Frankreichs Konservative haben sich 2015 umbenannt – statt UMP nun ‚Die Republikaner‘ (les républicains ). Homogegner einer Tochter-Organisation der ‚la manif pour tous‘ können ihren Einfluss in der Parteiführung weiter ausbauen.
Aus der UMP (Union pour un mouvement populaire, ‚Union für eine Volksbewegung‘) wird ‚Les Républicains ‚ (‚Die Republikaner‘). Dies beschlossen die Mitglieder der Partei Ende Mai 2015 auf Vorschlag der Parteiführung um ex-Präsident Nikolas Sarkozy mit großer Mehrheit von über 83%. Eine weitere Entwicklung in der verwirrenden Vielfalt des französischen Parteiensystems?
Neuer Name, neues Logo, neues Programm – doch ist für Schwule, Lesben, Bis und Trans* wirklich Neues von der neu benannten Partei zu erwarten? Frischer Wind – oder doch nur Schall und Rauch?
Sarkozy bleibt Sarkozy – auch wenn er sich seinerzeit ‚zahmer‘ gab, ‚mitfühlender‘. Kontinuität gibt es nicht nur an der Spitze der Partei, auch bei Personal und (mangelnder) Offenheit für LGBT-Themen.
Nicolas Sarkozy, en meeting pour la présidence de l’UMP à Saint-Cyr-sur-Loire le 15 octobre 2014. –
Sarkozy bemühte sich seit längerem intensiv, als Kandidat der französischen Konservativen UMP für die Wahl zum Präsidenten der Republik aufgestellt werden. Die Wahl fanden 2017 statt. Der Kandidat der Konservativen wurde 2016 in einer parteiinternen Vorwahl bestimmt.
Sein aussichtsreichster Gegenkandidat war der Bürgermeister von Bordeaux und frühere Premierminister Alain Juppé. Juppé hatte die ‚Ehe für alle‘ als de facto in der französischen Gesellschaft angekommen bezeichnet und einer Abschaffung widersprochen. Eine Haltung, die er am 31. Mai 2015 (kurz nach dem Umbenennungs-Parteitag der ‚Répubilcains‘) erneut bestätigte.
Im Frühjahr 2022, nachdem die Kandidatin der Republicains, Valerie Precresse mit unter 5% verheerend abgeschnitten hatte, fragten sich viele Politiker (auch der Partei selbst), ob diese ‚erledigt‘ sei, wenn sie sich nicht endgültig von rechtsextremem und identitärem Gedankengut abwende.
Precresse hatte mehrfach (besonders Rede im Zenith im Februar 2022) Gedanken mit rechtsextremem und identitärem Hintergrund übernommen. Noch am 11. März 2007 hatte der damalige Parteichef Chirac in seiner letzten öffentlichen Rede als Präsident (Video) gewarnt, die Partei solle sich niemals mit Extremismus, Rassismus oder Antisemitismus gemein machen.
„In unserer Geschichte hat der Extremismus uns fast ruiniert. Er ist ein Gift. Er trennt, er pervertiert, er zerstört. Alles in der Seele Frankreichs sagt nein zu Extremismus.“
Jacques Chirac am 11. März 2007
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Homogegner bei den ‚Républicains‘
Auch wenn die Partei umbenannt, das Politbüro teils neu besetzt wurde – für LGBT bleibt die Partei ‚alter Wein in neuen Schläuchen‘. Viele Spitzenpolitiker der ‚Republikaner‘ lehnen eine Gleichberechtigung von LGBT ab. Im Gegenteil, Homogegner können ihre Position in der Parteiführung weiter ausbauen. Insbesondere scheinen Bemühungen zunehmend erfolgreich, die Gruppe ’sens commun‘ in die Parteispitze zu integieren.
Das Politbüro, das früher bei der UMP 61 Personen umfasste, besteht bei den ‚Republikanern‘ seit 19. Mai 2015 aus 115 Politiker/innen. Unter den Führungskräften der neuen alten Partei befinden sich zahlreiche engagierte Gegner von Homosexuellenrechten, so z.B.
- Sébastien Pilard: Präsident von ‚Sens commun‘, der Organisation, die sich besonders dafür einsetzt, die Homogegner der ‚Manif pour tous‘ in die UMP zu integrieren.
- Madeleine de Jessey, bereits Ende 2014 zur Generalsekretärin für Ausbildungsprogramme der UMP ernannt und Sprecherin der aus der ‘manif pour tous’ 2013 hervorgegangenen Bewegung ‘Sens Commun’.
Sowohl Pilard als auch de Jessey, beide Spitzenkräfte von ’sens commun‘, setzen sich besonders dafür ein, die Gruppierung in die ‚Républicains‘ zu integrieren. Hinter den Bemühungen um Integration der Homogegner in die früher UMP steht ein Ziel: Die Organsation ‘sens commun’ wolle die Hauptkraft bei einem Regierungswechsel im Jahr 2017 werden, hatte Sprecherin de Jessey bereits Ende 2013 geäußert.
‘Sens Commun’ (“gesunder Menschenverstand”, geschätzt 5.000 Anhänger) ist eine Tochter-Organisation der ‚la manif pour tous‘ (lmpt), die ab 2012 die Massenproteste gegen die Einführung der ‚Ehe für alle‘ (Homoehe) organisiert hatte. Schon 2013 hatte UMP-Vorsitzender Sarkozy Repräsentanten von ’sens commun‘ offiziell empfangen.
Laurent Wauquiez (als dessen Schülerin und Protégée sich Medien zufolge de Jessey bezeichnet) war weiterhin als Generalsekretär Nummer 3 der Konservativen (auch wenn zwischenzeitlich Gerüchte über seine baldige Ablösung ‚wegen mangelnder Loyalität‘ die Runde machten). Wauqiez gilt unter Frankreichs Konservativen als besonders ausgeprägter Gegner der Homoehe, für deren Abschaffung er auch nach Einführung und Urteil des Verfassungsgerichts weiter kämpft.
Am 4. Februar 2016 ernannte Sarkozy zudem Catherine Giner zur für Familienpolitik zuständigen Delegierten. Giner wurde nach den Regionalwahlen 2015 bereit Zuständige für Familienpolitik in der Region PACA. Sie gilt als explizite Gegnerin der Homoehe und der ‚manif pour tous‘ nahestehend.
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Konservative in Frankreich – viele Namen, ein Konzept
Die (gaullistischen) Konservativen in Frankreich haben ab 1947 bereits mehrfach den Namen gewechselt.
- 1947 gründet Charles de Gaulle in der Vierten Republik (1946 – 1959) das RPR (Rassemblement du peuple français; Versammlung bzw. Sammlungsbewegung des französischen Volkes). Enttäuscht beendet er 1953 seine Aktivitäten für das RPF nach internen Spannungen. Das RPF wird aufgelöst, de Gaulle zieht sich zurück.
- 1958 wird mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung die Fünfte Republik gegründet. Einige gaullistische Gruppierungen gründen 1958 die UNR (Union pour la Nouvelle République; Union für die neue Republik). Ab 1962 unter Einbeziehung der 1959 gegründeten ‚linken Gaullisten‘ der Union démocratique du travail (UDT).
- Bei den Wahlen 1967 tritt die UNR unter dem Namen UDR oder UD-Ve an (Union des Démocrates pour la Ve République, Union der Demokraten für die Fünfte Republik). Seit kurz nach der Wahl wird nur noch die Bezeichnung UDR verwendet.
- 1971 folgt eine erneute Namensänderung. Nachdem sich nach dem Maiunruhen 1968 die Fünfte Republik stabilisiert hat, lautet der Name der Partei Union des démocrates pour la République (Union der Demokraten für die Republik).
- 1976 gründet Jacques Chirac nach dem Bruch mit Valéry Giscard d’Estaing und in der Zeit seiner Kandidatur als Bürgermeister von Paris die Nachfolge-Partei RPR (Rassemblement pour la République, Versammlung bzw. Sammlungsbewegung für die Republik).
- Die RPR und die Zentristen sowie Liberale Demokraten (DL) schließen sich 2002 zum Bündnis UMP (Union pour un mouvement populaire ; Union für eine Volksbewegung) zusammen.
- Diese UMP benennt sich schließlich im Mai 2015 um in Les Républicains (Die Republikaner).
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Les Républicains – mehr als nur ein Name?
‚Republikaner‘ – ein Parteiname, der für deutsche Ohren vorbelastet erscheint, klingt, so mögen konservative Parteistrategen in Frankreich hoffen, einfach besser als UMP. Doch der neue Name ist alles andere als unumstritten.
Schon die Geschichte des Parteinamens zeigt: es gab immer wieder gewisse Tendenzen, den Gedanken der Republik für sich zu vereinnahmen.
Kritiker bemerken angesichts des neuen Namens bereits, dieser könne nun auch ‚monopolisieren‘. Er könne dazu dienen, alle diejenigen, die sich nicht den ‚Republikanern‘ zugehörig fühlen, die außerhalb dieses ’strahlenden Ideals‘ stünden auszugrenzen. Philosophen kritisierten es als unverantwortlich, einer Partei einen Namen zu geben der vorspiegele alle die Republik schätzenden Bürger zu vereinen, so als gäbe es keine außerhalb dieser Partei.
Entsprechend bemerken rechte Konservative bereits, so wie sie ‚Sozialisten‘ mit ihrem Partei-Namen den Sozialismus verteidigen, würden die Konservativen mit dem neuen Partei-Namen ‚die republikanische Identität verteidigen‘. Und selbst Sarkozy erläuterte die Umbenennung, man wolle sich „zur Belebung der Republik“ nun an alle Franzosen wenden. Den Linken warf er vor, diese verteidigten nicht die Republik, sondern karikierten sie.
Mehrere Abgeordnete der Linken, einige Organisationen sowie 107 Einzelpersonen haben Beschwerde gegen den neuen Namen eingelegt- dessen Zulässigkeit die Justiz prüfte, die Einsprüche jedoch zurück wies.
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Auch die Homogegner der ‚manif pour tous‘ haben sich jüngst als Partei konstituiert. Ob neben Steuervorteilen (Absetzbarkeit von Spenden) doch auch politische Absichten dahinter stehen, blieb zunächst unklar.
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Mitte Dezember 2022 wählte die Partei mit 53,7% Eric Ciotti zum neuen Vorsitzenden. Ciotti gilt als rechter Hardliner. Für die Präsidentschapswahl 2027 kündigte er an, den ebenfalls sehr rechten Laurent Wauquiez als Kandidaten zu unterstützen.