US-amerikanischen Schauspieler und Discosänger Divine. Schwartz‘ Firma ‚Automat Pictures‘ realisierte auch die Digitalisierung von ‚ Our Time ‚.

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HIV/Aids

ACT UP Deutschland und die USA – Ullis ACT UP Erinnerungen 4

Wie weit war ACT UP Deutschland von den USA inspiriert, wie weit geprägt von der Situation hier?

Dies ist der vierte Teil der Mini-Serie Ullis ACT UP Erinnerungen. Im ersten Teil habe ich über die Entstehung von ACT UP in Deutschland geschrieben, im zweiten Teil über ACT UP in Deutschland. Der dritte Teil befasste sich mit ACT UP Köln.

ACT UP, das ist doch eigentlich eine us-amerikanische ‚Erfindung‘, künstlich nach (West-) Deutschland geholt – ist gelegentlich zu hören. ACT UP – gar nur ein bezugsloser „Import aus den USA“?

ACT UP Deutschland – ein US-Import?

Ja, ACT UP war ein Import aus den USA. Auch. Aber nicht nur. Warum?

Andreas Salmen kam aus einem längeren USA-Aufenthalt in den USA zurück, hatte dort in New York die Gründung, ersten großen Meetings und kraftvollen Aktionen von ACT UP mit erlebt, den Furor, die Wut, die Zusammenarbeit verschiedener Gruppen von Aktivisten über Künstler bis Medienmacher.

Voller Feuer kam er nach Berlin zurück – und gründete dort eine ACT UP Gruppe. ACT UP Deutschland , ACT UP Gruppen in Deutschland übernahmen – so hat es den Anschein – die „Marke“ ACT UP, mit ihren Konzepten, Aktionsformen, ihren medial orientierten Arbeitsweisen, ihren Slogans.

Insofern, ja, ACT UP war ein Import aus den USA.
Ein Import, ein adaptierter Import, dessen wir uns bewusst waren.

In der von den ACT UP Gruppen in West-Deutschland (dort genannt: Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Nürnberg) geschalteten Traueranzeige für Andreas Salmen († 13.2.1992) heißt es

Andreas war derjenige, der die us-amerikanische ACT UP – Idee aufgegriffen und auf unsere Verhältnisse übertragen hat.

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ACT UP – die (west-) deutsche Seite

Politischer Aids-Aktivismus, auch unter dem Label ACT UP, entstand in Deutschland vor dem Hintergrund von Wut, Verzweiflung, Angst.

Wut, z.B. über ignorante Medien (die sich weigerten, in einer Traueranzeige für den an Aids verstorbenen Schwulen-Aktivisten Jean-Claude Letist das Wort „schwul“ zu verwenden). Wut über Unternehmen die mit HIV-Tests versuchten, HIV-positive Bewerber auszusondern. Wut über Politiker, die „schwule Infrastruktur zerschlagen“ wollten. Wut über Medien und Journalisten, die agitierten, hetzten, Panik schürten – auf unserem Rücken.

Verzweiflung angesichts der ständig steigenden Zahlen an Infektionen, auch im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis. Verzweiflung über die Hilflosigkeit. Verzweiflung über die letztliche Aussichtslosigkeit jeglicher Bemühungen.

Angst, jetzt zerstören „sie“ das an schwulen Szenen, was unsere Vorgänger und wir mühsam aufgebaut haben. Angst errungene Freiheiten einem Virus und der Panik davor opfern zu müssen. Angst davor, bald bist du selbst an der Reihe.

Aktionen wie in Köln am 5. Mai 1988  beim Besuch von Peter Gauweiler (siehe Erinnerungen ACT UP Köln) – wären wohl, hätten wir ACT UP damals bereits gekannt, die Bedeutung der ‚Marke‘ erkannt, eine reife und große ACT UP Aktion gewesen. Wir kannten ACT UP damals noch nicht – was Wirkung und Qualität der Aktion nicht schmälert. Aber vielleicht darauf hinweisen mag, dass es auch in (West-) Deutschland früh Formen des (auch militanten) Aids-Aktivismus gab. Einen Drang zum Handeln, der dann in ACT UP seinen Fokuspunkt fand.

Eine Betrachtung von ACT UP isoliert von anderen (auch zeitlich teilweise vorangegangenen) Formen des (politischen) Aids-Aktivismus gibt also ein verzerrtes Bild – oder umgekehrt: politischen Aids-Aktivismus in (West-) Deutschland einzig aus dem Blickwinkel ACT UP zu betrachten wäre eine verengte Perspektive.

ACT UP Graffiti an einem Teil der Berliner Mauer (aufgenommen 2008 im 'Newseum, USA, Foto: Queerbubbles)
ACT UP Graffiti an einem Teil der Berliner Mauer (aufgenommen 2008 im ‚Newseum, USA, Foto: Queerbubbles, Lizenz cc by-sa 3.0)

A section of the Berlin Wall with Graffiti regarding Act Up. Taken at the Newseum in DC.QueerbubblesCC BY-SA 3.0

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Unterschiedliche Situationen

Einige der ‚großen‘ Aktionen, meist von mehreren oder allen westdeutschen ACT UP – Gruppen ge­meinsam geplant und durchgeführt, basieren auf Aktionen in den USA, so der ‚Marlboro-Boykott‘ (der mit dem Protest gegen die Unterstützung des rechtsgerichteten US-Politikers Jesse Helms zudem ein stark US-lastiges Thema hatte), sowie die wohl größte Aktion der westdeutschen ACT UP Gruppen, ‚Stoppt die Kirche‘ im Dom zu Fulda

Passten diese Aktionen überhaupt hierher, nach Deutschland? Verstand irgend jemand, worum es geht? Fühlen sich Menschen hier persönlich betroffen, berührt von dem Thema?
Lange und intensiv diskutierten wir (nicht nur bei diesen beiden Aktionen) die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen in USA und West-Deutschland,  und die unterschiedliche Aids-Situation. Die politische Ignoranz dem Thema Aids gegenüber war mit Politikern wie Ronald Reagan in den USA wesentlich ausgeprägter als hierzulande. Und die Strukturen des Gesundheitssystems sicherten hier anders als in den USA (fast) jeder/medizinische Versorgung. Eine unreflektierte Übernahme von Aktionen verbat sich also von selbst, hätte deren Erfolgsaussichten von vornhinein sabotiert.

Beide Aktionen (um bei den beiden Beispielen zu bleiben) hatten auch immer Nähe zur Situation hier. Viele Schwule, auch viele Positive, waren viel und gerne in die USA gereist. Dass sie es nun, so sie HIV-positiv waren, nicht mehr durften, und dass der Politiker, der für dieses Verbot gesorgt hatte, intensiv von einem Zigaretten-Hersteller finanziell unterstützt wurde – das ging sie sehr wohl etwas an, das betraf sie.
Die Kir­che war (und ist) auch in Deutschland einer der Haupt-Träger zahlreicher Pflegeeinrichtungen und Kranken­häuser, Einrichtungen in denen auch viele HIV-Positive und Aids-Kranke waren. Wenn Bischöfe von Aids als der Strafe Gottes fabulierten, schwulen Sex verurteilten, jegliche Pflege und Unterstützung von einem „na aber auf persönlicher Ebene helfen wir trotz aller Ablehnung“ vergiftet schien – dann verstandene viele sofort, dass die Haltung der Kirche zu HIV und Aids sie, ob selbst gläubig oder nicht, sehr wohl ganz konkret etwas anging.

Andere Aktionen waren genuin aus deutschen Problemen heraus entstanden, so z.B. Proteste gegen die Airline Lufthansa (Diskriminierung HIV-Positiver bei der Einstellung) oder die über mehrere Jahre stattfindenden Aktionen, um HIV-Positiven und Aids-Kranken Zutritt zu und Gehör auf Deutschen Aids-Kongressen zu verschaffen.

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Austausch – mit den USA, mit anderen ACT UP Gruppen

Keine ACT UP Gruppe agierte isoliert ‚vor sich hin‘. Regelmäßiger Austausch unter einander war üblich.

Wir waren in Austausch mit US- ACT UP Aktivisten. Einige von uns hatten viele persönliche Kontakte, andere keine, lasen aber aktuelle ACT UP – nahe Literatur aus den USA. Wieder andere scherten sich nicht um US-Entwicklungen und -Debatten.

Und wir hatten praktischen Austausch mit den USA, wenn auch nur sporadisch. Besonders intensiv im Rahmen des Trainings in Gewaltfreiheit („non-violent action“) im Waldschlößchen (durch Paula aus den USA).

Viel wichtiger als der Austausch mit den USA, mit US-Aktivisten [1] aber war meiner Erinnerung nach im konkreten Leben der Gruppen, in unseren Aktionen und Debatten der Austausch unter einander, zwischen den ACT UP Gruppen in (West-) Deutschland – weswegen wir uns oft und intensiv (immer mehrtägig) trafen.

Bereichernd hinzu kam der Austausch mit anderen europäischen Gruppen auf den ACT UP Europe Treffen, besonders um zu erstehen welche unterschiedlichen Situationen und Rahmenbedingungen auch in Europa bestehen, wie sie sich auf unsere Aktionen auswirken.

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Salmen, A.: (Hg.) ACT UP Feuer unterm Arsch. Die AIDS-Aktionsgruppen in Deutschland und den USA. Deutsche AIDS-Hilfe, Berlin 1991 (AIDS-Forum DAH Sonderband, pdf)
Ulrich Würdemann / ondamaris 13.02.2009: Andreas Salmen

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[1] Intensiver und für unsere Arbeit wichtiger wurde der Austausch mit US-Aktivisten meiner Erinnerung nach erst, als sich (nicht nur) mein Aktivismus-Schwerpunkt vom (politischen) Aids-Aktivismus zum Therapie-Aktivismus verschob.

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ACT UP Erinnerungen:
1. Entstehung von ACT UP
2. ACT UP in Deutschland
3. ACT UP Köln
4. ACT UP Deutschland und die USA
5. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda
6. Das Ende von ACT UP in Deutschland
7. nach ACT UP – was bleibt?

Diese kleine Mini-Serie bildet nur meine persönlichen Erinnerungen an meine ACT UP Zeit ab. Ich freue mich sehr über Anmerkungen, Korrekturen, Ergänzungen – ob per Kommentar oder persönlicher Nachricht!

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HIV/Aids

Aids Walk 1988 San Francisco

„AIDS Walk“ – unter diesem Motto finden seit 1985 Benefiz-Events in den USA statt, die dazu beitrugen, Millionen-Beträge für die Aids-Bekämpfung zu sammeln, so auch der Aids Walk 1988.

Der erste Aids-Walk fand 1985 in Los Angeles statt, zwei Jahre später auch in New York und San Francsico. Max Kirkeberg, inzwischen 80 Jahre alt, der erstmals 1988 am Aids-Walk in San Francisco teilnahm, weist darauf hin, dass zu Beginn vor allem Schwule, die meisten von ihnen HIV-positiv, am Aids-Walk teilnahmen

„In the early years of the AIDS Walk, most of the walkers were gay men and most of them were infected with HIV.“

Aids Walk 1988 – Fotos

Plakat für den Aids Walk 1988
Plakat für den Aids Walk 1988
Plakat für den Aids Walk 1988
Plakat für den Aids-Walk 1988

Fotos: Juni 1988, San Francisco, während der ‚Carnival procession & market‘

Den ‚ Aids Walk ‚ gibt es in den USA immer noch. 2013 findet er in San Francisco am 21. Juli statt (New York: 19. Mai, Los Angeles 13. Oktober).

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HIV/Aids

Erfindung des safer sex : Mai 1983 “How to Have Sex in an Epidemic“

Im Mai 1983 erschien die erste Broschüre, in der das HIV-Risiko vermindernde Sex-Verhaltensweisen für Schwule bejahend propagiert wurden – die Erfindung des safer sex :

30 Jahre safer sex “How to Have Sex in an Epidemic – die erste safer sex -Broschüre“

Im Mai 2013 jährt sich nicht nur die erstmalige Beschreibung von HIV als Erreger von HIV, sondern auch „die Erfindung von safer Sex“, die erstmalige Darstellung von ’safer sex‘ in einer Broschüre.

Am 20. Mai 1983 veröffentlicht Luc Montagniers Arbeitsgruppe ein Bild des neuen Erregers in der Zeitschrift “Science”. Und nahezu zeitgleich (und kurz nach Larry Kramers Wut-Rede „1,112 and counting“ vom 14. März 1983) erschien in den USA die Broschüre „How to have sex in an epidemic“ (Wie kann man Sex haben in Zeiten einer Epidemie?).

In den USA veröffentlichen der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend (1933 – 2021) und zwei seiner Patienten, der 1993 verstorbene Schriftsteller und Musiker Michael Callen und Richard Berkowitz (portraitiert in dem Dokumentarfilm ‘Sex positive’), eine der ersten umfassenderen Aufklärungsschriften: “How to Have Sex in an Epidemic“.

30 Jahre safer sex : How to Have Sex in an Epidemic (Berkowitz Callen Sonnabend 1983, Cover)
30 Jahre safer sex : How to Have Sex in an Epidemic (Berkowitz Callen Sonnabend 1983, Cover)

How to have sex in an epidemic: one approach” war die erste Sex bejahende Anleitung für risikomindernde Praktiken für schwule Männer. Sonnabend, Berkowitz und Callen propagieren darin u.a. als eine der ersten ‘Safer Sex’:

Sex doesn’t make you sick – diseases do… Once you understand how diseases are transmitted, you can begin to explore medically safe sex.

Der Ratgeber stand damit damals im Gegensatz zu den Vorschriften, die Ärzte Schwulen zu machen versuchten.

Die 40 Seiten umfassende Broschüre erschien erstmals im Mai 1983 in einer Start-Auflage von 5.000 Exemplaren.

Bereits zuvor, im November 1982, hatten Callen und Berkowitz (gemeinsam mit Richard Dworkin) unter dem Titel “We know who we are: Two Gay Men Declare War on Promiscuity” [2] einen Text im New York Native veröffentlicht, ein Vorläufer ihrer safer sex Broschüre und geradezu eine Manifest gegen Promiskuität (die sie nicht als unmoralisch, sondern als „ganz simpel gefährlich“ bezeichneten:

Diejenigen unter uns, die ein Leben exzessiver Promiskuität gelebt haben im schwulen Grossstadt-Zirkus zwischen Saunen, Darkrooms, Sexclubs und Cruisingbars wissen wer wir sind … Die Promisken unter uns saßen bisher während dieser Epidemie eher schweigend am Rand, und durch unser Schweuigen haben wir stillschweigend Spekulationen um einen neuen, mutierten Andromeda-Virus befördert. Wir schwiegen, weil wir nicht willens waren die Verantwortung zu übernehmen für die Rolle, die unser ausschweifendes leben in der gegenwärtigen Gesundheitskrise spielt. Aber tief in unserem inneren wissen wir, wer wir sind, und warum wir krank sind.“ [[2], Übersetzung UW]

Sie zeigten sich damit damals als Vertreter der ‘multifaktoriellen Hypothese’ zum Entstehen von Aids. Die ‘single factor theory’ setzte sich letztlich mit dem Entfdecken von HIV und der Erkenntnis, dass HIV die Ursache von Aids ist durch – doch Berkowitz ist sich noch heute sicher, dass es nur den Anhängern der Multi-Faktoren-Theorie möglich war. das Konzept des safer sex zu entwickeln:

“Safe sex was never – and could never – have been proposed in the terrifying early years by those who believed that if you had one broken condom you were dead. It was therefore left to the multifactorialists to invent safe sex.”

Eine weitere, ebenfalls zu dieser Zeit erschienene Broschüre, gilt ebenfalls als weiterer ‘Urvater’ des Safer Sex Konzepts: das Flugblatt ‘Play Fair!’ der Sisters of Perpetual Indulgence San Francisco (unter Leitung der ausgebildeten Krankenpfleger Sr. Florence Nightmare und Sr. Roz Erection).

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[1] Richard Berkowitz, Michael Callen: How to Have Sex in an Epidemic: One Approach
[2] Richard Berkowitz, Michael Callen, Richard Dworkin: “We know who we are: Two Gay Men Declare War on Promiscuity” New York Native, November 8—21, 1982
Michael H. Merson, Jeffrey O’Malley, David Serwadda, Chantawipa Apisuk: „The history and challenge of HIV prevention“ The Lancet. online, 6. August 2007 (pdf)
Huffington Post 06.02.2013: Saving Safe Sex: An Interview With Richard Berkowitz
International gay & Lesbian Review 2003: Stayin’ Alive: The Invention of Safe Sex
Sisters of Perpetual Indulgence: Play Fair! (1982)
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HIV/Aids

Pozitively Healthy – neue US-Positiven-Organisation?

Pozitively Healthy – heißt so die neue US-weite HIV-Positiven-Interessenvertretung in den USA, Nachfolger der erst jüngst in Insolvenz gegangenen NAPWA?

Eine neue Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, USA-weit für die Interessen der Communities von HIV-Positiven einzutreten. Pozitively Healthy, so der Name der neuen Organisation, sei Teil der Aids-Organisation HealthHIV aus Washington, so die Organisatoren in einer Mitteilung vom 10. Mai 2013.

Pozitively Healthy (Logo, Grafik HealthHIV)
Pozitively Healthy (Logo, Grafik HealthHIV)

Das Ziel von Pozitively Healthy ist es, eine starke unabhängige Stimme der 1,3 Millionen Menschen mit HIV/Aids in den USA sicherzustellen“. Ziel sei es, den Zugang zu qualitativ hochwertiger gesundheitlicher Versorgung und bestmöglicher Prävention sicherzustellen in Zeiten der Umsetzung der US-Gesundheitsreform.

An der Organisation beteiligen sich, so die Mitteilung Presseberichten zufolge, u.a. auch das Names Project und Aids-Publikationen. Hauptsitz werde Washington sein. Aids-Aktivisten überall aus den USA seien eingeladen sich zu beteiligen.

Die bisherigen USA-weite HIV-Positiven-Organsaition National Association of People With AIDS (NAPWA) hatte erst jüngst im Februar 2013 ihree Insolvenz erklärt.

Unter den 16 Mitgliedern des Vorstands von Pozitively Healthy sind auch 5 Mitglieder des ehemaligen Vorstands von NAPWA, darunter dessen ehemaliger Direktor Frank Oldham.

Aids-Aktivisten wie Michael Petrelis warnen angesichts der personellen Nähe zur früheren NAPWA zur Vorsicht.

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HealthHIV: Pozitively Healthy – A National Coalition Advocating for HIV-positive Communities
Washingtion Balde 16.05.2013: New AIDS group debuts as NAPWA successor
Michael Petrelis 13.05.2013: Meet the New NAPWA, Same as the Old NAPWA?

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HIV/Aids

Aids Veteranen : Als kämen wir aus einem Krieg zurück, der viele kaum interessierte

Michelangelo Signorile, Aids-Aktivist und in den USA sehr bekannter Rundfunk-Moderator, stellt die Frage der Aids Veteranen, befasst sich in einem sehr lesenswerten Artikel mit dem Lebensgefühl von Schwulen über 40, die die Aids-Krise ‚überlebt‘ haben.

Ein mir wesentlich erscheinender Passus:

Für Schwule über 40 ist es als seien wir aus einem Krieg zurückgekehrt, einem Krieg der den meisten weit weit weg und entfernt war, selbst als er stattfand – anders als die aktuellen Kriege der  vergangenen zehn Jahre. Alle unter uns, die diese Phase von Aids mitmachten, haben heute mit Trauer und der Schuld der Überlebenden zu kämpfen. Manche kämpfen gar mit tieferen Narben und etwas das Posttraumatischen Belastungsstörungen nahe kommt. Vieles vermengt sich mit anderen Themen, wie der Frage des Älterwerdens. Aber, wie John Voelkers jüngst bemerkte, anders als für die Veteranen anderer Kriege gibt es für die Überlebenden des Aids-Kriegs keine Unterstützungsstrukturen, ganz zu schweigen von massenhafter Trauer wie bei Kriegsopfern oder anderen Denkmalen, Trauer über all die Tausenden die an Aids gestorben sind.“ [freie Übersetzung, UW]

Michelangelo Signoriles Artikel basiert auf seinem Beitrag für ein Symposium unter dem Titel „Ist das mein schönes Leben? Perspektiven von Überlebenden der Aids-Generation“ („Is this my beautiful life? Perspectives from survivors of the Aids generation“)

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Michelangelo Signorile in New York währned der (von ihm mit organisierten) Proteste gegen 'Proposition 8' vor dem Lincoln Center Mormonen-Versammlungsraum (Foto: David Shankbone)
Michelangelo Signorile in New York während der (von ihm mit organisierten) Proteste gegen ‚Proposition 8‘ vor dem Lincoln Center Mormonen-Versammlungsraum (Foto: David Shankbone, Lizenz cc by-sa 3.0)

Michelangelo Signorile at the New York City protest outside the Lincoln Center Mormon temple he helped organize in protest of California Proposition 8.David ShankboneCC BY-SA 3.0

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Viele von Signoriles Gedanken sagen mir einiges. Das Gefühl eines gepflegten (manchmal auch gelangweilten, seltener auch ruppigen) Desinteresses, das einem begegnet wenn man endlich doch einmal darüber sprechen mag, was für Verwüstungen Schmerzen Narben Aids im eigenen, in meinem Leben hinterlassen hat, und wie ich damit (oder auch nicht) klar komme. Die Gefühle stiller Bestürzung, wenn ich sehe wie (in welcher Form, an welchen Orten, zu welchen Zeiten, mit welcher Resonanz usw.) bei uns der an Aids Verstorbenen gedacht wird. Das Gefühl der Schuld des Überlebens (über das ich schon vor einigen Jahren kurz geschrieben habe). Usw usw.
‚Opa erzählt vom Krieg‘, nennen wir auf Positiventreffen schmunzelnd die Programm-Ecke, in der „altes Aids“ biographisch erzählt wird. Wenige bemerken, was alles in dieser ‚lustigen‘ Formulierung stecken mag. Auch wenn der begriff Aids veteranen befremdlich klingen mag …
Die Aufarbeitung der ersten Aids-Jahre, wie sie in den USA nun beginnt (siehe das genannte Symposium), ist in Europa und Deutschland noch weitgehend unerforschtes Territorium …

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Michelangelo Signorile 09.05.2013 (in Huffington Post): The First AIDS Generation: Grappling With Why We’re Alive and What It Means

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siehe auch: Michelangelo Signoriles Bemerkungen zu „Aktivismus hat uns voran gebracht, nicht schwuler Mainstream

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HIV/Aids

2013 – Larry Kramer bekommt Tony Award

Der Autor und Aids-Aktivist Larry Kramer erhielt den Tony Award (Sonder) am 8. Juni 2013 für sein aktivistisches Engagement. Der Isabelle Stevenson Award gehört seit 1947 zu den Tony Awards. Der Tony ist der bedeutendste amerikanische Theater-Preis.

Autoren, die auch Aktivisten sind, werden nur sehr selten als Künstler ernst genommen„,

Tony Award kommentierte Larry Kramer die Ehrung. Er freue sich über den Preis als Anerkennung dafür, dass ein seriöser Künstler auch ein seriöser Aktivist sein könne.

Larry Kramer im Frühjahr 2007 auf dem Balkon seiner Wohnung in New York (Foto: David Shankbone)
Larry Kramer im Frühjahr 2007 auf dem Balkon seiner Wohnung in New York (Foto: David Shankbone)

Larry Kramer spring 2 by David ShankboneDavid ShankboneCC BY-SA 3.0

Larry Kramer (geb. 25. Juni 1935 in Bridgeport, Conneticut, gest. 27. Mai 2020 in New York) erhielt bereits im Jahr 2011 einen Tony Award im regulären Wettbewerb, für die beste Wiederaufnahme eines Stückes, sein 1985 erstmasl erschienenes Bühnenstück „The Normal Heart“ am Broadway.

Kramer ist seit 30 Jahren eine der lautesten und engagiertesten Stimmen in den USA im Kampf gegen Aids. Er ist Mitgründer von Gay Men’s Health Crisis GMHC (1982) sowie von ACT UP New York (1987). Vor 30 Jahren erschien mit 1,112 and counting einer seiner wichtigsten frühen Aids-Texte, um die Schwulen New Yorks wachzurütteln, ein Text der sich heute wie ein frühes ACT UP – Manifest liest.

Der Isabelle Stevenson Award ist ein außerhalb des Wettbewerbs verliehener Tony Award. Er wird verliehen an Personen aus der Theater-Welt, die einen substantiellen Beitrag im Namen von humanitären, sozialen oder wohltätigen Organisationen geleistet haben. Er ist benannt nach Isabelle Stevenson, verstorbener Präsidentin der American Theatre Wing, die den Tony Award verleiht. Er wurde 2009 erstmals verliehen.

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