Kategorien
Politisches

Stonewall 1969 – “The big news here is Gay Power”

“we’re part of a vast rebellion of all the repressed” – mit diesen Worten beschreibt der US-amerikanische Schriftsteller Edmund White in einem Brief, was sich Ende Juni 1969 am New Yorker Stonewall Inn abspielte – den Beginn dessen, was heute als CSD gefeiert wird.

Die CSD-Saison hat bereits begonnen, viele größere und kleine Städte feiern wieder den “Christopher Street Day”. Feiern – und über das Feiern ist der Ursprung dessen, was heute Selbstverständlichkeit scheint, weitgehend in Vergessenheit geraten: das Aufbegehren von Schwulen gegen Polizei-Willkür am Stonewall Inn. Erst seit kurzem ist ein Brief breit verfügbar, in dem US-Schriftsteller Edmund White 1969 über die Vorgänge berichtet.

New York Ende der 1960er Jahre. Immer wieder führt die Polizei Razzien durch in Bars, die als Homosexuellen-Treffpunkte gelten. Drangsalierungen, Erniedrigungen, Diskriminierungen. So auch in der Nacht des 27. auf den 28. Juni 1969. Wieder einmal Polizei-Razzia im ‘Stonewall Inn’ in der Christopher Street im New Yorker Greenwich Village.

Kategorien
Homosexualitäten Politisches

Harvey Milk (1930 – 1978)

Harvey Milk wurde am 22. Mai 1930 in Woodmere nahe New York geboren. Er war 1977 der erste offen schwule Stadtrat in San Francisco. Vermutlich war er der erste offen schwul lebende Politiker überhaupt in den USA. Am 27. November 1978 wurde Milk nach nur elfmonatiger Dienstzeit vom ehemaligen Stadtrat Dan White erschossen.

2009 wurde Milk posthum von Präsident Obama mit der Freiheitsmedaille ausgezeichnet. 2018 ist die Benennung eines Terminals des Flughafens von San Francisco nach Harvey Milk geplant.

Harvey Milk as Mayor for a Day, March 7, 1978, Photo by Daniel Nicoletta, Lizenz cc by-sa 3.0

Harvey Milk filling in for Mayor Moscone for a day in 1978Daniel Nicoletta – CC BY-SA 3.0

Nach seinem gewaltsamen Tod wurde Milk zu einer schwulen Ikone, zu einem Symbol eines neu erwachten schwulenpolitischen Bewusstseins im San Francisco der 1970er Jahre.

Das Leben des ‘Bürgermeisters der Castro Street‘ wurde in Büchern und Dokumentarfilmen nachgezeichnet; Gus van Sant drehte darüber einen mit 2 Oscars prämierten Film.

Harvey Milk Tag – 22. Mai

In Kalifornien wird am 22. Mai 2010 erstmals offiziell der “Harvey Milk Day” begangen. Gouverneur Schwarzenegger hatte in der Nacht zum 12. Oktober 2009 nach langem Sträuben den ‘Harvey Milk Day bill’ (AB 2567) unterzeichnet.

Das Harvey Milk Day – Gesetz (AB 2567) wurde im ersten Anlauf trotz positiver Verabschiedung im kalifornischen Senat am 30. September 2008 durch Gouverneur Schwarzenegger mit einem Veto verhindert. Doch der Senator Mark Leno brachte das Gesetz (unter der neuen Bezeichnung SB 572) im Februar 2009 erneut im Senat ein. Am 14. Mai 2009 stimmte der kalifornische Senat diesem Gesetz zu. Aktivisten hatten bis zuletzt ein erneutes Veto Schwarzeneggers befürchtet, doch Gouverneur Schwarzenegger unterzeichnete es kurz vor Ablauf der Frist um Mitternacht. Nahezu 40.000 Bürger Kaliforniens hatten eine entsprechende Petition unterstützt.

Geoff Kors, Geschäftsführer von ‘Equality California’, kommentierte, erstmals sei eine offen schwul-lesbisch-transgender Person offiziell durch eine Regierung anerkannt worden. Im Ergebnis würden nun die Errungenschaften Harvey Milks für Jahrzehnte an Schulen unterrichtet:

“The Milk Day Bill marks the very first time an openly LGBT person has been officially recognized by any state government.  As a result, Harvey’s legacy and our history will be taught for decades to come and youth will learn that they have a role model who sacrified everything to make the world safer and more equal for them.”

Gleichzeitig unterzeichnete Schwarzenegger den ‘Bill 54′, mit dem in anderen Staaten geschlossene Homo-Ehen in Kalifornien zukünftig anerkannt werden.

„Hope will never be silent“

Der Harvey-Milk-Tag soll in ganz Kalifornien mit besonderen Aktionen begangen werden, insbesondere an öffentlichen Schulen und Bildungseinrichtungen soll dem Tag Rechnung getragen werden. Der ‘Harvey Milk Day’ wird (aus Kostengründen) kein arbeitsfreier Feiertag sein, sondern ein sog. ‘day of significance’, der fünfte dieser Art in Kalifornien.

Im Gesetzestext des Senats heißt es

“This bill would require the Governor to proclaim May 22 of each year as Harvey Milk Day, and would designate that date as having special significance in public schools and educational institutions and encourage those entities to conduct suitable commemorative exercises on that date.”

Der ‘Harvey Milk Day 2010′ stand unter dem Motto ‘Hope will never be silent’ – Hoffnung wird nie schweigen …

“There is hope for a better world,
there is hope for a better tomorrow!
Without hope, not only gays, but those blacks, the disabled, the seniors, the us,
without hope, the us give up!
I know that you cannot live on hope alone
but without it life is not worth living!
but you, and you, and you got to give them hope!

(Harvey Milk)

.

2008: Harvey Milk Büste im Rathaus San Francisco

Am 22. Mai 2008 – es wäre Milks 78. Geburtstag gewesen – wurde im Rathaus von San Francisco nach siebenjährigen Vorbereitungsarbeiten eine Büste Milks in einer öffentlichen Zeremonie enthüllt. Die Büste steht in der ‘Ceremonial Rotunda’.

Die Bronze-Büste ist ein gemeinsames Projekt des Komitees ‘Harvey Milk City Hall Memorial‘ und der San Francisco Arts Commission.

.

SFO – bald mit Harvey Milk Terminal

Terminal 1 des San Francisco International Airport SFO wird nach Harvey Milk benannt.

Die Umbenennung wurde ursprünglich bereits 2013 vorgeschlagen. Der damalige (ebenfalls offen schwule) Supervisor David Campos strebte an, den gesamten Flughafen nach dem ehemaligen Stadtrat zu benennen.

Ein daraufhin eingesetztes Gremium schlug 2017 vor, zwar nicht den gesamten Flughafen, aber Terminal 1 als Harvey B. Milk Terminal zu benennen. Das zuständige Finanzgremium der Stadt stimmte dem am 22. März 2018 zu.Das SFO Museum forderte im Oktober 2018 die Bürger der Stadt auf, Erinnerungsstücke an Harvey Milk wie z.B. Photographien für zwei Ausstellungen Terminal zur Verfügung zu stellen. Die Ausstellungen sollen im Sommer 2019 (Eröffnungsausstellung) und ab Beginn des Jahres 2020 (Dauerausstellung) im dann umbenannten Harvey B. Milk Terminal stattfinden.

Terminal 1 wird täglich von über 32.000 Passagieren benutzt.

.

2009: Freiheitsmedaille für Harvey Milk

Am 12. August 2009 wurde der 1978 ermordete erste offen schwule US-Politiker Harvey Milk von US-Präsident Obama posthum mit der Freiheits-Medaille ausgezeichnet. Die Freiheits-Medaille ist die höchste Ehrung der USA für Zivilpersonen.

US-Präsident Obama kündigte am 29. Juli 2009 an, dass Milk für seine Verdienste posthum die Freiheits-Medaille verliehen werde. Stellvertretend für Harvey Milk wird die Medaille in einer Zeremonie am 12. August 2009 von seinem Neffen Stuart Milk in Empfang genommen werden.

Das Weiße Haus teilte zur Verleihung an die insgesamt 16 Empfänger mit

“This year’s awardees were chosen for their work as agents of change.  Among their many accomplishments in fields ranging from sports and art to science and medicine to politics and public policy, these men and women have changed the world for the better.  They have blazed trails and broken down barriers.  They have discovered new theories, launched new initiatives, and opened minds to new possibilities.”

Die Presidential Medal of Freedom wurde 1945 von Harry S. Truman eingeführt als Ehrung für herausragende Dienste während des 2. Weltkriegs. John F. Kennedy wandelte sie 1963 in eine Ehrung für zivile Dienste in Friedenszeiten um.

.

Gedenken an Harvey Milk 2016

Während des Nominierungs-Parteitags der Demokraten benannte der kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Tim Kaine, historische Persönlichkeiten, die dazu beitrugen, dass die USA „the next chapter in our great and proud story“ öffnen. Neben einigen anderen Persönlichkeiten (als Abnerkennung ihres Status‘ nur bei Vornamen genannt) führte er auch an „Martin had a dream and Cesar y Dolores said si se puede. And Harvey gave his life„.

Die US Navy plant 2016, ein Schiff nach Harvey Milk zu benennen, ein Ölversorgungsschiff der ‚John-Lewis-Klasse‘ der Seeflotte (T-AO-206) solle USNS Harvey Milk heißen.

2018 kündigte Portland an, eine der Hauptstraßen der Stadt nach Harvey Milk benennen zu wollen.

2019 – Harvey Milk Platz in Paris

Seit dem 19. Juni 2019 erinnert ein Platz im 4. Arrondissement in Paris an Harvey Milk, die place Harvey Milk.

Kategorien
HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Sylvester: offen schwule Disco-Pop Ikone unterstützt Aids- Organisationen

Bekannt wurde Sylvester James mit Hits wie “Do You Wanna Funk” oder “You Make Me Feel (Mighty Real)”. Nach seinem Tod kommen Einnahmen aus seiner Musik Aids-Organisationen zugute.

Sylvester James, US-amerikanischer Soul– und Disco-Musiker und ‚Queen of Disco‘, wurde bekannt unter seinem Vornamen “Sylvester” – und durch seine spektakulären Drag-Auftritte. Songs wie “Do You Wanna Funk” (1982) oder “You Make Me Feel” (1978) wurden große Hits in der Disco-Ära der späten 1970er und frühen 80er Jahre. Sylvester wurde zu einer der schwulen Ikonen der Disco / HI-NRG.

Immer noch sind seine Songs gelegentliche Party-Hits – oder kommen als Remakes wieder auf den Markt, wie “You Make Me Feel” 1990 von Jimmy Somerville. Eine Single seines letzten Albums “Mutual Attraction”, der Song “Someone Like You”, wurde 1986 mit Cover Art von Keith Haring veröffentlicht.

Sylvester – vom Gospel zum Disco Pop

Sylvester James wurde am 6. September 1947 in Los Angeles geboren. Seine Gesangs-Karriere begann früh, bereits im Alter von sieben Jahren sang er in einem Gospel-Chor. Und begann sich anders als andere Jungs zu kleiden. In einer TV-Sendung 1986 [Video] erinnerte er sich

„When I was little, I used to dress up, right? And my mother said, ‚You can’t dress up, you gotta wear these pants and these shoes. And you have to, like, drink beer and play football.‘ And I said, ‚No I don’t!‘ And she said, ‚You’re very strange.‘ And I said, ‚That’s OK!‘ „

Mit 16 gehörte er zu den Disquotays, einer Gruppe farbiger Crossdresser. Nach seinem Umzug nach San Francisco begann er bei  den Cockettes, einer Off-Theatergruppe („die einzigen mir bekannten drag queens, die Lenin lasen„, John Waters).

Bald jedoch suchte er ’sein eigenes Ding‘, und startete Sylvester and the Hot Band. Er nahm einige Alben auf, wechselte schließlich zu dem ehemaligen Motown-Produzenten Harvey Fuqua. Etwa 1978 entschied er sich, sich zu einer Disco Queen zu verwandeln. Später erklärte er

„Here were all those people putting out disco, making lots of money and becoming famous and everything. So we thought ‚why not?‘ We’ll put it out and nobody will like it and we certainly won’t like it, but we’ll do it.“

1978 trat Sylvester beim Geburtstag von Harvey Milk auf, dem ersten offen schwule Stadtrat in San Francisco. Ein Durchbruch wurde You make me Feel (Mighty Real) – nachdem Disco-Techniker und Synthesizer-Spieler Patrick Cowley ihn von einem Gospel-orientierten Song hin zu einem Dancefloor-Hit veränderte.

Sylvsters nächste LP Step II wurde vergoldt, brachte ihm mehrere Preise und zahlreiche große Auftritte. San Franciscos Bürgermeisterin Dianne Feinstein erklärte den 11. März 1979 zum Sylvester Day [viel später, 2015, wird erneut ein Sylvester Day erklärt, dieses Mal am 13. Februar 2015  anläßlich der Premiere des Mighty Real: A Fabulous Sylvester Musical].

Seine Hits stürmen die Charts, er macht Tourneen in Amerika und Europa. Er selbst, ebenso wie sein Label, versuchten aus dem Disco-Label auszubrechen, andere Musik zu machen – doch er blieb mit Disco, mit HI-NRG assoziiert.

Sylvester ist der einzige Musiker, dem auf dem Rainbow Honor Walk im Castro District gedacht wird. 2004 widmet sich eine wissenschaftliche Konferenz seinem Wirken und seiner Musik. 2014 erzählte das Off-Broadway-Musical Mighty Real! sein Leben.

Sylvester und HIV / Aids

Sylvester lebte offen schwul. Er unterstützte Aids-Organisationen mit Benefiz-Konzerten, ließ an seine Konzert-Besucher Aids-Informationen verteilen.

Sylvesters Partner Rick Cranmer erfuhr 1985 von seiner HIV-Infektion, an der er selbst im September 1987 starb. Sylvester erkrankte Ende 1987 schwer; noch vom Krankenbett gab er Interviews in denen er von seiner Aids-Erkrankung berichtete. 1988 nahm er, bereits schwer erkrankt, in einem Rollstuihl sitzend an der Gay Pride Parade in San Francisco teil.

Er starb am 16. Dezember 1988 im Alter von 41 Jahren in Oakland, Kalifornien an den Folgen von Aids. Er wurde auf dem Inglewood Park Cemetry beigesetzt.

Über 21 Jahre nach seinem Tod kamen erstmals Einnahmen aus seiner Musik zwei lokalen Aids-Organisationen in Kalifornien zugute. ‘AIDS Emergency Fund’ und ‘Project Open Hand’ erhielten aus dem Nachlass einen Scheck über zusammen 140.000 US-$.

Sylvester selbst hatte bereits im Mai 1988 testamentarisch die Rechte an „You Make Me Feel (Mighty Real)“ dem AEF und dem Nahrungsprogramm für HIV-Positive am San Francisco General Hospital vermacht.

Doch Sylvester hinterließ bei seinem Tod Schulden in Höhe von 350.000$, so dass Nachlassverwalter (und Freund) Tim McKenna den beiden Organisationen kein Geld auszahlen konnte. Nach seinem Tod übernahmen Tony Elite und seine Frau die Nachlass-Verwaltung. Ende der 1990er Jahre waren Sylvesters Schulden abgetragen – und Überschüsse wurden erwirtschaftet.

2010 erhielten AEF und Project Open Hand 75% bzw. 25% der Nachlass-Einnahmen – und können zukünftig mit weiteren Mitteln rechnen, aus Rechten an Sylvesters Song.

.

Kategorien
Berlin Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Hunter Reynolds (1959 – 2022) aka Patina du Prey

Der us-amerikanische Künstler, AidsAktivist und ‚Visual Aids‚ – Mitglied Hunter Reynolds (1959 – 2022) verlieh in seinem alter ego ‘Patina du Prey’ und ihren Kleidern und Performances seit Anfang der 1990er den Gefühlen und Verlusten der Menschen mit HIV und Aids Ausdruck.

Hunter Reynolds, Berlin 18.07.2009
Hunter Reynolds, Berlin 18.07.2009

Bekannt wurde Hunter Reynolds, der früh Mitglied von ACT UP wurde und 1989 Art Positive mit gründete, u.a. mit seiner Kunstfigur ‘Patina du Prey’ und seinen Performances (u.a. Memorial Dress).

In seinem alter ego ‘Patina du Prey’ und ihren Kleidern und Performances verlieh Reynolds, der selbst seit 1984 Jahren von seiner HIV-Infektion wusste, seit Anfang der 1990er den Gefühlen und Verlusten der Menschen mit HIV und Aids Ausdruck.

„Patina was born on october 21, 1989. I was documenting the feminization of my male face—putting on makeup and taking pictures, which I had never done before. I wanted to address negative feelings that many male queers have against trans and gender-fluid people.“

Hunter Reynolds in einem Interview 2019

Sein ‘Memorial Dress’ (1993) z.B. besteht aus schwarzer Seide – bedruckt in Gold mit den Namen von 25.000 an den Folgen von Aids Verstorbenen. Besucher können in einem Gästebuch Namen ergänzen, die sie auf dem Kleid gedruckt haben möchten.

„In 1993, I moved to Berlin for a residency at the Künstlerhaus Bethanien, leaving everything. I didn’t know if I would be alive in two years or not. Those years were some of the worst of the epidemic. Thousands of people died just before the AIDS cocktail came out. As part of my first European performance I wanted to do a reading of names of people who had died due to complications with AIDS. I went to Washington, DC, to see the largest display of the NAMES quilt, got the catalogue, and did the first performance on one of my hospital bed pieces. That led to ‚Memorial Dress.‘ Frank Wagner curated the first major European art exhibition about AIDS, and he and I decided to produce a dress with all the names from my reading. I transcribed 26,000 names, printed them out, and pasted each one to create a silk screen.“

Hunter trägt dieses Kleid, dreht sich – einer Spieluhr nicht unähnlich – langsam auf einer Scheibe.

Eine Travestie der Trauer, Symbol des grenzenlosen Leids angesichts der von diesem grauenhaften Gesundheits-Desaster vernichteten Menschen”, beschrieb Frank Wagner (NGBK) 1993 die erste ‘Memorial Dress’ – Performance in der NGBK Berlin.

Trauer, Verlust, Angst, Hoffnung – ‘Patina du Prey’ verlieh ihnen Ausdruck, Gestalt. Die, wie Hunter es sagte, Huldigung einer Fummmeltrine an die an Aids Verstorbenen.

Reynolds, am 30. Juli 1959 in Rochester geboren, lebte in den 1990er Jahren lange Zeit in Berlin (u.a. Künstlerhaus Bethanien, als Stipendiat der Aids-Stiftung). In dieser Zeit hatte er zahlreiche Ausstellungen und Performances, u.a. in Berlin (NGBK), Köln, Hamburg, Polen, Niederlande.

Ende der 90er kehrte Reynolds zurück nach New York, wo er weiter als Künstler arbeitete.

Am 12. Juni 2022 starb Hunter Reynolds in New York.

Hunter Reynolds 2009 zurück in Berlin

Der Künstler und Aids-Aktivist Hunter Reynolds war nach langer Zeit 2009 für kurze Zeit wieder zurück in Berlin – und mit einem Werk in einer Gruppenausstellung zusehen.

Für einige Tage kehrte Reynolds 2009 nach Berlin zurück, um hier seinen 50. Geburtstag zu feiern. Ein Werk von ihm war seinerzeit in einer Ausstellung in der Galerie Rupert Goldsworthy zu sehen.

Hunter Reynolds, alias Patina du Prey, sets his full stakes on this performative act of differentiation. He is happy to be different from the rest; to lie diagonally in the riverbed of the Mainstream; to feel a sense of belonging with the Others: the Queens, the Fags, the Perverse.

Frank Wagner über Hunter Reynolds, 1993

.

„Viruses follow me around, like dark shadows trailing my footsteps on the path of life. Covid-19, HIV AIDs, Syphilis, Hep-C, HIV Strokes, Viral Fungal Infections on my brain. Illness and death have been so much a part of my life and art that I cannot separate them.“

Hunter Reynolds

.

weitere Informationen:
oral history – Interview mit Hunter Reynolds
Hunter Reynolds – Memorial Dress 1993 – 2007 (Video)
Galerie Rupert Goldsworthy
Creative Time: Patina du Preys Memorial Dress
Visual Aids / TheBody: Patina du Prey’s Memorial Dress
.

Kategorien
Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Dustin Lance Black: keine Entschuldigung – das Recht auf Sex ohne Kondom

Ein Promi hat Sex ohne Kondom. ‚Bareback‘, ‚Entschuldigung‘, gellt es durch die Medien. Und – wo ist das Problem?

„Dustin Lance Black entschuldigt sich für durchgesickerte Fotos mit ungeschütztem schwulem Sex“, titelt PinkNews, und ggg.at legt reißerisch nach „Dustin Lance Black: Bareback-Bilder aufgetaucht“.

Dustin Lance Black, der Autor des Drehbuchs zu dem Film „Milk, hatte also Sex mit einem anderen Mann. Sex, bei dem dieser in ihn eindrang, ohne Kondom. Drei Jahre alte Bilder, von einem ex-Lover an die Öffentlichkeit gezerrt, sollen dies zeigen.

Na und?

So weit sind wir also schon, dass man sich für Sex ohne Kondom rechtfertigen, entschuldigen muss?

Lance Black mag ein Problem haben. Aber das Problem lautet nicht „Sex ohne Kondom“.
Blacks Problem lautet vielleicht „Glaubwürdigkeit“ oder „warum hab ich Sex ohne Kondom, wenn ich gleichzeitig Safe Sex predige“ (in den USA wird „safe sex“ propagiert, nicht „safer Sex“ wie in Deutschland)

Das Problem von Herrn Black heißt nicht „Sex ohne Kondom“.

Wissen ggg.at, pinknews und co, welchen Serostatus Herr Black hat? Und ob er vielleicht -egal ob HIV-positiv oder HIV-negativ- einen Partner mit gleichem Serostauts hat(te)? Oder eine Partner, der HIV-positiv ist und die EKAF-Bedingungen erfüllt, also sexuell nicht infektiös ist?
Oder geht es mal wieder nur um Spektakel, um billige „Bareback-Schlagzeilen“?

Und – was geht das Sexleben von Herrn Black eigentlich die Boulevard-Presse an, egal ob homo oder hetero?

Niemand muss sich dafür entschuldigen, einvernehmlich Sex ohne Kondom zu haben. Erst recht nicht öffentlich. Egal, ob Nobody oder Promi. Niemand.

siehe auch:
PinkNews 15.06.2009: Milk screenwriter Dustin Lance Black apologises for leaked unprotected gay sex photos
ggg.at 15.06.2009: Dustin Lance Black: Bareback-Bilder aufgetaucht
Steven Milverton: Dustin Lance Black – Er hätte sich nicht entschuldigen müssen
LifeLube 15.06.2009: Milk screenwriter Dustin Lance Black apologises for ???
DAH Blog 17.06.2009: Blanker Hohn
.

Kategorien
Kulturelles

Liquid Sky (1982) – New Wave Kult Film

Liquid Sky – der New Wave Film von Slava Tsukerman aus dem Jahr 1982 wird in New York längst als legendärer Kultfilm betrachtet – in Deutschland ist er inzwischen nahezu unbekannt. 2018 wurde eine restaurierte Fassung in 4K Abtastung auf BluRay veröffentlicht.

Liquid Sky Regisseur Slava Tsukerman und Schauspielerin Anne Carlisle 2017 (Foto: Pburka, Lizenz cc by-sa 4.0)
Liquid Sky Regisseur Slava Tsukerman und Schauspielerin Anne Carlisle 2017 (Foto: Pburka, Lizenz cc by-sa 4.0)

Director Slava Tsukerman and actor Anne Carlisle at a screening of Liquid Sky at the Quad Cinema, New York City, May 28, 2017Pburka – CC BY-SA 4.0

Liquid Sky

In einem Apartment mit Dachterrasse in Manhatten lebt ein lesbisches Paar. Margaret, aus Conneticut stammend, ist enttäuscht von New York. Ihre mit Heroin (im US-Slang: Liquid Sky) dealende Freundin Adrian ist Musikerin und Performance Künstlerin, spielt auf einer Rhythm Box, die sie sich umgehängt hat.

Auf Margarets Balkon landet ein tellergroßes Ufo. Nicht weiter besorgniserregend, doch  … die Außerirdischen, denen Johann, ein deutscher Wissenschaftler schon auf der Spur ist, haben ein seltsames Bedürfnis. Sie ernähren sich von Endorphinen, genauer sie verschlingen Margarets männliche Sex-Partner im Moment von deren Orgasmus. Margaret selbst überlebt – sie kommt nie zum Organmus mit Sexpartner_innen, an denen sie nicht wirklich interessiert zu sein scheint. Und das bisexuelle Modell ist bereit den Aliens reichlich Nahrung zuzuführen … während unterdessen der asexuell erscheinende deutsche UFO-Forscher versucht, die Aliens einzufangen und zu untersuchen.

Tsukerman selbst sagt über Liquid Sky

„My basic idea behind Liquid Sky was creating a parable which would include most of the hot mythical topics of the period: sex, drugs, rock ’n’ roll, violence, aliens from the outer space. The story of Cinderella was the basic … This story was very often used in traditional Hollywood, as the embodiment of the American dream: the American Cinderella always finds her Prince Charming. I thought that the post-punk Cinderella of the ‘80s wouldn’t be able to find her prince among the men surrounding her. Her Prince Charming, ironically, would come in a small flying saucer from outer space.“

Liquid Sky – ein queerer Science Fiction ?

Ein Avantgarde – Science Fiction in fast Warhol-artigem Stil. Post Punk gemischt mit New Yorks New Wave – Szene der frühen 1980er Jahre. Gedreht überwiegend tatsächlich in Neon-Beleuchtung. Eine Filmmusik, die die Club-Szene und den baldigen ElectroClash beeinflusste. Ein Aufeinandertreffen von Sexualitäten jenseits starrer Geschlechterrollen, Drogenkonsum und Cybertech. Ein ‚science fiction queer movie‚ ?

„Whether or not I like someone doesn’t depend on what kind of genitals they have.”
(Margaret zu Paul, der sie fragt ob sie auch mit Frauen Sex habe)

who we are is a cretive act
(Anne Carlisle in einem Interview 2017)

Anne Carlisle spielt in beeindruckender Weise in Doppelrolle sowohl das bisexuelle biologisch weibliche Modell Margaret als auch den drogengebrauchenden biologisch männlichen androgynen Jimmy.

Liquid Sky – ein ‚Film vor Aids‘ ?

Orgiastische Sexualität, Drogen und Tod. Ein Film über ‚orgamsms killing people‚  – auch eine Metapher auf die sehr frühen Jahre der Aids-Krise?

Sätze wie „doesn’t that mean orgasms are dangerous“ oder „I’m killing all the people that I fuck“ können – von später, vonn den Aids-Jahren aus betrachtet – auch anders als ’nur‘ queeerer Science Fiction gelesen werden. Der Schluß des Films, wenn nach und nach immer mehr Neon-Lichter verlöschen, wird so auch zu einem Abgesang auf eine Zeit vor Aids.

Im Jahr 1982 erfolgten bereits 539 Aids-Diagnosen in New York, 212 New Yorker_innen waren bereits an den Folgen von Aids verstorben. Und nur wenige Monate später im März 1983 verfasst Larry Kramer seine Wut-Rede „1,112 and counting“.

Slava Tsukerman

Slava Tsukerman wurde 1940 in Moskau geboren. Die einzige Filmschule des Landes nahm jährlich nur 15 neue Schüler auf – er war nicht dabei. Stattdessen studierte er Technik, näherte sich dem Film von dieser Seite. Begann mit Wissenschafts-Dokumentationen. 1961 erster Film I Believe in Spring.

1973 emigieren Tsukerman und seine Ehefrau Nina Kerova, ausgebildete Schauspielerin, nach Israel. Mit einem der dort realisierten Dokumentarfilme nimmt er an einem Filmfestival in den USA teil – und entdeckt New York als ‚Zentrum der kulturellen Freiheit‚.

1976 ziehen beide nach New York. Zunächst dreht er zahlreiche Dokumentarfilme, oft über die Zeit des Endes der Sowjetunion.

Anne Carlisle

Anne Carlisle studierte in New York Fine Arts. Bei einem Casting lernte sie Slava Tsukerman kennen.

2017 kommentierte sie Liquid Sky, in dem Film seien viele Personen darmaturgisch verdichtet, so auch ein Bekannter, der sie immer ‚chicken woman‚ nannte. Zu möglichen Bezügen zur baldigen Aids-Krise bemerkte sie „they were dying of Aids, but nobody knew what it was yet.“

Nach Liquid Sky und einigen kleineren rollen machte Carlisle ihren Master in Art Therapy. Sie arbeitete mit Aids-Patienten, später Obdachlosen.

Liquid Sky – Produktionsnotizen

Der Film hatte ein sehr begrenztes Budget von etwa einer halben Million US-Dollar bei 28 Drehtagen. Teile des Films wurden in Tsukermans damaligem Apartment in Manhatten gedreht. Nahezu die Hälfte des Materials wurde unter Neon-Licht gedreht (was sich bei der Restaurierung als Herausforderung erwies).

Anekdote am Rand: während des Putsches im August 1991 soll dem unter Arrest gestellten Gorbatschow und seiner Frau Raisa ein wenig Unterhaltung gestattet worden sein – der Film Liquid Sky.

In New York und anderen Städten der USA lief der Film vier Jahre in einzelnen Kinos. Auch international war der Film ein großer Erfolg, besonders in Japan und West-Deutschland.

Liquid Sky war lange Zeit nahezu nicht zu sehen. Eine VHS, später Laser Disc Version und DVD waren m.W. nur in den USA erschienen und längst vergriffen. Im Streaming ist er nicht verfügbar. Im Kino waren keine Kopien mehr, einzig Tsukermans private Kopie wurde sehr selten in New York gezeigt.

Bis 2018. Der Film erschien im März 2018 in restaurierter Fassung in Kinos (in den USA) sowie im April 2018 als BluRay (USA, Region 0). Dafür wurde der Film nicht nur restauriert, sondern neu abgetastet in 4K – Auflösung vom 35mm-Negativ und farbkorrigiert.

Tsukerman und Carlisle arbeiten zudem an einem Konzept für ein Sequel.

.

Liquid Sky
USA 1982, 112 Minuten
Regie Slava Tsuzkerman
Kamera & sepcial effects Yuri Neyman
Buch Slava Tsukerman, Anne Carlisle, Nina V. Kerova
Produktion Nina V. Kerova
Darsteller_innen Anne Carlisle, Paula E. Sheppard, Susan Doukas, Otto von Wernherr, Bob Brad
Musik Slava Tsukerman, Brenda I. Hutchinson, Clive A. Smith

Uraufführung August 1982 Montreal World Film Festival
Kinostart USA 15. April 1983
Kinostart West-Deutschland 14. Oktober 1983

1982 Special Jury Price, Montreal World Film Festival
Special Jury Prize for Visual Impact, Cartagena Film Festival
Audience Award, Sydney International Film Festival
Special Prize of the Jury, Brussels International Film Festival
Special Jury Prize, Manila International Film Festival

.

Kategorien
Kulturelles Paris

Susan Sontag (1933 – 2004)

Susan Sontag wurde am 16. Januar 1933 als Susan Rosenblatt in New York geboren. Bekannt wurde sie als Essayistin, Schriftstellerin und Publizistin. Susan Sontag starb am 28. Dezember 2004 in New York.

Nachdenkliche, kritische Gedanken zu äußern, auch wenn sie unbequem waren, unerwünscht – dieser Mut, diese aufrechte Haltung zeichneten Susan Sontag aus, die ‘grande dame’ der us-amerikanischen Publizistik. Welche Zuschreibungen mit Krankheit verbunden sind, persönlicher wie auch psychologischer oder letztlich politischer Natur, damit hat sich Susan Sontag immer wieder beschäftigt – und sich gegen sie gewehrt.

Die am 16. Januar 1933 in New York geborene Susan Sontag wurde für ihre schriftstellerischen, publizistischen und gesellschaftskritischen Arbeiten vielfach mit Preisen ausgezeichnet (u.a. Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2003).

Theaterplatz Susan Sontag
Theaterplatz Susa Sontag, Hamburg, Kampnagel

Aids und seine Metaphern” (1989; m.W. erste Rezension: NYT Books 16.1.1989) war bei seinem Erscheinen ein ‘Muss’ der kulturellen Auseinandersetzung mit Aids, und ist auch heute noch unbedingt lesenswert, ebenso wie sein ‘Vorgänger’ “Krankheit als Metapher” (1978). Beide basieren auch auf ihren eigenen Erfahrungen als Krebs-Patientin. Beide thematisieren Krankheit als ‘Werkzeug’ der Stigmatisierung. Beide sind, wie ein Kritiker bemerkte, “an exemplary demonstration of the power of the intellect in the face of the lethal metaphors of fear” (Michael Ignatieff, The New Republic).

Was einen umbrachte, waren nach meiner Überzeugung die Ammenmärchen und Metaphern rund um den Krebs. Die Menschen sollten Krebs einfach als Krankheit begreifen lernen – eine ernste Krankheit, aber eben eine Krankheit, weder Fluch noch Strafe, noch Peinlichkeit … Und nicht zwangsläufig eine Krankheit zum Tode.

Susan Sontag, “Aids und seine Metaphern”, 1988

Sontag kritisiert ein bestimmtes Konzept von Krankheit, das sie als ‘plague’ (in der deutschen Ausgabe als ‘Plage’ übersetzt, möglich wäre auch ‘Seuche’ oder ‘Pest’) bezeichnet. Krankheiten, die entstellten oder sexuell übertragbar seien, würden vorzugsweise so bezeichnet – und seien oft mit Bestrafungs-Phantasien konnotiert.

Diese Übung hat Tradition bei sexuell übertragenen Leiden: Sie werden als Bestrafung nicht eines einzelnen, sondern einer ganzen Gruppe
verstanden.

S. Sontag, “Aids und seine Metaphern”, 1988

.

Sontag, zunächst verheiratet mit einem Soziologen, bezeichnete sich selbst ab ihrem 25. Lebensjahr als bisexuell. Sie lebte viele Jahren in Beziehung mit der Photografin Annie Leibovitz.

Sie starb am 28. Dezember 2004 im Alter von 71 Jahren in New York an Leukämie. Sontag wurde beigesetzt auf dem Friedhof Montparnasse in Paris.

Literature was the passport to a larger life, that is, the zone of freedom.

Susan Sontag

.

Susan Sontag über “die Exklusivität der Liebe”

Die Ehe ist eine Art stillschweigendes Jagen in Paaren. Die ganze Welt in Paare gefasst, jedes Paar in seinem eigenen kleinen Haus, wo es seine eigenen kleinen Interessen wahrt + in seiner eigenen kleinen Zweisamkeit schmort – etwas Abstoßenderes gibt es nicht. Die Exklusivität der Liebe in der Ehe gehört abgeschafft.

Susan Sonntag, 15. Februar 1958 (in: „Wiedergeboren – Tagebücher 1947 – 1963“

.

Susan Sontag über Altern

Die Angst vor dem Altwerden gründet auf der Erkenntnis, dass man das Leben, das man sich wünscht, nicht jetzt lebt. Das ist fast, als würde man die Gegenwart missbrauchen.

Susan Sontag am 9. Dezember 1961 in ihrem Tagebuch

.

Kategorien
COVID19 HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Richard Berkowitz – 1982 Erfinder des safer Sex

Schwul, Stricher, S/M – keine Ideal-Voraussetzungen für einen Film-Helden. Und nicht die Biographie, die man hinter einem Aids-Aktivisten vermutet. Der Film „Sex Positive“ portraitiert Richard Berkowitz, Aids-Aktivist der ersten Stunde.

Daryl Wein Regisseur von Sex Positive über Richard Berkowitz(Foto: darylwein.com)
Daryl Wein Regisseur von Sex Positive (Foto: darylwein.com)

‚Sex Positive‘ – unter diesem Titel portraitiert 2008 der Film des Regisseurs Daryl Wein den schwulen SM-Sexworker Richard Berkowitz.

Richard Berkowitz – Aids-Aktivist der ersten Stunde

Berkowitz wurde Anfang der 1980er Jahren zum Aids-Aktivisten. Er war einer der ersten, die in den USA Safer Sex propagierten.

Berkowitz veröffentlichte im November 1982 (!) zusammen mit Michael Callen (-> zero patience)im New York Native den Artikel “Wir wissen, wer wir sind: Zwei schwule Männer erklären der Promiskuität den Krieg”.

Er versuchte über Sexpraktiken zu informieren, die mit einem hohen HIV-Infektionsrisiko verbunden sind, er sprach sich u.a. gegen Drogengebrauch, Promiskuität und einige Sexpraktiken aus. Er führte Aids nicht nur auf ein Virus zurück, sondern auch auf Promiskuität und ‚missbräuchliche Verwendung des eigenen Körpers‘. Seine Haltung brachte ihm unter Schwulen- und Aids-Aktivisten nicht nur Beifall, sondern auch zahlreiche Kritik ein.

Der Artikel „How to Have Sex in an Epidemic: One Approach“ von Berkowitz, Michael Callen, Dr. Joseph Sonnabend und Richard Dworkin von 1983 gilt als erster sexfreundlicher ‚Safer Sex – Ratgeber‘ für Schwule.

Berkowitz war u.a. auch einer der Teilnehmer der legendären ‚Denver Conference‘, auf der die Denver Prinzipien verabschiedet wurden, eine der ersten politischen Selbst-Äußerungen von Menschen mit HIV und Aids. Aus der Konferenz ging (ebenfalls mit Beteiligung von Berkowitz) die ‚National Association of People with Aids‘ (NAPWA) hervor.

Der Dokumentarfilm ‚Sex Positive‘ (2008) von Daryl Wein ist für zahlreiche Festivals nominiert. Im Juli 2008 gewann er den ‚Grand Jury Prize‘ des LA Outfest. Der Film kam in den USA im März 2009 in die Kinos. In Deutschland hatr der Film m.W. keinen Verleih gefunden.

.

2021: How to have Sex in a Pandemic

In Zeiten der Corona Pandemie berichtet Ricard Berkowitz im Sommer 2021 in Folge 1 der Dokumentation „How to Have Sex in a Pandemic“ darüber, wie 1983 das Konzepot des safer Sex entstand:

How to have Sex in a Pandemic Folge 1
Kategorien
HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Jesse Helms (1921 – 2008)

Jesse Helms war ein US-Politiker (Republikaner) und langjähriges Mitglied des US Senats. Er galt als ausgesprochen homosexuellenfeindlich und betrieb eine Aids-Politik der Ausgrenzung.

Jesse Alexander Helms wurde am 18. Oktober 1921 in Monroe, North Carolina (USA) geboren. Vom 3. Januar 1973 bis 3. Januar 2003 war Helms Senator für den Bundesstaat North Carolina.

Helms war einer der aggressivsten Kämpfer gegen Rechte von Schwulen und Lesben in den USA. Er betrieb eine offen antihomosexuelle Politik, ebenso trat er gegen Gleichberechtigung von Afroamerikanern ein. Vielen nicht nur in den USA galt er als Inkarnation des Begriffs ‘Homophobie’. Und wenig überraschend war Helms auch ein Vertreter einer ganz und gar nicht liberalen Aids-Politik.

„Nothing positive happened to Sodom and Gomorrah and nothing positive is likely to happen to America if our people succumb to the drumbeats of support for the homosexual lifestyle.“
(Nichts Positives ist in Sodom und Gomorrha geschehen, und Amerika wird wahrscheinlich nichts Positives geschehen wenn unser Volk den Trommeln für die Unterstützung eines homosexuellen Lebensstils erliegt. [Übers. UW])

Jesse Helms, zitiert in New York Times 5. Juli 2008
Jesse Helms (Foto: United States Senate)
Jesse Helms (Foto: United States Senate)- Public Domain

Jesse Helms starb am 4. Juli 2008 im Alter von 86 Jahren in Raleigh (North Carolina).

Jesse Helms und das US-Einreiseverbot für Positive

Jesse Helms sprach sich u.a. lange gegen eine staatliche Förderung der Aids-Forschung aus. Und eine der bekanntesten “Erfolge” von Helms war das Einreiseverbot für Menschen mit HIV und Aids in die USA.

Das sogenante “Helms Amendment” (benannt nach seinem Initiator, Amendment vom 31. Mai 1987) wurde im Juli 1987 eingeführt. Durch das Helms-Amendment wurde HIV in die Ausschluß-Liste der Einreiseregelungen des US Public Health Service aufgenommen. 1993 wurde diese Regelung vom US-Kongress sogar in Gesetzesrang erhoben.

Das durch Helms begründete HIV-Einreiseverbot bestand trotz zahlreicher nationaler und internationaler Proteste bis 2010. Es endete nach 22 Jahren erst am 4. Januar 2010 unter US-Präsident Obama.

ACT UP protestiert gegen Jesse Helms

Aufgrund seiner aggressiv gegen die Interessen von Menschen mit HIV und Aids gerichteten Politik wurde Helms auch zur Zielscheibe von Aktionen von ACT UP.

Viele Schwule, auch viele Positive, waren viel und gerne in die USA gereist. So sie HIV-positiv waren, durften sie dies nicht mehr. Der Politiker, der für dieses Verbot gesorgt hatte, wurde intensiv von einem Zigaretten-Hersteller finanziell unterstützt. Der ‚Marlboro Boykott‘ (ab 1990) fand dementsprechnd große Unterstützung und wurde zu einer der großen internatonalen Aktionen von ACT UP:

'Marlboro Boykott' (Aufkleber, ca. 1991)
‚Marlboro Boykott‘ (Aufkleber, ca. 1991)

.

Auch politische Widersacher als Menschen zu respektieren halte ich für mich persönlich für eine Grundlage politischer Arbeit. Jesse Helms allerdings hat so viel Hass gesät, so unendlich viel Schaden angerichtet, agitiert und gekämpft gegen Lesben und Schwule, gegen Menschen mit HIV und Aids – es wäre wirklich geheuchelt, würde ich jetzt Trauer zeigen angesichts seines Todes.

.

Kategorien
Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Männlich? Weiblich? Spielt keine Rolle – genderneutraler Ausweis in SF

Innovative Wege bei Ausweis-Papieren geht San Francisco. Der Stadtrat hat beschlossen, eigene städtische Ausweispapiere auszugeben, die keinen Hinweis auf das Geschlecht enthalten – der genderneutrale Ausweis.

Das San Francisco Board of Supervisors beschloss am 20. November 2007, eigene ID-Cards auszugeben. Dies ist bereits in vielen Städten der USA in Überlegung. Einer der Vorteile städtischer ID-Cards: sie können ggf. unabhängig vom legalen Status der Person ausgegeben werden (und sind damit auch Bestandteil der Debatten um illegale Immigration in die USA).

Auch in San Francisco lagen die Beweggründe für städtische ID-Cards anfangs überwiegend in aufenthaltsrechtlichen Fragen. Zudem war Anlass, dass Bemühungen um eine Reform der Einwanderungs-Gesetzgebung vorher gescheitert waren. Die Stadt wollte Einwohnern, die nicht in der Lage sind, legale staatliche Papiere zu erhalten, zumindest eine städtische Ausweis-Möglichkeit bieten.

Dann allerdings traten Transgender-Organisationen auf den Plan. Ihr Anliegen: auch die Situation transsexueller Menschen mit in Betracht zu ziehen. Eine Personenstands- Änderung ist in den USA zwar möglich, aber Zeit- und besonders Kosten-aufwändig.

Das Ergebnis der Debatten: ab 2008 wird San Francisco ein eigenes Ausweis-Papier einführen, das neben einem Foto der Person ausschließlich den Namen und das Geburtsdatum erwähnt, nicht jedoch das Geschlecht – ein genderneutraler Ausweis

Trans-Männer und Trans-Frauen, Transgender- / Transsexuellen-Aktivisten feiern die neue Karte als Erfolg; endlich sei eine genderneutrale Ausweis-Möglichkeit vorhanden.

Das Gesetz über den geschlechtsneutralen städtischen Ausweis muss noch vom Bürgermeister der Stadt, Gavin Newsom, unterzeichnet werden.

.

Das California Senate Bill No. 179 (SB 179; auch Gender Recognition Act; Gesetzestext) wurde am 15. Oktober 2017 verabschiedet. Damit haben alle Bürger Kaliforniens die Möglichkeit, nicht-binäre Ausweisdokumente zu erhalten.