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Frankreich wählt den Hauptwaschgang

Nikolas Sarkozy und Ségolène Royal sind die Kandidaten in der Stichwahl für das Amt des Präsidenten der französischen Republik

Schon bald nach der Schließung der Wahllokale um 20:00 Uhr war klar: die Entscheidung um den/die nächste/n Präsidenti/en Frankreichs wird in einer Stichwahl am 6. Mai fallen. Und in dieser Stichwahl werden Sarkozy und Royal gegeneinander antreten.

Die Wahlbeteiligung lag mit 84,5% extrem hoch – noch bei der Präsidentschaftswahl 2002 (bei der Chirac gegen Le Pen kandidierte) lag sie deutlich niedriger. Der jetzige Wert von fast 85% ist die zweithöchste jemals bei einer ersten Runde der ‘Présidentielles’ gemessene Wahlbeteiligung.
(bisheriger Rekord 1965: 84,75%)

31,1% für Sarkozy, 25,8% für Royal – die beiden stärksten Kandidaten hielten im ersten Wahlgang einen deutlichen Abstand zu den nächstplazierten Kandidaten (Bayrou 18,6%, Le Pen 10,5%). Grüne und linke Kandidaten schnitten überraschend schlecht ab.

Nikolas Sarkozy ist Spitzenkandidat der UMP (der von Chirac, seinem politischen Mentor, gegründeten neogaullistischen Union Pour Un Mouvement Populaire).
Sarkozy erzielte mit über 30% einen deutlichen Abstand zu Royal, und erreichte zudem sein persönliches Wahlziel.
Sarkozy gilt als nationalistisch orientierter Politiker (’Frankreich zuerst’), der der EU mit einer gewissen Skepsis gegenüber steht, hingegen deutlich an einer starken Zusammenarbeit mit den USA interessiert ist.
Sarkozy polarisiert – und wird von vielen Franzosen, weit über die Vorstädte hinaus, mit Befürchtungen gesehen. Sein oftmals rücksichtloses, knallhartes Auftreten, sein Ehrgeiz und seine Scharfmacher-Reden, sein Populismus, seine Tendenz die Gesellschaft zu spalten – sie lassen eine Präsidentschaft Sarkozys in den Augen vieler Franzosen als unkalkulierbares Risiko erscheinen. Während gleichzeitig weite Teile Frankreichs in ihm einen begnadeten und kompetenten Politiker sehen, der dem Land einen Ruck geben, einen Wechsel zum besseren durchsetzen könnte.
Das Konfliktpotenzial, das Sarkozys Tendenz zum Polarisieren mit sich bringt, dürfte allerdings in Widerspruch kommen mit der französischen Neigung zur Harmonie, zum gaullistischen “wir sind doch alle Franzosen”.

Ségolène Royal ist Spitzenkandidatin der PS, der Sozialistischen Partei. Politischer Ziehvater der 53jährigen im Senegal geborenen Sozialistin ist der ehemalige Staatspräsident Francois Mitterand. Derzeit ist Royal Präsidentin der Region Poitou-Charente.
Royal erzielte mit über 25% ein (gerade im Vergleich zu den Wahlen 1995 und 2002) beachtlich gutes Ergebnis – das Debakel von 2002 gilt damit als vergessen.
Royal forderte im Wahlkampf z.B. eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns (SMIC) auf 1.500 Euro monatlich. Zudem kündigte sie im Fall eines Wahlsiegs neue Programme zur Bekämpfung der (in Frankreich mit über 20% sehr hohen) Jugendarbeitslosigkeit an. Sie betonte die besondere Bedeutung des Bildungswesens, um eine tatsächliche Chancengleichheit herzustellen.
Für viele Franzosen blieb Royal während des Wahlkampfs etwas farblos – es war schwer, sie auf ein konkretes Programmprofil festzulegen. Sie vermied oftmals Klarheiten, vielleicht auch um ihre Chancen gegen Sarkozy und zur Mitte hin offener zu halten.

Bis zuletzt hatten Wahlbeobachter nicht ausgeschlossen, dass sich auch der drittstärkste Kandidat, der UDF-Politiker Bayrou, durchsetzen und in die Stichwahl kommen könnte. Wie sich seine Wähler in der zweiten Runde verhalten, wird wesentlichen Einfluss auf die Chancen der Kandidaten haben. Angesichts eines schwachen Le Pen und noch schwächerer ultralinker Kandidaten kommt Bayrou und seinen Wählern geradezu eine Schlüsselfunktion zu.
Da jedoch Bayrou eher dem ländlich-konservativen Frankreich zugeordnet wird, seine Partei UDF zudem traditionell eher mit Konservativen koaliert, ist nicht automatisch damit zu rechnen, dass Royal stark von seinen Wählern wird profitieren können. Es sei denn, Royal kann mit einer Art ‘versteckter Koalitionsangebot’ Bayrou bewegen, seine Wähler zu ihrer Wahl aufzufordern.
Andererseits hat Sarkozy sich im bisherigen Wahlkampf sehr als Rechter und profilierter Populist gezeigt – das könnte ihm nun Schwierigkeiten bereiten, die eher in der Mitte angesiedelten Bayrou-Wähler zu erreichen. Vielleicht deswegen war seine erste Rede nach den Prognosen von Weichspüler gekennzeichnet.

Nebenbei: zu massiven Problemen und Protesten führte auch in Frankreich der Einsatz von Wahlmaschinen. 1,5 der 44,5 Millionen Wahlberechtigten ‘konnten’ mit Wahlcomputern abstimmen. Oftmals lange Schlangen wegen Problemen mit der Bedienung der Computer. Zudem gründeten sich vielerorts Protestbewegungen gegen Wahlcomputer.

Der bisherige Präsidentschafts-Wahlkampf in Frankreich ähnelte für deutsche Verhältnisse oftmals eher einer inhaltsleeren Waschmittel-Werbung. Meist standen Personen, Emotionen und Ängste im Vordergrund, nicht etwa inhaltlich unterschiedliche Konzeptionen.

Die jetzige Zupitzung auf die Alternative ‘Sarkozy oder Royal’ lässt vermuten, dass auch in den kommenden Wochen bis zum 6. Mai eher die ‘keiner wäscht so weiß wie …’ – Slogans im Mittelpunkt stehen werden, nicht die Auseinandersetzung um unterschiedliche politische Konzepte. Zudem wird der in vielen Kreisen verhasste Sarkozy vermutlich zu einer weiteren Zuspitzung des Wahlkampfs, manche befürchten Spaltung des Landes führen.

Am 6. Mai wählt Frankreich in einer Stichwahl den nächsten Präsidenten. ‘Jeanne d’Arc’ und ‘Bonaparte’ im Hauptwaschgang – die Zeit bis dahin könnte heiß werden.

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Frankreich im Vorwaschgang

In Frankreich findet heute die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Sollte -wie erwartet wird- keine/r der 12 KandidatInnen im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreichen, werden die beiden KandidatInnen mit den meisten Stimmen am 6. Mai in einer Stichwahl antreten.

Die Umfragen sehen Nikolas Sarkozy (UMP/Neo- Gaullisten, Konservative) als Spitzenreiter, gefolgt von Ségolène Royal (PS / Sozialisten) und Francois Bayrou (UDF / Zentristen), während Le Pen (FN / Ultrarechte) kaum Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl eingeräumt werden. Das Dilemma dabei: der französische Wähler erwies sich in seinem Wahlverhalten zuletzt als schwer prognostizierbar, gerade Rechtsextreme erzielten in den vergangenen Jahren oftmals bessere Ergebnisse als prognostiziert.

Frankreich – ein Paradies? Nirgends in Europa geht man früher in Rente, nirgends ist die durchschnittliche Wochen- (und Lebens-) Arbeitszeit niedriger. Und doch – die Franzosen scheinen gequält von Ängsten, vor den Folgen und Notwendigkeiten von Liberalisierung und freiem Welthandel, Wirtschaftskrise, gesellschaftlichen Missständen und Arbeitslosigkeit, einem Niedergang der einst stolzen ‘grande nation’.

Royal, ex-Ministerin (unter Mitterand) und Gattin des PS-Vorsitzenden (und traurigen 2002-Verlierer) Hollande, stammt aus einer ehemaligen Arbeiter- und heutigen Arbeitslosigkeits-Hochburg. Sie streitet für soziale Gerechtigkeit, die 35-Stunden-Woche und gibt ein wenig die Inge Meisel, die Mutter der Nation.
In ihrem Wahlkampf blieb sie gern im Allgemeinen mit ihren Aussagen. Ja nicht festlegen, diese Devise (verbunden mit Kampagnen a la ‘Wähler dag mir was du willst’) verkaufte sie den Franzosen als partizipative Demokratie. Dabei fanden sich mit Themen wie Werte, Respekt, Nation gerade konservative Vorstellungen in ihrem Wahlprogramm. Mit Aussagen wie “ich bitte die Franzosen, das Wagnis zu wählen. Ich stehe für das gesicherte Wagnis” verlor sie sich oft in Gesichtslosigkeit, Sprechblasen und Peinlichkeiten (wie dem Lob der effizienten chinesischen Justiz).
Geschuldet sein mag dies der traumatisierenden Erfahrung von 2002, als Francois Hollande (ihr Mann), damals sozialistischer Kandidat, schon im ersten Wahlgang ausschied, Le Pen in die Stichwahl kam und Chirac zum Präsidenten gewählt wurde. Diese Erfahrung soll auf keinen Fall wiederholt werden.

Bayrou darf wohl als der einzige überzeugte Europäer betrachtet werden. Der katholische Zentrist vermied alle Provokationen, konzentrierte sich auf eine Darstellung als ‘einzige echte Alternative’ – obwohl auch er ein klassischer Vertreter des rechten Spektrums des französischen Politik-Betriebs ist. Dennoch gelang es dem sechsfachen Familienvater und ehemaligen Erziehungsminister erfolgreich, in das ursprüngliche Duell ‘Charme gegen Populismus’ als Dritter einzutreten.

Der machtbewusste und selbstüberzeugte Sarkozy hingegen veranstaltete einen strategisch geplanten Wahlkampf, der teilweise beinahe amerikanisch anmutete. Er, der immer betont, er sei stolz Franzose zu sein, will geradezu provozieren, suchte die Zuspitzung – auch um Wähler im Lager von Le Pen zu fischen, z.B. mit der Forderung nach einem Ministerium für nationale Identität. Le Pen wiederum ist wegen dieser Fischerei am rechten Ufer so sauer auf ihn, dass er Sarkozy (dem Kind ungarischer Einwanderer) absprach, ein ‘echter Franzose’ und möglicher Präsidentschafts-Kandidat zu sein und ihn als “politisches Gesindel” beschimpfte. So fielen auf Sarkozy beinahe wortgleich jene Formulierungen zurück, die er den jungen Protestierern in den grauen Vorstädten entgegen warf.
In dieser Banlieue, den grauen Beton-Vorstädte wie Argenteuil hingegen ist er zur Haßfigur geworden, seitdem er sagte, diese Viertel müsse man ‘kärchern’, als seien die protestierenden Jugendlichen der letzte Dreck. Hier schlägt ihm höchstens eine Reihe nackter Ärsche entgegen (die Geste des ‘mon cul’ entspricht in etwa dem ‘du mich auch’ oder ‘lmaa’). ‘Alles außer Sarko’ ist hier das Motto der Mehrzahl der jungen Menschen, die sich dieses Jahr besonders zahlreich zur Wahl einschrieben.

Le Pen gestaltete seinen Wahlkampf wie zu erwarten mit Parolen wie Frankreich sei das einzige Land, das es sich erlaube seine Einwanderer besser zu behandeln als seine Einwohner – und die Abschottung forderte.
Ansonsten bestach der weitgehend inhaltsarme Wahlkampf durch einige bizarre Äußerungen, wie die eines Kandidaten einer linken Splitterpartei, der ein ‘Grundrecht auf Konsum’ einforderte.

Der Einzug in den Elysée-Palast wird vermutlich erst in einer Stichwahl am 6. Mai entschieden. Dem/r Gewinner/in immerhin droht das am üppigsten ausgestattete Präsidentenamt Europas: mit einem Jahresbudget von derzeit 90 Millionen Euro ausgestattet, erscheint dagegen selbst die Queen mit 54 Mio.€ noch sparsam (Köhler: 36 Mio.€).

Dass Frankreich weiter nach rechts driftet – daran wird das Wahlergebnis, egal wie es ausgeht, kaum etwas ändern. Ein Sieg Sarkozys könnte zu einem Aufschrei in den Vorstädten führen, während der Zug nach rechts mit Bayrou und Royal geräuschloser wäre – aber nur graduell weniger konservativ.